Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 10, 1896, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Sein Steckenpferd.
Humorrskk oii Wilhelm ! eschen.
Unvermeidlich wie das Fatum stellte
sich beim Beginn der grossen Ferien
schon seit fünf Jahren der Berliner Pro
sessor der Archäologie, Dr. JustllS Fal
kcnberg, bei seinem Bruder, dem Apo
thekettdesitzer Fritz Falkenberg in Hones.
dem deutschen Niz,a, ein. In früheren
fahren hatte der Professor seine großen
Ferien in Seebiidern zugebracht, aber
das Leben hatte ihm eines schönen Ta
geS dort nicht mehr behagt, er war älter
und bequemer geworden. Bei seinem
Bruder fand er ein wahres Heim, schone,
geräumige Zimmer und eine solche nach
jeder Richtung hin ihn befriedigende
Verpflegung, das, der fünfzigjährige
Junggeselle geradezu strahlte vor Wob
behagm. Wenn er mit seiner hohen,
breiten und vollen Gestalt und dem
harmlos freundlichen Geficht durch die
Straßen schritt oder auf den Promena
den herumspazirte, dann sandte ihm
mancher hohlwangige und engbrüstige
Kurgast einen neidischen Blick nach.
Die beiden Brltder waren reich von
Hause aus. Der Apotheker zählte zwei
Jahre weniger und war schon feit zehn
Jahren Wittwer. An der Spitze seines
Haushaltes stand jetzt fein einziges Kind,
seine zwanzigjährige Tochter Marie.
Unterstubtgwurde diese dur h eine ersah
rene Köchin, eine Perle ihrer Art, wie
der Professor sie nannte. Fast bei jedem
Mahle sah er sich zu dem Ausruf ge
drängt: DaS Weib versteht seine Sache
brillant!" Zwischen den Brüdern
herrschte eine selten schöne Eintracht
bis aus einen Punkt; denn vollkommen
ist ja leider nichts auf dieser schönen
Erde.
Der Professor hatte sein Steckenpferd
welcher deutsche Gelehrte hat das nicht
zumal wenn er Junqeselle ist. Da
war die Graphologie: die Kunst, den
Charakter einer Person au? seiner
Handschrift zu erkennen. Der Apotheker
aber hielt sie für eine Spielerei und
hatte dafür das fürchterliche Wort
Mumpitz". Doch der Professor kränkte
sich schon lange nicht mehr über solchen
Bardarismus seines Bruders; denn aus
dessen Handschrift hatte er erkannt, daß
derselbe flüchtigen Mistes sei: dem na
turgemüß jedes ernste und tiefe Ein
dringen in die Geheimnisse einer Wis-
senschaft ein Gräuel sein mußte. Die
ser lebensfrohe Mensch konnte sehr genau
den Jahrgang eines Rbeinweines durch
den Geschmack seiner Zunge angeben,
aber ein wissenschaftliches Problem durch
Scharfsinn und Nachdenken lösen un
möglich! Daher Gnade mit dem Armen!
Ost fand flch der Professor nach seinem
Spaziergang fo gegen zehn Uhr in der
Ossizin ein und war seinem Bruder und
den beiden Gehilfen, die alle Hände voll
zu thun hatten, sehr im Wege. Da sein
Vater ebenfalls Apothekenbesitzer gerne
sen war, verstand er sich ein wenig auf
die Kunst, Rezepte zu lesen. Seit dem
Frühjahr war ein neuer Kceisphysikus
nach Honef gekommen, und als der
Profeffor in den ersten Tagen seiner
Ankunft davon hörte, reizte es ihn, die
Rezepte und die Handschrift desselben
kennen zu lernen. Heute erwischte er
ein von diesem geschriebenes Rezept und
vertiefte sich sofort in seine geliebte
Graphologie. Er prüste lange, dann
erklang mit großer Sicherheit und Deut
lichkeit das Urtheil : Der Kerl säuft."
Die Gehilfen mußten die Stand
gefäße, die sie gerade in der Hand hat
ten, niedersetzen, so sehr schüttelte sie ein
Lachanfall. Der Apotheker aber rief
zornig: Laß doch den Unsinn! Es ist
der Kreisphysikus, von dem Du
sprichst !"
Ja. da hilst alles nicht e? ist
doch so hier steht's geschrieben!"
Ach, Mumpitz!"
