Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 26, 1896, Image 9

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    Xv Q Q STA A SA
Gencral Reilwagen,
Humorrsk, von Henman Schmidt,
Es ist kaum anzunehmen, daß der
geneigte Leser den Warnen dieses Ge
nerals in der preußischen Rang und
Quartierliste finden wird, doch den
icnigen. welche mit mir im Jahre 1339
in der brandenburgischer: Garnisonstadt
F. bei der Kapelle deS Grenobierregi
ment No. standen, durste dieser Ge
neral noch im (Gedächtniß geblieben sein.
Zweck dieser Zeilen ist, auch weitere
Kreise mit der Person diese? weniger
strategischen al musikalischen Genies
bekannt zu machen. Ich hatte erst kurze
Zeit Vor-Ablauf des genannten Jahres
des Kaisers Rock mit den Schwalben
Nestern angezogen. Mein Ezerziermei
fter hatte mich. Freund Keilwagen, den
Helden dieser Erzählung und noch einige
Einjährige nebst einer Anzahl von
Oekonomiehandwerkern in die Geljeim
riisse der Kriegskunst eingeweiht. Der
langsame Schritt, die Klimmziige und
Putzstunden lagen bereits hinter uns,
so daß wir uns einbildeten, ausgebildet
zu sein, was unsere Kriegstiichtigkeit
anbelangte. Besonders angenehm war
diese Zeit gerade nicht, denn Herr
Sergeant Trage war im Dienst sehr
streng, so daß ich ihm öfters KniggeS
Umgang mit Menschen als Lektüre em
p schien wollte; doch wenn des Dienstes
ewig gleichgestellte Uhr Feierabend er
kündete und wir dann in der Kantine
mit ihm zusammen saßen, war er der
beste Mensch, denn bei einem Glase
Bier trat sein edler Kern aus der rauhen
Schale, ja, oft sogar erzählte er uns
hierbei von seinen verflossenen Bräuten,
von welchen er, wie weiland Onkel
Brüstg, drei auf einmal in sein großes,
aber weiches Herz geschlossen hatte, bis
ihm die Untreue einer Majorsköchin be
sagtes Herz gebrochen und ihn zum
Weiberfeind und Anhänger Schopen
Hauers gemacht hatte. Die Liebe zu
einem Weibe, belehrte uns der Philo
soph im Waffenrock, ist eines Solvaten
unwürdig. Wie wenig nützlich die
Frauenzimmer seien, ginge schon daraus
hervor, daß man sie nicht Soldat wer
den läßt. Warum? Der Soldat soll
nur seine Fahne lieben, und Frauen
zimmer verlangen alle Dekaten eine neue
Fahne. Ergo: Hlltct euch vor den
Weibern, wie vor einem Subordina
tionsvergehen! Später schien Sergeant
Drage in seinen Grundsätzen wieder
wankend geworden zu sein, denn als
ich ihn vor zwei Jahren auf einer Ur
laubsreise in Kottbus traf, wo er schon
längere Zeit als Beamter angestellt
war, nahm n mich mit nach seiner
Wohnung und stellte mir seine Frau
vor nebst zwei strammen Buben, von
denen der jüngste die ersten Gehversuche
machte und seinen Vater damit ärgerte,
daß er dabei immer mit dem rechten
Fuß antrat. Doch zurück zur Haupt
fache. Ich war nun mit Kamerad Keil
wagen bereits mehrere Monate in das
Musikkorps eingereiht und wir führten
ein ziemlich ruhiges Leben, da fiel in
unsere Gemüthlichkeit daS Wort Mu
sterung" wie eine Bombe.
