Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 28, 1897, Image 11

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    )m Todtenkleid getraut.
Nach einer von ?!all,aiel Haivlhorne ge
djilb(rtni mal, tP'fttbenljcil
krzähll doii VI. d, P.
In der Stadt New Z)rl giebt ti eine
gewisse Kirche, die ich stets mit ganz be
soliderem Interesse betrachtet habe, und
zwar wegen einer Trauimg, die zur
Jugendzeit meiner Grobmutter unter
höchst merkwürdigen Umständen dort
stattgefunden hat. Die alte Tame war
zufällig Zeugin jener Trauung und
pflegte mit Vorliebe unZ jungem Voll
von ihrem seltsamen Erlebnis! zu erzäh
len, wobei, wie oft wir auch schon die
Geschichte gehört haben mochten, uns
jedes Mal anf's Neue ein gehöriges
Gruseln überlief.
Es ist eine stattliche Kirche, umgeben
von sorgsam gepflegten Rasen und einer
Anzahl prächtiger Trauerweiden, unter
denen halbvermitterte Grabdenkmäler
hervorlugen. Kaum einen Steinwurf
weit von dem ehrwürdigen Gotteshaus
wogt und brandet das geschäftliche Leben
der Riesenstadt, um es selbst her aber
herrscht tiese, sast weihevolle Stille.
Dem sinnenden Beschauer erscheint es
gewiffermaßen natürlich, daß mit iwm
solchen Platze eine eigenartige Begeben
heit verknüpft ist.
Die erwähnte Trauung war das
Resultat einer vor vielen Jahren er
folgten Verlobung; die Braut war in
dessen inzwischen bereits zweimal der.
heirathet gewesen, während der Bräuti
gam seit seinem Liebcsfrühling volle
vierzig Jahre lang ein einsames Jung
gcsellendasein gesinnt hatte. Mit 65
Jahren war Mr. Ellenwood ein scheuer,
in sich gekehrter Mann; egoistisch, wie
alle Menschen, die Über ein versehltes
Leben grübeln oder trauern und doch
hin und wieder echt Menschenfreund
liches Gefühl an den Tag legend, das
er aber blitzschnell wieder unterdrückte
oder vielmehr in abstoßend rauhes Be
nehmen verkehrte, wenn er zu bemerken
glaubte, daß dies den wenigen Per
fönen, mit denen er nothgedrungen
spärlichen Verkehr pflog, aufgefallen
war, oder er gar in seiner mißtraut
schen Weise den Verdacht schöpfte, daß
man ihn um eine Gefälligkeit zu er
suchen beabsichtige; Tag und Nacht in
wissenschastliche Werke vertieft; ohne in
dessen seinen Studien eine, bestimmte
Richtung zu geben, stets mit peinlicher
Sorgfalt, jedoch in den Spott heraus
fordernder Weise gekleidet; kurzum, ein
Sonderling, wie das damalige New
Bork schwerlich einen zweiten aufzuwei
sen hatte.
Die Wittwe war, mit Ausnahme de!
Alters, ein so vollständiger Kontrast zu
ihrem dritten Bräutigam, als er sich
überhaupt nur vorstellen läßt. Von
ihren Eltern, die mit der Tochter,
welche als eine der vollendetsten jugend
lichen Schönheiten New York'S galt,
hoch hinaus wollten, zur Lösung ihrer
heimlich erfolgten Verlobung mit dem
damals fast mittellosen jungen Rechts
gelehrten Ellenwood gezwungen, hatte
sie ihren Liebeskummer bald überwnn
den und einem steinreichen Wittwer der
doppelt so alt war als sie, die Hand ge
reicht, und sah sich nach Verlauf von etwa
zehn Jahren als kaum dreißigjährige
Wittwe im ungestörten Besitze der von
ihrem Gatten hinterlassenen Millionen.
Bald darauf beglückte sie einen jungen
Südländer aus vornehmer Familie mit
ihrer Hand und siedelte mit demselben
nach Eharleston über. Ihre zweite Ehe
nahm aber einen sehr unglücklichen Wer
lauf, denn ihr Gemahl entpuppte sich
als roher, trunksüchtiger Geselle, der ihr
daS Leben zur Hölle machte.
Auf einem in der Trunkenheit unter
nommenen wilden Ritte brach er da?
Genick.
