Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 14, 1897, Image 9

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    (Comtesse Aschenbrödel.
Novellette ooii C. von B r u n e k.
Wie ist'S, Maiy, bekommen wir
heute Abend wieder die dortrefffichen
j Fleischklößchen, die Du irnS neulich zu
1 bereitet hast?"
" Der junge GardeArtillerie.Osfiier,
der diese Worte sprach, trat mit heiterem
Lachen in die kleine, freundliche und
blitzsaubere Küche, in der ein junge!
blondlockige Mädchen am Herde stand.
.Graf Walterdurg ist ganz entzuckt
Von ihnen," fuhr er lachend fort, und
da er ftch heute wieder zum Abendessen
angemeldet hat "
Comtesse Mary' Wangen überhauchte
eine rosige Gluth; rasch beugte sie sich
Über den Keffel, um zu sehen, ob da?
Theewasser noch nicht koche.
Wir müssen Deinem Freund wohl
etwa BeffereS vorsetzen, Arthur," meinte
sie zögernd.
Ei behüte!" rief der junge Offizier.
Graf Bruno ist mit dem Einfachsten
zufrieden, wenn e nur nett und gut
zubereitet ist. Na, Schwesterchen, das
verstehst Du ja ganz ausgezeichnet Du
kleine Aschenbrödelchen."
Er strich ihr zärtlich über die krausen,
blonden Haare, die ihr niedliches errö
thendeZ Antlitz in reichen Wellenlinien
umgaben.
Ach laß doch den häßlichen Namen,"
schmollte sie, wenn Dein Freund ihV
hörte...."
Kennt den Namen ja schon, Mary,
und findet ihn reizend," entgegnete er
lachend.
u Ich begreife eigentlich nicht recht,"
..(... (rn.-i. C -. i : v v -o 1 X ... . .
g uut muiy uu, invein ic vu luuitnue
' Waffer auf den Thee goß, daß Dein
Freund nicht größere Ansprüche stellt.
Er ist doch einer unserer reichsten Grund
besitz.
Freilich Majoratserbe von Schloß
BlieSdorf.
In seiner Familie ist er gewiß an
eine weit bessere und glänzendere HauS
Haltung gewöhnt, als wir sie ihm bieten
können."
Darüber zerbrich Dir nur nicht das
Köpfchen. Schwesterchen, alle was
Du kochst, schmeckt ihm ausgezeichnet.
Als wir bekommen die Fleischklößchen?"
Ja."
Na, denn auf Wiedersehen heute
Abend ich hole Graf Walterburg ab
in zwei Stunden sind wir da."
Er nickte seiner Schwester vergnügt zu
und entfernte sich ein lustiges Liedlein
pfeifend.
Comtesse Mary machte sich wieder am
Herde zu schaffen. Jhr Gefichtchen nahm
einen ernsthaften, aber durchaus nicht
mißmuthigen Ausdruck an. Comtesse
Aschenbrödel nannte ihr Bruder sie
scherzend ja, sie war es in der That,
denn wenn ihre Eltern auch ein Dienst
Mädchen hielten, so mußte Mary doch
tüchtig im Haushalt mit zufassen und
, hatte sich unter der Anleitung ihrer
Mama zu einer vortrefflichen kleinen
Köchin ausgebildet. ES ging nun ein
mal nicht anders. Der vornehme Name
, eines Grafen von Meinrode war freilich
J, L..t.Hk .1... k;. m?!tts (TO-
v vvruuttvru, iuci uic .uuuci uiia vu-
jor 0. D. als Grafen Meinrode waren
beschränkt; zumal seit Mary'S Bruder
' Arthur als Ossizier bei der Garde
Artillerie stand, mußten die Eltern ihre
Mittel sehr zusammen halten, um aus
zukommen. So hatte man denn die
Köchin abgeschafft und nur ein einfache!
Dienstmädchen beibehalten, während die
Gräfin Meinrode und Comteffe Mary
die Küche und den Haushalt besorgten.
