Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 04, 1897, Image 12

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    Pas erste wort.
KotxUftK 0011 Cito Reuter.
Schon der dritte Ball: und noch
immer hatte er sich nicht erklärt l Jräu
lein Else war wirklich böse aus ihn,
und schnippisch wandte sie sich ab, als
Herr Ernst Hartes, der junge hübsche
Baumeister, sie abermals zur Quadrille
engagirte.
.Es thut mir leid. Ich bin bereits
engagirt". entenete sie auf seine höf.
liche Fragt, o! er die Ehre haben
konnte. ,
Erstaunt blickte Hm Härtel sie an.
kie falte ihm doch auf dem vorigen
L'all Die nächst? Quadrille versprochen :
lud nun?
in itislAt keinen Einwand, und
d rbeute sich ehrerbietig, einen leichten
Seuszer unlerdruacno. xrnn er
iAm,inh tr in der Menae der Serren.
Kelche sich um den Eingang m den
festlich geschmllen &aai zu,ammen
hrÄMrtttftl
Ik Kli, ihm mit üraerlickiem
Lächeln nach. Sie war noch gar nicht
engagirt, sie balle ihn nur au? me
Probe stellen Wollen, 00 er oenn uoer,
hnurt nM nns (nnn bkklicben Zurück,
Haltung und Schüchternheit ,u erwecken
war. Nein, auch dieses Mittel half
tiiiftt fwrr fiArtel war viel tu böflickl
und schüchtern, als daß er fich einen
Einwand erlaubt Haben wurde.
Und wenn Elf; nun sitzen blieb?
Wenn Ernst entölte, daß sie die Un
Wahrheit gesagt, nur um nicht mit ihm
tanzen zu müssen? Sie erröthete vor
Unmuts) und Aergcr bis unter die duf
tigen blonden Söckchen, die ihre Stirn
umkräuselten. und in ihren blauen
Augen stieß eS heiß empor, wie von un
terdrückten Thränen. Mußte Ernst fte
nicht für launisch ooer gar loten vat
Kn? Mußte er nicht annehmen, daß
ihr seine schüchternen Huldigungen un
angenehm waren?
Aergerlich über sich selbst begab sie
fich in ein Nebenzimmer, nahm meinem
versteckten Winkel Platz und dachte über
ihre unglückliche Liede" nach.
Sie konnte ihm doch ihre Liebe nicht
erklären er als Mann mußte doch
das erste Wort sprechen !
Wie lange wartete sie schon in heim
lichem KlückSgefühl auf dieses besclU
nii Mort ! rn Sommer batten sie
sich auf Rügen kennen gelernt, als sie
mit Mama einige Wochen in m,
weilte, und Ernst Studien halber die
schöne Insel durchstreifte. Damals
schon hatte fich die Liebe in ihre jungen,
hossnungsseligen Herzen geschlichen,
und mit einem innigen Auf Wieder
sehen diesen Winter!" waren fie von
einander geschieden. Der Winter war
gekommen : Ernst erschien zu den Ge
sellschafts Abenden und Bällen, welche
der Club, defs;:: Mitglieder Else's
Eltern waren. veranstaltete. Sie hatte
ihn mit herzliche Eeberde und einem
glücklichen Lächeln auf den Lippen be
grüßt. Auch in s.'inen braunen Augen
leuchtete eS wie in geheimem Glück auf.
doch seine Lippen schmiegen, und schlich
tern senkten sich s-ine Augen, wenn er
eS überhaupt einmal wagte, sie zu ihr
auszuschlagen.
Drei Bälle sa mein Gott, ihre
Freundin Erna Izatte sich bereits nach
dem ersten Ball dlobt, und Tilla Hel
der war sogar auS dem Seebade als
erklärte Braut des Assessors Mertens
zurückgekehrt.
Wenn sie sich getäuscht hätte wenn
Ernst sie überhaupt nicht liebte? !
Das Blut walte ihr heiß zum Her
je n, un eine leichte Bläffe überzog ihre
äiwien. Rasch erhob fie fich: fte
mußie d?ch sehen, ob Ernst eine andere
Dame zur Quadrille engagirt hatte.
Da trat Lieutenant von Mavelung
auf fie zu. Sglirenklirrend schlug er
die Hacken zusammen, indem er sich tief
verbeugte.
Meine Gnädigste welch' ein Glück.
Sie noch nicht engagirt zu sehen ! Darf
ich um die Ehre bitten?"
