Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 14, 1897, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    fjcrr Deutschmann.
Bon Hermann Sigsried -He 5m.
65 war jnt Zeit als die Franzosen
daS linke Rheinufer besetzt hielten, also
die Zeit der Mordbrennerei, der Zusain
rnenrotlungen und Denunziationen, der
Guillotine und der A,flgnalen. oer er
bärmlichen Kriecherei und der idealen
Selbstaufopferung. Die Vertreter der
' 'grande nation" hatten auf dem Wege
von Bmgen nach öoviettj ,qumm ge
haust! brennende Burgen waren die
Fackeln, die ihnen auf ihren nächtlichen
Raubziigen leuchteten, und von Ort zu
Ort sich fortpflanzende Blutspuren
gaben davon Zeugniß, daß die roth
hosigen Marodeure ihr schändliches
Hanowerl ohne Schonung ausübten.
Auch die Bewohner des stillen Stüdt
cbens Andernach am Rhein wurden
eines Moraens durch den lauten Zxom
melwirbel der einrückenden Franzosen
unsanft aus dem Schlafe erweckt, die
gekommen waren, der geängstigten und
verwirrten Einwohnerschaft die wahren
und einzig erlaubten patriotischen km-
pftndungen nothigensalis mit
hieben und Kolbenstößen beizubringen,
Es waren mehrere Kompagnien des
Reaiments .Barblllon". deS verrufew
sten in der ganzen Armee, die, nachdem
fte die Bürger Andernachs zum großen
Theil von der sorge um lyre irbifchen
Glücksgüter befreit, nch in der uml
genden Gegend zerstreuten, um bei
reichen Bauern ihre menschenbeglückende
Thätigkeit fortzusetzen.
. Die Kunde von dem Herannahen der
verwegenen Plünderer erreichte baldigst
auch die thurm und fensterreiche
Schweppenburg", ein altes S
das heute noch eine malerische Zierde
des wild zerll ten Brohlthales bildet.
und auf welchem in jenen Schreckens
tagen Herr Deutschmann, der lang'
jährige Burgkaplan und in dieser Eigen
schuft gleichzeitig der Vertraute und
Berather des Schloßherrn in dessen Ab
Wesenheit ein unumschränktes Reginient
führte. Fliehende Landleute hatten die
Ankunft der Franzosen gemeldet, und
das gesummte Schloßpersonal, Knechte
und Mägde, durch die Nachricht in einen
panischen Schrecken verfetzt, erblickten in
ichieunigfter Flucht ihr einziges eil.
Als Herr Deutschmann in früher
Morgenstunde die weiten Säle der Burg
ourchfchnitt, fand er jeden Winkel leer,
nicht mehr der Schatten eines mensch
lichen Wesens war da noch zu erblicken.
Er sah sich allein mit seinem Zorn und
Ingrimm und ein Lächeln bitterster
Verachtung trat auf die Lippen deS
wackeren Mannes, als er an die Feig
linge dachte, die in der Stunde der Ge
fahr schmählich die Stätte verließen, die
ihnen Schul) und auch Unterkunft ge
beten, statt auszuharren, wie Pflicht
und Treue es gebot.
Er aber wollte nicht in die Fuß
ftapfen jener Memmen treten, er wollte
bleiben, das Eigenthum feines Herrn,
die Burg vertheidigen, der Uebermacht
Trotz bieten und sei es mit dem Einsatz
des eigenen Lebens.
Nachdem Herr Deutschmann diesen
heldenhaften Entschluß gefaßt hatte.
stieg er empor auf den Schloßthurm
und blickte mit seinen scharfen, geübten
Augen in die Ferne, indeß noch war
keine Nasenspitze von den Mordgesellen
zu sehen, und er berechnete, daß wohl
noch eine Stunde vergehen könnte, be
vor der Feind zur Stelle sein würde.
Er hatte also noch Zeit, die Messe zu
lesen und sein schwieriges Werk dem
Schutze Gottes anzuvutrauen.
