Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 04, 1897, Image 9

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    vor Terel.
Ein Nachldild ton Philipp flnieft.
Der große Post und Schnelldampfer
Poseidon" lag seefertig auf der Rhede
und wartete nur noch der Post und Pas.
sagiew, welche mit dem Eztrazuge von
der oben am Strom gelegenen Stadt
eintreffen sollten. B!it der schon lang,
sain auflaufenden Fluth beabsichtigte
on ikapitän seinem Ziele, New Aoil,
zuzueilen.
Noch weilte er mit seiner jungen Frau
n ver adine.
Du bist ernster als sonst. Karl,"
sagte sie.
Nun, eine Winterreise ist niemals
tin Spaß, selbst wenn man einen so
tüchtigen Dampfer unter den Fiißen hat,
wie diesen. Und, daß ich' nur gestehe,
die Trennung on ihm, dem Posei
don", wird mir schwer werden. Ich
erhielt einen Brief von der Direktion,
nach welchem diese die letzte Reise sein
soll, auf welcher ich ihn fiihre; ich soll
einen neuen Dampfer haben!"
Draußen ertönte die Signalpfeife, ein
Dampfer rauschte heran.
Die Passagiere kommen, Jdal Ich
muß auf Posten sein!" er umarmte und
Hißte sein Weib.
Gott befohlen," rief er. Grüße
und kilsse die Kinder!"
.Auf Wiederfehen, lieber Karl!"
Ja auf frohes baldiges Wiedersehen!
Sei stark. Schatz! Ein Schifferweib
muß Muth haben und zeigen!" Beide
schritten an Deck.
Der Kapitän, Ehrenberg war sein
Name, führte seine Frau auf den Rad
kästen des schon auf Seite liegenden
Tenders und das Boot legte wieder ab,
der gegenüberliegenden kleinen Hafen
stadt zudampfend. Ein weißes Tuch
sah man noch an Bord wehen, der Ka
pitSn fand aber kaum Zeit, den stein
wen Abschiedsgruß seines WeibsS durch
ein Winken mit der Hand zu beant
Worten.
Er stand mit dem Lootsen und eini
gen Offizieren auf der Kommando
brücke! die Schraube setzte sich langsam
in Bewegung, der Riesendampfer durch
. schnitt majestötisch die Wellen des Stro
mes, der See zueilend.
In den Statuten und im Zwischen,
deck herrschte die beste Stimmung.
Jeder hoffte auf aale Fahrt!" Die
Gläser klangen, fröhliche Zurufe ernt,
orteten ihm.
Na," brummte der Loolse, welcher
wüt in der Nacht den Dampfer Jltmo
von einem holländischen Hafen in See
gebracht hatte und jetzt in dem Boote
faß, welches ihn wieder an ,den in der
Nähe kreuzenden Schooner bringen sollte,
na, wenn das Unthier gut überkommt,
will ich es loben! Der Kapitän schläfrig.
die Mannschaft benebelt! Habe ich
doch zwei Stunden warten müssen, bis
die lktzten wankenden Matrosen aus dein
Wirthshaus? an Bord kamen! Jndeffen
doch. Kinder und Betrunkene kennen
keine Gefahr und kommen selten darin
um .... Da stürmt er nun wie ein toller
Hund los und hat wohl kaum 'mal
seine Signallaternen in bester Berfas
sung!"
Der Ncmo", ein aller, aber starker
Kohlendampfer, war in Ballast nach ei
nem nördlichen Hafen Großbritanilien'S
bestimmt. Nachdem der Kurs angege
den und dem Steuermann das Eom
mando übertragen und die Weisung ge
worden war, vorsichtig zu sein, ging der
übermüdete Kapitän zu Koje. Im Ma
schinenraum verrichteten die Maschinisten
und Heizer mechanisch ihre Odliegenhei
ten, die Maschine war auf volle Kraft
gestellt. Im Uebrigen ließen fie den
lieben Gott einen guten Mann sein,
rubten sich gemächlich aus, nur von
Zeit zu Zeit gewohnheitsmäßig auf
Manometer und Wasserstandsgläser se
hend.