Sie lehrte nach New Yorl zurück
und, genuß und gefallsüchtig, wie sie
stets gewesen, stürzte sie sich, trotzdem
sie an der Schwelle der Sechzig stand,
mit fast jugendlicher Begierde in den
Strudel der gesellschaftlichen Vergnü
gungen, welch das damalige New York
bot. Von imponirender Gestalt, klas
sisch schönen GestchlSzügen und von der
gütigen Natur mit einem herrlichen
Augenpaar ausgerüstet, dessen Strah
len, wo immer hin sie trafen, förmlich
,u zünden schienen, zog sie trotz ihres
stark vorgerückten Alters überall be
wundernde Blicke auf sich, und die Zahl
ihrer jungen und alten männlichen Vn
ehrer war Legion.
Ihren Jugendgeliedten Ellenwood
hatte die Wittwe Montgomery niemals
gänzlich aus dem Gedächtniß verloren,
doch muß man sich dillig darüber wun
dern, daß sie nach dem Tode ihres un
geliebten ersten Gatten keine Versuch
macht, sich dem um sein Ledensglück tx
trogenen einsam und menschenscheu
durch'S Leben pilgernden Manne zu
nähern. AIS sie indessen nach nahezu
vierzigjähriger Trennung in New York
zufällig mit dm fast Siebzigjährigen zu
sammentraf, machte sie so behaupteten
wenigsten? ihre lieben Freund dm
selben ohne Weiteres den Borschlag daS
vor vielen Jahren so grausam zerrissene
LiebeSband aus' Neu und mit dem
Segen der irch zu knüpfen, worauf
Ellenwood ,ur grenzenlosen Ueber
raschung Aller, die sein verbittertes,
menschen und namentlich xiderfkind
liche Wesen kannten, mit geradezu
verblüffend Bneitwilligkeit einging.
Dr Grund der letzter wird freilich im
weiteren Berlauf dieser sich durchaus an
Thatsachen knüpfende Erzählung völ
lig kl wtidt. Genug, die An
kündiguvg on der btvoiftebendtN Ber
mühlung US gealterten PaareS hielt
damals die Zungen der sogenannten
guten Gesellschaft" New ?)orks wochm
lang in eisrigster Bewegung.
Dem Wunsch der noch immer höchst
eitlen sechzigjährigen Braut zufolge
sollte die Trauung mit dem denkbar
größten Prunk vor sich gehen, und dies
hatte an dem Hochzeitsmorgen sozusagen
die ganze seine Welt der Stadt nach der
zu Beginn dieser Erzählung erwähnten
alterthümlichen Kirche gelockt. Der
Sitte jener Zeit gemäß, betrat die
Braut mit ihrem zahlreichen hochelegan
ten Gefolge zuerst die Kirche.
In dem Moment nun als sie die
Schwelle derselben überschritt, erdröhnte
plötzlich dumpf die große Glocke im
Thurm, und die wiederholte sich, wäh
rend die Gesellschaft feierlich dem Altar
zuschritt, in kurzen Zwischenräumen ge
nau in der Weise, wie wenn sich ein
Leichenzug auf dem Wege nach dem
Grabe befindet.
Beim ersten Tone der Glocke schon
war die Braut entsetzt zusammengefah
ren, und als gleich darauf ein zweiter
dröhnender Schlag erfolgte, überzog
Leichenblässe ihr Gesicht. Ihrer Be
gleiter bemächtigte sich gleichfalls Ent
setzen ; der Brautzug gerieth in'S
Stocken und halbunterdrückte Schreckens
rufe wurden laut.
Barmherziger Gott, welch' ein böses
Omen I" flüsterte eine elegante Schöne
ihrem Begleiter zu.
In der That," gab dieser zur Ant
wort," daß klingt ja genau wie Todten
gelüut,.,."
Die Braut gewann übrigens am
schnellsten ihre Selbstbeherrschung wie
der ; obwohl noch immer aschfahl und
sichtbar am ganzen Leibe zitternd, raffte
sie sich mit bewunderungswürdigem
Heroismus zusammen und legte die
noch übrige Strecke zum Altar zurück,
wobei sich ihr nach kurzem Zögern das
in unbeschreiblicher Aufregung befind
liche Gefolge anschloß. Mit unheim
licher Regelmäßigkeit erfolgten während
dessen die markerschütternden Glocken
schlüge.
'Die Nerven meiner jungen Freunde
wurden ein wenig erschüttert," sagte die
Wittwe mit gezwungenem Lächeln zu
dem harrenden Geistlichen. Aber so
viele Ehen wurden schon unter fröhli
chem Glockengeläute geschlossen und
nahmen dennoch einen höchst Unglück
lichen Verlauf, daß ich wirklich in die
sen schwermüthigen Glockentönen eine
gute Vorbedeutung für meine Zukunft
erblicke. Was soll übrigens dieses fon
derbare Geläut?"