Den Kopf voll ernster Gedanken,
aber innerlich durchglüht vom Feuer
der Thatkraft und des Mannesmuths,
begab stch der Konimandeur der Schwep
penburg hoch hinauf in die Kammer,
w Tünneschen, fein Meßdiener, ohne
jede Ahnung der Gefahr, welche ihn
umschwebte, noch in tiefem Schlummer
ruhte, bis er plötzlich durch die Hand
seines Herrn jäh aus seinen seligen
Träumen aufgerüttelt wurde. Eiligst
mußte der Knabe sich anziehen, und als
die? geschehen war, wandte sich Herr
Deutschmann an ihn mit folgender An
rede: Tünneschen, aufgepaßt, die
Franzosen kommen." Die Knechte mit
sammt den Weibsbildern haben stch da
von gemacht, mögen sie direkt auf den
Blocksberg laufen mit ihren Jammer
gefichtem, was kümmern sie unS, diese
Hasenherzen. Was uns allein kllm
mert, ist das Schloß unseres gnädigen
Herrn, das müssen wir als treue Die
ner vertheidigen, du und ich. Haft du
verstanden, Tünneschen?"
Kaum war das letzte Wort dieser ge
wichtigen Rede gesprochen, als der
jenige, dem fte galt, mit einem mark
durchdringenden Schrei sich umwandte,
um, ohne daS in ihn gefetzte Vertrauen
im mindesten zu rechtfertigen, sporn
ftreichz davonzulaufen. Aber Herr
Deutschmann war ebenso flink, wie der
schreckensbleich Entfliehende; mit nervi
ger Faust packte n ihn an demjenigen
Theil der Hofe, d beim Nirdersitze
am wenigsten mit dem Stuhle in Be
rührung zu kommen pflegt, wobei er
ihn hoch in die Höhe hob. so daß der
Unglückliche in der Hand deS Gewallt,
gen zappelte wie der Fisch an der Angel
ruthe.
.Tünneschen," hob dn Verwalter
keuchend an, nachdem n den Knaben
wieder auf den Boden gesetzt hatte.
Tünneschen. waS habe ich dir von
LeonidaS und den dreihundert Spar
tanem erzählt, was habe ich dir er
zählt von dem tapfere Schweizer Win
kelried, von dem tapferen Mathias
Överftolj zu Köln, der au! dielen
Wunden blutend, immer wieder von
Neuem seine Brust dem Feinde dar
bot, ihn van den Wällen seiner Vater
stadt vertrieb und dann als Held gestor
den ist. Und wir, die wir hinter
festen Mauern sitzen, in einer Burg,
wie fte schöner im ganzen Eisellande
nicht zu finden ist, sollen unZ vor einer
Handvoll Franzosen fürchten, vor einer
solchen Rotte Korah, die ihre Helden
thaten nur mit dem Munde verrichtet
und vor jeder Ziegenherde Reißaus
nimmt. Tünneschen, heute sollst du
beweisen, daß du ein Mann bist, daß
du christliches Gefühl im Herzen und
rheinländischeS Blut in den Adern hast,
das dir sagen muß, eine wie große
Sünde eS ist, wenn jemand wie ein
blinder Hafe davonrennt, dessen Pflicht
es ist, das Eigenthum seines Herrn zu
schlitzen und zu schirmen. Also still
gestanden und nicht gemuckst, sonst
werde ich die Vertheidigung ganz allein
vollsühren, und dich, dich knüpsen die
Franzosen an dem erstbesten Baume
aus, daS wäre die Strafe für deinen
Verrath."
Wie zu einer Bildsäule verwandelt,
stand der Knabe da und starrte mit
gläsernen Augen die reckenhafte Gestalt
seine? Herrn und Meisters an, wie sie
in kühner Entschlossenheit vor ihm schier
bis zur Decke sich erhob, das Haupt von
einer Mähne ergrauenden Haares um
wogt, Kinn und Wangen von feindlich
drohenden Warzen bedeckt und in dem
sonst mildblickenden Auge eine solch
furchtbare Zornesgluth, daß man sich
bis ins innerste Mark davor entsetzen
mußte. Völlig im Banne des auf ihm
ruhenden Blickes, konnte der Aermste es
nicht verhindern, daß Herr Deutschmann
ihn am Arme in der Sakristei zog, von
wo er demselben, nachdem dieser eiligst
die Meßgewänder angelegt hatte, in die
völlig menschenleere Kapelle gefolgt
war.
Aber wahrend der Meffe war es
Tünneschen elend, wirklich elend zu
Muthe, sein Herz Hopste; seine Zähue
klapperten, sein Kops hämmerte und
seine Gedanken waren verwirrt, häusig
liefen ihr die hellen Thränen der Ver
zweiflung die Backen herunter.