Das Wort reizte den Professor schon
lange nicht mehr, aber der Ton. in dem
ti heute gesprochen wurde, ärgerte ihn,
und so erwiderte er ernst: Ich kann
Dir nur rathen, einschlägige Bücher zu
lesin, etwa die: Graphologische Stu
dien" von Langenbeck oder von Professor
Prever Zur Psychologie des Schrei
den", dann wirft Tu schon Respekt
vor dieser Wissenschaft bekommen!
Durch sie ist festgestellt, daß in der
Handschrift der Charakter des Schrei
berS in jeder Einzelheit der Handschrist
zum Ausdruck gelangt, daß ferner. . . "
Ich bitte Dich, höre auf! Erstens
störst Tu unZ hier sehr, und zweitens
kann der Kreisphs,!us jeden Augen
blick kommen, eS ist seine Stunk! Der
Herr verschreibt hier täglich seine zehn
bis zwölf Rez'pte!"
.Und trinkt ebenso viel Apotheker
schnäpse! Sei ehrlich, Fritz, ist es nicht
so?"
Ter Apotheke mußte unwillkürlich
lächeln und erwiderte:
.Richt ganz s viel aber halb!"
,Ra also, stehst Tu, wie probat
meine Wissenschaft ist ! So drückt ftch
beispielsweise die Neigung zum Trinken
nicht nur durch das Hochsetzen . . . . "
.Ich bitte Dich, geh, der Kreisphy
fikus kommt !"
.Nun ja, Tu ängstliches Gemüth, ich
will Tir den Gefallen thun!"
Kaum war der Profetior im Neben
zimmer derlchwunden, so betrat in der
That d PhyfikuS die Apotheke. Schon
feine Rase verrieth seine Paffion durch
die satte, purpurne Färbung an ihrer
dicken Sp tze. Während n innerhalb
einer Halden Stunde ein Tutzend Re
zepte verschrieb, deren jedkZ er mit for
taktischen Bemerkungen begleitete, tranl
er drei läser Malton.Shnry. Tann.
aS a fertig mit dem .Berschniben"
war, ließ er sich ächten DrSherry
geben. Er trank auch hiervon drei
Gläser.
Inzwischen spazierte der Prosessor im
Garten und bewunderte den herrlichen
Rosenflor. Tort traf er seine Nichte
Marie, eine stattliche Blondine mit aw
genehmen und feinen Zügen. Er brach
eine prachtvolle Centifolie und sprach,
indem er sie ihr überreichte, mit seinem
angenehmen humoristischen Lächeln:
Gestatte, Du Verlassene, daß ich Dir
m Abwesenheit Deines Bräutigams,
des allweisen Richters von Honef, diese
Blume überreiche. Ich begreife es
nicht, wie der Verlobte einer solchen
Braut eine Erholungsreise antreten
konnte."
Ich nehme die Rose mit ehrerbietig
cm Danke an. werde aber nicht et-
mangeln, meinem Bräutigam sofort
nach seiner Ankunft, die heute oder
morgen erfolgen wird, von Deiner
schweren Anklage Mittheilung zu
machen.
Fürchterlich! Die Angst schüttelt
schon mein Gebern
Die mächtige Gestalt des Professors
war plötzlich zusammengesunken, seine
Kniee schlotterten, und sein Gesicht
zeigte einen so drollig ängstlichen Aus
druck, daß Marie herzlich auflachen
mußte. Als aber dieses melodische
Lochen ein disharmonisches Echo fand,
ahm der Professor mit einem Ruck
eine imponirende Haltung an, und sein
klares Auge fiel strafend auf die perfekte
Köchin, die unbemerkt sich genähert und
das Lachen ihrer Herrin begleitet hatte.
Er war undankbar genug, in diesem
Augenblick alle die kulinarischen Ge-
niisse, die ihm Anna, die Köchin, be
reitS bereitet hatte, völlig zu ergessen
und fte in wenig zarter Welse anzu
schreien. Die Köchin hatte das Schma
benalter soeben erreicht und nahm die
harten Worte des Professors mit klassi.
scher Ruhe auf.
Ich wollte nur gehorsamst fragen,"
sagte sie mit einem leisen Anflug von
Ueberlegenheit, ob ich nicht vielleicht
einen Kuchen zum Kaffee backen soll?"
Wie kommst Du zu der Frage?"
fragte Marie.
