Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 07, 1897, Image 9

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    (Ein glückliches neues )ahr.
'JiootUttK von Cli) Marie,
Schad, daß Lieschen so suchen
mausarm ist. Ich bin dem Kinde wirk
lich gut, und wenn ei nur halbwegs
möglich wäre Aber e! gebt nicht.
In unserer Zeit darf man solch' idealen
verzenseinflUIterungen absolut kein Ge
hör schenken.-
Zdenko Schwarz zog bei diesem Mo
nologe den Kragen seine? Winterrockes
hoch über die Ohren, als wolle er durch
diese Vrozedur allen idealen ßentr.Srin
fllisterungen den Weg versperren, und
iqrttk durch die sqars lalle (Si)Hetet
nacht hastig seiner Junggesellenwoh,
nung zu.
Zdenko Schwarz, oder wie auf sei'
ner Visitenkarte stand Dr. Zdenko
Ritler von Schwarz, war ein grotzer,
schlanker Mann von etwa neunundzwan
jig Jahren. Sein Gesicht war nicht
gerade schön zu nennen, aber zwei
Eigenschaften sprachen aZ demselben,
Kelche jede Physiognomie sympathisch
machen, nämlich Intelligenz und Her
zensgute. Dazu hatte er hübsche braune
Augen und einen Schnurrbart, der
wie Zdenko's ehemaliger Bormund, der
Advokat Schneidt, sich ausdrückte
allein feine zehntausend Gulden werth
war.
Mit Deinem Schnurrbarte und Dei
nem von" kannst Du eine reiche Partie
machen." pflegte er zu sagen, und eine
lolcye it eine uneMtziiqe Bedingung
für Dein weitere? Fortkommen."
Eigentlich hatte Schneidt nicht so Un
recht. In letztner Beziehung mußte
ihm Zdenko selbst beistimmen, denn
wollte er nicht zeitlebens Konzipient in
Schneidt'S Advokatenlanzlei bleiben, fs
war eine reiche Heirath eine Bedingung
ins qua non für sein weiteres Fort
kommen. Schwan wußte ganz wohl,
da Aerite. Advokaten und Modikinnen
nur dann als geschickt gelten, wenn sie
ich m einer der veieoieiim s:ragen oer
Hauptstadt etabliren und ihre Person
mit einem Nimbus von Eleganz und
Luxus umgeben, der dem großen Publi
kum Respekt einflößt. Dazu fehlten
aber unserem jungen Doktor die Mit
tel. Er hatte von seinem Vater nichts
als den Adel und ein paar Meer
schaumpfeifen geerbt, ein fundus in
stractus, mit dem absolut keine
fashionable Advokatenlanzlei zu gründen
war.
ES galt also wirklich, sein Netz nach
einem Goldsisch auszuwerten, .aoei
benahm fich leider unser Doktor recht
lfthhif: denn obiwar er sonst ein
leiblich guter Advokat war, fehlte ihm
doch alle Bersteuungsiun,! 1.0 vag er oen
reichen Erbinnen seiner Bekanntschaft
unverblümt zeigte, sie seien zu häßlich
und zu albern, als daß er fich je in eine
von ihnen verlieben könnte.
Nur Robertine von Maier, die Toch
ter eines kürzlich geadelten Bankiers,
mnihit eint AuSnabme. Zdenko leate
ein lebhaftes Interesse für sie an den
Tag. und wirllia, war Aovernne tauig,
in solche einzuflößen. Sie vereinte die
Kkbknbeit mit der keinen Bilduna der
tinrtifn Dame. Kein Wunder also.
daß ihr Zdenko die Cour schnitt und sich
alle Mühe gab, den vionven Dragoner
Lieutenant, der wie man sagte in
RodertinenS schwarzlockigem Köpfchen
steckte, endgiltig zu verdrängen. Schon
fühlte er sich seinem Ziele sehr nahe, ja.
morgen am Neujahrstage wollte er dem
schönen Mädchen Herz und Hand anbie
ten da führte ihn heute der Zufall
im Theater mit Lieschen Helm, seiner
halh vergessenen Jugendliebe, zusam
men.