Es stand für ihn fei, daß er Vater
und Mutter, die oben aus der Haide
wohnten, niemals mehr wiedersehen,
niemals mehr das Blöken der schönen
buntgesprenkelten Kuh, die von ihm so
zutraulich das Futter aus der Hand
fraß, hören würde ; die Franzosen wür
den ihn aus ihre Bayonnette spießen,
ihn viertheilen, massakriren, oder, was
nicht weniger schlimm wäre, ihn fort
schleppen in ihre bardarische Heimath,
wo er aus irgend einer Festung ein
Leben führen müßte, erbärmlicher wie
ein Hund. Er hoffte deshalb noch
immer auf einen günstigen Augenblick,
der eS ihm möglich machte, sein armes
Leben in irgend einem vorborgenen
Winkel der Burg in Sicherheit zu brin
gen, bevor die Katastrophe eintrat.
Für den Verwalter der Schmeppen
bürg begann nun, nachdem er sich seiner
priesterlichen Pflichten entledigt, der
chwierigste Theil seiner Ausgabe die
Verbarrikadirung deS Schlosses. Zu
erst wurden die Fenster erriegelt und
die Schutzläden zu ebener Erde geschlos
sen, dann verrammelte der tapfere
Mann unter bedeutender Anstrengung
daS mächtige Thor, schob von Innen
die schweren Balken vor, gegen welche
noch besondere Stlltzhölzer gesetzt wur
den, und drückte, nachdem er sein Werk
prüfend betrachtet, seinem jugendlichen
Begleiter, den gar nicht aus den Augen
zu lassen er für rathsam fand, die Ueber
zeugung aus, daß die als befestigte
Pforte jedem Jnfanterieangriff Wider
stand zu leisten im Stande sei, eine
Versicherung, die auf das bedrängte
Gemüth des Knaben einigermaßen be
ruhigend wirkte.
Nachdem diese Arbeit verrichtet war,
begaben sich Lehrer und Zögling auf
den großen Burghof, wo in der Nähe
der Ställe spitzige vulkanische Schlacken
von ansehnlichem Gewicht auf Haufen
lagen: von diesen trugen sie im Schweiße
ihres Angesichts eine große Zahl hinauf
auf den ersten Stock, beluden mit den
selben ein schweres Eichenbrett und dieses
wurde mit seiner Last in das geöffnete
Fenster gehoben, damit es jeden Augen
blick zum Gebrauche bereit sei.
Nach diesen wichtigen und ganz un
umgänglichen Vorbereitungen ging Herr
Deutschmann als umsichtiger Stratege
zu weiteren Vorsichtsmaßregeln über,
er stülpte eine gewaltige Sturmhaube,
die er aus der nahen Waffenkammer
holte, auf sein Haupt, umgürtete sich
für den Fall der Noth mit einem Tur
nierschmerte, während sein Adlatus als
Panzer eine wollene Pferdedecke erhielt,
in welche der sehr strenge Kommandeur
ihn seft einwickelte und nur für die Be
wegung der Arme einen Raum frei
ließ.
S ausgerüstet, erwartete die Be
satzung der Schmeppmburg den an
rückenden Feind.
Aha, dort unten im Thale wurde
es lebendig: aus heiseren Kehlen er
scholl daS wüste Ca ira" unange
nehm in die Stille bei Morgens hin
ein, bis mit einem Male die Stören
friede sichtbar wurden, eine undis
ziplinirte Schaar, die höchstens durch
ihre Zahl, aber nicht durch ihre äußere
Verfassung dem Gegner irgend welche
Besorgniffe einzuflößen vermochte.
Langsam, als gälte es einer fidelen
Kneiperei statt einem feindlichen Ueber
falle, stiegen sie den Berg hinauf. Die
MuSketm hingen nachlässig aus dem
Rücken, die Mützen mit der Kokarde
waren nach hinten geschoben, die Uni
formen von nächtlichen Gelagen be
schmutzt und zerriffen. Borauf schritt
ein betrunkener Tambour mit mächti
gem Schnunbart, der in einem fort
darauf loswirbelte und in feiner gro
testen Erscheinung diesem Bilde der
Verwilderung den Stempel aufdrückte.
Tllnneschen's Zähneklappern begann
von Neuem, in seiner Pferdedecke ward
eS ihm abwechselnd warm und eisig
kalt, und, ein Vaterunser nach dem an
dern betend, duckte er sich tief unter das
Fenster, nur um nichts mehr von diesen
Kannibalen und Menschenfreffern .zu
sehen.