In der ersten Zeit war eS Mary wohl
oft schwer gefallen, sich in Küche und
Haushalt zu beschäftigen. Ader bald
gewann sie Geschmack an dieser Beschäf
tigung und setzte ihren Triumph darein,
eine tüchtige kleine Hausfrau zu werden,
sie war stolz darauf, wenn die Gäste ih
r Eltern die von ihr zubereiteten
Speisen lobten und die Eltern mit lä
chelndem Wohlgefallen auf das kleine
fleißige Haustöchterchen blickten.
Nur einmal hatte sie sich geschämt,
alS Arthur seinen um einige Jahre ül
ten Freund, Graf Bruno Walter
- bürg, zum Abendessen mitgebracht hatte.
ES war Sonntag und das Dienst
Mädchen hatte seinen freien Tag. Da
mußte denn Mary allein für das Abend
essen sorgen, mußte den Tisch decken, den
Thee serviren und nachher, als man ge
müthlich plaudernd zusammen saß, das
Bin einschenken.
Graf Bruno war eine solch' vornehme
Erscheinung! Man sagte, sein Vermögen
buiffere sich nach Millionen. Und seine
großen, etwas schmermllthigen braunen
L. Auge ruhten mit solch eigenthümlichen
T Glanz auf der schlanken, zierlichen Ge
ftalt Mary', während sie die kleinen
Geschäfte de HanShalteS besorgte.
An jenem Abend hatte sie sich wirklich
geschämt, besonders als Arthur sie sei
nem Freunde scherzhaft als die kleine
Comtesse Aschenbrödel vorstellte. Ueber
deS rasen Bruno ernstes Antlix huschte
in seltsame Lächeln, halb Mitleid,
halb Epott. wie sie glaubte und eine
glühendheiße Xöthe üoerflammte ihre
Wangen.
Ab der Graf schien sich doch bei ih
r"-W u fühlen. Er kam seit jenem
Abend sehr oft. plauderte mit ihren El
tern, muficirte mit ihr und lobte ihre
Speise. .
Da war gewiß nur eine freundliche
ucksicht, n ihr gegenüber igte,
aber sie that doch wohl, und selbst wenn
sie jetzt scherzend Comtesse Aschen
brödel nannte, war sie nicht döie dar
über.
.Wie ist' Mery-ist da Abendessen
bereU V
Der ämntagMsl
Jahrgang 17.
Die Gräfin trat in die Küche und ließ
ihren Blick prüfend über den Herd
schweifen.
Ja, Mama eS ist alles bereit."
Da Mädchen muß gleich zurückkeh.
ren," fuhr die Gräfin fort. Aber Du
kannst ja vorher schon den Tisch decken.
Ich will so lange in der Küche bleiben."
Mary eilte davon, um in dem Eß
zimmer den Tisch zu decken.
Sie sah allerliebst aus in dem ein
fachen, aber geschmackvollen HauSkleide
mit der weißen Latzschürze. Die ties
blauen Augen glänzten und die Wangen
glühten von der Arbeit in der Küche.
Hier und da stahl ftch ein blondes Löck
chen aus dem sonst glatten Scheitel her
vor und ringelte sich über die weiße
Stirn, dem Gesichtchen einen leicht
schelmischen Ausdruck verleihend. Flink
wie eine Eidechse huschte fte durch das
Zimmer, eilte vom Büffet zum Tisch
und ordnete mit geschäftigen Händen
die Teller und Gläser, während ein
leichtes, glückliches Lächeln ihre Lippen
umspielte, daß die weißen Zähnchen her
vorschimmerten und auf den Wangen
ein reizendes Grübchen erschien.
Plötzlich schrak sie zusammen und fast
wäre ein GlaS ihren Händen entfallen.
Guten Abend, gnädiges Fräulein."
ertönte eine tiefe, ruhige Stimme von
der geöffneten Thür her.
Rasch wandte sie sich um. Graf
Waldenburg stand in der Thür. Ein
leichtes Lächeln ruhte auf seinem schö
nen, vornehmen Antlitz.
Herr Graf Sie schon hier?"
Allerdings hab' ich Sie erschreckt?
dann bitte ich um Verzeihung."
Wollen Sie nicht in den Salon
treten "
Weshalb? Hier ist'S ja so gemüth
lich. Außerdem hat Ihr Bruder noch
eine kleine Angelegenheit mit Ihrem
Herrn Papa zu besprechen. Dabei war
ich überflüssig, deshalb trat ich hier ein.