Elfe zauderte einen Moment. Sie
hätte am liebsten auch dem Lieutenant
einen Korb gezeden. Aber plötzlich be
gegnete ihr Blick den Augen Ernst'S,
der in der Thür zum Tanzsaal stand
und fie traurig beobachtete. Er durfte
nicht ahnen, daß fie vorhin die Unwahr
heit gesagt, rasch legte fie die Hand in
den Arm deS Lieutenants und schritt
mit ihm in den Saal, wo fich die Paare
den zur Quadrille aufstellten.
Mit trübem Blick sah Ernst Härtel
dem Paare nach. Ja, ja. Lieutenant
von Madelung war ein weit flotterer
Tänzer als er. Besonder? in der Qua
drille beging tr selbst Fehln übn Feh
kr. und dit Damen lachten ihn stets
aus, wenn er eS einmal versuchte, die
flotte Manier Im Offiziere nachzu
ahmen.
Du lieber Gott, wo hätte n dieses
flotte Tanzen. leseS kecke Plaudern,
diese wkltmänni'che Art und Weise im
Verkehr mit d Damen auch lernen
sollen? Die Z.'it der Tanzstunde lag
weit, weit zurück. Dann waren Jahre
der harten, schmr?n Arbeit gekommen,
in denen er außr mit feinem alten
Mütterchen un seiner Schwester mit
kkiner Damt gesprochen batte. Und als
er fich eine geachtete Stellung unter den
Architekt und Künstlern dkr Residenz
errungen, hatte kr kaum Zeit gesunden.
Damengksellschzft aufzusuchen. Erst
die Belinntschaft mit Frau Regie
rungsrath Winter und deren lieblichen
Tömterchen Else hatte ihn dazu Der
möcht, sich in den Klub aufnehme zu
lassen. Und Wie hatte fie ihn auf dem
ersten Ball s freund! ch orgTÜfetl Wü
hatte sie so herzlich und gutmüthig über
seine kleinen Ungeschicklichkeiten beim
Tanz gelacht! War fie doch in solch
herziger Weise seine kleine Tanzmeisterin
aus den Bällen und GcsellschaftSabenden
gewesen I
Das Herz wurde ihm warm, wenn
er daran dachte. Wie oft hatte er ihr
schon in innigen Worten seinen Dank
aussprechen wollen seinen Dank aus
freier Liebe, dit sich in stinem Herzen
erbarg, wie ein scheue? Vögelchen in
seinem Nest. Aber er wußte nicht, wik
er e? ansangen sollte; er stockte und er
röthete jedesmal, wenn er von seiner
Liebe sprechen wollte. Er fand das
rechte Wort nicht. Wenn er doch nur
einmal die Keckheit de? Lieutenants von
Madelunz besessen Hütte I
Traurig wandte er fich ab, er mochte
das bunte, glänzende Gewühl des
Tanzsaales nicht me!r seyen und wollte
einen stillen Winkel aufsuchen, wo er
sich seinen düsteren Träumereien hin
geben konnte.
Da siel sein Blick auf einen Fächer,
welcher einsam und vergessen aus einem
Stuhlt lag. Da? war Else'S Fächer
erkannte ihn nur zu genau; hatte er
doch diesen Sommer aus Rügen eine
kleine Seelandschaft darauf gemalt zum
Andenken an die gemeinsam verlebten
schönen Stunden am rauschenden iucee
resftrand.
Er nahm den Fächer in die Hand,
und entfaltete ihn. Mit wehmüthigem
Lächeln ruhte sein Blick auf der kleinen
Seelandsgatt. Die weinen, von gru
nem Wald gekrönten Kreidefelsen stiegen
wieder vor seinen Augen auf, der
Strand, an dem fte oft aus und abgc
aanaen in traulichem Gespräch, to&i
rend mit leisem Gemurmel die Wellen
an das Ufer brandeten und weit, weit
hin nach Osten und Norden sich das
ewige Meer streckte, leuchtend in dunklen
glänzenden Tinten, blitzend unter den
Strömen er sonne, qaumeno am
fernen Riff. daS die fchnellbefchmingten
Möoen umflatterten.
Er seufzte tief auf. Ach, weshalb
batte er damals nicht schon gespro
chen Plötzlich schrak er leicht zusammen.
Die Musik im Tanzsaal war verstummt.
Lachend und plaudernd strömten die
Herren und Damen in das Neoemim
mer zurück, die Damen nahmen die
Fächer zur Hand und wehten nq llh
luna ,u.