Herr Deutschmann aber stand, jeder
Zoll ein Held, aufrecht wie eine Eiche
da, jeden Augenblick bereit wie einer
der Tapferen, deren Lob er vorhin ver
kündet, dem Feinde entgegenzutreten,
um ihn durch die Macht seiner Person
lichkeit zu entwaffnen. Die Faust dro
hend geballt, rief er voll ehrliche
Zorns: Ah, ihr Spitzbuben, ihr lah
men Hunde, das heißt also aus franzö
fisch Jemanden guten Morgen sagen,
mit Flinte und Seitengewehr. Wartet
nur, ihr vermaledeiten Racker, ich werde
euch schon den Buckel gerben, ich der
Johannes Deutschmann, der für seinen
Herrn kämpft und dem Gott daher bei
stehen wird. Sollt 'mal sehen!"
Inzwischen war der Trupp vor dem
Thore angelangt, wohl an die fünfzig
bis sechzig Mann, und einer von ihnen
rief etwas zur Mauer empor, das wie
die Aufforderung sich freiwillig zu er
geben klang.
"Hannibal ante portas," kicherte
Herr Deutschmann in sich hinein und
lugte vorsichtig, damit ihn nicht etwa
ein Schuß treffe, hinunter, dann rüt
telte er Tünneschen an der Schulter
und sagte: Ausgepaßt, jetzt geht !
los!"
Unten hörte man wildes Durcheinan
derschreien, Toben und Brüllen, die
Geduld der Beutejäger schien erschöpft,
und es erfolgte der erste Ansturm ge
gen das Thor, das man mit wüthenden
Kolbenstößen vergebens zu öffnen er
suchte.
Ah, wartet nur, ihr werdet bald
Ruhe haben, ihr ''buffons", drohte
der Vertheidiger des Schlaffes. Dann
kommandirte er: Eins zwei drei,
kippte das Brett, aus welchem die
spitzen, scharfkantigen Steine lagen,
um, und fast im gleichen Augenblicke
erscholl von unten ein fürchterliches
Schreien, Fluchen und Wimmern her
auf, aus welchem deutlich die Jammer
rufe "oinondieu, rnon dieu" her
vordrangen, während eS nicht minder
kläglich dazwifchenscholl : "je suis
Messe, je ne sens plus rna tete!"
Die Getroffenen hielten sich die blutigen
chädel fest und liefen davon, andere
taumelten in den feuchten Graben, in
wilchem sie sich heulend herumwälztm.
Aha, ihr Herren Franzosen," rief
Herr Deutschmann außer sich vor Sie
gesfreude, wie schmeckt euch der Ta
bat ? Wenn der gallische Hahn kräht,
dann beißt der deutsche Adler.
Schnell, schnell, Tünneschen, unsere
Kanonen geladen, der Herr wird unS
helfen, die Amalekiter zu verjagen.
Die ganze Pestilenzbande muß vernich
tet werden!"
Und der Angeredete, kühn gemacht
durch den verblüffenden Erfolg ihrer
Desennve und die beständigen Anfeue,
rungen seines Herrn, folgte dem Gebole
mit einem Eiser, der als hinreichende
Sühne für seine vorherige Zaghaftigkeit
angeftyen werden mußte, und in kür,
zester Frist stand die als so vorzüglich
erprobte Bertbeldigungsmaschine zu
neuem Gebrauch Nr. und fertig in
reitfchaft.
Inzwischen hatte sich der Feind wieder
ermannt und ein zweiter Angriff auf
das Thor erfolgte, der die Stirne des
Kommandanten vor Zorn und In
grimm erglühen ließ. Mit fester
Stimme ertönte wieder daZ Kommando:
Eins zwei drei, dann wurde das
Brett umgekippt, und durch das obren,
zerreißende Geheul, welches auch dieser
zweiten Kanonade folgte, dröhnte eine
Stimme, welche riff : "Sacre norn de
dieu, le chateau est defendu par
le aiarne. bauve qui peut !" (53
Teufel eitheidigt das Schloß! Rette
stch. wer kann!) Der Rufer dieser
Worte war ein baumlanger Kerl, dem
eines der Geschäfte die Kniescheide in der
unvarmverzigsten Weis auZaerenkt
hatte und der nun so schnell, als sein
wüthender Schmerz eS ihm erlaubte,
Fer engeld gab, gefolgt von der Mebr
zahl seiner Kameraden.