Madame," erwiderte der ebenfalls
n höchster Verwirrung befindliche
Pastor, möge Ihre Hoffnung auf eine
glückliche Zukunft in Erfüllung gehen.
Was aber das auffällige Geläute an
betrifft, so bin ich um eine Erklärung
desselben ebenso erlegen, wie sie selbst.
Ich werde indessen sofort nachforschen
lassen."
Während der Abgesandte der Pastors
sich eiligen Schrittes nach vem Glocken,
thurm begab, verharrte die Hochzeits
gesellschafi stehend in der Nähe des
Altars, mit Ungeduld die Ankunft des
Bräutigams erwartend. Noch immer
hallten die schaurigen Glockenschläge
durch die Lust.
Die Braut, deren feine Züge noch
immer aschfahl waren, starrte mittler
weile, leicht auf den Arm einer der
Brautjungfern gelehnt, unverwandt
nach der Eingangspforte. Sie befand
sich in einem an Hysterie grenzenden
Zustande, und machte späterhin einer
ihrer Freundinnen gegenüber das Ge
ftändniß, daß sie während jener schreck
lichen Minuten desürchtete. wahnsinnig
zu werden und thatsächlich nichts ande
reS erwartet hätte, als ihre beiden ver
ftorbenen Gatten durch die Kirchenthüre
auf sich zutreten zu sehen.
Plötzlich wurde daS Geräusch heran
rollender Wagen und gleich darauf von
sich nähernden Schritten vernehmbar.
Zweiselöohne der längst erwartete
Bräutigam mit seinen Begleitern l Ge
spannt schauten Alle nach der Thüre.
Geräuschlos thaten sich deren beiden
Flügel auf da in mark
erschütternder Schrei.... und halb
ohnmächtig sinkt die Braut der ihr zu
nächst stehenden Brautjungfer in die
Arme....
Der Anblick, der sich nun der harren
den Hochzeitsgesellschaft bot, war aber
auch in der That ganz darnach geeignet,
selbst die stärksten Nerven auf harte
Probe zu stellen. Unter der Thür er
schien nämlich eine Schaar von Kopf
bis zu Fuß in Schwarz gekleideter
Männer und Frauen ein richtiges
Trauergefolge und durch die offene
Pforte hindurch erblickte man einen un
ter den Trauerweiden haltenden Leichen
wagen.
Mit kaum hörbaren Schritten näher
ten sich die dunkeln Gestalten dem
Altare. Kurz vor demselben trennten
sich die Paare nach rechts und links und
hinter dem Letzten erschien o Schrick !
plötzlich der erwartet Bräutigam im
Todtengewandl
Ein furchtbarer Schreck durchzuckte
die anwesenden HochzeitSgöfte. War
dr Mann plötzlich wahnfinnig gewor
den?.... Lh sie sich ber von ihrem
Entsetzen auch nur einigermaßen zu er
holen vermochten, trat der Bräutigam,
dessen gespenfterhaste Blässe ihm in die
sem Augenblick, abgcsehtn von dem
schaurigen Todtingewand, wie eS zu
jener Zeit in Gebrruch war, täuschend
daS Aussehen ineS Leichnam verlieh,
geräuschlos auf die vor Entsetzen fast
gelähmte Braut mit den Worten zu:
.komm, Ellen, lxr Lkichenwage
steht bereit. Der Küster artet unserer
an der Pforte der Gruft. Laß' den
Geistlichen uns rasch trauen und
dann in unsere Särge "
Wer vermag sich den Schreck der
Braut bei diesen Worten ihres Brüuti
gams vorzustellen? Kein Zweifel mehr,
der Mann war wahnsinnig !
Ter Geistliche gewann zuerst einiger
maßen die Fassung wieder: Herr El
lenwood." sprach er in besänftigendem
und doch entschiedenen Tone, Sie sind
nicht wohl. Die mit den Vorbereitun
gen für die Hochzeit verknüpfte Auf
regung hat Ihnen geschadet. Die
Trauung muß unbedingt aufgeschoben
werden. Als alter Freund bitte ich
Sie, verfügen Sie sich schleunigst nach
Hause und nehmen Sie ärztliche Hülse
in Anspruch."