.Pardon. Herr Baumeister der
Fächer deS gnädigen Fräuleins , . . . "
Lieutenant von Madelung stand neben
Ernst, und blickte ihn mit malitiösem
Lächeln an.
Eine heiße Gluth überstimmte die
Wangen Ernsts. sollte er den Fächer,
an den fich seine schönsten, innigsten
Erinnerungen knüpften, den Händen
deS Lieutenant? überlasten?
Nein es kam ihm wie eine Ent
weihung dieser Erinnerungen, seiner
heiligsten Gefühle vor.
Mit einer energischen Bewegung
klappte er den Fächer zusammen, und
nes aufathmend entgegnete er dem
Lieutenant:
Ich werde Früulein Winter den
Fächer selbst überbringen...."
Fort eilte er, und der Lieutenant
sah ihm erstaunt nach. Dann zuckte
er die Achseln und wollte dem Davon
eilenden folgen, al? er von einem Höhe-
ren Ofsijier in ein Gespräch verwickelt
wurde, dem er nicht ausweichen tonnte.
Wie einst Fräulein Kunigunde den
aus dem Bärenzwinger zurückkehrenden
Ritter, der ihr den Handschuh wieder
brachte, mit zärtlichem Liebesblick
empfing, so leuchtete es auch in den
blauen Augen Else'S zärtlich und innig
auf. als Ernst ihr den Fächer über
reichte.
Verzeihen Sie, Fräulein Elfe, daß
ich Ihren Fächer nahm", sprach er
stockend, aber gerade dieser Fächer
das Bildchen darauf es rief so Herr
liche, trauliche Erinnerungen in mir
wach....'
Else senkte die Augen; eine leise Röthe
stieg in ihren Wangen empor. Sie hatte
den Fächer mit Absicht gewäzit zu dem
heutigen Ball; er sollte ihn sehen, und
wenn er dann nicht da! rechte Wort
fand, dann a, dann halte sie sich in
seiner Liebe getäuscht. ,
Ich glaubte, diese Erinnerungen
seien längst vergessen", flüsterte sie.
Fräulein Else wie können Sie
denken, daß ich jemals jene Stunden
vergessen werde daß ich jemals.. . ."
Sie blickte zu ihm auf mit so großen,
zärtlichen, glücklichen Augen, daß er
verstummte daß er verwirrt die eige
nen Augen niederschlug. Das Wort,
das erste, rechte Wort es wollte nicht
über seine Lippen tx erschrak vor dem
Klang seiner eigenen Stimme, sie klang
so rauh, so hastig es erschien ihm wie
eine Entweihung seiner reinen, heiligen
Empfindung, wenn er fie in den ge
wohnlichen, banalen Worten ausdrucken
sollte.
in schelmische Lächeln huschte über
ihr Gesichtchen. Er that ihr wirklich
lkid. der arme, liebe Mensch in seiner
übertriebenen Zartheit und Schüchtern
heit.
Und wenn ich jene Stunden nun
ergeffen hätte? fragte sie neckisch.
Erschrocken blickte er aus.
.Fräulein Else da? da ist nicht
möglich
Ich habe fie nicht dergefsm", fuhr
sie in innigem Tone fort. DaS sollte
Ihnen der Fächer beweisen, den ich heute
mitgebracht habe und den wir gemein
sam am rauschende Strande der Oft
see malte. Sehen Sie. hier steht das
Datum, an dem Sie da? kleine Bild
malten
Der 20. Juli ja. aber da steht
noch etwas v
..Ich habe eä dazu geschrieben.. ,
Verschämt erröthend senkte fie den
Blick und ihre Hand zitterte leise, als sie
ihm den Fächer reichte.
Es flimmerte ihm vor den Augen,
aber er las doch die in kleiner zierlicher
Schrift geschriebenen Worte: Zur Er
innerung an die schönsten Tage meines
Lebens."
..Else.... .
Er ergriff zugleich mit dem Fächer
ihre Hand. Er wußte päter nicht mehr.
ob er ihre kleine zitternde Hand an die
Lippen geführt ; er wußte nicht mehr,
was er i jener glücklichsten Minute sei
neS Lebens gesprochen, aber mit einem
Male strömten die Worte aus seinem
Herzen herdor, wie der reine, silberhelle
Bergquell auS dem spröden, harten
Gestein, das er in plötzlicher Gewalt
durchbrochen.