Draußen regnete nnd schneite es bei
starker Brise, doch arbeitete der Dampfer,
der den Wind von Achter hatte, nicht
schwer. Die Lust war sichtig.
Der Steuermann ging auf der Eom
manoobrücke auf und ad und blickte
dann und wann mit dem Nachtglase in
die Ferne; vom auf der Back kauerte
der wachthabende Matrose, fast einge
hüllt in Oelzeug und bedeckt mit dem
Südwester, sich manchmal schüttelnd,
wenn zu arge Spritzer über den Bug
kamen. Ob er ganz klare Augen hatte
Niemand außer ihm selbst konnte das
wissen. Auf der wallenden schwarzen,
oft phosphorartig aufleuchtenden Was
serftäche vermochte er nichts llngewöhn
licheS zu entdecken, so wenig wie der
Steuermann aus seinem Posten.
Räch und nach ward es dem Steuer
mann ungemüthlich zu Sinne; ihn fror,
fühlte Verlangen nach etwas War
mem. Wieder benutzte er sein Rächt
glas und schaute minutenlang hindurch,
den Horizont ringsum absuchend.
Hm, hm!" sagte vor sich hin,
drüben östlich tauchten die Lichter von
gischkrfadrxugen aus. Denen laufen
wir au dem Wege. Sonst all
right!"
Er stieg die Treppe hinab, rief im
Vorbeigehen den Mann am Ruder an
und verfügte sich in die Kamdüse, wo
n sich vom Koch eine Bowle Kaff de
reiten und einschenken ließ, den er unter
deitenm Geschwätz und Gelächter aus
schlürfte.
Der Remo" lief mit wohl zehnMei
ln Fahrt vorwärts. Aus den geöffne
tk Tdüren d KeffelS, der nem oh
len empsing. leuchtete roth und unbeim
ich der Feuerschein herauf.' Feine
Gclegenhkit, Steuermann!" meinte der
Jahrgang 17.
Koch. Der Angeredete schmunzelte. Da
plötzlich ein fürchterlicher Krach!
Tief tauchte der Dampfer mit dem
Bug hinab, bebte und krachte in allen
Fugen. Wirbelnd drehte er sich um
seine Achse, schüttelte sich und taumelte
trotz des vorwärts arbeitenden Maschine
zurück. Der Mann von der Back stürzte
wie wahnsinnig herbei, aus dem Bolks
logiS krochen ernüchtert die halbbekleide
ten Leute, der Kapitän erschien aus
Deck.
WaS war das?" schrie er. Um
Himmelsmillen, wir sinken! Stop!"
telegraphirte er in den Maschinenraum
hinab."
"No nshermen a ffreyliound!
rief der Steuermann, Konnte denn
der Satan kein Signal geben, uns zu
warnen?"
Ja, so sind diese Hunde!" schalt
der Kapitän. Da sauft er hin in
oller Fahrt und kümmert sich nicht
um uns. Wir können versaufen wie
Ratten!"
Er stürzte nach born. Der Steven
über Waffer war gebrochen, der Bug
eingedrückt, die Anker lagen in Stücken,
das CollisionsCompartement war oll
Waffer, aber die Schotten dicht und das
Schiff sonst unbe chädigt.
Man klarte Alles nach Möglichkeit
auf, während die Maschine langsam
arbeitete und der Dampfereinen großen
Kreis beschrieb.
.Das ist noch gut gegangen," sagte
der Kapitän. Aber, wie war's nur
möglich?. . . . Kurs wieder auf Holland
setzen, wir mllffen im nächsten Hafen
repariren. Wer war wohl der Kerl,
der uns angerannt hat? Melden wird
er sich gewiß nicht ! Zu sehen ist gar
nichts mehr von ihm, das saust durch
die See mit Eisendahngeschwindigkeit !"
Ein deutscher Dampfer war'S ge
Wesen, der Poseidon !"