le lausen davon, sie lausen da
von," jubelte Tünneschen, der von allen
GemllthZbedrückungen min völlig de
freit, sich kilia einer Iäftiaen Sülle ,u
entledigen suchte, während sein Hen
Vorbereitungen zu einer dritten Salve
trug, die indeß nicht nöthig war, da
auch der Rest der feindlichen Arm an
gesichtS deS unleugbar kläglich: FiaS
coS eS vorzog, sich schleunigst nach rück
wärtS zu konzentrieren, diesmal ohne
irommclwirvel. Nur einer aus der
tapferen Schaar riskierte, ehe er sich an
der allgemeinen Flucht betheiligte. noch
e neu Flintenschuß, der ohne sonst irgend
einen weiteren chaden anzurichten, ein
Loch in ein leeres Schwalbennest unter
der Balkenbrüftung bohrte. Als e
anche warf Tünneschen dem Franzosen
einen der spitzen Steine nach, eine Hel
denthat. wosür er von seinem Herrn
noch besonders belobt würd,.
Die Schweppenbura war aeretlei, die
Besatzung Deutschmann hatte aus der
ganzen Linie gesiegt, und als der
mulhize Kämpfer aufrechten Ganzes,
wie eS einem Sieger ansteht, durch die
Hallen des Schlosses schritt und erwog,
daß auch niiyt ein Nagel oder Spänchen
Holz in die Hände der Freibeuter ge
fallen war, da schien eS ihm, daß sein
Herr mohl alle Ursache habe, mit ihm
zufrieden zu sein. Ja, der Jubel seines
Herzens war so groß und nachhaltig,
daß er am Abend, als daS Gesinde init
allen Zeichen der Wehmuth und Zer
knirschung in die Burg zurückkehrte,
einen Generalpardon verkündete und
sogar ein Freudenmahl anzurichten be
sahl, bei welchem er nach verschiedenen
allgemeinen Bemerkungen über Loyali
tät und Unterthanentreue, Tünneschen
als ein Muster hinstellte und ihm eine
glänzende Zukunft prophezeite.
Indeß wie groß und außerordentlich
die That des Herrn Deutschmann auch
unbedingt genannt werden muß, und
wie wenig Beispiele solch heldenhafter
Tapferkeit in den Annalen der Geschichte
auch verzeichnet finden, seine Uner
schrockenheit und Tapferkeit sollte noch
einmal aus eine harte Probe gestellt
werden.
S er am anderen Tage die Burg
verließ, um in der Gegend nach diesem
und jenem Ausschau zu halten, sah er
sich plötzlich von einer Anzahl jener
Wegelagerer umzingelt, denen er am
Tage zuvor das Handwerk so sauer ge
macht, und die nun aus diese bequeme
Art in den völlig wehrlosen Gegner ihr
Mllthchen kühlen wollten. Der Kom
mandeur der Schweppenburg wurde
gefesselt nach Koblenz abgeführt, wo
man ihn nach mehrtägiger Haft bei
Wasser und Brod vor das Kriegsgericht
stellte, das entschlossen schien, den
Prufsien" wegen seiner unerhörten
Freveleien zum Tode zu verurlheilen.
Aus die Frage des Vorsitzenden, wie er
sich habe unterfangen können, die
Gloire Frankreichs so zu beschimpfen.
den Respekt vor der siegreichen Armee in
so unerlaubter Weise zu verletzen, ant-
wartete der Gefangene im Bewußtsein
seiner Mannesehre mit fester Stimme:
Mon general, un brave Comman
dant aetend sa rorlresse . (tsent
tal, ein tapferer Commandant verthei
digt feine Festung.) Der militärische
der sich m dieser Antwort born
mentirte und nicht minder die klassische
Ruhe, mit welcher dieselbe ertheilt
wurde, frappirte das Richterkollegium
in hohem Maße. Die Herren traten
zu einer kurzen Berathung zusammen
und verkündeten alsdann das Urtheil.
es lautete auf Freisprechung.
:sum zweiten Male ein Held, zog
Herr Deutschmann heim auf seine
Burg, wo er fortfuhr, feinem Herm in
Treue und Ergebenheit zu dienen und
den Glanz feines Namens durch manches
kluge und nützliche Werk zu erhöhen.
Die Erinnerung an ihn und feine
Ruhmesthat ist bis auf den heutigen
Tag im Brohlthal lebendig geblieben,
und als man uns davon berichtete.
fühlten wir unS im Innersten gedrun
gen, dem Andenken jenes tapferen
Mannes dieses späte aber doch wohlge
meinte Lorbeerblatt zu widmen.
Line Bagatelle".
Eine Künstlerskizze von I, Heydn,
Weihnachten 1537 nahte heran, als
am Leipziger Stadttheater die Vorbe
reitungcn zur ersten Aufführung von
Zar und Zimmermann" in vollem
Gange waren, eine Oper, die bis heuti
gen Tages ein Liebling deS deutschen
Volkes geblieben ist.