Ein glückliches Lächeln auf dem Ge
sichtchen, das blonde Köpfchen leicht ge
senkt, s stand sie vor ihm und ließ die
Sturzwellen seiner zärtlichen, innigen,
bittenden Worte über ihr Herz nieder
rieseln, da? im seligen Schauer erbebte.
Und nun stockte er plötzlich wieder.
Else, kannst Du mir verzeihen ?"
Schelmisch blickte sie zu ihm auf, legte
ihre Hand in seinen Arm und schmiegte
sich zärtlich an seine Seite.
Du lieber, thörichter Mann," flü
sterte sie leise, war es denn so schwer,
das erste Wort zu finden?"
Ja, Else," entgegnete er tief auf
athmend, Du weißt ja nicht, wie ich
nach diesem Wort gesucht habe "
Fröhlich lachte fie auf, und zog ihn
fort in den Saal.
Gnädiges Fräulein...."
Lieutenant von Madelung trat ihnen
entgegen-doch Else nickte ihm spöttisch
lachend zu.
Sie find zu spät gekommen, Herr
Lieutenant," rief sie muthwillig. Mein
Bräutigam hat mir den Fächer bereits
gebracht "
Fatal," murmelte der Lieutenant,
dem davoneilenden Paare nachschauend,
da? hätte ich wissen sollen " und
kopfschüttelnd begab er fich zum Büffet,
um seinen Gram mit einem Glase Sect
hirnrnterzuspülen.
Der alte Kriegskamerad.
Gestatten Sie, Herr Direktor
Pardon, wollte sagen, Herr Bürgermei
fter, mein Name ist Huppatz! bin zürt
licher Vater "
Wie? was? was find Sie?"
Du du du durchreisender
Schauspieler mit Familie und in großer
Bedrängniß, da unser Direktor uns in
Bomft durchbrannte; mit der Kasse,
Herr Bürgermeister mit der Kaffe!"
So. so! na und?"
Der Gestrenge" hob dabei die Brille
hoch und betrachtete prüfend die unter.
setzte Gestalt, das breite, faltenreiche
Gesicht des zärtlichen Vater?," welches
trotz de? Ernstes der Situation einen
ungemein komischen Eindruck machte.
Ich bitte um die gnädige Erlaub
niß. eine musikalisch deklamatorische
Abenduntkrhaltung veranstalten zu dllv
fen."
Der Bürgermeister runzelte die Stirn
und war eben willens, den Bittsteller
kurzweg abzuweisen, als ihm ein Ge,
danke kam, der in sichtlich erheiterte.
Hm! will sehen, ob Sie was Un
nen. Kommen Sie heute Abend Punkt
acht Uhr in den Bären", am Markt.
dort treffen Sie mich; das Weitere wird
sich finden! Adieu!"
Huppetz wartete Punkt acht Uhr im
Kasthause zum Bären" auf den ge
strengen Herrn Bürgermeister mit einer
gewissen ängstlichen Spannung.
Aus dem Nebenzimmer drang der
Lärm einer großen Versammlung, da,
zwischen laute Zurufe, wie: Pötzelbev
ger! wo ist der Pökelberger, der Renom,
mist, der Aufschneider der gewaltige
Kriegsheld!"
Schon längst war der alte Pötzelbev
ger dem ganzen Kriegerverein ein Ge,
genstand des Ueberdrusses. Seine
ttriegsanekdoten hatte Jeder schon hun
dertmal gehört, und dabei alle fünf
Minuten die Redensart: Ja, wir von
der Kavallerie!" Er drückte fich immer
nur so allgemein aus, von einer beson
deren Waffengattung innerhalb der Ka
vallerie sprach er nicht. Er hatte nüm
lich dei'm Train gedient. Nun, der
Train ist eine sehr achtenswerthe Truppe,
aber Thatsache ist, daß die Train
Abtheilung, der Pktzelberger im Jahre
1870 als Landmebrmann angehört
hatte, dem Feind nicht auf zehn Meilen
nahe gekommen war. Trotzdem prahlte
er auf'? Unverschämteste mit blutigen
Abenteuern. Sprach Einer von der
und der Schlacht, gleich fiel er ein:
Ich weiß, ich weiß unsere Echwa
dron stand im Bordertreffen "
Wurde der Name eine? in den. Iah
ren 187071 Gefallenen erwähnt, so
rief Pötzelberger, während er mit dem
bunten Schnupftuch über die Augen
fuhr:
Der arme Junge! Er fiel tu'jen mir.
Stint letzten Wortt waren: .Pötzelber
ger, grüßZkine Braut!"