Er hatte Lieschen seit Jahren nicht
gesehen. Trotzdem Beide in derselben
Hauptstadt lebten, hatte ihr Weg sich
seltsamerweise niemals gekreuzt, wobei
der Grund zum Theil wohl darin lag.
daß Lieschen, welcher ei Halbdutzmd
jüngere Geschwister tüchtig zu schaffen
gab, diel an da HauS gefesselt war.
Doch heute, als Zdenko das junge Mäd
chm wiedersah, da glaubte er sich zurück
versetzt in die tolle, fröhliche Stuben
tenzeit, in die Zeit, wo noch seine Eltern
lebten und wo er noch nichts von der
zwingenden Nothwendigkeit, sich eine
Existenz zu gründen, verstand. Mit
welch frohem Muthe hatte er damals
in die Welt geblickt, damals, als er
Lieschen, die älteste Tochter des Land
gerichtSratheS Helm, auf einem Kränz
chen kennen lernte I Sie war zu jener
Zeit noch ein spindeldlinner Backfisch
gewesen; aber ihr liebliches Gesicht,
ihre großen blauen Kinderaugen hatten
sich tief in sein Her, hinein geschmei
chelt; er hatte sür LieScden geschwärmt
mit der ganzen sllen Kraft und dem
Keu br Jugend. Nun, daS war
eben ine JugendschwSrmerei, über
welch dn reife Mann nur mitleidig
lächeln konnte.
Schwarz hat sein LogiS erreicht, er
öffnet die verdrießlich knarrende HauS
thün und steigt sich mit einem Zünd
Hölzchen so gut als möglich vvranleuch
tatd die Treppe empor. Vom nach
sie Kirchthurme tönen zwölf laute
Glockenschläg durch die Nacht. DaS
alte Jahr ist mit Allem, was drum
und dran war, vorbei. Mit dem Neuen
beginnt eine neue era.
Am anderen Morgen trat Schwarz
in ine der eisten Blumen Handlungen
der Hauptstadt, um daselbst da schönste
und tdeunft Siolenbouqet zu laufen.
Sodann deaab er fich in die Kanzlei
fec Doktor Schmidt, welche freute voll
sommert knftand. s daß dn alte
kanzleidiener Peter und ori Advokaten.
Der
Jahrgang 17.
Papagei die einzigen Lebewesen warm,
die Jdenko hier antraf. Beide riefen
ihm mit schnarrender Stimme em
Prosit Neujahr !" zu.
schwarz steate dem Papagei ei
Stück Zucker in den Käfig und reichte
dem alten Peter ein paar Kronen, für
welches Geschenk Peter dem kreuzbw
ven" Herrn Doktor zum neuen Jahre
nun alles Glück der Erde, vor Allem
aber eine reiche Braut wünschte. Zdenko
lächelte verschmitzt. Vielleicht geht Dein
Wunsch in Erfüllung." sagte er. ja
vielleicht kannst Du, Alter, mir sogar
Teme Hand dazu bieten."
Er setzte fich zu seinem Schreibtische
und füllte die Rückseite einer Blsttew
karte mit seinen für einen Mann unge
mein zierlichen Schriftzügen. Dann
reichte er dem Diener die kouvertirte
Karte und beauftragte ihn, dieselbe
sammt dem in der Blumenhandlung at
lausten Bouquet bei Fräulein Robertine
von Maier, Mariengaffe No. 16, erste
Ktaae abzugeben. Peter kam dem
Wunsche des jungen Doktors vergnügt
nach, denn es freute ihn, daß sein erster
Weg im neuen Jahre der eines Postillon
D amour sei. Peter war in seiner Ju
gcnd Lakai bei einem galanten Grafen
gewesen, und kann die Zeit, wo statt
der Aktenstücke duftende BilletS doiij
durch seine Hände glitten, biS heute
nicht vergessen. Wie hatten ihn dainalS
die schönsten Frauen der Stadt so hwd
reich angeblickt, so gnädig mit ihm ge
plaudert! Peter ist trotz seiner siebzig
Jahre ein eitriger Berehrer des Weid
lichen Geschlechts. Er bleibt noch heute
mitunter auf der Gaffe stehen, um einem
hübschen Kinde nachzuschauen, mag sein
Weg auch noch so eilig und seine Mission
noch so wichtig sein.