Nach Hause! Jawohl!" erwiderte der
Bräutigam mit dumpfer Stimme, aber
nicht ohne meine Braut! Sie glauben,
ich sei verrückt. Sie täuschen sich ; ich
bin sehr wohl bei Sinnen. ES ist mir
nur darum zu thun, jenem treulosen
Geschöpf (auf die fast in die Knie gesun
kene Braut deutend) eine ernste Lehre zu
ertheilen."
Grausam! Grausam!" stöhnte die
bemitleidenSwerthe Braut.
Grausam?" brauste Ellenwood, seine
leichenhafte Haltung nun mit einem
Schlage abwerfend, auf. Gott weiß
eS, wer on uns Beiden gegen den An
dern am grausamsten gewesen ist I In
der Jugend hast Du mich um elenden
Goldes willen schmählich verrathen,
mich all' meines Glückes beraubt, meine
Zukunftshoffnungen vernichtet, mein
ganzes Leben ruinirt! Was ist sür Dich
und mich denn vom Leben noch übrig ?
WaS außer Schein und Verfall ? Der
Tod harrt auf uns Beide schon. Des
halb habe ich diesen Leichenzug veran
staltet, deshalb habe ich den Küster be
stochen, daß er bei Deinem Eintritt in
die Kirche das Grabgeläute ertönen ließ,
deshalb habe ich das Todtengewand an
gelegt wenn Du noch immer willens
bist, Dich mit mir trauen zu lassen, so
sei es mit einer Leichenrede: die Gruft
wird unser Brautgemach sein!"
Stumm stand die Braut während
dieser leidenschaftlich hervorgestoßenen
Worte ihres Bräutigams da ; nur das
leise Knistern ihres kostbaren schweren
SeidengewandeS verrieth, daß ihr Kör
per von heftigen Fieberschauern geschüt
telt wurde. Wer vermag zu ergründen,
waS in diesen Augenblicken in der Seele
dieses vor all' ihren Freunden so furcht
bar gedemüthigten leichtfertigen Welt
lindes vorgegangen!
Plötzlich erfaßte sie mit raschem Ent
schlusse die Hand ihres Bräutigams.
Roger," flehte sie mit zitternder
Stimme, ich habe Dir schweres Unrecht
gethan; verzeih' mir! Laß' uns die Ehe
eingehen, selbst an der Schwelle des
Grabes! Mein Leben ist in Eitelkeit
und Weltlust dahingegangen. Diese
Stunde aber hat eine Andere aus mir
gemacht. Ich bin Deiner nicht mehr
unmerth. Unser Leben neigt sich dem
Ende zu. Verbinden wir uns für die
Ewigkeit!"
Wie gebannt lauschte Ellenwood die
sen Worten seiner Braut. Den zahl
reichen Zeugen dieser merkwürdigen
Szene war deutlich bemerkbar, daß der
um sein Ledensglück betrogene Greis,
der fast ein ganzes Menschenalter lang
das Geheimniß seiner unglücklichen Liede
so ängstlich gehütet, aber soeben, hinge
rissen on der Gewalt des Augenblickes,
ihm fast wildfremden Menschen einen
Einblick in sein schmerzdurchmllhlies In
nere gestattet hatte, einen furchtbar
schweren Kampf mit sich kämpfte. Plötz
lich rollten über sein leichenfahles Ant
litz schwere Thränen, die er, indem er
sich wie zufällig mit dem Aermel seine?
TodtengewandeS über'S Geficht fuhr,
vergeblich zu verbergen betrachtete. Die
Liebe hatte über den Haß gesiegt
Geliebte meiner Jugend," stieß er
mit fast schluchzender Stimme hervor,
ich war wahnsinnig. Die Verzweiflung
meines öden Lebens war auf einmal
mit ihrer ganzen furchtbaren Macht zu
rücklehrt und hatte mich rasend gemacht.
Vergieb' mir, wie ich Dir von Herzen
vergebe! ES ist Abend geworden sür unS
und keiner unserer JugendtrSume von
Liede uu Glück ist in Erfüllung gegan
gen. Aber laß' uns jetzt vor dem Altar
unsere Hände zusammenfügen als Lie
bende, die ein grausames Geschick da?
Leben hindurch getrennt, die aber nun
für die Ewigkeit einander angehören
wollen."
Und so geschah eS. Unter den reich
lich fließenden Thränen der tief erschüt
teilen Hochzeitsgüfte segnete der Geist
liche den unter so eigenthümlichen Um
ständen geschlossenen Bund dieser zwei
ungleichartigen Menschen. Und zum
Schluss erbrauste der HochzeitSmarsch
und übertönte die Todtenglocke.