Anfang Februar brachte unser Pa
rolegänger diese Uriaspost mit vom Be
fehlsempfang. Die ökonomische Muste
rung. in dem Kasernenlatein Früh,
jahrslumpenparade" genannt, sollte be
reit am 10. April stattfinden. Bringt
nun die Vorbereitung zu derselben so
gar einen an Schlachtendonner gewöhn
ten Kompagniechef in Aufregung, um
wie viel mehr das zarter konftruirte
Nervensystem eineS Hoboiften. der noch
dazu eben erst die Rekrutenschuhe ausge
zogen hat. Wir ließen uns von den
alten Leuten" eine solche Musterung
beschreiben und diese malten uns eine
Lumpenparade in großem Styl mit den
schwärzesten Farben, so daß wir uns
vor derselben u fürchten ansingen, wie
ehemals die Kinder der Römer vor dem
nunmehr seligen Hanibal. Wenn nur
erst die ganze Bescheeiung vorüber
wäre! Dieses war der sehnlichste Wunsch
eines Jeden, vom gestrengen Herrn
Major bis zum Regimentsschuster und
Schneider, bis hinab zum chargenlosen
Grenadier. Alle großen Ereignisse
werfen bekanntlich ihn Schatten vor
aus. so auch eine Musterung. Ihre
Schatten bestanden in täglichen endlosen
Appells. Stundenlang standen wir ost
auf dem Kasernenhof, mit der ersten
Kompagnie zusammen, welcher wir zu
getheilt waren. Unser Herr Haupt
mann wußte dieses Glück aber wenig zu
würdigen. Er beklagte sich bitter, daß
ihm das Schicksal außer den zwölf
Dummköpfen seiner Kompagnie noch
einundvierzig musikalische Sorgenkinder
bescheert hat. Arbeit machten mir ihm
auch genug. Da mußten eine Garnitur
Röcke neu deseKt werden, waS ein Hei
dengeld kostete, dann paßten durchaus
keine Helme aus unsere unvorschrists.
müßigen Rotenköpfe. Für einige, zum
Embonpoint neigende Sergeanten war
in der ganzen civilisirtcn Welt kein Pas,
sendn Rock , u finden, der eiflelthurm!
ähnliche Odoer und Klavierkminler
Hoppe steckte durch sämmtliche Rod'j
ürmel seine laviertaßen um eine
Pferdelänge zu weit durch, kurz, be,
federn war etwa? zu finden, was das
kritische Auge deS PrigadekommandnirS
General von B. nicht sehen durfte. Die
Kompagnie Schneider haben wie die
Spatzen geschimpft, wenn wir wieder
mit einer Aenderung erheischenden Gar.
nitui ankamen und waren nur gegen
Erlegung eines kleinen Obolus milder
,u stimmen. Der ammerunteromzier
Sergeant Haupt fauchte wie eine Tiger
läse, wenn wir sein Heiligthum betta
Jahrgang 17.
ten. Die größte Anzahl der Hoboisten
wohnte in Staotquarticren, auch ich
und Freund Keilwagen. Die Kammer
spie täglich eine neue Menge Beklei
dungs und AusrUstungsgegenstiinde
aus, so daß mir dieselbe vorkam, wie
der Topf der Wittib von Sarepta.
Täglich schleppten wir eine neue La
düng nach unseren bescheidenen Zim
merchen, welche bald das Aussehen eines
Trödlerladens bekamen und ich sah mich
bereits nach einem Möbelmagen um,
behuss Fortschaffung meiner militäri
schen Ausstattung am Tage der Muste
rung. Eine fieberhafte und unge
wohnte Thätigkeit begann jetzt. Jedes
Stück mußte mit dem werthen Namen
seines momentanen Eigenthümer? ver
sehen werden. Da mir nun von Natur
wenig Anlagen zu dem ehrbaren
Schneiderhandwerk besaßen, und ich sür
meine Person eine nadelkundige Braut
nicht mein Eigen nannle, sahen meine
Ringer bald furchtbar zerstochen aus.
Oftmals war auch noch alle Mühe und
diverses Blutvergießen vergebens, denn
traten wir mit den fertigen Sachen zum
Appell an, dann belehrte uns der Feld
edel, daß sämmtliche Name schief,
oder gar falsch eingenäht seien, dann
wieder sahen nach seiner Meinung die
Stiche aus, als ob ein Gardeflügel
mann beim langsamen Schritt Zwirn
an seinen Kommißstiefeln mitgeschleppt
und bei jedem Schritt etwas verloren
hätte. Dann ging es: riß, ritz und in
kurzer Zeit war durch das Messer der
Kompagniemutter" Alles vernichtet.
Besonders ablehnend benahm sich das
Leder der neuen Stiefel gegen die An
bringung von Namen, so daß gegen den
Ochsen, welchen einst diese dicke Haut
zierte, jetzt, nachdem er schon lange den
Weg alles Rindfleisches gegangen,
manche Verwünschungen laut wurden.