Ach Gott, der Müller schrie mir
durch das offene Küchenfenster in aller
Eile zu, der Herr Amtsrichter sei soeben
angekommen."
Marie's Antlitz glühte vor freudiger
Ueberrafchung.
Gewiß, Anna, mache, was Du
willst."
Die Köchin warf dem Professor einen
sprechenden Blick zu, der, in Worte ge
kleidet, etwa also lautete: Na, siehst
Du wohl, wie anständig die mich be
handelt. Tu lgrodian !" Dann nickte sie
ihrer Herrin beinahe herablassend zu
und eilte, so schnell, wie ihre gewich-
tige, runde Figur es erlaubte, dem
Hause zu.
Ich bin gespannt auf den lungen
Amtsrichter und sri chen Bräutigam ,
sagte der Professor, welcher diesen noch
nicht kannte, da derselbe erst seit sechs
Ultonaten lein jetziges Amt bekleidete.
Marie entwarf dem Onkel ein sehr
günstiges Bild von demselben.
Während Anna mit Eifer mit dem
Anrühren des Kaffeekuchens beschäftigt
war, klopfte Jemand sie auf die Schul
ter. Mit einem Schrei der Ueber-
raschung wandte sie sich bastig um, daß
sie dem Attentäter einen Brief aus der
Hand stieß, der feinen Weg schnurstrack!
nach dem Kohlenkasten nahm.
,Ach Gott, Müller, Sie sind eS ! Wie
kommen Sie dazu. ,mich so zu
schrecken?"
Müller warf erst einen besorgten
Blick auf den entflohenen Brief und
dann einen verliebten auf Anna. Er
war der Gerichtsdiener. ein Mann von
vierzig Jahren, dem die Köchin mit
ihrem Erbtheil und ihren Ersparnissen
von rund fünftausend Mark eine be
gehrenswerthe Partie erschien.
.Ach nee, Müller, Morgens habe ich
für die Blicke keine Zeit, die müssen
ie sich schon für den Abend aufbewah
ren ! Was ist denn da in den Kohlen
kaften geflogen?"
Der Brief des Herrn Amtsrichters an
Fräulein Mnne !"
Ach, Du liebes Herrgöttchen von
Biebernheim !" kreischte sie erschrocken
und holte mit einem kühnen Griff den
Brief aus dem schwarzen Versteck. Aber
blinder Eiser schadet nur: daS bischen
Kohlenstaub hätte dem Brief nichts ge
schadet, doch die Abdrücke von AnnaS
fettigen Fingern, die waren unvertila-
bar. Als sie das Unglück sah, machte
sie eine solche Jammermiene, daß Mül
ler ihre mächtige Taille zärtlich umfaßte
und tronend al 0 brach: .5!a enSiees
nur gut sein, Aennchen, daS Malheur
ist nicht so groß !"
.Aber so kann ich den Brief meinem
Fräulein doch nicht übergeben !"
,?!ein. nein, daS tollen Sie auch
nicht ! Säubern Sie erst mal Ihre Fin
gcr. und dann holen Sie mir ein neues
Couvert!"
.Was wollen Sie mach.-n. Müller?"
.Eine Kleinigkeit bloß, die Krähen
süße hier nachmalen !"
,sie wollen den Brief öffnen r
.Warum denn nicht? Sollen Sie
denn Vorwürfe von dem Fräulein und
einen ordentlichen Wischer vom
Amtsrichter erhalten? Ober sollen wir
gar den Brief unterschlagen?"
.Um des Himmels willen nicht !"
.Also dann schnell, holen Sie Cou
vert, Tinte und Feder !"
.der den Brief nicht lesen !"
.Ich denke nicht daran ! Liebesgesäu
sel und gar von einem Amtsrichter
entsetzlich!"
Während Anna das Gewünschte her-
beischaffte, öffnete Müller vorsichtig mit
Hülse seines Zaschenme ers den Brief'
Umschlag. Er hatte seine Fähigkeiten
nicht überschätzt, in kurzer Zeit war eine
neue Adresse geschrieben in Schriftzüge,
die auf den ersten Blick denen deS
Amtsrichters täuschend ähnlich sahen.
So, Anna, das wäre geschehen
Hier haben Sie den saubersten Brief
von der Welt!"
Anna rieb ihre Hände noch einmal
gründlich mit ihrer weißen Schürze ad
und nahm dann den Brief.