Kaum ein Jahr darauf aber schlum
merten Beide unter dem die alte Kirche
umgebenden grünen Rasen
Wi er maai?ommanat
iagbrcht nx.
AuS einer südöfterreichischen Garni
sonSftadt schreibt man: Ti schöne Zeit
der Rekrutenabiichtung näherte sich
ihrem Ende. Tie jungen Marssöhi
wußten bereits, wie sie sich als Wacht
Posten in jeder möglichen Lage zu de
nehmen hatten und nun sollte ihnen
nur noch ein Begriff davon beigebracht
werden, wie der Feldwach und Vedet
tmdienft zu verrichten sei. Zu diesem
Zwecke wurde denn die Kompagnie eine
schönen Morgens unter Trommel und
Hörnerklang hinaus in'S Freu geführt.
wo ein coupirtcs Terrain für diese Art
von Uebung besonders geeignet war.
Der Hauptmann war abwesend; aber
sein Streitroß schritt tapfer an der
Spitze der Kompagnie und auf ihm saß
der rekrutenallgewaltige älteste Kom
pagnie Osfizier. Sein mächtiger
Schnurrbart war ein prächtiges Spiel
zeug für den leise Morgenwind und
unter der Last des Reiters tänzelte das
Pferd des HauptmannS, daß eS eine
Lust war. Die Uebung war im besten
Gang. Da bemerkte der Uebungsleiter
eine Vedette, die sich mit dem Rücken
gegen den Feind aufgestellt hatte. Er
gab dem Pferde die Sporen, doch dieses,
anstatt vorwärts zu gehen, tänzelte
rückwärts. Nichts half, keine Güte,
keine Strenge, kein Zügel, kein Sporn,
der Gaul hatte eS sich in den Kopf ge
fetzt, einen Krebs zu spielen und that
eS. Dabei drängte er immer mehr und
mehr gegen einen Stachelzaun, der den
Weg von einem Graben absperrte. Der
Reiter fluchte und ärgerte sich, wollte
aber mit dem Pferde nicht energischer
vorgehen, da ti nicht sein Eigenthum
war. Das Pferd schien dies auch zu
wissen, denn es wurde iinmer bock
beinigcr. Da aller Liebe Müh' um
sonst war und der Reiter doch wieder zu
seiner Kompagnie kommen wollte, pfiff
er endlich zwei Mann herbei, die im
Lausschritt ihrem Führer zu Hilfe eilten.
Einer packte den rechten, der Andere den
linken Zügel und so brachten sie ihren
Kommandanten sammt seinem Pserde
unter ziemlichen Anstrengungen der
Gaul wollte nicht vorwärts und ver
suchte auszukneten wieder zur Kom
pagnie. Inzwischen war die fehlerhafte
Vedette abgelöst worden und blieb dem
Kompagniegestrengen unbekannt. Die
Mannschaft erzählt sich aber fchmun
zelnd, wie sie ihren Kommandanten ein
holen mußte, weil das Rößlein des
Hauptmanns zu stolz sei, einen Andern
auf seinem Rücken zu dulden.
Der Toni i der Schule.
Unter den sechzig Hoffnungsvollen,
die mir das heurige Schuljahr als
A-B-CSchützen bescheert, so erzählt ein
Mitarbeiter der M. N. N.", befindet
ftch ein Original. Mit bestem Gewissen
kann ich behaupten: Wenn es Einen
giebt im weiten deutschen Vaterlande,
der nicht von der Cultur beleckt ist,
dann ist's mein Toni. Er heißt
nämlich Toni. Das hab' ich bereits
aus ihm herausgebracht. Sonst hüllt
er sich seit drei Monaten in stoisches
Schweigen. Jüngst brach aber das
Eis. Da redeten wir vom Herbftwalde,
von den Thierlein draußen die sich für
die rauhe Winterszeit ein heimlich Ver
steck im Busche suchen. Auffallend ruhig
saß der Toni. Seinen treuherzigen
Augen kannte ich es an, daß er mit der
ganzen Kindesseele bei der Sache war.
Wir sprachen vom Häschen, vom Fuchs,
vom Reh. Wie das Reh ausschaue,
wer schon eines gesehen, fragte ich.
Klägliches Ergebniß! Unsere armen
Stadtkinder wissen ja vor lauter Häu
ser, Gassen und Schloten nichts von
Gottes herrlicher Natur! A Gsaßbock"
war für Alle das Reh, das ich im Bilde
zeigte.