Ht'''lW'" wandte
Jemand sin.
.anz recht! .Potze'.verger. ,agte er.
grüß' meine grau und meine lieben
Kinderchen!"
Ader n halte keine Kinoerr
.Da? weiß ich deffer. Vielleicht keine!
Frau aber Kinder hatte er!" . ,
Heute schien Alle! außer Rand und
Band.
Der Bürgermeister, Vorsitzender deS
KriegerdereinS in M., erschien aus der
Bildflüche und fragte gleich nach Pötzel,
berger.
Noch nicht hier!" erscholl eS von al,
k Seiten.
Hierauf winkte er Huppatz hinein und
stellte bn der Ver ammlung vor.
Große Stille dann Räuspern
Geflüster!
Als er aber dem Verein auseinander,
setzte, welche Rolle er Huppatz zuge
dacht, wollte des Jubels lern Ende neu
mm.
Pötzelberger kam, nichts Böses ah
nend, nahm seinen Platz ein und ließ
sich den fremden Gast vorstellen, ohne
darauf zu achten, daß dessen Name ihm
nur lelir undeutlich genannt wurde,
Ja, wovon sprachen wir doch so,
eben," nahm der Bürgermeister schein,
dar wieder da? Wort auf, richtig, von
Eravelotte "
Ah, wo ich verwundet wurde!" rief
Pötzelberger.
Wie? Sie wurden bei Gravelotte
verwundet?" fragten mehrere lebhaft,
Es gab keine Schlacht, in der er nicht
verwundet worden wäre, und gewöhn,
lich nahm man diese Redensarten nur
mit einem verächtlichen Lächeln auf,
Kaum bemerkte er aber das ungewöhn
liche Jnlereffe der Kameraden, als er
Feuer und Flamme wurde und fort,
fuhr:
Ja, verwundet, und wie!"
(Pause.) -
Ihr würdet mich nicht hier sehen,
ohne meinen tapferen Kameraden
wie hieß er doch gleich richtig: Ro
denstein ! Dieser brave Junge trug
mich auf seinen Armen auS der Schlacht
entschuldigt mich, Kinder, icl
kann nicht ander? "
Und er erhob das rothgelbe Schnupf,
tuch. Ehe er es aber an die Augen ge,
bracht hatte, ließ er es erstaunt wieder
sinken, denn sein Gegenüber, der fremde
Gast, hielt ebenfalls ein rothgeldeS
Schnupftuch in der Hand und über feine
Wangen liefen dicke Thränen. '
lich erhob er sich, trat auf Pötzelberger
zu und rief:
Pötzelberger, kennst Du mich nicht
mebr?!"
Ich ich kann mich wirklich nicht
entsinnen " stotterte dieser bestürzt.
Ich bin Rodenftein, ich bin Der,
jenige, der Dich bei Gravelotte auf die,
fen Armen mit eigener Lebensgefahr
aus der Schlacht getragen hat!"
Er kam auf Pötzelberger zu und um,
armte ihn heftig, so daß dieser laut auf,
schrie:
Aber nich so do. nich so doll!"
Pötzelberger, alter Freund, auch in
Deinen Augen sehe ich jetzt Thränen.
Du erkennst mich also jetzt, Deinen alten
Rodenstein, mit dem Du so oft im Feuer
standest?!"
Ja. ja. ja!" stammelte Pötzelberger,
Er war innerlich überzeugt, daß hier
eine Verwechslung stattfinde, aber er
wollte fich die Gelegenheit nicht entgehen
lasten, den ungläubigen Kameraden
einen Wahrheitsbeweis für seine Rodo
montaden zu liesern.
Also, er hat Ihnen das Leben ge
rettet," rief der Bürgermeister, und
Sie lassen die Gelegenheit vorübergehen,
ihm dasllr zu dankend"
Pötzelberger ergriff sofort Roden,
stein'S Rechte und schüttelte sie herzlich
Ich danke Ihnen "
Was? Ihnen? DaS einem lang,
jährigen Dutzfreunde?"
Ich danke Dir recht sehr ja, ich
danke Dir Dank, Dank!"
Ach waS, Dank!" sagte Einer aS
der Runde, das kann Jeder tagen.
Man muß sich mit der That dankbar
erweisen. Wenigstens soll er die Zeche
seines Lebensretters bezahlen."
Ja Zeche bezahlen!" heulten die
Anderen.
Ich will die Zeche bezahlen,"
sagte Pötzelberger widerstrebend, denn
er war sehr knauserig.