Die Paffagiere lagen in tiefem
Schlafe; nur die wachhabende Mann
schuft war an Deck, der Kapitän mit
dem zweiten Ofsizier und dem englischen
Lootsen, der das Schiff durch den Kanal
zu bringen hatte, auf der Brücke. Die
gefährlichste Paffage hier, nahe Tezel,
wo so diele Dampfer ihre Kurse kreu
zen, lag hinter dem mit IS Meilen
Fahrt durch das Waffer rauschenden
wackeren Schnelldampfers. Kapitän
Ehrenberg, der in dem kalten und naf
fen Wetter fast unausgesetzt auf seinem
Posten ausgeharrt hatte, bedürfte einer
Erquickung. Er spähte scharf mit dem
Nachtglase, ob auch irgend etwas in
Sicht sei, das Gefahr dringen könnte
und besondere Aufmerksamkeit erfordern
möchte. Ganz in der Ferne leuchteten
schwach die Pofttionslaternen eine
Dampfers, der jedoch ohne allen Zwei
fel so anlag, daß er an dem Kurs des
Poseidon" nicht kreuzen konnte.
Achten Sie genau auf," sagte er im
Abgeben zu dem Ofsizier, und wenn
das Geringste passirt, lagen Sie mich
sogleich rufen !
Der Offizier patrouillirte auf der
Brücke, dann und mann stillstehend und
ein Fernglas benutzend. Die vorher
schon gelichteten Signallichter rückten
allmählich näher, ohne jedoch viel von
ihm beachtet zu werden, obgleich der
Lootse den Kopf schüttelte. Er meinte,
daß der Kapitän beffn wieder auf die
Brücke komme, oder doch wenigstens ein
Signal mit der Dampfpfeife gegeben
werden müsse.
Beides ist nicht nötvig, oot e ! Ver
Dampfer dort passirt weit achter uns !
Und wozu sollen wir die Paffagiere
durch einen meiner Meinung nach un
nöthigen Lärm erschrecken?"
Der alte Mann schwieg, Ichaule dann
aber scharf nach Backbord hinüber.
Plötzlich rief er überlaut: Achtung !
Da ist er l Ruder steuerbord !"
Zu spät!
In demselben Augenblick fast erfolgte
ein donnergleicheS Getöse, ein kleiner
Dampfer glitt vorüber !
Der wird selb am meinen genügt
haben!"
WaS m ge cheben?" riet apitän
Ehrenberg, der wieder auf der Blöcke
erschien. Halt!" telegraphirte er in
den Maschinenraum hinab. .Rück,
wär! Rückwärts!.... Alle Schotten
geschloffen I'
Der Poseidon" schoß mit unheim
licher Geschwindigkeit fort, die Maschine
stand still, arbeitete dann aber auch nicht
rückwärts.
Der Kapitän wiederholte sein Vom
mando.
Vergebens! Keine Antwort! Er er
bleichte.
Da stürzten auch schon die eier aus
Deck. Das Waffer strömte wie eine
Kaskade in die Maschinen und Kessel,
räume hinein und verlöschte die Feuer.
Der erste Ingenieur fand eben noch
Zeit, die Ventile zu öffnen. Tn Dampf
entwich heulend aus den Röhren.
Der Poseidon" w zu o gnros.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
fen. Alle Mann standen an Deck. Die
Böte klar!" commandirte Ehrenberg.
Die Paffagiere wecken! Kinder und
grauen zuerst retten !"
Der Dampfer, noch kraft des Be,
barrungSvermögenS mit furchtbarer
Schnelligkeit fortrasend, sank schnell
weg, denn der gewaltige Andrang des
Wassers sprengte alle Schotten, riß die
Nieten der Berbindungen auseinander.
Halbbekleidet eilten einzelne Pana,
giere an Deck und stürmten nach den
Böten, welche die Mannschaften unter
Leitung der Ossiziere klar zu machen
sich bemühten. Bergedlich I feie wuv
den auf Backbordseite vom Strom hin,
weggerissen, mit den Unglücklichen, die
sich an sie angeklammert hatten. Nur
ein einziges Boot auf Steuerbordseite
mit einigen Paffagieren und dem ersten
Ofsizier kam zu Wasser. Die Besatzung
bewahrte die größte Ruhe und Kalt'
bllltigkeit.