Gleichsam als ein Weihnachtsgeschenk
sollte sie dem Publikum dargebracht
werden und ihr Schöpser, der vielseitige
Künstler Gustav Albert Lortzing, der
heute die Regie, Morgen den Tactftock
führte, hatte darin die Partie deS Peter
Iwanow zu singen.
Ein schmucker Tenorbuffo war
Lortzing, der nicht allein als Sänger
und Schauspieler durch schöne Stimme
und unwiderstehlichen Humor glänzte.
sondern der auch als Mensch, durch sein
delcheidenes, herzgewinnendes Beneh
men, von den Leipzigern hochgeschätzt
wurde. Bewunderten sie doch sein hohes
Streben, seinen rastlosen Fleiß, denn
trotz seiner anstrengenden Bllhnenwirk,
samkeit fand er noch Muße, schöpferisch
thätig zu sein, so daß wieder ein neues
Werk unter feiner dichterischen Feder
herangereist war.
Dieses Werk an den WeihnachtStagen
genannten JahreS aufgeführt zu sehen,
lag Lortzing besonders am Herzen, galt
es doch, damit den Seinen eine rechte
Festfreude zu bereiten.
Mit welch treuer Liebe hing er an
Weib und Kindern, mit welcher Ver
ehrung an seinen geliebten Eltern. Der
Gedanke, ihnen ein sorgenfreies Leben
zu 'gestalten, spornte ihn stets auf's
Neue zum rastlosen Schaffen an.
Glückliche Weihnachlstage sollten e?
diesmal werden!
Welch' holde ZukunstZtrSume erfüll
ten damals noch sein später so bitter ge
täuschteS Künftlerherzl
Traten Lortzing auch in lenen Dezem
vertagen verdoppelte Wiederwärtigkeiten
bei den Proben zu seiner neuen Oper
entgegen, litt er auch noch mehr als
sonst unter dem Mangel an künftlen
scher Einsicht von Seiten seiner Vor
gesetzten, seine Gutmüthigkeit half
ihm über Viel pinweg.
AIS aber zwei Tage vor der Aus
führung von Zar und Zimmermann"
der Eapellmeifter Stegmever plötzlich
aus den Gedanken kam. daß das Lied
des Zaren, da? mit dem weltbekannt
gewoioenen Refrain schließt: O selig,
o selig, ein Kind noch zu sein!" viel
jli sentimental gehalten sei. daß eS dem
tZharakter eines Peter des Große w
verstrebe, da trat Lortzing für seine
Schöpfung in die Schranken. Als aber
der Gestrenge grade heraus sagte,
eS besser sei, daS Lied zu streichen, als
die Herren im Orchester dieser Ansicht
beistimmten und sogar der Bariton
Richter, der den Zaren zu singen hatte,
aucy Damit einver landen war. da der,
lor der Componist den Muth, energisch
für feine Sachen einzustehen.
Seine Meinung, daß er glaube, die,
seS Lied werde nicht spurlos vorüber
gehen, wurde mit dem Hohnrufe zurück,
gewiesen:
Eine Bagatelle ist es; streichen wir
esr
Eine Bagatelle sein so warm emvkun
denes Zarenlied, mit dem er sich so recht
in vie Herzen des deutschen Volkes h,n
einzusingen hoffte!"
Wie ihm das Wort in die Seele
schnitt! Doch, da er weitere In
triguen fürchtete und ihm Alles daran
lag, feine neue Oper zu Weihnachten
aufgeführt zu sehen, so gab er schweren
yerzens nacy.
Ohne diese Bagatelle" fand am 22.
Dezember 1837 die Premiere des Zar
und Zimmermann" statt, allein der
Erfolg war trotz der vortrefflichen Be
seßuug ein mäßiger. Die guten Leip
ziger erkannten damals noch nicht, wel
ches Meisterwerk in ihren Mauern er
standen war.
Lortzing machte sich bittere Vor
würfe, nachgegeben zu haben, und auf
gestachelt von feinem Herzensfreunde
Düringer, bestand er nun darauf, daß
das Zarenlied bei der zweiten Auffüh
rung gesungen werde.
Wieder schüttelten die Herren im
Orchester die Köpfe und zuckten die
Achseln, wieder opponirte der Capell
meister: allein Lortzing gab nicht nach,
So probiren wir es doch einmal !"
sagte er, fällt's durch, dann kann man
es ja immer weglaffen !"