Nicht genug mit dieser Plage, erhielten
mir Jeder noch einen Mantel, welcher
einst neu gewesen zu sein schien, gegen
wärtig aber das Aussehen hatte, als ob
er den Dichter zu dem bekannten Liede
Schier dreißig Jahre bist Du alt" be
geistert hätte. Dieses Fragment aus
der guten, alten Zeit, eine Zierde für
jedes Alterthumsmuseum, sollte jetzt
wieder salon resp, appellsähig gemacht
werden. Das war nun keine sehr leichte
Arbeit, denn eine Reihe von Manövern
hatte mit dem damit verbundenen Bi
waksleben viele und deutliche Spuren
hinterlassen, welche nun mit Benzin,
Fleckseife und anderen erlaubten Hlllfs
mittein entfernt werden mußten. Auch
diese Aufgabe wurde gelöst, freilich
nicht ohne mehrmaliges Antreten. Was
nützt mir der Mantel, wenn er nicht ge
reinigt ist, parodirte der Herr Feld
webel und schickte uns immer wieder da
mit nach Hause, bis auch seine Argus
äugen nichts Auffälliges mehr entdecken
konnten. Doch neue Arbeit harrte un
ser. An unseren Dienströcken, welche
ebenfalls mit musterten, gab es Knöpfe
welche nicht mehr die gewünschte An
hänglichkeit an den ihnen zugewiesenen
Bestimmungsort besaßen. DaS ge
fürchtete Messer deS Feldwebels be
wirkte auch hier eine rasche Trennung,
bis ihre Stellung wieder durch Nadel
und Zwirn befestigt wurde. Nähte,
welche bereits in Ehren grau geworden
waren, mußten mit Tinte geschwärzt
werden, bis sie wieder ein jugendliches
Aussehen erhielten.
Dann wurden wir jungen Leute noch
über Gewehrreinigen, Löhnung, Brod
lieferung u. f. w. inftruirt, damit wir
auf etwaige Fragen deS Generals nicht
nur geistreich den Mund aufsperren,
sondern auch dumm antworten könnten.
Auch erhielten wir Schießbücher, in
welchen die Wirkung unserer verschösse
nen Patronen angegeben war. Da
Fehlschüsse durch Nullen bezeichnet sind
und Jeder von uns die Scheibe so viel !
wie möglich geschont hatte, bezeichnete
Sergeant Sauer, unser Instrukteur,
die große Anzahl von Nullen als eine
umfassende Eiersammlung und er
klärte, daß das Kriegsministerium
dieser PatronenBerschmendung durch
.Blechpuster' ein Ende machen müsse.
wodurch der Militöretat bedeutend
herabgesetzt werden würde. Auch ver
sicherte er offenherzig, daß wir in seinen
Augen kein Schuß rauchlose? Pulver
werth seien. Doch Alles im Leben
nimmt ein Ende, auch die Vorberej,
tunqen zu einer Musterung. Wir
schrieben den . . April und nur wenige '
Stund trennten uns von dem ereigniß I
vollen Tage. Um 4 Uhr Nachmittags
fand die sogenannte Vormufterung dcS ;
Biusikorps statt, welche die Sitzsamkeit
des AnzugZ. die Weiicheit des Leder
zeugeZ, die Zweckmäßigkeit der Stiesel
und die Richtigkeit der anderen auZzu '
legenden Sachen feststellen sollte. Mit ;
groner Müh und mit Hilf, eines Dienst j
manneS hatte ich meine siedenmaliicden '
Sachen nach der Kaserne geschleppt.
Nein Freund Keilwazen war beurlaubt
worden, weil er einige Stunden seinem ,
Bruder widmen mußte, der ei dedeu ,
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
tender Flöienvirtuos ist und sich vor
seiner Abreise nach Amerika von ihm
verabschieden wollte. Da Keilwagen
beim Appell seine Sachen stets in bester
Ordnung halte, war ihm der Urlaub
auch gütigst gewährt worden. Am an
deren Morgen sollten wir um sechs Uhr
bereit stehen zum Auslegen der Sachen.