Da stand auf einmal Einer auf, der,
der wegen des öffentlichen Aergernisses
und Gaudiums, das er wegen seiner
beharrlichen conträren Lebensgewohn
heiten erregt, in der letzten Bank seinen
Sitz erhalten hat, und machte zum
ersten Male von seiner Stimme Ge
brauch. That also seinen Mund auf
und redete:
DöS is a Bock ! Läufl hat er und a
Schwanz!, a weiß's, und an Kopf mit
Krickerln und a Ducket (Fell), a brauni.
In Holz draußt Hot er a Nest und
da legt er Oar!" SprachS und fetzte
sich und schaute umher im staunenden
Kreise mit der Miene eines Siegers.
Das war der Toni.
Kaum hatte ich mich von meinem
ersten freudigen Staunen erholt, mußte
ich sogleich das Brünnlein. das so jäh
hervorgebrochen, im Laufe erhalten.
Ja, Toni, woher weißt Tu dies? Haft
schon einen Rehbock gesehen?"
Mir ham oan dahoam bt !" der Toni
drauf mit strahlendem Gesichte; woaßt:
der Vater hat Holz klaubt hinter Per
lach draußen, und da hat er 'n der
wusch'n!"
Ah so!!" sag' ich. Tarauf hat die
Glocke Schluß geläutet.
Am anderen Tage reden wir wieder
vom Reh, und ich freue mich schon auf
die weiteren Erzählungen meines Toni.
Der nimmt mich heute aber gar nicht
an" hat sein altes unerklärliches Lächeln
auf den Lippen und schaut beharrlich in
die linke obere Zimmerecke. Nun,
Toni, erzähl' unS wieder WaS vom
Reh!" Da hat mich der Toni schnell,
aber klug angeschaut und hat ganz
treuherzig gesagt: I woaß nir. vo' koan
Reh! Ter Pater hat g'sagt. i derf nix
mehr derzühl'n in der Schul !"
Seit der Zeit habe ich von meinem
Toni kein SterbenSwörtlein mehr ge
hört.
Verblüffe lichkti.
Vor jetzt mehr als zweihundert Iah
ren lebten, wie eine alte Ehronik mel
der, ein Paar Zwillingsbrüder, die Gra
fen von Ligneville und d'Autricourt.
einer alten lothringischen Familie ent
sprossen. " Beide Brüder waren einander
so vollkommen ähnlich, daß dieselben,
wenn sie in gleicher Kleidung erschienen,
wi eS bisweilen geschab, selbst ihre Die
nerschast verwechselte. Buch der Ton
ihrer Stimme war vollkommen gleich.
Beide dienten als Rittmeister bei de
Dragonern, indeß bei verschiedenen Re
gimentcrn; aber sie vertauschten bis
weilen ihre Uiiisormen. Jeder stellte sich
dann an die Spitze der Schwadron des
anderen, und niemand wurde die Per
wechslnng gewahr.
Eines Tages, als beide Brüder recht
hungrig und durstig waren, kehrte sie
bei einem Speisewirth ein; doch nur der
eine ließ sich sehen, der andere versteckte
sich hinter den Vorhängen des Alkovens.
Der Sichtbare forderte Essen und Wein.
Der Wirth trug eine Schüssel nach der
anderen, eine Flasche Wein nach der
anderen auf. Ligneville aß und trank
zuerst sich satt. Da er viel zu sich neh
men konnte, machte der Wirth schon im
Stillen die Bemerkung, daß der fremde
Herr ein gewaltiger Esser sei; doch wie
erstaunte er, als er die letzte leere Schüs
sel wegtragen wollte, und d'Autricourt,
der unterdessen mit nicht geringerem
Appetit den Platz seines Bruder einge
nommen hattc, noch mehr und iinmer
mehr forderte. Während d'Autricourt
sich gütlich that, verdaute Ligneville und
war nach einer Stunde wieder im
Stande, feines Bruders Platz mit Ehren
einzunehmen. Wer weiß, wie viele
Schüsseln sie noch gefordert haben wür
den, wenn nicht endlich des Wirthes
Speisevorrath erschöpft gewesen wäre!
Ter arme Tropf von Wirth, der den
Teufel in dem Vielfraß vermuthete, er
klärte mit Angstschweiß auf der Stirn,
er habe nichts mehr vorzusetzen, und
nun erst kam der andere Bruder laut
lachend zum Vorschein.
WI rasch die Tchwalben fliegen.