DaS haben Sie wirklich gut ge
macht. Müller ! Aber halt, eines fehlt
och, auf der Rückseite der Absen
der !"
Muß das sein?"
Jawohl, das muß sei, das ist
unser Fräulein von Anfang an so ge
ivohnt. Wenn sie den Namen liest,
dann prüst sie nicht einmal mehr die
Adresse."
Müller schrieb also auch noch den
Absender auf die Rückseite des Brief
Umschlages, und Anna eilte in den
Garten, wo sie ihre junge Herrin noch
mit dem Onkel Professor antraf.
Hier, Fräulein, ein Brief vom
Herrn Bräutigam !"
Freudig erregt nahm Marie den Brief,
öffnete hastig, ließ das Couvert achtlos
auf den Boden fallen und las mit po
chendem Herzen die Zeilen des Gelieb
ten. mit denen er sich zum Nachmittags
kaffee ansagte.
Anna hätte gern das Couvert vom
Boden aufgenommen, doch der Blick des
Professors schreckte sie ab, und sie eilte
in ihre Küche zurück.
Kaum war sie verschwunden, so bückte
sich der Prosessor eiligst und nahm den
Briefunschlag vom Boden auf; er
brannte darauf, die Schriftziige des Aus
erkorenen seiner Nichte zu sehen und zu
prüfen.
Kaum aber hatte er genau die Schrift
geprüft, so rief er unwillkürlich laut :
Ter Mensch säuft i auch!"
Was mein t Du, Onkel ?" fraate
Marie, die den Onkel nicht verstanden
hatte."
Ist der Brief wirklich von Deinem
Bräutigam?" Dabei fiel ein Blick des
Mitleids auf seine Nichte.
Gewiß, Onkel, von Fritz !"
Armes Kind! Du thust mir leid!"
Aber Onkel! Was meinst Tu ?"
Ich halte es für meine heilige Pflicht.
Dich zu warnen! Ich muß Dir sagen,
was diese Schriftzüge mir klar und deut
lich verkünden !" -
So 's I Da bin ich doch recht neu-
gierig!"
Sie verkünden mir, daß der Schrei-
der ein Trinker und ein Raufbold ist!"
Aber Onkel! Fritz trinkt nicht, er
raucht nicht einmal und ist der friedlie-
vendste !vcench!"
Die Liebe ist blind, aber meine Wis-
senschaft ist hellsehend!"
Deine Wissenschaft ist ein Unfug, ein
Verbreche! Jawohl, ein Verbrechen,
denn sie verleumdet die Menschen, sie
schneidet ihnen Ehre und guten Ruf ab!
Du wirst Dein Urtheil nicht nur zurück
nehmen, sondern sogar gründlich än
dern!"
Nein, das kann, das darf ich nicht!"
So spann sich der Streit zwischen
Onkel und Nichte noch lange und heftig
fort, bis schließlich auch der Apotheker
mit hineingezogen wurde.
Natürlich hielten Vater und Tochter
zusammen und gingen gemeinsam mit
heftigen Vorwürfen dem Professor zu
Leibe. Puterroth vor Zorn schrie der
Apolyeier fchließlich :
So lange Deine Manie kein Unheil
anrichtete, habe ich Tir freien Willen
geladen, aber jetzt, wo Tu mit derselben
Unfrieden in ein glückliches Laus.
Zwietracht zwischen ein glückliches Paar
ringen miufl, oa verbiete ich Tir allen
Ernstes, noch irgend eine Handschrift in
meinem Hause zu charakterisiren! Jetzt
habe ich genug von dem Unsinn, der ge
scheidte Menschen verdreht und brave
Leute unglücklich machen kann!"
Der Professor lenkte ein. und der
Friede wurde geschlossen.
Beim Nachmittagskaffee lernte der
Onkel den Amtsrichter kennen; er machte
einen guten Eindruck auf ihn. umso
mehr that eS ihm aufrichtig leid, daß
der angenehme, kaum dreißigjährige
Mann so häßliche Fehler besaß.
Trinker und Raufbold! So sagte
deutlich die Handschrift, und doch war
das Auge des Amtsrichters so hell, klar
und sanft, daß der Prosessor beinahe
geneigt war, seiner sehr geliebten Wis
senschaft in diesem Falle Unrecht zu ge
den. Jedenfalls nahm er sich vor. zu
schweigen und zu beobachten.