Doktor Schneidt hatte Peter wegen
dieser Herzensschwäche schon ost einige
nicht näher zu bezeichnende Kosenamen
gegeben und, da fich bei Peter mit den
Jahren auch eine bedenkliche Schwäche
im Oderflübchen einstellte, geschworen.
demnächst einen neuen Kanzleidien
zu nehmen. Doch vor der Hand blieb
es. wie so ost im eben, dtirn Bor atze,
und so trabte denn Peter noch immer
in Doktor Schneidt'S Livree durch die
Gaffen der Stadt.
Wie er jetzt, die Hausnummer 16
suchend, durch die Marienga e ging,
begegnete ihm sein Herr. Wohin
schlendert Er denn, Alter?" fragte der
Advolat. Diskretion Ehrensache,'
entgeanete Peter mit pfiffigem Lächeln,
während Schneidt mit den Worten
zwinkerte und bemerkte, er könne fich
schon denken, woher Barthel den Most
hole.
Nun, da Er gerade in das Maier'
sche HauS geht," fügte er hinzu, so
will auch ich Ihm einen Austrag geben.
In dem dritten Stockwerk wohnt seit
dem letzten Quartal Herr Landesqe
richtSrath Helm. Zu diesem geh' Er
und lade Er ihn recht höflich sür heute
um 3 Uhr zum Speisen ein. Wird Er
fich'? merken?"
Der Diener nickte bejahend. Er fin
bet nach einigem Suchen das HauS deS
Banquiers und steigt da er die Absicht
hat, zuerst dem Befehle des Advokaten
nachzukommen drei Treppen empor.
Jetzt zieht er die Klingel die Thüre
öffnet sich, ihm gegenüber steht im ein
fachen Hauskleid mit schneeweißem
Schürzchen ein junges, sehr hübsches
Fräulein. Ein paar blauer Augen
blickt fragend zu ihm auf, und das
herzige Lächeln, das den kleinen, rothen
Mund umspielt, scheint sagen zu wol
len: Nicht wahr, diese Blumen find
mein? Und Peter? Dn hat wieder ein
mal ganz den Kopf verloren. Er macht
einen zierlichen Knix und reicht dem
jungen Mädchen das niemand Anders
ist, als Lieschen Helm das Bouquet
sammt Zdenko'S Karte. Dann eilte er
haftig zur Thüre hinaus und zwei Trep
pen hinab, läutet bei Main'S und sagt
dem die Thür öffnenden Diener, Herr
Doktor Schneidt lass sich bestens empfeh.
len und lade den gnädigen Herrn für
heute 3 Uhr höflichst zu Tische.
Einstweilen hat Lieschen das weiße,
unbeschriebene Kouvert geöffnet. Sie
lieft vor Freude erröthend, folgend.
Worte:
Sehr geehrte! Fräulein l
Gestatten Sie mir. Ihnen an der
Schwelle deS neuen Jahres ein Zeichen
meiner aufrichtigen Verehrung zu über
senden. Mögen diese Blumen in ihrer
ftummderedten Sprache die Bitte vor
dringen, welche selbst auszusprechen mir
die Kühnheit fehlt, von deren Erhörung
jedoch mein Lebensglück abhängt. In
dem ich mich der freudigen Hoffnung
hinge. Eu, lieb Fräulein, heute
Abend u sehen, küßt einstweilen im
Geiste Ihn kleine Hand
Ihr gänzlich ngevener
Dr. Zdenko ittn v. Schwarz.
Bankier Aaier gab heute eine große
NeujadrS Soiiee. Er hatte die Enme
dn Gesellichast dazu eingeladen und
überhaupt IM gethan, um den lenzt
Agnnlagsgast.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
seines HaufeS voll ausstrahlen zu laffen.
Mit zufriedenem Lächeln prüfte er vor
Beginn des Festes alle getroffenen Vor
bereitungen. Dann trat er in das
Boudoir seiner Tochter, um diese in die
Empfangszimmer zu sühren.
Roderline war heute schöner als je.
Die in einem Pariser Modesalon der
fertigte weiße Spitzentoilette kleidete sie
vorzüglich.
Nun. Papa, wie war das Diner
beim Doktor Schneidt?" fragte sie, wüh
rend sie ein Paar prächtige Brillante
boutons in ihre winzigen Ohrläppchen
einhatte.