Gehen Sie, Lootse I' bat Kapitän
Ehrenberg den alten Engländer. Stet,
ten Sie ihr Leben Wenn Sie an
Land kommen, bestellen Sie meinen
letzten Gruß an Weib, Kinder und an
die Rhederei! Ich sterbe aus meinem
Posten. Die letzte Reise mit dem
Poseidon"! Der Dampfer, wir Alle
sind unrettbar verloren !"
Der Lootse drückte ihm die Hand,
sprang über Bord und wurde von dein
Boot aufgesischt. Er winkte noch dem
Kapitän, der ihm zuries :
Auf Wiedersehen droben !'
Der Poseidon" sank immer schnel
ler. Händeringend und schreiend ftan
den einzelne Passagiere, andere mit
zum Gebet gefalteten Händen da, ernst
und ergeben harrte die Mannschaft
aus.
Noch ein furchtbarer Verzweiflung?
schrei, dann schloß sich wirbelnd und
gurgelnd das Wasser über dem stolzen
Bau, in dessen Kajüten und Zwischen
decken Hunderte im Schlafe einem jähen
Tode verfallen waren.
Der Nebel,, der Nebel ! Ach, hätten
wir nicht die Stunde Verzögerung ge
habt I" sprach der alte Lootse vor sich
hin. O, schwer ist'S, sich in Gottes
Willen und Wegi sinden. Dieses grüß
liche Unglück ! Wehe dem. der es ver-
schuldete !"
Das Boot mit den einzigen Ueber
lebenden ward von einem Fischermann
aufgenommen. Der Dampfer Nemo"
erreichte mit größter Mühe einen hol
ländischen Hafen.
Verhängniß und Schuld l
Aufgabe des irdischen Richters war
es, das Maaß von Beiden zu beftim
men; völlig aber vermag es nur die
ewige Gerechtigkeit, vor welcher auch
das Verborgene offen und klar daliegt.
Die guten freunde.
Eriminal-Novelletle von W. T a i i t u r.
Ja. eS ist recht traurig für uns".
sagte Miß Melinda, er war solch' hüb
scher begabter Junge; nicht wahr,
Marh?"
Ja. das war er", versetzte die ältere
Schwester; er war die Freude und
da Licht unseres Hauses. Wenn
doch nein, ich kann es nicht ertragen,
von ihm zu sprechen.
Mary Gretwell schwieg und Thränen
traten in ihre Augen.
Arme, theure Freundinnen", dachte
ich mitleidig, als ich meiner Wohnung
zuschritt. ES ist wirklich recht traurig
für sie, daß ihr einziger Bruder den
Verstand verloren hat. Es ist noch ein
Glück, daß sein Wahnsinn etwas härm
loS ist, sonst hätten sie ihn in ein Irren
hauS bringen müssen !"
Die Damen Gretweu lebten seit un
gefähr zwölf Monaten in unserem klei
nen Dorfe und waren s nett und
freundlich zu Allen, da ihnen Jeder gut
war. So vergingen auch keine drei
Monate, und das ganze Dorf liebte sie.
Der Herr Pfarrer lobte ihre Tugenden,
ihre Güte, ihr Wohlwollen, ihr Mit-
leid, und feine Meinung wurde von
Allen, die sie kannten, getheilt.
Man kann sich daher denken, daß
uns die beiden alten Jungfern in tief
per Seele leid thaten, als mir erfuhren,
daß ihr Bruder, ein hübscher junger
Mensch, der bedeutend jünger als fie
war, seinen Verstand verloren hatte.
Ernst war Prokurist tn einem Londoner
Hause gewesen, in dem er bereits seit
fünfzehn Jahre conditionirte. Eines
Tages war seinem Ehef eine große
Summe eldeS gestohlen und er halte
nichts Eiligeres zu thun, als den iu
gen Gretwell des DiebftahlS zu beschul
digen. Mary Gretwell erzählte mir
wend den Vorfall.