Nie und nimmer!" rief Rodenstein
mit edlem Pathos. Nie und nimmer
werde ich es zugeben, für eine That, die
mir ein Gefühl der reinsten Freund,
schast diktirte, auch nur die geringste
Bezahlung anzunehmen.
Er ist noch immer der Alte!" jubelte
Pötzelberger und umarmte den Kriegs
kameraden", nein, wir wollen unsere
Freundschaft nicht durch Bezahlung einer
edlen That entweihen."
Nein, daS wollen wir nicht." be
kräftigte der Schauspieler, wenn ich
überhaupt so ein Mensch wäre, würde
ich sagen: .Pötzelberger, gieb mir die
zehn Thaler zurück, die ich Dir am Tage
vor der Schlacht bei Gravelotte geliehen
habe," aber da? thue ich nicht!"
Oho," fiel der Bürgermeister ein.
fich heimlich über den erblassenden Pötz l
berger amüfirend, da würden wir als
BereinSkameraden doch auch ein Wort
chen mitzureden haben. Freunde, was
würdet .idr mit einem ameraden Ibun.
der seinem Lebensretter und KriegSge
offen nicht einmal da? entliehene Geld
zurückgieb,?"
.Ausschließen: Mit kchimps und
Schande!" brüllte der Chor.
.Aber, ich kann mich nicht erinnern,"
wagte Pötzelberger einzuwenden.
.Und wenn auch, erwiderte der ur
germeister unwillig, .würden Sie dem
Xetter ZbreS Leben? nicht diel er
trauen schenken? Sollte ein so hochhr
ziger Mann sahig sein. Sie um eine so
geringe Summe zu detrUgenl
Kurz und gut, Pötzelberger rüe mit
den dreißig Mark heraus. Tann aber
wurde ihm die Situation unheimlich
und er drückte fich so rasch, als möglich
Am daraufsolgenden Abend aber
schwamm Huppatz in Wonne. Er
machte mit seiner musikalischdellanla
tortschen Abendunterhaltung" ein glän
zendeS Geschäft. Die ersten Plätze hat
ten natürlich die Mitglieder de? Krie
gervereinZ unter Aegide ihres Borsitzen
den, deS Bürgermeisters, eingenommen.
Nur Pötzelberger war nicht erschienen.
Er hat auch die VereinSSitzungen
nie wieder besucht.
?in Spion, der ein önig wurde.
Während deS kurzen Friedens 1802
traf in Gibraltar ein fremder Herr mit
Kreditbriefen und Empfehlungen eines
italienischen Handelshauses an einen
Kaufmann der Festung ei. Der
Gibraltaer Kaufmann laS die Empfeh
lungs'Briefe, empfing den Ueberbrin
ger sehr herzlich, und bot ihm eine
Wohnung in seinem Hause an. Der
fremde Kaufmann wurde dem Gouver
neur vorgestellt und äußerte bei dieser
Gelegenheit, wie es bei einem Fremden
ganz natürlich ist. daS größte Erstaunen
über die gigantischen FestungS, Arbeiten,
legte aber in seine Bemerkungen die
größte Unwissenheit über gortisilations
Arbeiten an den Tag, obgleich er sehr
begierig war, den Platz als weltberühmte
Merkwürdigkeit zu besehen. Der Gou
verneur ertheilte bereitwillig seine Er
laubniß und jwieS ihm einen seiner
Adjutanten als Führer zu. Die über
triebene Verwunderung und die lächer
lichen Bemerkungen deS Kaufmanns
über Alles, was er sah, machten seinem
Führer keinen geringen Spaß, und
Letzterer ließ nach zwei Tagen, seiner
Führerrolle müde, den Fremden frei
unter den Schildwachen herumgehen.
Der Tag der Abreise des Besuchers
war nahe, als sein gastfreundlicher
Wirth den Hut seines Gastes bei einem
Ausgange irrlhllmlich aufgesetzt hatte.
Er betrachtet ihn näher und entdeckte
bald, daß er einen doppelten Boden
hatte, unter welchem er zu seinem
Erstaunen Pläne und Aufriffe, kurz,
eine vollständige Darstellung der Festung
fand, gezeichnet von dem sehr einfäl
tigen Herrn, der eine Kanone nicht von
einem MunitionSiarren unterscheiden
konnte. Der Kaufmann steckte die
Papiere in die Tasche und beeilte sich,
seine Entdeckung dem Gouverneur mit
zutheilen.