Das, Kind, mußt Du einen Ande
ren fragen," brummte der Bankier,
mich hat Doktor Schneidt ganz ohne
Diner abgespeist. Denke Dir nur, ich
komme zu Schneidt und will gerade
mein Vergnügen darüber äußern, daß
er, der bisher nur geschäftlich mit mir
verkehrte, mich heute wie einen guten
Freund zu Tische ladet, da fängt
Schneidt an von meinem Prozesse zu
reden und spinnt dieses Thema bis in s
Unendliche fort. Bei mir regt sich rn
zwischen ein tüchtiger Appetit: nachdem
aber der Advokat durchaus keine Miene
macht, mich zu Tische zu führen.
empfehlte ich mich und kehre mit leerem
Magen heim."
Papa! Das ist wohl das erste Mal
in Deinem Leben, daß Du einen vun
ger verspürt hast," meinte Robertine
lachend.
Der reiche Maier hat es auch nicht
nöthig. Doch weißt Du, Tinchen, was
sür eine Rache ich mir ausgesonnen
habe? Am Tage Deiner Vermählung
mit Doktor Schwarz laden wir die
ganze Stadt zum Schmause, nur nicht
Herrn Schneidt."
Am Tage meiner Vermählung mit
Doktor Schwarz?" fragte Rodertine.
und ihre ohnehin großen, schwarzen
Augen wurden vor Erstaunen noch
größer. Ja. wer sagt denn daß ich
den Boktor heirathe?"
Der Bater erhob schalkhaft drohend
den dicken Zeigefinger.
Tinchen, Tinchen! Du hast Dir in
der letzten Zeit sehr den Hof machen
laffen und ehrlich verstanden mit
dem Doktor sehr kokettirt."
Und mein kluger Papa durchschaut
nicht meine Pläne? Ei, Väterchen, Du
bist doch so ein schlauer Börsianer. Erst
unlängst erzähltest Du mir. Du habest
irgend welche EiIenbahnAItlen mit be
sonderem Vortheil gekauft, weil Du
früher mit den Eisenbahn-Aktien einer
Konlurrenzbahn tüchtig kokettirt hattest.
Nun, wie auf der Börse, so in der Liebe.
S AZoikor gleicht den Altien imer
Konkurrenzbahn, welche ich scheinbar zu
gewinnen trachte, um die anderen
EisenbahnAktien leichter an mich zu
bringen."
Und die anderen Eifenbahnaktien?"
DaS ist vor der Hand noch Staats,
geheimniß," sagte Rodertine. Dann
warf sie einen letzten Blick in den
Spiegel, nahm aus einer vor letzterem
stehenden Vase ein prächtiges rothes
Eamelienbouquet und schritt am Arme
ihres Vaters dem Salon zu.
In diesem waren bereits zwei Gäste.
Zdenko Schwarz, der heute ungemein
blaß aussah, und der blonde Dragoner
Baron Kurt Waloberg.
Schwarz maß den DragonerLieu
tenant mit einem halb mitleidigen, halb
verächtlichen Blick. Die Waldberg's
waren ein finanziell heruntergekom
meneS Geschlecht, dessen jüngster Sproß
sich heute so schön und so martialisch
als möglich herausgeputzt hatte, um
die Million des Bankier Maier zu n
obern. Denn daß Robertine hierbei
mehr odn weniger nur als Mittel zum
Zwecke diente, lag auf der Hand.
Mußte fich doch Zdenko so befchä
mend eS für ihn war selbst eilige
stehen, daß auch bei seiner Wahl Roder
tinenS persönliche Vorzüge erst in zwei
tn Linie in Betracht kamen.
Lieutenant Waldderg zupfte an den
primitiven Merkmalen seiner Cotelette?
und sagte: Ich glaube, Herr Doktor,
wir find Rivalen und meffen uns daher
mit nicht allzu freundschaftlichen Blicken.
Wir thun Unrecht daran. Hängt ja
doch die wichtige Entscheidung allein
von Fräulein Robertine ab."
In diesem Momente theilten sich die
dunkelrothe Plllschportieren. Roder
tine trat ein und entschied. Mit einem
freundlichen, doch flüchtigen Kopfnicken
erwiderte sie Zdenko'S Gruß, während!
sie dem Lieutenant die Hand reichte, die!
tiefschwarien Augen voll m ihm aus
schlug und mit warmem, weichem Tone
sür die Blumen, die Waldderg ihr ge
spendet hatte, dankte.