Ich kann nicht beweisen, daß Sie
der Dieb sind", hatte der öhef gesagt.
.dkch ich selbp hege nicht den geringsten
Zweifel." Dann gab er ihm ein Mo
natsgehalt und entließ ihn.
Diese ungerechte Behandlung wirkte
derart aus den jungen Mann, daß er
in Trübsinn verfiel, und drei Monate
darauf war er unheilbar irrsinnig.
Seine Schwestern, die ihn innig lieb
ten, zogen mit ihm nach Whchford, wo
er in der liebevollsten Weise behandelt
wurde. Er war ein sehr hübscher
Mensch mit kräftigem Gesicht, und
wenn ich ihn mit seinen blöden Augen
und seinem idiotenhaften Grinsen im
Garten herumirren sah, so konnte ich
mich eines tiefen Mitleids nicht tt
wehren. Uns allen fiel eS auf. wie ruhig und
philosophisch sich die Damen Gretwell
in ihr Schicksal fanden; und eines
Tages drückte ich ihnen darüber mein
Erstaunen aus.
Aber liebe Freundin", riefen beide,
was hatte es für einen Zweck, zu kla
gen? die Prüfungen im Leben bleiben
Keinem erspart, doch man darf sich da
von nicht niederbeugen lassen. Glauben
Sie aber : wenn wir auch nicht darüber
sprechen, wir leiden doch darunter."
Ernst Gretwell war bereits einige
Monate bei seinen Schwestern, da kam
Miß Melinda eines Morgens in der
größten Ausregung, mit fliegenden
Haaren in meinen Garten gestürzt und
rief, halb ohnmächtig in ein Stuhl
sinkend, den ich ihr hinschob :
Miß Hur, Miß Hur, man hat
unsbeftohlm!"
Jawohl", fuhr Miß Marv fort, die
ihr auf dem Fuße folgte, all' unser
Geld ist fort I"
Auch unser Silberzeug!" erklärte
Miß Melinda, und auch die Hochzeits
geschenke unserer theuren Mutter !"
Glauben Sie, daß man bei Ihnen
eingebrochen hat?" fragte ich furchtsam,
denn wir wohnten HauS an Haus,
und ich hatte große Angst vor Ein-
brechern.
Jawohl! ' erwiderte Mary, aber
überfeugen Sie sich selbst die Schur
ken haben ein GlaS im Vorzimmer ein
gedrückt!" Haben Sie denn nichts gehört?"
fragte ich, als ich mit in ihre Woh
nung gegangen war. Haben Sie Jane
schon gefragt?"
Jane war ibr einziger Dienftdote,
eine alte Person von vierzig Jahren,
welche die Schwestern mitgebracht hatten.
Sie hat den Einbruch ja entdeckt!"
versetzte Mary, gehört hat sie keinen
Ton, denn Sie wissen ja, sie ist ein bis
chen taub."
,Und Ihr Bruder?"
,Oh. es wäre unnütz, den zu fragen
er würde uns ja nicht verstehen, der
arme Junge."
In diesem Augenblick erschien Ernst
Gretwell in dem Zimmer, und der blöde
Blick, mit dem er mich anstarrte, bewies
mir zur Genüge, da seine Schwester
wahr gesprochen hatte."
Die Polizei wurde gerufen, doch ne
konnte nichts entdecken: und nach eini
gen Wochen war der Vorfall vollständig
vergessen.
Es war Mitte Juni; ich saß in un-
serem Garten und schnitt Bohnen, als
ich Miß Melinda eintreten sah.
Wir haben eben einen Brief von
unserem Rechtsanwalt bekommen, Miß
Hurst." sagte sie zu mir, und Mary
mußte sofort nach der Stadt fahren.