Sie zürnen mir doch nicht, gnädiges
Fräulein?"
Wie solle ich! Aber eS ist hier
noch nichts in Ordnung."
So gestatten Sie, daß ich Ihnen
helfe...."
Nicht doch. Herr Graf....'
Ei, weshalb denn nicht?"
Er wollte einige Teller ergreifen, die
auf dem Büffet standen, um sie auf den
Tisch ,u stellen: doch sie kam ihm zuvor.
Nein, nein, Herr Graf das ist
keine Arbeit für Sie. Außerdem sind
eS auch nicht die richtigen Teller."
Ah so ja, sehen Sie, Comtesse
Mary, selbst diese Arbeit will gelernt
sein und ich fürchte, ich bin schon zu alt
dazu."
So laffen Sie mich nur rasch den
Tisch decken."
Aber Sie müssen mir gestatten, daß
ich Ihnen zusehe."
Er setzte sich in einen Sessel und sah
ihr mit leichtem Lächeln zu. wie sie den
Tisch mit flinken Händen ordnete.
.Wie nett Sie das alles machen.
sprach er nach einer Weile leicht aufath
mend.
DaS ist doch keine große Kunst,
lackte sie.
O gewiß!" entgegnete er. Wenn
doch die Damen von heute wüßten, wie
viel Gemüthlichkeit, Glück und vrieden
sie in ihrem Haushalt verbreiten könn
ten, wenn sie "
Nun. Herr Graf." fragte Mary
schelmisch, als er zögerte.
Wenn Sie alle so wären wie Sie,
Comtesse Mary."
Ah, Sie wollen mich verspotten. . . "
Gewiß nicht." rief der Graf auf
springend und einige Male in dem Zim
mer auf und ab gehend. Tann blieb
er vor dem nunmehr fertig gedeckten
Tisch stehen und sprach wie in Gedanken
versunken : Mich überkommt stets ein
glückliches Heimathsgefllhl, Comtesse
Mary, wenn ich Sie im Haufe schalten
und walten sehe. Wie lange wird es
noch währen, dann fitze ich daheim in
meinem großen, breiten, alten Schliß
BlieSdorf. Die hundertjährigen Bäume
des Parkes rauschen im Winde, von
fern her tdnt da? Brausen der Ostsee,
im Kamin pseift der Sturm und die
islammen der schweren Holzscheite pras.
sein empor und ich werde dort einsam
und allein sitzen und der Diener wird
mit geräuschlosem Schritt den Tisch
decken und drunten in der Küche denken
die Köchinnen und Mägde daran, mir
das bendeften zu bereiten, unv iqeiken
über die viele Arbeit und haften über
die Arbeit weg. daß sie nur ja rasch fer
tig erden und ich sitze allein da um
mich ist e öd und still und ich fürchte
mich fast in meinem alten Eulennefte."
Mary senkte die Augen, ine feine
Röthe stieg in ihren Wangen empor,
ihr war s seltsam beklommen um das
Herz.
Und dann," fuhr n leise fort,
werde ich de freundlichen Bilde ge
denken, da ich heute Abend und an so
manchem Abend sah. wenn ich m Ihrem
Hause weilte. Comtesse Mary ich werde
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Sie wieder sehen, wie Sie schalten und
walten als kleine geschäftige Hausfrau,
wie Sie mit leichten Feenhändchen Glück
und Frieden, Behaglichkeit und Zufrie
denheit um sich verbreiten. Wie Sie
durch Ihre stille und anmuthige Ge
schäftigkeit den Zauber der Häuslichkeit
zu erschöpfen wissen, wie Sie das wahre
stille Glück des Haufe verkörpern.
Herr Graf ich bitte Sie"
Er athmete haftig auf. Ja, Com
teffe Mary das wahre, stille Glück des
Hause?, das der italienische Dichter so
schön besingt: ,,O, einsam süße Ruh
in den vier Wänden"" Sie kennen das
Lied. Comtesse Mary?"
Ja eS hat einen tragischen Schluß"
Der tragische Schluß ist unwahr
wer je das stille Glück einer solchen
Häuslichkeit empfunden, der wird nie
malS wieder ganz unglücklich werden,
selbst wenn ihm das Liebste durch den
Tod entrissen denn die Erinnerung
wird mit ihm leben."