Der Fremde hatte unterdessen seinen
Hut vermißt, sogleich Argwohn geschöpft
und war nach dem Hasen Hinunter,
geeilt, wo er ein Boot nahm und außer
dem Bereich des Festungskanonen aus
dem Wege nach Cadiz war, ehe sein
Wirth nach Hause zurückkehrte. Der
Flüchtling war bei seiner Ankunft in
Cadiz keck genug, den englischen Konsul
zu besuchen und ihm die Ursache seiner
glücklichen Flucht auS der Festung und
den Verlust seiner Zeichnungen zu er
zählen. Aber eS schadet nichts, ich
habe Alles hier!" sugte er. indem er
auf seine Stirn deutete ; mein Name
ist Bernadotte."
Später aus St. Helena hat Napoleon
oster von seinem Plan, Gibraltar zu
belagern, gesprochen und seine dabei an
den Tag gelegte Kenntniß der dortigen
Befestigungen verdankte er nur allein
dem waghalsigen Manne, der später die
Krone Schwedens trug.
ine ocksaeschichte.
Der .Elsässer" erzählt folgende? Ge,
schichtchen: Ein Bürger der Gemeinde
weiter hatte fich einen neuen
Ziegenbock angeschasst. Ein wahres
Prachtstück in seiner Art war es ; Jeder,
mann wollte ihn sehen, waS dem Besitzer
viel Zeit und Umstände machte. Er
fiel daher auf den klugen Gezanken
den schönen Bock auf die Schau" zu
sübren. us ein grobes Papier setzte
er nun in möglichst großen Buchstaben
Folgendes : zZUwisten allen Purgern
unserer Gemain, main Bock will sich
den Leiten zeichn, und wird gehn durch
die Straß morgen neun Uhr. Zuwisten
er ist ein kitzlich Stückvieh, soll ihn nie
mand onrüren, oder Hetzen." Stolz ob
seiner Fertigkeit im Schreiben, trögt
unser Bauer den Zettel, nachdem er ihn
auf der Rückseite mit Leim beftrichen.
zum Wirth, an dessen Hau? er ange
klebt werden sollte, und läßt fich einen
Schoppen geben, um fich von seiner
Kopsardeit zu erholen. Da? Papier
legt er inzwischen fein säuberlich auf die
rank. Kaum bat er die? aetban. da
fieht er den Herrn Ortsschulzen herbei
kommen, mit dem er auf Kriegsfuß
fieht. Flug? packt er feinen Schoppen
und flüchtet damit in die Hinterftude.
Der Herr Bürgermeister tritt gravitä
tisch ein, läßt sich ohne Weiteres auf die
Bank nieder und verlangt ein laschen
Rothen." Beim .Rothen" spricht er
eifrig über die KreiitagSmahlen, die
nicht nach seinem Geschmack ausgefallen
sind. Endlich erhebt er fich, merkt aber
nicht, daß auf seiner Rückseite da? mit
so vieler Mühe herzestellte Plakat
prangt. Feierlich schreitet er seiner
Wohnung zu, die am andern Ende des
TorseS liegt, vorbei an dem untertva
nig grüßenden Kemeindediener. Die
Leute bleiben lopsschuttelnd flehen, eine
Anzabl Jungen treiben fich nahe hinter
dem Kemeindeoderhaupt der und ftudi'
ren den Zettel. Beim Eintritt in die
Stube erst wird die Frau Bürgermei
üerin den tckimSblicden ftleck aeroabr.
C JeffeS. Güftel. ia kummsch denn!
Tü dohare!" Richt allzu zärtlich wird
der Gemeindediener angesadren :
.Warum haben Sie den Zettel mir
nicht abgenommen. Sie " Ja."
5
erwiderte dieser erschrocken: ES stand '
ja darauf : Niemand soll ihn anrühren
der hetzen."
Met' Mädle.
Zu nett ischt doch mei Mädle!
Ma ka's wohl kccklich sage :
Es darf sich ka's em Slüdtle
Ehm zu vergleiche wage.
So schlank ischt'? wia a Wies'le
Ond g'schineidig jede? Glied,
Ond Händle hos und FUeßle.
Daß ma se fascht net steht.
Die Aeugle wia der Hemmel blau
Ond klar als wia die Stern',
So oft i' mi' do 'ei verschau,
Krieg' i'ö no 'nial so gern.
A Glanz als wia vom Sonnenlicht
Bon seine Löckle strahlt,
Roth send die Bückle, weiß sei G'stcht,
So wia ma d' Eng'le malt.