Luden Sie Camelien?" fragte der
Draqonn.
Nein, abn sie freuen mich, weil Sie
mir sie schenkten."
Fräulein. Sie machen mich glück
lich!"
Well t4 ßamelien nickt liebe?"
neckte da, Mädchen.
O, scherzen Sie nicht Robertine!"
sagte eindringlich Waldberg. Ich habe
die letzte Zeit so namenlos gelitten. Ich
war so eifersüchtig auf "
Waren Sie das?" fiel ihm Rober
tine in's Wort, nun, desto bester
Papa," wandte fie sich an den Baukier,
mir scheint. Du hast Baron Waldberg
noch gar nicht begrüßt. Erräthst Du
das Staatsgeheimnis?" fügte fie dann
leise hinzu.
Herr von Maier zwinkerte bedeutsam
mit den Augen und flüsterte: Hm, ein
Millionär kann fich schon den Luxus ge
statten, einen freiherrlichen Schmieger
söhn zu haben," schmunzelte freundlich
und begann, nachdem er dem Lieutenant
etwas derb die Hand geschüttelt hatte,
von dem Lieblingsthemü der Dragoner,
das heißt von Pferden, zu sprechen.
Einstweilen stand Zdenko todtenblaß
neben Kurt Waldberg. Er hätte auf
schreien mögen aus Aerger über Rober
tinens Benehmen, aus Zorn und Scham
über seine eigne Handlungsweise. Wie
hatte er fich durch seine Liebe heuchelnde
Blumenspende vor diesem stolzen Mäd
chen, das nicht ein Wort des Dankes für
ihn fand, gedemüthigt !
Doch eigentlich fand Zdenko, daß das
Schicksal nur gerecht gewesen, indem es
die goldgierigen Wünsche seiner Brust
vernichtet hatte. Ja gewiß, es war
beffer so. Aber die momentane Situa
tion war für ihn über alle Maßen Pein
lich.
Der junge Doktor wünschte nichts
sehnlicher, als unbemerkt aus dem
prunkenden Salon in seine äußerst
einfache Junggesellenwohnung ent
schlüpfen zu können. Schon plante er
einen feigen Fluchtversuch, als fich die
dunklen Plüschportieren abermals theil
ten und sich zwischen denselben eine an
muthige Mädchengeftalt zeigte. Gold
blonde Flechten umrahmten ein jugend
lich frisches Geficht, aus dem ein Paar
große, blaue Augen etwas scheu in den
Saal blickten, der so prächtig erglänzte
und in welchen das einfache rosa Voilet
Kleid des Mädchens kaum recht hinein
zu paffen schien. Da trat Zdenko auf
das junge Mädchen zu und sagte:
Willkommen, Fräulein Lieschen."
Ueber Lieschen's Geficht huschte ein
freundliches Lächeln. Wie hübsch, daß
ich Sie gleich beim Einkitte finde,
sagte fie fröhlich und drückte fest und
innig die and des jungen Mannes,
dem bei dieser Berührung das Blut
wärmer durch die Adern strömte. Run
kann ich Ihnen auf der Stelle für die
große Freude danken, welche Sie mir
heute bereitet haben."
Ich hätte Ihnen eine Freude bereit
tet?" fragte. daS Mädchen erstaunt an
blickend, Zdenko. Da blieben feine
Augen auf dem Rosenbouauet hasten.
daS Lieschen in der Hand hielt und
das seltsamerweise genau aussah,
wie jener heute Vormittag gekaufte,
verhängnisvolle Strauß.
O, gewiß haben Sie mich erfreut,"
erwiderte Lieschen aus 'jdenlo s Frage,
sagen mir doch diese Rosen ebenso wie
Ihre Zeilen, daß nun, daß Zdenko
Schwarz mir noch immer gut ist!
Sie neigte bei diesen Worten ihr
glühendes Gefichtchen tief über die Blu
men und eilte an dem jungen Doktor
vorüber der Tochter des Hauses zu.
Zdenko schaute ihr wie ein Träumender
nach. Dann plötzlich fiel es ihm wie
Schuppen von den Augen; er erkannte
die Situation. Gewiß, gewiß hatte
der alte Peter wieder einmal eine Kon
fusion gemacht.