ES wäre wohl alles glatt verlaufen,
wenn nicht der Apotheker am späten
Abend und in guter Weinlaune den
Bruder gehäuselt und dem Amtsrichter
daS Ergebniß der Graphologie verra
then hätte.
Der Amtsrichter war ein friedlieben
der Mensch. Unter gewöhnlichen Um
standen würde er über den AuSspruch
des Professors erhaben gelächelt haben,
aber ein verliebter Wenn ist sehr
empfindlich, wenn seine Eigenschaften
in Gegenwart der Geliebten in ein
schlechtes Licht gestellt werden. So
ärgerte er sich sehr, aber er sagte nichts.
solange die gemüthliche Sitzung bei der
Bowle dauerte. Bevor er jedoch nach
Haufe ging, fand er Gelegenheit, mit
dem Professor unter vier Augen über
dessen Aeußerung zu sprechen.
Diesem war die Sache höchst peinlich,
gern hatte er sich durch eine Lüge aus
der Schlinge gezogen, doch bai wider
strebte feinem ftenen Charakter, und
so gab er unumwunden zu, was die
Schristzüge ihm gezeigt hatte. Da!
aber war anch dem friedliebenden Amts
richter zu viel ; eS kam zu einer heftigen
AuSeinanderfetzung, und der Amtsrich
ter ließ sich so weit hinreißen, Genug
thuung mit der Pistole zu sordern,
wenn der Prosessor nicht revozire.
Die lauten Stimmen der Streiten
den riefen schließlich den Apotheker nebst
Tochter herbei, und so war das Un
glück da.
Der Amisrichter bestand auf Satis
faktio und eilte höchst ausgeregt nach
Hause.
Der Professor goß Oel in'S Feuer,
indem er die Forderung zum Duell als
einen Beweis für die Richtigkeit der
Graphologie hinstellte. Im höchsten
Zorn schieden die beiden Brüder von
einander, daS erste Mal in ihrem gan
ze Leben.
Noch niemals hatten die vier Bethei
'ligten eine so schlechte Nacht als die
kommende. Wohl noch niemals wnrde
die Graphologie so hestig verwünscht
und verflucht wie in jener Nacht.
Der Apotheker warf im Traum den
Bruder zum Haufe hinaus. Marie
sah ihren geliebten Fritz mit durchschos
sener Brust auf dem grünen Rasen
liegen.
Der Professor überlegte die ganze
Nacht, ob er feiner geliebten Grapholo
gie die Schande anthun dürfe, sie durch
eine Lüge bloßzustcllen. Dieser Kampf
preßte ihm Seufzer über Seufzer ab.
und doch konnte er zu keinem Entschluß
kommen.
Schon in aller Frühe war er auf den
Beinen und eilte ins Freie. Die ihm
entgegenkommenden Bekannten fragte
er nach dem Charakter des Amtsrichters
und erhielt zu seinem größten Erstau
neu von Allen die beste und günstigste
Auskunft. Sonderbar! Sollte seine
geliebte Graphologie ihm dennoch einen
Streich gelpiklt yaben k
Tief unglücklich kam der arme Mann
zu Hause an. Er war in einer Stim
mung, daß er am liebsten die Pistole
auf seine eigene Brust gesetzt hätte.
Marie hatte schon um neun Uhr
Morgens den Bräutigam zu sich bieten
lasten, und es gelang ihren Bitten, ihn
versöhnlich zu stimmen. Sie wollte ihn
sofort mit dem Onkel zusammenbrin-
gen; doch das lehnte er entschieden ab.
er wollte lieber schreiben, da wäre man
ruhiger und achlicher.
Aber bitte, schreibe artig und nicht
venepeno r
Gewiß, das thue ich aern. denn n-
stens ist er Dein Onkel, und zweitens
ziemt es sich nicht für einen preußischen
Richter, Jemand zum Duell heraus,-
sorocrn.
Ich werde dafür Sorge tragen, daß
der Onkel Tir freundlich antwortet."
Der Amtsrichter begab sich sofort
nach Hause und schrieb seinen Brief,
den er an den Professor absandte. Als
dieser am Nachmittag das Schreiben
erhielt und durchlas, wurde sein Blick
immer erstaunter und sein Gesicht stets
länger.
Aufgeregt rief er nach feiner Nichte,
und als diese kam. da rief er ihr ent-
gegen: Schau' mal her, ist daS wirk-
lich die Handschrift Deines Bräuti-
gams?"