Die ganze Nacht drückte ich kein Auge
zu, erst gegen Morgen fand ich etwas
Schlaf. Als ich erwachte, sah ich zu
meinem Schrecken, daß eS bereits halb
sieden war. Bald war ich angekleidet
und rannte wie ein Besessener nach der
Kaserne. Daselbst war schon Alles in
lebhafter Thätigkeit, da es schon nahe
an sieben Uhr war. Angstvoll meldete
ich mich bei unserem Alten" zur Stelle
und nachdem ich meinen Anschnauzer"
weg hatte, trat ich an meinen Platz,
Die Sachen waren von den Kollegen
schon mit herbeigeschafft worden. Wo
steckt denn Keilwagen, frug mich jetzt
unser Kapellmeister, und erst jetzt be
merkte ich, daß mein Nebenmann noch
durch seine Abwesenheit glänzte.
Leider wußte ich über seinen Verbleib
nichts zu berichten. DaS hat man
von seiner Gntmüthigleit," schimpfte
der Hcrr Kapellmeister. Hat sich wahr
scheinlich mit seinem Flötenbruder be
kneipt und findet sich jetzt nicht aus dem
Nest. Aber wartet nur. Ihr zieht Alle
in die Kaserne und jeden Morgen muß
Euch der Hornist daS Wecken in die
Ohren blasen." Eben wollte ich ans
Befehl des Kapellmeisters nach der
Wohnung des Pflichtvergessenen eilen,
lief aber am Ausgange der Kaserne dem
Herrn Hauptmann in die Arme. Auf
sein Befragen theilte ich ihm mit, um
was es sich handle und er befahl mir,
hier zu bleiben, da es schon zu spät sei.
Wenn der Kerl nicht bald kommt, so
werde ich ihm schon einen Denkzettel
geben. Die Zeit, da die Musterung
beginnen sollte, kam immer näher, aber
Keilwagen ließ sich nicht blicken. Nun
mußten wir an die Sachen treten, um
schnell noch einmal Alles zu übersehen.
Die höheren Offiziere waren bereits
ebenfalls erschienen und man schickte
einen Grenadier an das Kasernenthor,
welcher die Ankunft des Jnspizirenden
rechtzeitig melden soll, der wahrscheinlich
zu Wagen erscheinen würde. Einige
Minuten vergehen. Der Herr Gene
ral !" ruft der Grenadier und eilt dann
nach seinem Platz,
Still gestanden!" ertönt es.
Richtet Euch! Augen grade
aus! Augen rechts!"
Der Herr Oberst, nebst Major und
Hauptmann schreiten dem Wagen ent
gegen, welcher eben in das Thor ein
fährt, um dem Herrn General den Rap
Port abzustatten, die übrigen Offiziere
salutirten, die Hand an dem Helm.
Der Wagen hält, der Schlag öffnet sich
und heraus steigt der Hülfshoboist
Keilmagen, und läßt sich vom Kutscher
seine Sachen auspacken. Augen grade
aus! Rühr, Euch!" hieß es. Mein
unglücklicher Freund eilte auf seinen
Platz. Keiner von den Vorgesetzten
sagte etwas. Alle waren wie sprachlos.
Der Oberst ging mit hastigen Schritten
auf und nieder, auch er verliert kein
Wort, aber, was er sinnt, ist Schrecken
und was er blickt, ist Wuth. Mein
Freund Keilwagen wunderte sich wahr
scheinlich, daß ihm keine Grobheiten ge
sagt wurden. Er konnte ja das Unheil
noch nicht übersehen, welches er ange
richtet hatte. Bald darauf erschien der
echte General und die Musterung nahm
einen guten Verlauf. Nachdem Alles
vorüber war, hatte mein Kollege eine
sehr schwere Stunde zu bestehen. DaS
Resultat derselben war fünf Tage Mit
telarreft. AIS er wieder an die Oeffent
lichkeit trat, war er furchtbar ange
griffen und, nur noch der Schalten der
Maria. Bald jedoch erholte er sich
wieder und ersubr jetzt von uns die Ge
schichte seiner raschen Beförderung, zum
General, welche Stellung er leider nur
kurze Zeit bekleidete.