Ich fürchte, sie kommt heute nicht mehr
zurück, und da möchte ich Sie bitten,
doch den Nachmittag bet mir zu bleiben
und die Nacht bei mir zu schlafen. Seit
bei uns eingebrochen wurde, fühle ich
mich durchaus nervös, und ich fürchte
mich, allein zu schlafen. Jane ist ja
allerdings bei mir aber die hört ja
nie etwas; wollen Sie mitkommen und
mir die Freundlichkeit erweisen?"
Ich willigte mit Freuden ein und
begab mich um sieben Uhr nach Myrtle
Cottage, wo ich mit Miß Melidna ein
wenig Schach spielte. Um halb elf
gingen wir zu Bett und ich verfiel
bald in einen tiefen Schlummer. Um
sieben Ubrer wachte ich, denn ich hörte,
wie heftig an der Schlafzimmerthür
gerüttelt wurde. Ich sprang aus dem
Bett und erblickte mein kleine? Dienst
mädchen, das mir jede Frage mit den
Worten abschnitt:
Fräulein. Fräulein, die Einbrecher!
Sie find in unlerem Haus gewesen!"
Mit Blitzesschnelle kleidete ich mich an
und eilte nach Hause. WaS sahen
meine uqenl Fast jedeS Zimmer war
duichmüblt, und Alles lag im wüsten
Durcheinander auf dem Boden. Der
einzige Trost war, daß sie nichts sehr
Wertdvollks gesunden hatten, und ich
freute mich bei dem Gedanken, daß sie
das HauS ziemlich enttäuscht verlaffen
haben mochlra.
Schnell schickte ich rnein
nach der Polizei und setzte mich traurig
auf einen Stuhl: da siel mein Blick auf
inen kleinen goldenen Ring mit einem
No. 37.
großen Brillanten. Ich betrachtete den
Ring erstaunt, denn derselbe ward?
Eigenthum des wahnsinnigen Ernst
Gretwell.
Wie kommt denn der in mein
Haus?" fragte ich mich, doch ich erin
nerte mich schon im nächsten Augen,
blick, daß ja auch bei meinen Nach,
darsleuten eingebrochen worden war.
Es mochten wohl dieselben Diebe ge,
Wesen sein, und einer derselben konnte
den Ring in meinem Zimmer verloren
haben. Ich stand schon im Begriff, zu
meinen Freunden zu eilen und ihnen
meine Entdeckung mitzutheilen, als ein
Polizei-Jnspektor mit zwei Beamten auf
dem Schauplatze erschien. Derselbe bat
mich um eine geheime Unterredung und
als ich alle seine Fragen beantwortet
hat!e, erzählte ich ihm auch von dem
Ring. Er hörte aufmerksam zu und
sagte dann:
Ja, mein Fräulein, Sie haben
ganz recht: ich glaube auch, daß es in
beiden Fällen dieselben Diebe gewesen
sind."
Darauf nahm er mir das Versprechen
ad, Niemandem, nicht einmal den Gret,
well's, etwas von meinem Funde zu er,
zählen, und sagte dann zum Schluß:
Ich habe große Hoffnung, daß wir
die Diebe bekommen werden, verlaffen
sie sich nur aus mich. ,
Einige Zeit war vergangen, und ich
hätte mich wirklich recht unglücklich ge
fühlt, hätten mir die beiden alten
Jungfern nicht mit ihrer Hilfe zur
Seite gestanden. Sie waren recht gut
zu mir, und es that mir tn der Seele
weh, daß ich ihnen nicht erzählen durfte,
ich hätte den Ring ihres Bruders ge
funden.
Eines Tages, als sie gerade bei mir
eine Taffe Thee tranken, sagte Miß
Mary zu ihrer Schwester:
Ich kann mir gar nicht denken, liebe
Linda, was aus Ernst'S Ring geworden
ist! wir können ihn nirgends finden!"
Ich sah ihn noch in der vorigen
Woche an seinem Finger; vielleicht hat
er ihn im Garten verloren!" meinte
Miß Melinda.
Natürlich wußte ich, daß sie sich inte,
und mußte mich sehr beherrschen, daß
ich nicht mit der Wahrheit herausplatzte.