DaS Lied macht nichts!" rief ihm
der Kapellmeister zu, denn wer wäre
naiv genug, um zu glauben, daß ein
Peter der Große so sentimental gefühlt
Däne, wie das in diesem Gesänge aus
gedrückt ist."
Und warum nicht?" entgegnete
Lortzing erregt. Warum sollte ein
Fürst, wie der Zar Peter, in dessen
Seele zwar das Rohe, aber auch das
Edle wohnte, nicht auch einmal in
der Erinnerung an seine Jugendzeit
weich und wehmüthig gestimmt worden
sein?"
Lortzing hat Recht !" hörte man nun
Stimmen.
Ja wohl !" rief Lortzing begeistert,
der Mensch muß noch geboren werden,
der niemals wehmüthige Gefühle hatte,
selbst der verstockteste Bösewicht fühlt zu
weilen sanfte Regungen."
Stegmeyer schien überzeugt, denn er
brummte: Na, meinetwegen singt die
Bagatelle!"
Lortzing athmete auf.
Singen Sie das Lied," wandte er
sich zu dem Bariton, singen Sie eS so.
wie ich es empfunden habe, und wer
weiß, ob daraus nicht noch eine Da
capoNummer" wird !"
uno oer Komponist tanme ein
Publikum !
Die Bagatelle" wurde der zündende
yunte. Nicht aücin, daß das Zaren
lied bei der zweiten Aufführung zu
öfteren Malen wiederholt werden mußte,
brachte man auch Lortzing noch bei
offener Scene die herzlichsten Ovatio
nen dar.
Glückselige Weihnachtstage waren eS,
die damals Lortzing im Kreise seiner ge
liebten Angehörigen und seines HerzenS
freundes Düringer verlebte, und als er
lorbeerbekränzt auS jener siegreichen
Vorstellung heimkehrte, da empfingen
ihn die Seinen mit dem Cabinetsstück
chen feines komischen ChoreS, mit dem
unübertroffenen:
Heil sei dem Tag, an welchem Du
bei unS erschienen !"
Aber nun, Mamachen !" rief der
Gefeierte glückstrahlend seiner Mutter
zu. Heule wollen wir aber auch
etmaS Warmes unter dem Christbaume
essen!"
Sie verstand ihn, ihren gutherzigen,
einzigen Sohn, sie gedachte mit ihm
jener Zeiten, wie sie und ihr Gatte als
fahrende Künstler von Ort zu Ort
ziehend, oft auf einsamen Wegen ihr
targes Miiiagsbrot atzen, und ihr bald,
wüchsiger Junge, um die Noth lindern
zu helfen, Noten abschrieb. Wie kam
er dann mit seinen wenigen Kreuzern
berdeigesprungen und brachte sie den
Eltern mit dem Jubelruf:
Aber heute müßt Ihr wieder einmal
etwas Warmes essen !"
Armer Lortzing !
Aehnliche Zeiten barg auch noch für
ihn die Zukunft, auch er sollte den b,t
fern Kelch einer dornenvollen Künstler
lausbahu bis auf die Neige leeren, denn
obwohl Zar und Zimmermann" im
Sturme alle Büdnen Deutschlands er
oderte. obwohl dieses Meisterwerk einer
komischen Operzan den meisten auslän
dischen Bühnen, sogar in Rußland m
Rußland durch die Censur verboten,
verllgte man den Ort der Handlung
und verwandelte den Zaren in einen
deutschen Fürsten), aufgeführt wurde,
so war der pecuniäre Nutze für den
Componiften ein geringer.
Die meisten Buhnen zahlten für daS
Aufführungsrecht 60 bis 70 Thaler,
die kleineren 30 Thaler, rechnet man
davon die Copirkoften ad, so blieb
wmia übrig.
Und während seine TonicdSptungen,
die Runde um die Erde machten, seine 'zu
Melodien Taufende entzückten, lebte
Lortzing ein kummervolles Dasein; starb
er im besten Mnnnesalter, verbittert und
gänzlich verarmt.
Die Bagatelle" aber war zu einem
Kleinode geworden, sie war in unzähli
gen Ekemplarcn hinaus in die Welt ge
flattert, sie hatte, gleich den anderen sei
ner herrlichen Werke, den Namen
Lortzing zur europäischen Berühmtheit
gemacht und noch heute kören wir sie
gern, die vielgesungcne Melodie aus
rgangenen Tagen:
O selig, o selig, ein Kind noch zu
sein!"
z frtii.ttmi.