Die Vermuthung unseres Kapell
meisterS war richtig gewesen. Er hatte
mit seinem Bruder einige Flaschen Wein
geleert, so daß er in etwas seliger
Stimmung nach Hause gekommen war,
auS welchem ihn kurz vor 3 Uhr seine
Wirthin ausrüttelte, welche sein Zim
mer in Ordnung machen wollte. Die
gute Frau besorgte ihm eine Droschke,
während er Toilette machte, worauf
er so schnell als möglich nach der Ka
ferne fuhr, daS He voll banger Abnun
gen. Wie er vom Wagen aus seinen
Platz in unserer Reihe gesunden, wußte ,
er nicht anzugeben, da er den Verstand '
vor Angst so ziemlich verloren hatte.!
ern hatte er es gesehen, wenn über
diese fatale Geschichte !ras gewachsen;
wär, doch diese Wohlthat wurde ihm
nicht zu Theil. So lange er in dem!
Musitkoipz diente, wurde er nicht an I
der? genannt als General Keilwagm". j
worüber er sich auch gar nicht ärgerte,
denn n kannte da? Tprüchmort: 133!
den Schaden hat, braucht für den Spott
nicht zu sorgen."
Nicht zu ßciiife!
Skizzk 0 I, Berge r.
Nicht zu Hause! Ihr häßlichen,
gleichgiltigen, oft lügnerischen Worte!
Welch eine Welt von Schmerz, Elend,
Aerger und Enttäuschung habt ihr oft
im Gefolge!
ES ist Mitternacht! Durch die öden
Straßen jagt der Sturm und peitscht
schwere Regentropfen auf das Straßen
Pflaster. Kein Sternlein blinkt zur Erde
hernieder. Undurchdringlich und schwarz
ist die Finsterniß dieser Nacht:
Aber die einsame Frau dort, welche
mit dem Sturm zu eilen scheint, fühlt
weder Regenschauer, noch Kälte. Nur
ein Gedanke treibt sie weiter, immer
weiter. Ihr Kind ist sehr krank, die
Krämpfe schütteln seinen kleinen Kör-
per. Die arme Frau jagt in ihrer
Herzensangst zu dem einzigen Doktor
der kleinen Stadt, zu welchem sie heute
wohl schon dreimal geschickt. Er war
nicht zu Hause , hieß es immer wieder.
Aber jetzt um des Himmels Barmher
zigkeit Willen, jetzt mitten in der Nacht
muß er zu Hause sein. Ihr Kind dars
ia nicht sterben, die Mutter muß ihm
Hülfe bringen. Da ist sie schon vor
dem Hause des Doktors angelangt, hef
tig reißt fie an der Nachtglocke. Nie
mand öffnet. Noch einmal und noch
einmal schellt sie. Jetzt endlich lassen
sich schlürfende Tritte hören. Eine
brummende Stimme fragt: Wer ist
da?"
Der Doktor muß mitkommen, gleich,
sofort, mein Kind liegt im Sterben!"
schreit das junge Weib durch die ein
klein wenig geöffnete Hausihür.
Was wird ihr zur Antwort?
Der Herr Doktor ist über Land ge
fahren, der alte Graf in Neudorf hat
sich erkältet." Wie betäubt hört die
Frau die Worte; sie scheint ihren In
halt kaum zu verstehen. Sie fragt wie
geistesabwesend noch einmal: Nicht
wahr, der Doktor kommt jetzt mit?"
Na, Frau, hören Sie denn nicht?"
rust die Stimme der rohen Magd, der
Doktor ist nicht zu Hause"!" und
schlägt scheltend Die schwere Thür zu.
Jetzt erst erfaßt die Mutter den Sinn
der schrecklichen Worte, der Doktor ist
nicht zu Hause".
Nun ist ihr Kind verloren mit
wankenden Schritten eilt sie dem Hause
zu. Sie sinkt an das Bettchen ihres
einzigen Kindes ach da war kein Arzt
mehr nöthig.
Amtsrichterchcn, AmtSrichterchen! Ich
warne Sie. Schon zivei volle Monate
sind Sie in unserer Stadt und haben
Ihren College och immer keinen Be
such abgestattet! Ich fürchte, man der
gißt Ihnen diesen faux pas nicht.
Holen Sie nur mcrgen das Versäumte
nach und begeben Sie sich auf die Vifi
tentour, sonst stehe ich für nichts!"
Der junge Amtsrichter zuckt die
Achseln, drückt dem wohlmeinenden jo
ialen Arzt die Hand und erklärt sehr
ruhig, daß er sich nächsten? den Richter
familim vorstellen werde.