Er schmieg und blickte fte lächelnd an.
Dann sagte er aufseufzend: Wenn ich
doch auch eine solche kleine, liebliche
Hausfrau besäße "
. Herr Graf!"
Ist der Wunsch zu egoistisch, Com
tesse Mary?" fuhr er fort, indem er
nahe an fte herantrat.
Sie blickte mit bangem, bittendem
Blick zu ihm auf. Eine Thräne hing
in ihren langen Wimpern und ein
schmerzlichsüßes Lächeln umzuckte ihre
Lippen.
Nicht eine Hausfrau, Herr Graf
nur ein Aschenbrödel..,."
Ich bin mit einem solch' lieblichen
Aschenbrödel zufrieden, entgegnete er,
mit zärtlichem Lächeln ihr in die Augen
blickend und ihre Hände ergreifend,
Willst Du meine Hausfrau mein
Aschenbrödel fein, A!ary Willst Du
mir folgen, wie das liebliche Aschen
brödelchen im Märchen dem Prinzen?"
Sie lehnte ihr Köpfchen an seine
Schulter und weinte leise, glückliche
Thränen.
Wie ist eS möglich," flüsterte sie
ich befttze nichts.
Nichts als Deine Anmuth," rief er.
den Arm um sie schwingend und sie
zärtlich an sich drückend, nichts als
Deinen Fleiß, Deine Gabe, Glück und
Frieden um Dich zu verbreiten und
das ist mehr werth als Millionen
meine liebe, fuße kleine Hausfrau.. .
Und er hob ihr Köpfchen empor und
sie duldete eS, daß er ihre zuckenden
Lippen küßte.
Alle Wetter....!?'
Erschreckt fuhren die Liebenden auS
einander. In der Thür stand Arthur,
auf dem Geficht ein überraschtes
Lächeln.
Tritt nur näher, Arthur.' rief
Gras Bruno fröhlich. Das Märchen
ist aus Comteßchen Aschenbrödel hat
seinen Märchen Prinzen gefunden.'
Die Freunde schüttelten sich die
Hände; Comtesse Aschenbrödel aber flog
davon und verbarg ihr Glück und ihre
Seligkeit in der Küche, aus der sie
dann von Arthur im Triumph hervov
geholt wurde.
DaS wäre fast eine NeuAuflage von
der Verlobung hinter dem Herde ae
worden," lachte er übermüthig, fein
Schwesterchen in das Zimmer führend.
wo fte erröthend in die Arme Bruno'S
sank.
verhaltene Thränen.
Sine kcincSmkgS trauriqe beschichte von
. Flachs.
Mutting, Deine Ahnungen täuschen
Dich!" sagte Rath Heding zu seiner
Frau. Dr. EypiuS verkehrt nun
schon seit zwei Jahren in unserem
Hause, und da er Gottlob nicht taub
stumm ist, hat er oft genug zwischen
den Worten heraushören können, daß
wir alle ihm gewogen sind, und hätte
auch sprechen müssen zu Agne,
natürlich. Er hat'S nicht gethan, und
diese Unterlassung läßt an Deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig. Ich glaube
auch gar nicht, daß in AgneS' Herzchen
auch nur ein Funkchen von Liebe zu ihm
glimmt Kein Wunder! Der gute
Mann ist für seine 32 Jahre viel zu de
häbig, allzu ruhig und kühl; und er
wacht au seiner orientalischen Gelassen
heit erst, wenn er von der Schönheit
und Anmuth der altgriechischen
Sprache" oder von der wuchtigen
Kraft" der lateinischen lehrhast zu
sprechen Gelegenheit findet. Da erst
schimmert sein blaue Auge, da erst de
ledin sich seine sonst unbeweglichen Ge
sichtZmuskelnI Ich begreise vollkommen,
daß dieser altmodische Typus de deut
schen Gelehrten auf Agne keinen
tieferen Eindruck zu machen vermag!"