Toch Zdenko zürnte dem Alten darum
nicht. Und als ihn Peter TagS darauf
im Vorzimmer deS Doktor Schneidt be
gegnet, da fallt der junge Mann dem
greisen Diener um den Hals und nennt
ihn feinen Glücksstern. Peter ist über
diese LiebeSdezeugung ganz verblüfft.
Er stürmt in das Arbeitszimmer seines
Herrn und erzählt ihm, der arme Dok
tor Schwarz habe den Verstand ver
loren.
Schneidt lachte aus vollem Hälfe.
Nun, den Verstand hat unser jun
ger Doktor Gott Lob. nicht ver
loren, sagt er, .wohl aber den Kopf.
Denn er war gestern Abend kopflos ge
nug. sich mit einem Mädchen zu ver
loben, das zwar sehr lieb und brav,
doch ganz ohne Vermögen ist. Da dies
aber beweift, daß Zdenko sein Herz auf
dem rechten Flecke hat. so werde ich ihm
eine königliche Neujahrs und und Hoch
zeitSgabe schenken. Ich Lberlaffe ihm
nämlich in nächster Zeit meine Addoka
tut sammt allen Klienten und sammt
dem dummen Peter!"
Der Einbruch.
Baron von Volkenbruch bewohnte
ein mödlirteS Zimmer in dn Villa
eines Vorortes. DaS Zimmer war
ziemlich elegant ausgestattet, dn Ba
ron selbst war ein Junggeselle in mitt
leren Jahren.
No. 33.
Einmal, mitten in der Nacht, wurde
er aus dem besten Schlafe geweckt, und
zwar durch ein recht unsanftes Rütteln.
Er fuhr empor. Auf dem Nachttische
brannte ein Licht, und vor ihm stand
ein baumlanger Kerl, den er sich nicht
erinnerte je im Leben gesehen zu haben.
Er war wie ein Arbeiter gekleidet, trug
vor dem Geficht eine Maske und in der
Hand einen Revolver.
,,F, fa!" rief der Kerl. Wo ha
ben Sie denn Ihren Kies versteckt?"
Was meinen Sie ?"
Stellen Sie fich doch nicht dämlich
an wo Ihr Geld ist. will ich wissen.
Ich habe schon Alles durchgesucht und
nichts gefunden. Glauben Sie denn,
unsereins hat nichts zu thun, wie im
mer 'rumsuchen. Also wo ist das
mtr
Erlauben Sie 'mal," sagte der Ba,
ron, sich im Bette aufsetzend, das ist
doch lein Benehmen von einem anftändv
gen Menschen. Mich im besten Schlaf
zu wecken, und ich träumte gerade von
ihr, von Lola o Lola !"
Das ist ja alles Kaleika wo ist das
Geld?"
Mit wem habe ich eigentlich die
Ehre?" ,
Was was, wieso denn?" stammelte
der Einbrecher.
Mein Name ist Wolkenbruch-Ba
ron von Wolkendruch. Ich muß aeste
hen, ich habe Ihren Besuch nicht so spät
erwartet. Erlauben Sie wenigstens,
daß ich mich ra ch ankleide ?"
Der Spitzbube zögerte ein wenig,
tagte dann aber :
Ein Bischen kalt ist'S ja schon
sann ziehen Sie sich an, aber schnell,
Ichnell! Und wenn Sie den lleinften Ra
bau machen, haben Sie eine Kugel in
vem reib."
Wo denken Sie hin, ich werde Sie
nicht im Geringsten compromittiren.
Ader bitte, setzen Sie fich doch I"
Ach was "
Keine Umstände, lieber Freund,
setzen Sie fich dort an den Tisch, da be
halten Sie mich am Besten im Auge,
und ich vermuthe, daß Sie Werth dar
auflegen, mir Ihre werthe Beobach
tung angedeihen zu laffen."
DaS sah der Räuber auch ein und
setzte fich, während der Baron in seine
Kleider schlüpfte. Dann entzündete die
ser ein Streichhölzchen und setzte den
Spiritus der Theemaschine in Brand,
welche auf dem Tische stand.