Doch 'S bescht' am ganze Kindle
DeS ischt sei gueteS Herz,
I' woiß nit 'S kloischte Sündle
Bon ehm, ganz ohne Scherz.
Doch halt ! Des ischt verloge !
'S Hot waS, des i' net vertrag,
'S ischt au' zu o'gezoge :
Daß eS mi' so gar net mag.
21ns der Schulstube,
Bei einem Eramen deklamirte ein
Knabe daS Gedicht Uhland'S Einkehr":
Bei einem Wirtue, mundermild. da
war ich jüngst zu Gaste, ein goldner
Apfel war sein Schild an einem langen
Aste" etc. Auf die Frage des Schul
Inspektors, der dem Verständniß des
Knaben nicht allzuviel zutrauen mochte,
wie denn eigentlich der Wirth heiße,
antwortete der Schüler ohne Stocken:
Wundermild".
Gut beobachtet.
Die Kinder wollen Papa und Mama
spielen, können aber durchaus nicht einig
werden, wer Mama sein soll. Da ruft
schließlich die kleine Elfe: Streitet doch
nicht länger es ist ja so einfach: Mama
hat am meisten zu sagen und Papa
kriegt das beste Essen !"
Kindermund,
Karlchen: Sagen Sie, Herr Provi
sor, haben Sie nicht ein Mittel für mein
krankes Kätzchen ?"
Provisor: Nein, mein Söhnchen, wir
haben nur Medikamente für Menschen.
Aber weshalb kommst Du eigentlich
hierher?"
Karlchen: Weil Papa neulich meinte,
eS gebe in der Apotheke vielfach Medizin,
die einfach für die Katze fei!"
Bedenklicher Bescheid.
Gefängniß Direktor (zu einem neu
eingelieferten Gefangenen): Ich mache
Ihnen hiermit zunächst bekannt, daß je
der Gefangene hier seiner früheren Thä
tigkeit entsprechend beschäftigt wird.
Worin bestand Ihre Thätigkeit, ehe Sie
hierher kamen ?
Gefangener: Im Fälschen von Bank
noten, Herr Direktor !
Immer derselbe.
Professor: Kellner, nehmen Sie die
Speisekarte hier fort, in der ftnd so
viele orthographische Fehler, daß ich vor
lauterAerger denAppetit verloren habe."
Anders gemeint.
Madame (von oben rufend): Wie
weit ftnd Sie, Anna ?"
Köchin (die gerade mit der Lektüre
eines Schauerromans beschäftigt ist):
Eben bohrt der Ritter Kuno seinem
Knappen den Dolch in'? Herz, Ma
dame !"
lzeiteres.
Papa (beim Mittagessen zum kleinen
Otto): So, nicht ein Mal Kalbsbraten
ist dir gut genug! Als ich noch so klein
war, wie du, habe ich nur Suppe und
Kartoffeln bekommen."
Otto: .Gelt. Papa, du haft es bei
uns schon viel besser."
Auf Umwegen.
Kleiner Max: Du Papa, die Taschen
in meinem neuen Anzug find viel größer
als die im alten.
Papa: Nun da? wird Dir wohl
nicht unlieb sein.
Kleiner Maz: O nein aber
Papa: WaS aber?
Kleiner Maz: Wenn nur auch jetzt
das Taschengeld etwas größer wäre!
Boshaft.
Hausherr (auf seinen kleinen Jungen
in der Wiege zeigend): .Sieht mir der
Junge nicht furchtbar ähnlich?"
.Ja. ganz der Papa, überhaupt
wenn er so die Flasche vor dem Mund
hat!"
Der rettende Knödel.
Unteroffizier (zu einem Freund):
DeeS soll man gar net glaub' waS
unsere neu'n G'wehr für an' Durch
Ichlag had'n. Da iS neulich einem
G'freiten während der Mittagszeit im
Keller drunten 'S Gewehr loSgang'n.
Die Kugel schlagt d'Kellerwölbung
durch, fliegt z'ebener Erd durch' Fuß
boden in a Mannschaftszimmer. schlagt
a eiserne Travers'n im Plafond durch,
fliegt in den ersten Stock in a Mor.
schastszimmer, schlagt 'n Zisch durch
und dätt vielleicht weiß Gott we? für a
Unheil ang'richt, wenn auf'm Tisch nit
a Komni-ß.Knddel 'legen wär. In
dem i? I' stecken blieb'."