Papachen!" erwiderte lächelnd Frau
Heding. WaS der erstand der Män
ner nicht sieht, da ahnt in Einfalt ein
weiblich Gemüth." Für mich besteht kein
Zweifel: der liebe GypiuZ ist in unser,
Töchterlein ganz ausgiebig verliebt.
Als schüchterner, bescheidener Mann
kann er ftch nur dazu nicht entschließen,
Liebe zu bekennen. Er läßt es ja an
verblümten Andeutungen auch nicht
fehlen. So sagte er einmal zu Agnes,
als von der zeitgenössischen Theater
literatur die Rede war, scherzhaften
Tones: Fräulein AgneS, ich hätte nicht
übel Luft, zu dem reizenden Titel
Heimliche Liebe" da entsprechende
Stück zu schreiben!" Dabei erröthete er
bis an die Haarwurzeln wie ein
verliebter Gymnasiast. Und Schelm
Agnes erwiderte darauf, recht naiv
thuend: Ach wirklich? Das wäre schön,
ich werd bei der ersten Aufführung
sicherlich nicht fehlen! Soll es ein
Trauerspiel oder eine Posse werden?"
Ich stehe dafür gut. daß Gypius ftch
recht tief und fest in Agnes' Herzen ver
ankert hat. Nun hat Dr. Gypius, wie
Du weißt, einen Ruf an die Universität
erhalten und wird bald wegziehen. Da
heißt es, sich sputen, etwas thun!"
Herr Heding fuhr auf :
Etwas thun! Sich sputen! Soll
ich etwa der Du oder gar Agnes ihm
in seiner JunggesellenWohnüng einen
Besuch abstatten und feierlich um seine
Hand anhalten? Wenn er nicht
Mann genug ist, sich AgneS zu erkiä
ren und um unsere Zustimmung zu
bitten dann nun, dann soll er
eben aus das Glück, AgneS heinizufüh
ren, verzichten!"
Aber Papachen!" entgegnete Frau
Rath. Ich kenne Dich und erkenne
Dir gar nicht. Er soll verzichten,.
warum denn? Weil er schüchtern und
bescheiden ist? Und an AgneS denkst
Du dabei gar nicht! Was die dar
unter leiden würde! Ich bleibe dabei,
man muß etwas dazu thun wir
veranstalten anläßlich seines ScheidenS
ein Souper mit Sekt: der soll dem
lieben GypiuS die Zunge lösen!"
Rath Heding spielte vor Zorn alle
Farben.
Was fällt Dir ein. Frau! Wir hl
len ihn mit Sekt berauschen, damit
er O, o, o! Ich will's gar nicht
aussprechen, will Deine Worte gar nicht
gehört haben! DaS wäre ja ein Unfug
erster Güte und,."
Und Du bist ein Philister erster
Güte!" fiel ihm Frau Rath in die
Rede. Gypius ist ein Mann, der
einer großen, hingebenden Liebe fähig,
aber davon zu sprechen unfähig ist.
Wenn ihm der Champagner Muth
und Sprache verleiht, so kann ich nichts
dafür, sondern der Champagner. Und
ist dies der Fall, so verbinden sich zwei
sich ohnehin liebende Menschenkinder zu
einer glücklichen Ehe. Wo steckt da der
Unfug, wenn ich bitten darf? Im Ueb
rigen, gut ein Souper ohne Sekt!"
Es wollte sich keine behagliche, leb
hafte Stimmung einstellen, so sehr fich
auch Frau Heding bemühte, in den
Pausen zwischen den einzelnen Gerichten
das träge fich hinschleppende Gespräch in
Fluß zu dringen.
Rath Heding saß still, in fich gekehrt,
gepeinigt von Gewissensbissen darüber.
daß er den Sekt von der Tafel gebannt
hatte e wäre ja doch nichts BöseS
dabei gewesen .... Von Zeit zu Zeit
blickte er Dr. GypiuS an und dann
wurde er nur noch erboster gegen sich,
denn der Gast war heute noch unbewegt
lieber und wortkarger als sonst
wahrhaftig, der wird jetzt weniger als
ie das erlösende Wort finden und auS
sprechen Sekt hätte doch zum min
besten Leben in diese gedrückte Tafelge
sellschast gebracht!"