Natürlich !"
Ader mein Gott, das ist doch eine
ganz andere Handschrift als die, ans
welcher ich meine Schlüsse zog I Hier ist
das Eouvert und hier der Brief I"
Bei einer gründlichen und peinlichen
Untersuchung kam nun durch das Be-
lennmitz der perfekten Köchin die Wahr
heit an den Tag.
Selbstverständlich eilte der Professor
sofort zum Amtsrichter, klärte das
Mißverstündniß auf und bat um Ver
zeihung. Durch die Aufklärung war
der Amtsrichter in solch glücklicher
Stimmung, daß Müller mit einem
strengen Verweis davon kam.
Zu seiner Genugthuung erfuhr der
Professor auf seine Erkundigungen hin,
daß der Gerichtsdiener Müller in der
That manchmal ein Glas über den
Durft trank und dann ein kleiner
Krakehler war. Der Professor seufzte
erleichtert und froh auf die Unfehl
barkeit feiner geliebten Graphologie
war gerettet.
ver kluge General und
pfiffige Lieutenant.
der
Freiherr v. Schlicht nennt sich ein I
Berliner Autor, der sich seit einiger Zeit
durch seine Militär Humoresken
wirklich flotte, gut vorgetragene Humo
resken bemerkbar macht. Im .Klei
nen Journal" schilderte er dieser Tage
die Borgange bei dem von den Offizier
korpS geübten Kriegsspiel, und bei die
ser Gelegenheit giebt er folgende Remi
niscenz zum Besten.
Ich möchte heute eine kurze, lehrreiche
Geschichte erzählen, die sich einmal zu
trug, alS auch Krieg gespielt wurde,
zwar nicht im Zimmer, sondern in
GotteS freiet schöner Natut.
Die Vorgesetzten haben bekanntlich
immer Recht, weil sie Alles besser wissen
als ihre Untergebenen.
Die nachfolgend Geschichte lehrt
nein, waS sie lehrt, daS sage ich nicht.
ES war in einem Manöver irgendwo
im schönen deutschen Vaterland. TaS
Tetachement der Rordpartei hatte unter
der Führung feines Generals einen
großen Fluß zu überschreiten. Schon
von Weitem merkte man dem Herrn
General eine gewisse Unruhe an, man
konnte ihm das schließlich nicht erden
len. den der Fluß war breit und tief.
und wenn die eiserne Brücke brach,
dann konnte ihm die Sache schlecht be
kommen, sintemalen er siir das Lebe
seiner Untergebenen verantwortlich war.
Der Herr General setzte seinen Gaul
endlich in Galopp und ritt voran, um
sich persönlich von der Beschaffenheit der
Brücke zu überzeuge, und als das
Detacheinent herantam, sah man den
Herrn General im eifrigen Gespräch
mit dem Brückenwärter.
Die Befürchtungen deS Herrn Gene
ral erwiesen sich als grundlos, die
Brücke hielt und wohlbehalten langte
das Tetachement auf dem jenseitigen
User an.
Da ließ der Herr General plötzlich
halten und berief die Herren Offiziere
zu sich.
Meine Herren, ich habe Sie zu mir
gebeten, weil ich diese uns sich so leicht
nicht wieder bietende Gelegenheit be
nutzen möchte, um Sie darauf aufmerk
sam zu machen, wie schwer es ist, die
Breite eines Stromes auch nur an
näherend richtig zu schätzen. Ueber die
Wichtigkeit des richtigen Entsernungs
schötzens brauche ich wohl kein Wort zu
verlieren, Sie wissen Alle ebenso gut
wie ich, daß von dem richtigen Ermit
teln der Entfernung die Wahl des
BisirS, der Haltepunkt und, hauptsäch
lich damit zusammenhängend, die Treff
resultate abhängen. Ist es schon auf
dem Lande sehr schwer und erfordert es
dort schon große Uebung, Entfernungen
richtig zu ermitteln, so wächst diese
Schmierigkeit, wenn wir eine Fläche
schätzen sollen, die völlig eben ist, auf
der sich dem Auge keine besonderen
Merkmale bieten. Dars ich Sie nun
bitten, meine Herren, sich die Breite
des Stromes anzusehen und mir dann
zu sagen, zu welchem Resultat Sie ge-
kommen sind? Herr Oberst, darf ich Sie
zuerst fragen, für wie breit Sie den
Fluß halten?"