Indessen läßt er noch eine bedenkliche
Zeit verstreichen, ehe er den Vorsatz aus
führt. Man ist empört über diese Form
losigkeit. Die Collegenfrauen stecken in
den Cafees ihre Köpfe zusammen. Ar
mer Amtsrichter! ES ist anzunehmen,
daß hier ein Eomplott gegen Dich ge
schmiedet wird.
Endlich besinnt sich der junge Mann
seines gegebenen Versprechens. EineS
Sonntags Vormittags. Punkt zwölf
Uhr, steht er in Frack, Eylinder und ta
dellosm GlaceeS vor der Thür deS Prö
fidenten. Er klingelt. Ein dienst
beflissener Diener öffnet sofort.
Herrschaften zu Hause?"
Bedaun sehr," erwiderte der wohl
inftruirte. Herrschaften find nicht zu
Hause." Die Karte wird abgegeben und
der junge Mann geht weiter.
Dasselbe Gespräch mit den dienenden
Geistern der anderen Familien erneuert
sich. Immer tönt ihm von den Lippen
der Tomestikenwelt das Nicht zu
Hause" entgegen.
Nun hat er nur noch einen Besuch ab
zustatten. i
Doch etwa! verstimmt über diese fort
wahrenden Abweisungen, will er jetzt;
dem vnnenden Mädchen zuvorkommen,
er überreicht seine Karte mit dem Zu
soke: .Herrschaften find nicht zu Hause.
nicht wahr?" Das Dienstmädchen gebt
in das Zimmer und kommt mit der
Antwort wieder: .Frau Rathin Tar
ow läßt bitten."
Erstaunt tritt er in das Wobnzimmer
der Familie. Eine junge, freundliche
Frau empfängt ilir.. Nach der üblichen
Begrüßung sagt sie munter: .Ader.
Herr Amtsrichter. Sie haben uns Alle
No. 2.
recht lange auf Ihren Besuch warten
lassen!"
Ja, meine gnädige Frau, ich be
kenne mich schuldig, man hat mich mein
Versäumnis! büßen lassen; ich wurde
von allen Thüren mit einem strengen
Nicht zu Haufe!" fortgewiescn. Nur
Sie, meine Gnädige, waren so gütig,
den armen Sünder huldreich aufzirneh
mm."
O, ich war nicht im Eomplott," er
widerte sie luftig. Da öffnete sich die
Thür und ein junges Mädchen tritt
herein.
Erlaube, liebe Schwester, daß ich
Dir Herrn Amtsrichter von Zimmer
mann vorstelle."
Alice Walden, die schöne Schwester
der kleinen, liebenswürdigen Frau, ver
beugt sich erröthend. Noch eine kurze
Unterhaltung, und der junge Mann
entfernte sich.
Wochen waren vergangen. Zim
mermann hatte im Laufe dieser Zeit
trotz der ersten ihm zur Schau getrage
neu Feindseligkeit doch von allen Eol-
legen-Familien Einladungen zu großen
und kleinen Gesellschaften erhalten.
Denn so ganz und gar durfte man den
jungen, reichen Mann nicht fallen
lassen, hatte die töchterreiche Frau Di
rektor den übrigen Damen erklärt.
Aber welche Enttäuschung! der Amts
richter lehnte überall ab; nur in der
Familie Tarnow verkehrte er oft und
gern.
Als der Winter zu Ende ging, da
war es kein Geheimniß mehr, daß die
schöne Alice Walden und Franz von
Zimmermann sich flit's Leben gefunden
hatten.
Meister und Gesellen haben Feier
abend gemacht. Der ehrsame Schuh
machermeister Gotthelf Funke zieht sich
seinen Sonntagsrock an. Tann nimmt
Funke ein Paar soeben fertig gewor
dene zierliche weiße Atlasstiefeletten
vom Tisch, hüllt sie vorsorglich ein und
macht sich auf den Weg zur Signora
Albina, der Primadonna des Stadt
Theaters. Seine Frau sagt ihm zum
Abschied: Alter, vergiß die Rechnung
nicht. Es sind jetzt schon hundert
Mark, die uns die Albina chuldet.
In acht Tagen müssen wir unsere
Miethe bezahlen, und das Geld ist noch
nicht beisammen, also überreiche ihr nur
die Rechnung."