AgneS iah tiefbetrübt drein, erwiderte
zerstreut auf die Fragen; sie stützte ihren
Kopf gedankenverloren in die Hand und
seufzte manchmal leise, worauf Frau
Heding ihrem Gatten jedesmal einen
scharfen Blick zusandte, der in hör und
lesbare Sprache übertragen, etwa ge
lautet hätte: Siehst Du, Tu Raben
Vater, wie traurig Deine einzige Tochter
ist, weil Dr. Gypius nicht mit der
Sprache heraus kann? Siehst Du nun
ein, wie Recht ich mit dem Sekt hatte ?
Jetzt zieht GypiuS in die Ferne und
kehrt nicht wieder! Und wer trügt Schuld
daran, daß diese zwei jungen, lieben
Menschenkinder mit einander nicht glück
lich werden? Xu, mit Deiner übertue
denen unsinnigen, philiströsen Recht
schanenheit," mit Deinem feierlichen
Protest gegen den harmlosen Sekt!"
Dr. Gypius konnte nicht gut an dem
Gespräche theilnehmen, weil in seiner
Seele ein sehr bedeutungsvoller Kamps
geführt wurde, zwischen der Liebe und
der Bescheidenheit. Die Liede wollte
die Sprache beauftragen, der reizenden
Agne allerlei mitzutheilen, allein die
Bescheidenheit legte dagegen Verwah
rung ein. indem sie darauf hinwies,
da ein I ernster, nüchterner, langwe
liger Geselle, wie Dr. qpius nicht da
Recht hätte, um eine Hand zu freien,
die einem fo lieblichen, munteren, poe
tischen Mädchen, wie Agne e ist, zu
No. 34.
eigen gehört. Der Kamps blieb unent,
schieden.
AIS man Obst und Küse zu Tische
brachte, erhob sich plötzlich Rath Heding
und bat um Entschuldigung, daß er sich
für einen Augenblick entferne ; er hatte
sich soeben erinnert, daß er eine außer
ordentlich wichtige Angelegenheit sofort
erledigen müsse; diese außerordentliche
wichtige Angelegenheit betraf die Her
aufbeförderung einer im Keller befind
lichen Batterie von Sekt Flaschen.
Frau Heding sah ihm besorgt nach und
mußte nun auch um Entschuldigung
bitten, daß sie für kurze Zeit die Stube
verlasse.
Gypius, der schon früher bemerkt
hatte, daß AgnuS nur mit Mühe ihre
Thränen, verhalten konnte, erhob sich
nun, trat auf fte zu und sagte mit un
endlich gütigem Ausdruck :
Bitte, Fräulein Agnes, weinen Sie
doch ! Verhaltene Thränen, . , das ver
bittert die Seele ! Weinen Sie !"
Agnes sah erstaunt zu ihm auf, ver
suchte zu lächeln und plötzlich rannen
ihr die Thränen übers Geftcht.
Sie leiden so sehr," stammelte
Gypius und auch in seine Augen traten
Thränenperlen. Wenn ich nur wüßte,
weshalb Sie weinen? Wie glücklich
wäre ich, wenn wenn ich der
Grund wäre."
O, nein!" erwiderte AgneS treu
herzig.
So o o?" sagt Dr. GypiuS. und
leichenblaß begab er fich an seinen Platz
und setzte ftch erregt nieder.
Herr Doctor! Warum haben Sie
fich wieder entfernt? Sind Sie mir
böse?" fragte nun mit leiser, zagender
Stimme Agnes.
Dr. Gypius schoß das Blut zu Kopfe
vor Erregung ; er erhob ftch und rie
von seinem Platze aus :
Böse? Ich begreife nicht, wie man
so reden kann! Ich Ihnen böse? Ist
denn daS überhaupt denkbar? Und
wenn Sie mich mit Füßen treten
auch dann nicht. Mit 20 Jahren soll,
ten Sie doch schon wissen, daß Sie das
reizendste Mädchen von der Welt find
und "
Dr. Gypius sprach in dieser Tonart
fort, näherte fich dabei AgneS Schritt
um Schritt, ohne es zu bemerken, und
als er nun vor ihr stand und ihr glück'
strahlendes Geficht sah, wurde er noch
heftiger und er tchne :
Und daß ich Sie aus ganzer Seele
liebe, daß ich Sie vergöttere, wissen
sie schon lange und Sie schweigen
Wozu hat Gott Ihnen die Sprache und
die süße Stimme gegeben? Zum
schweigen?"