Der Herr Oberst klemmte sich das
Monocle ein und sagte nach kurzem Be
sinnen: Fünfhundert Meter, Herr
General."
Ein väterlich wohlwollendes Lächeln
umspielte den Mund des Vorgesetzten:
Ja, ja, Herr Oberst, daS ist nicht so
leicht, das bedarf großer Uebung. Herr
Oberstlieutenant, wie denken Sie?"
Der Herr Oberstlieutenant, der sich
bei dem Herrn Oberste mächtig
schusterte", meinte, er wäre derselben
Ansicht wie der Herr Oberst, und der
Herr Oberst nickte seinem Etstsrnäßigen
zu, als wollte er sagen: Wir Beide
haben Recht."
Und wie denkt der Herr Major über
die Sache?"
Ich halte fünfhundert Meter für
etwas weit, mehr als vierhundertfllnf
undsiebzig sind es nach meiner Meinung
kaum."
Das klang gelehrt und sclbstllber
zogen" und der Herr General hatte als
einzige Antwort nur ein keineswegs
väterlich wohlwollendes Kopfschütteln.
Nach dem Herrn Major kamen die
Herren Hauplleutc. dann die Herren
Lieutenants und nun wurde darauf
iosgerarym: iuw Bieter, üüü Meter,
300 Meter, 1200 Meter."
Das metert" sich was zurecht.
Der Herr General rang auf seinem
Gaul die Hände und schüttelte sich vor
Entsetzen, wenn eine Entfernung ge
nannt wurde, als wenn er jede Sekunde
einen Becher Ricinusöl einnähme.
Aber, meine Herrn, ich bitte Sie
fallch, ganz falsch aber, meine Herrn,
machen Sie doch Ihre Augen auf
kann denn Niemand mir eine wenig
stens annähernd richtige Schützung an-geb-n?"
Da trat ein ganz blutjunger Lieute
nant vor und legte die Hand an den
Helm.
Sie, junger Freund?", sprach der
Herr General anscheinend etwas der
wundert, .da bin ich doch begierig
nun, für wie breit hallen Sie den
Strom?"
Und ohne Besinnen sagte der Ge
fragte : .Einhundertsiebenundachtzia
Meter und dreiundvierzig Centimeter."
lleberra cht blickte der General auf.
dann versank er in tiefes Nachdenken.
Hm, hm," machte er endlich. .Ihre
Schätzung hat etwas für sich ie mehr
ich darüber nachdenke, desto mehr komme
ich zu der Ueberzeugung, daß sie wohl
richtig fein könnte. So würde auch ich
die Breite des Flusses geschätzt haben.
Darf ich Sie fragen, wie Sie die Ent
fernung ermittelten, welche Art Sie
anwandten, um die Breite so genau zu
bestimmen?
Und ohne sich zu besinnen, sagte der
junge Offizier, die Hand an den Helm
legend :
.Ich habe auch den Brllckenwärter
gefragt. Herr General.
Tableau.
in atipus.
Junge Frau: .Aber, Karl. Tu haft
mir immer gesagt, das Wirthshaus
leben sei Tir schließlich verhaßt gewesen
und Du habest die Kameraden um ihr
Heim immer beneidet und nun gehst
Tu doch in die Kneipe!"
Mann: LiedeS Frauchen, nur um
mir 'mal wieder meines jetzigen
Glücks so recht bewußt zu wer
den!"
Ein neidigkr XiAttr.
.Angeklagter, den Einbruch haben
Sie nach Angabe der Zeugen nach Mit
ternacht verübt; sind Sie ver
heirathel?"
.Ja!"
.Dürfen Sie denn Abend! so lange
ausbleiben?!"
lHoitetne Vic,,s,bote.
Hanni, ich bin mit Ihnen sehr zu
frieden und werde Ihnen deshalb von
nun an, anstatt alle vierzehn Tage, jede
Woche einen halben Tag frei geben!"
Aber, gnädige Frau, da bitt' ich
anch um Lohnerhöhung!"
Auch.
Onkel: Jetzt hast D einen neuen
Klavierlehrer da wird wohl recht
fleißig gespielt?"