Mutter, sei nicht so ängstlich um
das Geld besorgt!" brummte der Alte
im Fortgehen, nachdem er aber doch
wohlweislich auf den Ratb seiner Frau
die Rechnung an sich genommen hatte.
Bald ist er vor dem Hause der Sän
gerin angelangt. Ein allerliebstes
Kammerkätzchen öffnet auf sein Kllw
geln. Noch ehe er zu Worte kommen
kann, sagt das Mädchen schnippisch:
Nun endlich bringen Sie die Schuhe!
Meine Gnäoige wartet schon lange dav
auf. Signora will auf den Masken
ball gehen," und sie nimmt ihm rasch
das kleine Packet aus der Hand. Hier,
schönes Kiud, ist auch die Rechnung;
ich werde auf die Bezahlung warten."
Ach, die Signora ist nicht zu Hause,"
erwiderte ihm Lisette gedehnten ToneS,
kommen Sie gelegentlich einmal wie
der !" und damit hatte fie sich rasch mit
den Schuhen entfernt, die Thür hinter
sich zuschlagend.
Enttäuscht ging Funke nach Hause,
mit dem festen Vorsatz, morgen wieder
die Rechnung zu Präsentiren. Aber
auch da gelang es ihm nicht, zu seinem
Gelde zu kommen. Er kam immer und
immer wieder vergebens ; die berühmte
Sängerin war immer nicht zu Hause."
Nach einiger Zeit wollte er eS zum letz
ten Male versuchen, auf gütlichem
Wege die Summe zu erhalten. Schon
auf der Treppe ruft ihm die Zofe ent
gegen : Die Albina ist nicht zu Hause,
Meister: fie kommt überhaupt nicht
mehr nach Hause. Heute Nacht ist fie
mit dem dicken Tenoristen Brüller ent
flohen und Sie und viele andere haben
das Nachsehen."
Mit verblüfftem Gesicht vernahm
Funke diese Schreckenskunde. Zu sei
nem Aerger um das verlorene Geld ae
sellte sich noch die Furcht vor seiner
Frau. Wie wird die arme Seele das
Unglück tragen? Am liebsten ginge
Funke, der gute Mann, auch nicht
nach Haufe."
Pin riegserinncriing.
. In der Schlacht bei Königgrätz im'
Fcldzuge von 180 stand da? 20.'
magdeburgische Infanterieregiment
im heftigsien Kugelregen. Gewaltige
Lücken hatten die feindlichen Kugeln be
reit? in da? Regiment gebracht. Der
Regimcntsadjutant Premierlieutenant
Lademann, ein Muster von Uner
Ichrockendkit, bette langst gemerkt, von
welckier Seite her da? Regiment so ent!
letzlich de'choien wurde, und machte den
ihm als Scharsituien bekannt nl
baten Andrea? Heinemann auf einen!
österreichischen BataillonsCommandeur
aufmerksam mit den Worten: Heine
mann, schießen Sie mir den Eomman
deur dort weg!" Einige Kugel aus
dem Gewehr des sicheren Schützen auf
jene Stelle und der österreichische
BataillonsEommandeur comiiiundirte
nicht mehr. Dem Heinemann wurde
dabei von einer feindlichen Kugel die
brennende Pfeife zerschossen. Dem Pre
mierlieutenant war Heinemann'S That
nicht unbekannt geblieben; öffentliche?
Lob wurde dem Schützen auf dem
Schlachtselde zu Theil. Den Feldzug
187071 machte Heinemann wiederum
beim 20. Regiment mit. Als das Re
aiment an der französischen Grenze hält,
schreitet ein nicht zum Regiment ge
höriger Hauptmann die Front ab, und
ruft oft den Namen Andreas Heine
mann , er ucht den Heinemann mit
den granen Augen." Dieser erkennt
osort in dem Hauptmann von den
Liiern seinen früheren Premierlieute
nant Lademann. Es giebt ein freu
diges Wiedersehen mit warmem Hände
druck, und jene Episode aus dem Feld
zilge von 18(30 wird nicht Übergängen:
Lieber veinemann, .ihre Pieite, die
Ihnen aus dem Munde geschossen
wurde, sollen Sie wieder bekommen.
und mein Bild dazu. Leben Sie wohl."
Heinemann kehrte auch aus diesem Feld
zuge wohlbehalten in die Heimalh zu
rück; von seinem Premierlieutenant
hörte er aber vorläufig nichts wieder.