So, mein Bester, nun werden mir
ja bald den Thee haben beruhi
gen Sie fich, Thee mit Rum natürlich
mit Rum etwas Anderes würde ich
Ihnen nicht anzubieten wagen. Rau
chen Sie?"
Nein, nein, nun laffen Sie aber die
Fatzkereien fein l"
Ich verstehe, bei Ihrer Maske Sie
kommen ohne Zweifel vom Maskenball
im Wintergarten würde Ihnen das
Rauchen Schwierigkeiten machen ?"
Jetzt zählen Sie aber 'mal die Mo
neten auf, Sie "
Ja so, über dem Vergnügen, mich
mit Ihnen zu unterhalten, dergeffe ich
ganz das Geschäft. Ich befinde mich
leider in einer momentanen Geldklemme,
die nur in den ersten Tagen jeden Mo
natS weniger momentan wird heIe
haben wir bereits den zwanzigsten, das
ist fatal. Sie haben ja selbst bereits
alle meine Behältnisse durchgesucht
wenn Sie mich früher geweckt hätten,
würde ich Ihnen gern geholfen haben
nun, ita lann Ihnen nur sagen, su
chen Sie weiter, Sie werden aber nichts
finden. Auf die Idee, daß ich mein
Geld verstecken könnte, sind selbst meine
besten Freunde noch nicht gekommen,
sonst Hütten sie versucht, mich anzupnm
pen."
Mensch," schrie d Einbrecher er
bost, Sie find ja ein Quaffelfritze, wie
er im Buche steht. Ich weiß nicht, was
mich abhält. Ihnen mit der alten Thee
Maschine auf den Kopf zu schlagen."
Ihre Humanität hält Sie zurück."
erwiderte der Baron. Ohne Zweisel
find Sie ein Menschenfreund, das wird
mir aus Ihrem ganzen Wesen klar.
UebrigenS will ich Sie nicht unnütz auf
halten. Haben Sie schon meine Brief
tasche durchgesehen ?"
Nein." sagte der erl. während seine
Augen durch die Maske hindurch begie
rig junkelten.
.Tann abn nein, der Groa iK
fertig, wollen Sie fich bedienen ?"
Ter Einbrecher konnte nicht wider
stehen. Er ergriff das ElaS und aok
daS heiße Getränt, so gut eS gehen
wouie, urq vie unböffnung der
Maske.
Der ist gut." sazte n anerkennend.
Freut mich aufrichtig. Also hier ist
meine Brieftasche. Ich lege Sie vor
Ihnen hin und werde Ihnen die einzel
um Blätter vorzeign."
Mahnbriefe Rechnungen. Mahn
bliese Rechnungen! T Eindrehn
legte den Revolver aus dn Hand und i
sagte refignirl : Geben Sie mir noch
ein Glai !"
Mit dem größten Vergnügen!
Haben Sie schon mein Portemonnaie
gesehen?"
ES waren fünf Nickel drin, die habe
ich drin gelassen!"
Wirklich ? Sehr human, wie ich be
reitS sagte ; aber weshalb haben Sie
diese allerdings geringe Summe ver
schmäht ? Sie reichte immer z einem
bescheidenen Frühstück."
Bah," sagte der Einbrecher gering
schätzig, sehen Sie 'mal hier I"
Er zog eine Hand voll Silber und
Goldgeld aus der Tasche und steckte es,
nachdem er fich an der überraschten
Miene des Barons geweidet hatte, wie
der ein.
Verzeihen Sie, hochgeehrter Herr
ich befinde mich, wie gesagt, in einer
momentanen Geldverlegenheit. Und
morgen ist der Geburtstag meiner Lola
unter fünf Mark nimmt fie kein Bou
quet an. Können Sie mir nicht hun
dert Mark pumpen ? Auf Ehre, nächsten
ersten kriegen Sie fie wieder."
Das ist aber wie ich das finde !
Ich komme, von Ihnen Geld holen, und
Sie wollen "
Erlauben Sie 'mal, mein werther
Gönner, ich will ja nichts geschenkt, nur
gepumpt und ich gebe Ihnen hundert
Prozent Zinsen. DaS ist noch ärger
wie Raub, und Sie bleiben doch dabei
ein ehrlicher Mann l"
ES dauerte wohl eine Stunde, bis
der Einbrecher, durch die Beredtsamkeit
des Barons und den Grog mürbe ge
macht, das Geld auf den Tisch zählte.