Aber, lieber Herr Toctor !" begann
AgneS. Kaum hatte Gypius das Wort
lieber" vernommen, als er AgneS
Hände ergriff und sie mit glühenden
unen dedeckte.
Da traten Papa und Mama herein,
in jeder Hand eine Sektflasche.
Dr. GypiuS hatte seine Schüchtern,
heit völlig abgestreift, er war lustig bis
zum Uebermuth und redselig über die
Maßen.
Sag', AgneS, mein Schätzchen!
Was bedeuteten vorhin Deine verhalte
nen Thränen?" fragte er feine Braut.
Ich hatte furchtbare Zahnschmer
zen!" erwiderte sie lachend. Gottlob
sie find vorbei, seit ich Dr. GypiuS'
Braut bin!"
GypiuS konnte sich vor Lachen nicht
halten:
Und ich eingebildeter Narr glaubte.
Dich wandle die Luft zu weinen an, weil
ich wegziehe! Na, thut nichts! der Zahn
schmerz war doch der Glllcksftifter, der
Ehevermittler. Ich erhebe voll Dank
barkeit mein Glas auf AgneS' Zahn
schmerz und verhaltene Thränen mit
dem innigen Wunsche, daß Beide nicht
wiederkehren!"
Papa," flüsterte Frau Heding ihrem
Gatten zu. Sieh mal, wie der Sekt
aus unseren GypiuS wirkt!"
I wo!" entgegnete Rath Heding.
Tu irrst! DaS ist der Sekt der jungen
Liebe!"
ki Lpitzbudenkniff.
"in d ?bemkegadt. drn Haffif(fii
Boden der Pick.Pockets". ist unter dem
um Baoemelum tut siieae" ein mm
würdiges Büchelchen erschienen. Unter
den flunberten tonn SibfSrfhtn"
welche dort zur Erheiterung wie zur
Warnung mitgetheilt werden, verdient
eines, das gegenwärtig sehr in der Mode
sein soll, besonders erwähnt zu werden.
Es sührt die Ueberschrift: Ti Cousin
Arthur" und lautet: Ter Tieb gesellt
sich ein krnndliiin !iinn,n Tnm in
Nachdem die stille Gesellschaft gebildet
in. oezeiame, ver dct er neuen jzirma
seiner Genossin den erste besten ibnen
brslrnnrnhfn Älterm fvrnt hefien M.
mit ein?: glänzend, Goldlette geschmückt
in. xu unge iamr geht gerade
aus aus den Bezeichneten zu, hält ihm
ihr fein behandschuhtes Handchen bor
beide Augen und begleitet diese Proce
dur mit den schelmischen Worten:
Rathe, wer ich bin!" Neun Ma5in zehn
Fällen geht der Herr auf den Leim.
Klementine!" ruft er, in der Meinung,
irgend eine Bekannte vor sich oder viel
mehr hinter sich zu haben. Keine
Idee!" Also Klara .... oder So
phie ?" Du bist auf der Spur
rathe noch einmal!" Und während der
arme Tropf mit geschlossenen Augen
noch sein Hirn zermartert, um seine Er
innerungen zu sammeln, hat ihm der
Dieb mit aller Gemächlichkeit die Uhr
auS der Tasche eSkamotirt. Kaum ist
die Beute in Sicherheit, so zieht die Ge
nossin plötzlich die Hand von der Stirne
des Opfers, gibt sich geschickt den An
strich höchster Verlegenheit und rüst stot
ternd, während sie daS Weite sucht: O
mein Herr! Entschuldigen Sie tausend
mal ich hielt Sie für meinen Cousin
Arthur !"
Der best Bürger."
Eine Erinnerung an Napoleon in
Berlin knüpft sich an das Ableben der
82jährigen Schlächtermeister Wittwe
Jda Benneniann, welche kürzlich dort
aus dem Luisen Kirchhofe bestattet
wurde. Mit ihr ist, wie die Allgem.