Die von der Gesellschaft Urania in
Berlin herausgegebene illuftrirte natur
wissenschastliche Monatsschrift Himmel
und Erde" (Redakteur Dr. M. Wilheln,
Meyer, Verlag von Hermann Paetel,
Berlin) theilt in ihrem Dezembcrheft die
nachstehende Beobachtung mit: Im Ver
ein mit einer Anzahl von Briestauben
ließ man im letzten Frühjahr auch eine
in Antwerpen heimische Schwalbe in
Compiegne aufsteigen. Dieselbe flog
mit blitzartiger Schnelligkeit, obne sich
wie die Tauben zuerst unter unsicherem
Hin und Herfliegen zu orientiren, so
fort in der zum Ziele führenden Rich
tung davon und erreichte in einer
Stunde und acht Minuten ihr 255 Ki
lometer entferntes Ziel, während die
Tauben erst 3 Stunden später am Ziele
anlangten. Es ergiebt sich daraus für
die Tauben eine Geschwindigkeit von 15
Meter, sür die Schwalbe eine solche von
58 Meter in der Sekunde. Bei derar
tiger Geschwindigkeit wll rden die Schmal
ben zur Zurücklegung ihres jährlichen
Zuges von Afrika bis nach Deutschland
nicht länger als einen halben Tag ge
brauchen, was übrigens auch mit den
Erfahrungen der Beobachter der Zug
Vögel in Einklang steht. .
Herausgeliolfe.
Anläßlich des fünfundzwanzigften
Jahres des Bestehens des Gymnasiums
feiern die ehemaligen Abiturienten aller
Jahrgänge ein Bankett, wozu auch die
Professoren geladen sind. Nachdem die
üblichen Festreden verklungen find, er
hebt sich einer der alten Herren, und
feiert unter allgemeiner begeisterter Zu
ftimmung den besonders beliebten Pro
fessor Lindenheld, der jeden der fünf
undzwanzig Jahrgänge zur Matura ge
führt und wegen seiner Milde sich allge
meine Sympathien erworben hat. Pro
fessor Lindenheld erhebt ftch, um für
die Ovation zu danken und beginnt:
Meine Herren ! Unvorbereitet wie
wie Viele von Ihnen so oftmals
waren "
Bom all Arndt.
Ernst Moritz Arndt kam einmal an
einem schönen Sommertage von einer
Wanderung zurück. Eben stieg er eine
Anhöhe hinunter und trat in die Ebene.
Hier lagen zwei Stutzer behaglich faul
im Grase hingestreckt. Als sie den alten
Mann sahen, den sie nicht kannten, und
sein schneeweißes Haar Arndt trug
seinen Hut in der Hand da glaubten
sie, ihn nicht ohne einen Witz vorüber
gehen lassen zu dürfen. Sieh doch",
wandte sich der Eine zum Anderen und
deutete auf Arndt's weiße Locken, auf
den Bergen muß eS schon geschneit
haben." Freilich, versetzte Arndt,
daS Rindvieh hat sich ja schon in der
Ebene gelagert !"
Aasnnhofblülhe.
Feldwebel (zu einem Rekruten) :
Mensch, machen Sie kein so gescheidteS
Gesicht! Sie betrügen sich ja
selbst!"
Schlechter Ersatz.
Gast: Aber Kellner, das Filet riecht
ja schon!"
Kellner: Na, dafür haben Sie auch
die doppelte Portion erhalten."
Leim kzeirachsvermiltler.
Kunde (dem die Photographie einer
Tame gezeigt wird): Sie, mit dieser
alten, häßlichen Schachtel wollten Sie
mich schon vor drei Jahren verkup
peln!"
Drei Jahr ist daS schon her?. . . .
Na, vielleicht wird sie Sie jetzt neh
men!" Nobel.
Elsa: Wir machen morgen eine
Tchlittenparti, o. wie freu ich mich
darauf. Olga, bitt Deinen Papa,
damit er auch mitfährt!"
Olga: Aber Elsa, mein Eltern
werden doch nicht im Winter Schlitten
sahnn, wo alles führt?"
EI,rgkiz,
Nü, Sepp, was ist mit Deinem
Ochsen? Der schaut seit einiger Zeit
so elend aus!"
Ach, der kränkt sich nur, weil er auf
der VichauSstcllung keine Preis kriegt
hat!"
Aus der Schule.
Lehrer (vor dem Globus): Wo ist
der Nordpol. Tommy?"
Tommy: Ich weiß nicht."