Garlinchen iS mei' Ideal,
Ich hab' Se nämlich gärne
De blonden Zeppe, und denn ooch
De dloen Oochenstärne.
Ach! wenn Garlinchen eS nur Müßt',
Wie fähr ich se verähre,
WeeßKnebbchen, nich gam hoffnungslos
Mein heißes Winschen wäre.
Doch weil ich gar so schichte! bin,
So kam'S 'S iS kaum ze glooben,
Daß sie mit eenen andern sich
That neilichst schon verloben!
Ein guter Sh,
Lehrer: Beweisen Sie mir bin
pythagoräischen Lehrsatz."
Schüler: DaS kann ich nicht."
Lehrer: Nun, sagen Sie wenigstens
'mal die Behauptung."
Schüler: Mein Vater hat aesaat.
ich soll niemals etmaS behaupten, was
ich nicht beweisen kann."
in unzllicklichcs lvcib,
Sie: Paul, das thut weh! Ich
weiß es ja, ich seh eS ja, daß Du mich
nicht mehr liebst!"
Er: Aber liebe Frau, soll ich Dir
denn noch öfter meine Liebe schwören!"
Sie cyiuchzend : Nein. nein, ich
glaub' es nicht! Eine Frau mit einem
so alten Hut kannst Du nicht lieben!"
Unter Strolchen.
Als ich Dich herankommen sah,
glaubte ich. Du hättest einen neuen
Rock an!"
Ist auch ein neuer."
Aber er steht so mitgenommen aus!"
Ist er auch."
Kurz und bündig,
Dame: Herr Doktor, was muß man
nehmen, wenn man aus Versehen Ar
senit verschluckt hat?"
Arzt: Ein schnelles Ende!"
pocsic und Prosa.
Tochter des HauseS (die während des
Essens aus dem Klavier vorgetragen
hat): Nun, habe ich meine Sache gut
gemacht?"
Gast: Wenn Sie diesen Kalbsbra
ten zubereitet haben, vortrefflich!"
Selbstlos.
Ich freue mich immer recht, Tante,
wenn Du zu uns zum Kaffee kommst."
$as ist recht schön von Dir, Aenn
chen. Hast Du mich denn so lieb?" ,
Das gerade nicht, wir bekommen
aber immer Kuchen, wenn Gäste da
sind."
Gleich und Gleich,
Schriftsteller (der im Restaurant sitzt,
als sich ein Haustier zu ihm setzt, ohne
zu fragen): Mein Herr, wie können
Sie sich erlauben, sich zu mir zu setzen,
ohne zu fragen. Ich gebe mich mit
Ihnen nicht ab, ich lebe von der Feder!"
Hausirer: Nu, machen Se kein Ge
seier, da sind wir ja Kollegen, ich leb'
auch von der Feder, ich bin Bettfedern
Händler!"
vcrkclirtc weit.
Hausfrau: Früher hat man
ein Mädchen auch zehn Jahre gehabt!"
Dienstmädchen: Ich begreif eS auch
nicht, warum jetzt die H e r r s ch a f
ten nicht mehr so lange aushalten!"
vergleich.
Fräulein (nachdem ein anwesender
Kapitän von einer Tigerjagd in Indien
erzählt hat): Haben Sie auch schon
Jagden mitgemacht, wo Sie in Lebens
gesahr geschwebt haben, Herr Baron?"
Baron: Vergangenen Sonntag erst:
da haben mich zehn Treiber verfolgt,
weil ich einen von ihnen angeschossen
hatte."
(Er trainin (ii.
Onkel (zum Neffen, der bei ihm wäh
rend der Ferien zu Besuche weilt):
Fritz, die erste Zeit warft Du so nüch
tem und solid! Was soll das bedeu
ten, daß Tu jetzt fast jede Nacht schwer
betrunken nach Hause kommst?"
Ach, Onkel, ich muß mich doch auf'?
Semester vorbereiten!"
ntalilii.
Was kostet Sie das Pergament,
worin Sie die Waaren einpacken?"
Ja. damit hat mir diesmal der Fa
brikant das gell über die Ohren ge
zogen."
.So? Da? mußte aber doch erst ae
gerbt werden!"
Dilemma.
Junger Arzt: Fatal, was mache ich
da nur?! Läßt mich endlich der erste
Patient rufen! Lag' ich ihn nun war
ten. dann nimmt er womöglich einen
Ander', und komme ich gleich. dsn:i
heißt'S, ich tauge nichts, weil ich nichts
thun habe!"
(