Um meiner Sache aber ganz sicher zu
fein, fragte ich:
Meinen Sie den goldenen Ring
mit dem großen Brillanten in der
Mitte?"
Gewiß, er hat ja gar keinen an
deren," versetzte Miß Mary eifrig.
Eine halbe Stunde, nachdem mich
die beiden Damen verlassen, erschien
der Polizei-Jnspektor McReigh.
Es wird Sie freuen, wenn ich Ihnen
mittheile. Miß Hurst," begann er,
nachdem wir uns begrüßt hatten, daß
unsere Bemühungen on Ersolg gekrönt
waren; wir haben die Einbrecher, und
das derdanken wir einzig und allein dem
goldenen Ring."
Das freut mich!" rief ich, hoffent
lich bekommen auch die Gretwells ihr
Eigenthum zurück!"
Ich fürchte, nein," versetzte er, in
lautes Lachen ausbrechend. Sind Sie
denn übrigens nicht neugierig, zu er
fahren, wer denn eigentlich die Diebe
find?"
Ja, kenne ich fie denn ?" rief fie er
staunt.
Gewiß kennen Sie sie sehr gut. Es
sind ja die Gretwells."
Starr wie eine Statue sank ich auf
einen Stuhl, und blickte ihn an.
Ja. ja, Miß Mary und Miß Me
linda, wie Sie sie nennen, und ihr ar
mer wahnsinniger Bruder, der eigent
lich der Sohn von einer von ihnen ist
und ebensowenig wahnsinnig ist wie Sie
oder ich find berüchtigte Dieb. Sie
waren erst vor einigen Monaten aus
dem Gefängniß gekommen, wo fie län
gere Zeit gesessen haben. Mein Arg
wohn wurde sofort rege, als ich die Ge
schichte von dem Ringe hörte."
Aber die G.etwells find ja doch
selbst beftohlen worden!" rief ich außer
mir.
.Mein verehrtes Fräulein." versetzte
er, dieser Diedftahl war nichts weiter
als ein Schwindel."
Ja. jetzt verstand ich ihn, und ich
starb fast vor Scham und Furcht, als
der Inspektor mir sagte, ich müßte vor
Gericht Zeugniß gegen meine früherm
Freunde ablegen.
Die Verhandlung fand wirklich einige
Zeit spüln statt: und IS ich gehört, daß
Melinda und Mary jede zu sieben Iah
ren Zwangsarbeit verurtheilt worden
war, fiel ich in Ohnmacht.
Der Inspektor trug mich aus dem
GerichlSsaal. und seitdem ist er noch oft
zu mir gekommen, um ein Stündchen
bei mir zu plaudern oder eine Taffe
Thee zu trinken. Gestern hat er um
meine Hand angedalten, und in zwei
Monaten werde ich mit ihm vor den
Altar treten.
Da deutsch Lied.
Der New Yorker Männergesangvereln
Liederkranz" feierte vor einigen Tagen
sein goldenes Jubiläum. Der erste Be
richt der Staatszeitung" trug da
schöne Motto:
Als wir entfloh'n au Deutschland'S
Gauen,
Durchglüht don jungem Wanderdrang,
Um fremder Länder Pracht zu schauen.
Zu lauschen fremder Sprache Klang:
Da gab zum Segen in die Feme
Die Heimath un? ihr deutsches Lied.
DaS nun, gleich einem guten Sterne.
Mit uns die weite Welt durchzieht.
Wohin auch unsre Wege führen.
Zum Steppensaum, zum Meeresport,
Wo immer wir ein Heim uns küren.
In tiefen Süd. im hohen Nord:
Der deutschen Heimath Segensgabe
Von uns'rer Schwelle nimmer flieht,
Und als des Herzens schönste Habe,
Bleibt heiligZuns das deutsche Lied.
Der schlau Dakl.
Ja, ja, meine Herrn," erzählte der
alte Förster am Stammtische, man
soll gar nicht glauben, wie gescheidt die
Hunde sind! Das mußten einmal einige
Freunde von mir zu ihrem Schaden ei
fahren.