Nichte: Gewiß, Onkelchen gespielt
wird auch,"
Seine Auffassung,
Ein Straßenjnnge guckt durch daS
Fenster einer Studirstnde, i welcher der
Professor steht und die Kurbel einer
Elellrisirmaschine dreht, deren Konduk
tor er Funken entlockt. Der Junge eilt
z seine Kameraden und rust: Kommt
doch 'mal sehen, der Professor dreht sei
nen Leierkasten, daß die Funken heraus
fliegen, aber bringt keinen Ton her
vor."
Lbkl,chcs Zdll,
Wie hatten sich die Beiden
So lieb vor Jahr und Tag,
Kein Zufall konnt' sie scheiden,
Zwei Herzen und ein Schlag.
Verbliche ist der Schimmer
DeS Glücks von dazumal;
Zwei Herzen sind's noch immer -Doch
Schläge ohne Zahl!
(Saiincrlnimor.
Wachthabender (, einem eingeliefer
ten Strolch): Haben Sie Etwas in
der Tasche?"
Ja."
Her damit! Was denn?"
Ein Loch."
Macht in Scwowcheil.
Rafeur (zu einem Kunden mit ziem
lich kahlem Kopfe, welchem er die Haare
geschnitten): Bitte, wünschen Sie das
Haar in der Mitte oder auf der Seite
gescheitelt?"
Sä wächst der Mensch,
Commis (mit starkem Cmbonpoini):
Ich begreise nicht, weshalb Sie mir
jetzt nach zehnjähriger Thätigkeit plötz
lich kündigen? Ich habe doch immer
meine Pflicht gethan."
Prinzipal: Das ja, aber Sie neh
wen mir allmählig zuviel Plag weg."
pamdox.
Dame: Sagen Sie 'mal. Herr Lieu
tenant, ist denn die tropische Hitze wirk-
lich o fürchterlich?"
Lieutenant: Versichere Sie. Gnä-
digste, wenn ich nur daran denke, lüuft's
mir noch kalt den Rücken hinunter!"
Schwer glaublich.
Erster Student: Tu, pump' mir
zehn Mark."
Zweiter Student: Hab' keine."
Erster Student: Was? Dein Aller
hat Dir doch heut' Morgen fünfzig
Mark geschickt!"
Zweiter Student: Ja, aber unter
der Bedingung, daß ich sie allein der
saufe!" verfänglich,
Herr (zum Dienstmädchen): Gehen
Sie 'mal gleich zum Arzt, er soll zu
meinem Vetter kommen; auf dem Rück
wege können Sie auch beim Thierarzt
anklingeln!"
Dienstmädchen: Soll der auch zu
Ihrem Vetter kommen?"
Herr: Nein, den gebrauche ich per
sönlich!"
Gut gegeben.
Tante: Aber Fritz, schäme Dich doch,
daß T nicht versetzt worden bist!"
Fritz: Warum denn, Tante? Tu
bist ja auch sitzen geblieben."
Anregung.
Wie viel kostet Dein neues Kleid,
liebe Alma?"
.Nicht viel, einen Ohnmachtsanfall
und zwei Küsse."
Tas ist freilich sehr bescheiden, da
muß ich mir auch ein solches an
schaffen."
vorsorglich,
Gnädige Frau, ich möchte recht schön
bitten, mich nach Hinterstadt fahren z
lassen!"
Ja, waS haben Sie denn dort zu
thun?"
Wissen gnädige Frau denn nicht,
daß die Dragoner nächsten Monat von,
dort hierher verfetzt werde? Da möchte
ich halt heut' hinfahren und mir jetzt
schon einen 'raussuchen, damit mir
nicht wieder der Schönste weggeschnappt
wird!"
Webe dem, der lügt!
Einem Gast wird beim Mittagessen
u. A. Braten fervirt. Ta er keinen be
sonderen Appetit mehr hat, entschließt
er q. venfetoen zum bciiddrod zu
verzehren, genirt sich aber dieses dem
Kellner zu sagen. .Wickeln Sie mir
'mal den Braten in sauberes Papier
ein!" bemerkt er diesem ich will ihn
meinem Hund mitbringen!"
Kellner (nach einigen Minuten):
.H'er ist der Braten ich erlaubte
mir noch einige Knochen zuzulegen!"
Carum.
Herr Toetor, darf ich Sie aus heute
Abend zu einem Gläschen Punsch ein
laden !"
.Gnädige Frau. Ihr Punich ist mir
I Befehl!"
Y
c