Lehrer: WaS! Du weißt nicht, wo
der Nordpol liegt? Schämst Du Dich
nicht über eine solche Unwissenheit?"
Tommy: Erlauben Sie, Herr Leh
rer, Sir Franklin, Nansen und all'
die Anderen haben ihn ja auch nicht sin
den können."
Modem.
Ist es wahr, daß die geschiedene
Frau Doktor noch iminer bei ihrem
Manne lebt?"
Gewiß!"
Aber, wie ist denn das möglich?"
Sehr einfach! Die Frau Doktor
kocht ganz famos, und da der Herr Dok
tor ein ausgezeichneter Gourmand ist,
hat er sir nach der Scheidung als
Köchin engagirt!"
Das schöne Albuml
Denk' Dir, Mama, ich bat den Dich
ter Adolar, mir etwas in mein Stamm
buch zu schreiben, und da hat ,r mir
gleich das ganze schöne Album
v o l l g e d i ch t e t !"
Staunenswert!).
Einheimischer (im Theater): Stau
nen Sie nicht über unsere Prima
donna?"
Fremder: Ich WÜßt' nicht warum!"
Einheimischer: Nun, sie hat keine
Stimme mehr singt aber doch!"
ibalischcs lvollwollcn.
Eine Reisegesellschaft wurde in Afrika
von Wilden gefangen genommen und
sollte verspeist werden. Da tritt ein
neu vermähltes Ehepaar vor und bittet
den Häuptling, er möge darauf Rück
sicht nehmen, daß sie erst kurz verhci
rathet feien.
Gut," erwidert der Häuptling nach
einigem Nachdenken, weil Ihr Euch so
gerne habt, so sollt Ihr Beide, damit
Jhrschön beisammen bleibt,
aus besonderer Gnade von mir
allein erspeist werden!"
Zr Abwechselung,
Sie wollen nach dem Nil reisen,
Herr Rittmeister?"
Aeh. habe daS ewige Pferdesitzen
satt! Will mal 'ne Zeit lang Nil
Pferde reiten."
Unverfroren,
Hausherr: Jetzt machen Sie aber,
daß Sie fortkommen, meine Geduld ist
bald zu Ende!"
Hausirer: Reicht se vielleicht noch für
e paar Artikelchen aus de Papierwaa
renbranche?"
Aristokrat durch und durch.
Protz (welcher neuerdings geadelt
worden ist, annoncirt bei gegebener
Tafel seinen Gästen): Meine Herr
schaften, jetzt wird aber ein Hasenbraten,
ältere Linie, servirt, den wollen wir
ritterlich begrüßen!"
Einladend.
Kunde (spät Abends): Kann ich noch
rasirt werden?"
Barbier: Gewiß, aber ich muß Sie
im Voraus darauf aufmerksam machen,
daß ich keinen Fetzen Heftpflaster mehr
im Hause habe!"
B, diese inderl
Die kleine Els (zur Gouvernante):
Weißt Tu, wir find Dir alle sehr gut,
am meisten Papa!"
Wieso, hat er das gesagt?"
Ja, er meinte gestern, Du seift ihm
eine nette Pflanze!"
Im Lymphonie-Lonccrt,
Tochter (beim Adagio): Jetzt drückt
Beethoven in seiner Musik die weh
mäthige Sehnsucht nach dem verlorenen
Glück aus!"
Mutter (beim Maestoso): Das ist
jetzt die Klage über das traurige Men
schenloos!"
(Der folgende Theil wird durch einige
Paukenschläge eingeleitet.)
Vater: Und jetzt wird frisch ange
zapft!"
F rücküchrsvoll.
Tu kleidest Dich viel zu verschwende
risch und auffallend!"
Sie: Aber, liebes Männchen, alles
nur Deinetwegen, damit Dine Freunde
sagen. Tu hättest einen guten Ge
schmack, indem Du mich zur Frau
nahmst!"
Lmaeaanaen,
Lieber Herr do Eilberberg! Bin
in momentaner Geldverlegenheit. Bitte
um gefl. Zusendung von 5 Mark du?ch
den Uebcrbringer. Denken Sie an:
Bis dar, qui cito dat. Doppelt
gibt, wer schnell gibt. j3 Uhr Nachm.
Ihr ergebener
Alex Pumpo, stud. zur.
Henn Alex Pumpo! 3 Uhr Nachm.
Mitsolgend die 50 Mark. Belaste
Sie. unserer Abmachung gemäß, mit
100 Mark. Achtung?!!
Tl. Silber berg, Privatier.
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