Fl.Ztg." erzählt, ein Stück Geschichte
der Berliner Schlächter Innung zu
Grabe getragen worden. Sie war die
Tochter de Schlächtermeisters Bochftein,
dessen Grab auf dem Andreas'Kirchhofe
ein Grabstein schmückt mit der Inschrift:
Dem besten Bürger!" Als Napoleon
im Jahre 1307 in Berlin war, legte er
u. A. auch der Berliner Schlächter
Innung auf, binnen kurzer Zeit 16,000
Thaler aufzubringen. Als man zu er
widern wagte, daß es nicht möglich sei,
diese Summe aufzutreiben, wurde ihnen
die Drohung, daß sämmtliche Mitglieder
der Berliner SchlächterJnnung einge
sperrt werden würden, wenn das Geld
nicht binnen 24 Stunden zur Stelle fei.
In dieser Nothlage brachte Bochftein
sein Vermögen zum Opfer und erwarb
fich dadurch den Dank seiner Kollegen,
der noch nach seinem Tode durch die In
schrift auf dem Grabstein zum Ausdruck
gebracht wurde.
Pech
haben und noch obendrein eingesperrt
werden, das ist hart! Vor ein paar
Tagen sprang ein anscheinend lebens
müder Mann in das eiskalte Wasser
des ChateletSpringbrunncns in Paris.
Sofort eilte ein anderer zufällig in der
Nähe weilender Mann herzu und zog
ihn wieder heraus. Auf die Polizei
wache gebracht, machte der Gerettete fei
nem Lebensüberdruß in derzweifelten
Worten Luft und begann schon die Her
zen der braven Sicherheitsbeamten zu
rühren, als der muthige Retter erschien,
um seine Belohnung zu fordern. Da
wurde die Sache denn doch verdächtig,
und man setzte das edle Paar schleunigst
an die Luft. Sie hätten sich mit dem
Spott begnügen sollen, aber der eine
von ihnen konnte sich im Augenblick des
Hinausbefördertwerdens nicht enthal
ten, zu seinem Kollegen zu sagen: Du,
das nächste Mal müssen wir's geschickter
anfangen," und so mußten sie denn, da
sie sllr ihr Lebensrettungshandwerk na
türlich keinen Gewerbeschein aufweisen
konnten, in'S Loch wandern.
Zur Nachahmung empfohlen.
Eine Frau möchte gerne einen neuen
Hut haben. Sie beginnt damit, von
ihrem Manne ein Kleid zu fordern.
Er: Ein Kleid, diese Ausgabe! Wo
denkst Du hin, bei diesen schlechten Zei
ten! Wenn eS noch ein Paar Handschuhe
oder meinetwegen ein Hut wäre,
aber ein Kleid unmöglich!"
Sie: Na, beruhige Dich, liebe
Männchen! Du weißt, daß ich Dir in
allem nachgebe; kaufe mir also einen
Hut!"
Boshaft.
Junger Arzt: Heute habe ich meinen
ersten Patienten bekommen!"
Bekannter (Notar): Gratulire be
stens! Nicht wahr, wenn er sein Tefta
ment machen will, da empfehlen Sie
mich!"
Aus dem Gerichtssaal.
Richter: .....ES ist doch merkmür
big, daß Sie Kleider gestohlen, und
nicht in die Kasse gegriffen haben!"
Angeklagter: Ich bitt' Sie, erinnern
Sie mich nicht daran! Ich hab' mich
schon genug darüber geärgert!"
urz.
Dichter: Wie ffnden Sie mein
Trauerspiel?"
rlliter: Traurig!"
Uniiberivindlicbe Abneigung.
Maler: Wünschen Sie Ihr Porträt
in Kreide der Wasserfarben aemalt in
haben?"
Student: .Waer? Nein, niemals!
Kreiden Sie nur an."
Schlau.
.Jetzt sind wir drei Tage verhei
rathet, und heute willst Tu schon in'
Wirthshau gehen?"
Ader. Weibchen, ich will ihnen er
zählen, wie glücklich ich bin."
Liaen lob.
Sagen Sie. gnädige? Fräulein, wie
geht e denn Ihrer jüngeren Schwe
fter?"
Ich danke Ihnen, Herr Baron, die
wird auch schon sehr schön!"
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