Dann schwang er sich durch'? Fenster
und verschwand im Gebüsch, während
der Baron ihm nachrief: Besuchen Sie
mich bald wieder I"
Baron von Wolkenbruch zahlte daS
Geld pünktlich dem Wirth einer Kaff
klappe, an den der Einbrecher ihn gewie
sen hatte. Aber einen weiteren Besuch
desselben erhielt er nicht mehr.
Türkisen i Pcrsien.
Die berühmten Türkisenminen in
Nishapur im nördlichen Perfien find,
wie allgemein angenommen wird, die
einzigen, aus welchen Türkisen in per
fekter Gestalt und Farbe gefördert wer
den. Die Minen liegen ungefähr 5000
Fuß über dem Meeresspiegel und am
Fuße eines noch weitere 100 Fuß sich
erhebenden Hügels. Der Zugang zur
Raishmine besteht aus einer künstlichen
Höhle von 36 Fuß im Geviert. Von
da führt ein senkrechter Schacht 15 Fuß
im Durchmesser zur Tiefe. Am Rande
dieses Schachtes befindet fich ein Hölzer
neS Tretrad, welches von zwei Männern
getrieben wird. An dem Rand ist ein
Tau befestigt, an welchem ein Sack aus
Schaffell hängt. Ein dritter Mann
besorgt die Entleerung dieses Sackes.
Am Boden des Schachtes find drei wei
tere Leute beschäftigt. Diese brechen die
Erde und die Felsen loS und füllen den -Sack
damit. Außerhalb der Höhle sitzen
ein Dutzend halbnackter Männer, welche
die Erde durchwühlen und die mitge
sandten Felsftücke zerbrechen. Finden
fie einen Türkisen im Fels eingebettet,
so lassen sie ihn darin und schicken den
Fund nach Meshed. Auf so primitiv
Weise werden die Türkisen gewonnen.
Bemerkenswerth ist, daß nicht nur die
Perser, sondern überhaupt alle Orien
talen diesem grünen Stein den Vorzug
vor anderen Edelsteinen geben. Merk
würdig ist auch, daß die lebhaste grüne
Farbe der Türkisen sehr häufig vom
Lichte sozusagen gebleicht wird, und daß
weiße Flecken im Stein entstehen. Hält
man sie aber längere Zeit hindurch in
Feuchtigkeit, so gewinnen fie ihre saftig
grüne Farbe vorübergehend wieder.
Der Gcldxmtz.
Der reiche T g besucht mit seiner
Gemahlin ein Konzert, und als er ein
tritt, singt eine berühmte Sängerin ge
rade das Lied: Mein ganzer Reich
thum ist mein Lied", da sagt Herr
T g zu seiner Gemahlin:, Du.
Betti, komm' nach Hau, das ikt keine
Gesellschaft für uns."
3n der Hitze 'd Gefechts.
Dame: Ihr Antrag ehrt mich, Herr
Baron, indeß der Unterschied der
Jahre"
Baron: Erlauben Sie mir, verehr
KS Fräulein, mein Haar ist grau, abn
mein Herz ist noch schwarz wie Eben
holz!"
Die kiauptsache.
Fräulein: Ach. Anna, mir ist schlecht,
holen Sie doch rasch einen Arzt!"
Dienstmädchen: Welchen?"
Fräulein: T.tn rrftm hftn kr in
der Nachbarschaft wohnt und noch
nicht verheirathet ist!"
Schlau.
Fremder (bei Begleichung der Rech
nung): Hier steht: Dreizehn Flaschen
Wein ( 4 Mark, und sieden Flaschen
Bin (k 25 Psenniae. Die Sacke i
der umgekehrt. Ich hatte dreizehn
vlalchen Bier und sieden Flaschen
Wein."
Kellner: .Nun, bai mii.si hnA nn
zusammen zwanzig Flaschen!"
Blzft.
Aeltlich Jungkiau: Denke Dir.
Eoufin. welch' ein Skandal. Sidonie
hat man überrascht, als sie fich auf dem
Heimwege vom sseffor Möller küffen
ließ. Den Mann möcht' ich kennen, dn
mics zu tulen agte!"
Eoufin: .Ich auch!"
i
I