Nach 25 Jahren, als in Magdebnrg die
Gedenkfeier der Schlacht bei Beanmont
festlich begangen wurde, war auch ein
General-Lieuteiiant unter den Theil
nehmern. Alle seine einstigen Soldaten
erkannten ihn, den früheren Lieutenant
Lademann. Eine seiner ersten Fragen
war die nach Andreas Heinemann, der
bald vorsprang. Es gab ein zweites
freudiges Wiedersehen. Jetzt löste der
frühere Lieutenant sein Versprechen ein.
Heinemann erhielt das versprochene
Bild mit der eigenhändigen Widmung
des Gebers: Meinem tapferen Schützen
von Königgrütz. General Lieutenant
Lademann, Neu-Babelsberg." Wenige
Tage später traf auch die Pfeife mit
zwei Packeten Tabak aus Neu Babels
berg ein. Der tapfere Schütze von
Königgrätz ist, wie wir dem Wanzled.
Kreisbl." entnehmen, jetzt wohlbestallter
Gemeindediener in Osterweddingen.
(sin cpfcr er Erziehung.
Klärchen zeigt absolut keine Neigung
für Küchenbeschäftigungen. Die Mama
aber ist der Anficht, daß ein Theil der
Mitgift, und zwar nicht der unwich
tigste, den man einer Tochter in eine
Ehe mitgeben könne, unbedingt die
Kochkunst sein müsse. Klärchen wird
also einfach hinausgeschickt, da werden
ihr die hochtrabenden Jnstitutsgedanken.
die sie mit heimbrachte, vergehen ! Na
türlich gibt es Thränen, daS ist der
Mama aber ganz egal, sie bekommt ihre
genaue Instruktion und einen befchrie
denen Zettel, daß sie sich bei der Berei
tung des gewünschten Menü'S Rathes
erholen kann und dann und dann
hinaus! Die Köchin wird zu Besor
gungen fortgeschickt, sie selbst widmet
sich der Instandsetzung der Zimmer und
Klärchen soll nun mit den Lieferanten,
welche die Sachen in's Haus bringen,
nur alleine fertig werden. Um zehn
Uhr sieht die Mama in der Küche nach
und erschrickt fürchterlich, als sie Klär
chen auf einem Küchenstuhle schluchzend
sitzen findet. Und dazu ist fie noch ganz
schwarz im Gesichte und das schwarze
Kleidchen zeigt Mehlflecken. Ja, um
Gotteswillen, Klärchen, wie siehst Du
denn aus?" ruft fie, nichts Gute?
ahnend. Worauf die Tochter unter
krampfhaftem Weinen antwortet: Das
haft Du nun von Deiner Grausamkeit !
Erst kommt der MehlLieferant, dann
der Rauchfangkehrer. beide halten mich
für eine neue Köchin und und "
Nu und, und?" Haben
mich geküßt!!"
verfängliche Antwort.
Lehrer lnach einer Erklärung: 2Baä
ist also ein Staatsmann?"
Kchüler (nach einigem Besinnen):
Wer Reden hält."
Lebrer: .Nickt ricbtia! bnU
auch Reden und bin doch kein Staats
mann. Wer ist also ein Staats
mann?"
Schüler (schnell: .Nur an ant.
Reden hält."
Animirt,
Bräutigam: .Morgen mufi ick, iur
Hochzeit eines Freundes!"
Braut: Schon wieder? WeiktDu.
Fritz, Tu müßtest Deine freunde aucd
einmal zu einer solchen Festlichkeit ein
laden!"
Modern.
Prinzipal: .Sie suchen also eine
Stellung in meinem Geschäft?"
Bewerber: ..awobl."
Prinzipal: Rauchen Sie?"
Bewerber: Nein."
Prinzipal: Tann kann ich Sie nicht
gebrauchen; ich muß in meinem Ge
schäst einen Men'chen haben, von dem
ich mir ad und ., eine Eiaarre kmaen
lann."
3n Z5!,.
riiiiitin: .Wären Sie auch in die
Flulh sprungen. Herr Lieutenant, wie
der Taucher von Schiller?"
Lieutenant: Wenns;, gnäd-ge? räu
lein, bade so wie so schon langst Lust,
mir da unten 'mal 'ne uflerndan! an
,'ifeben,"