Im grünen Kranz" lebte vor eint
gen Jahren eine Wirthin, die berühmt
war durch die vorzügliche Zubereitung
von Hasenbraten. So kam es denn,
baß wir während der Jagdzeit all
wöchentlich dort einkehrten und uns den
Hasenbraten, den natürlich ich bestellen
mußte, wohl schmecken ließen. Da gab
es allerlei schlechte Späße, darunter
auch den, daß man den Verdacht aus
sprach, der Braten stamme don
einem D ach h a en . Nun, ich ließ
mir, ebensowenig wie die Andern, den
Appetit erderben, denn Jeder wußte,
daß es ein Spaß sei. Kein Mensch aber
dachte an meinen Waldl, der ruhig un
ter dem Tisch lag und die Schnurren
mitanhörte.
Eines Abends, als eS wieder Hasen
braten gab, trete ich mit meinem Dackl
in die Stube und sehe auf der Ofenbank
den HauSkater sitzen. Waldll" ruft.
um mich zu ärgern, einer von den schon
um die dampfende Platte Versammel
ten, Waldl. such' 's Katzel!" WaS
geschieht mein Hund schaut auf den
Kater, dann leuchtet es plötzlich auf in
einen Augen; flugs prlnat er aus den
Tisch, packt unsern schönen Hasenbra
ten und verschwindet damit.
Das chlaue Vieh hatte sich offenbar
der Späße meiner Freunde erinnert und
sich dieselben zu Nutzen gemacht."
Sicher Beweis.
Lord Marldorough war ebenso wegen
seiner Tapferkeit berühmt wie wegen
seines Geizes berüchtigt, und namentlich
von dem letzteren erzählte man sich zu
seiner Zeit eine Menge Geschichten.
Eines Tages bat ein Bettler den
Lord Petermarlborough um ein Almo
fen, nannte denselben aber irrthümlich
Marlborough.
Ich bin nicht Lord Marlborough",
versetzte der Angesprochene, und um
dieses zu beweisen, haben Sie hier eine
Guinee. die Sie von jenem nie erhalten
haben würden."
Terra incognita.
Sergeant (zum Soldaten): Ihnen
ist das Exerzieren auch so 'ne Art
terra cotta!"
Druckfehler.
....Mit besorgter Miene erklärte der
Diener, daß die gnädige Frau am Zun
genschlag bedenklich erkrankt sei.
ksöchst einfach,
Professor: .Ich will Ihnen ein
Rechtsfall vorlegen: Zwei Schweftern
schlafen zu gleicher Zeit mit ihren zwei
Knaben im nämlichen Zimmer. Da
die Kleinen sich sehr ähnlich warm, so
verwechselten die Kindsmägde die Kin
der, und Niemand wußte, welche Kind
der einen und welche der anderen
Schwester gehörte. Wie würden Sie
da entscheiden?"
Kandidat: Wissen Sie gewiß, Herr
Profeffor. daß die Kinder verwechselt
worden sind?"
Professor: Natürlich! Ich sagte ja
schon!"
Kandidat: So! gut. dann tauscht
man eben einfach die Kinder gegmseitta
wieder aus."
Gwßartig.
Zofe: Ab, Herr Baron, wünsche
den Herrn Kommerzienrath jedenfalls
in Geldgeschäften zu sprechen bitte,
zweite Tbür rechts."
Der Baron entledigt ck seine U,i..
odt, und ein Frack kommt zum Vor
Ah. Herr Baron, wollen einen Hei
rathsantrag machen HeirathsantrLae
bitte dritte ihflt links."
lvahrscheinlich,
Gestern habe ich dor Vergnügen
mehrere Purzelbäume geschlagen!"
Da sind Sie wohl auf Ihrem Rad
gesahren?"
vaker.
Schuldner: Der Rock ist übrigens
viel zu weit, Meister "
Schneider: Selbstverständlich; jetzt.
m i am Zahle geht, find Sie auch
lange nicht mehr f, aufgeblasen, wie
damals, wo Sie ihn sich haben anmegeu
lagen!"
i