Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 13, 1896, Image 3

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ftcnrici).
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Slamoit ta:i ftarl (?d. iilopfcr.
Er fast fft fiimbcnlnitfl auf ben Stu
fett der ucifchlujseiieit Treppe unb bachie
sich i,t btc iieifchicbnitien 'Rallen
Ijincin, bic er sich ani Miinlicn und
. i)foiitiincit, zu denen er gelangen konnie,
f zurcchllcgte. Balb nmr er ein SDlit
' glieb bor heiligen Pclmu-, bas bic Auf
gabe l)ititc, hier eine ucrichu'crene
Hochverrälherbanbc zu beselileichen,
balb tuitr er selbst bor Mepitaluei'
brecher, ber hier vor bett 'Verfolgungen
der wiber ihn ausgesititbiett Hascher
Zuflucht suitb, balb schmachtete 'er aiö
uttschulbtg 'Angeklagter im Hunger
tljunn." (litt bischen Hungerthnnn" hatte
er denn wirklich genossen, als er sich
batnalö, um ben Client einen rechten
Tort anzuthun, einen kalben Tag und
fast bie ganze darauffolgende N'aclil in
feinem Bersteck eingeschlossen halle,
ES war für ihn ein wahrer Triumph
gewesen, als er hörte, wie man sogar
die sonst nie betretene Hintertreppe
vom Keller heraufstieg, angstvoll nach
ihm rief ttttb bie ijisetitliiir rüttelte, um
ZU prüfen, ob er bei hinansgeslnchtet
fein konnte. Wie überlegen hatte er
sich ba über Alle geblinkt !
Warum hatte er aber auch heute
noch geschwiegen, als ihm ber Pater
fein kindisches Geheimniß ablocken
wollte? Vielleicht nur int Wieder
erwachen des allen Iro(s:s, ber sich
gegen jeden fremden Littdrinatittasver
such in seine Angelegenheiten wie
gegen eine drohende Uebervortheiluug
sträubte, vielleicht auch aus Instinkt',
W ilini fnln . I,,!,', M, M. S '
w l Hm V . II IVK l 1)1 llllljl, VV U.l-
untveetuug nicht bort) noch cintnr.l einen
Werth siir Dich erlangt."
I. Kapitel.
Gegen Mittag warf sich Hermann
in seinen besten Anzug, um sich ber
Schlvßherrin, ber Gräfin Abelgunbe,
vorzustellen, wie es die Anstand'
Pflicht erheischte.
AIS er im schwarzen Talvnrocke anS
feinem Sliibchen in ben Votsaal trat,
hörte er Menschenstiininen und Pferde
getrappel im Schlvszhose. Die Mutter
stand an einem ber Fenster und blickte
mit großem Interesse hinaus.
Was gibt's beim da brnußen?"
fragte er, während er sich bie tobet
losen Haubschuhe zuknöpfte ; er betrach
tete sich schrnunzelnb titib konnte sich
gestehet!, bajj et in den funkelneuen
Kleibern, bie er sich unterwegs ange
schafft hatte, eine sehr elegante Figur
machte.
All,, ber Bursche bes BarvnS Brii
now "
Der Jan?" fiel Hermann ber
Mutter sehr lebhaft in'S Wort, um
bann gelassen und etwas spöttisch hin
zuzusetzen : Der berühmte Herr Jan?"
Er brachte gerade die Griiße seines
Herrn an die Damen nitt ber Antrage,
ob heute sein Besuch mit ber chwe
stet genehm sei. Als er gehen wollte,
jwbcn ihn die Ttallburschen zurück
gehalten, um ihm bett neuen Fuchs
zu zeigen, der keinen Sattel aus sich
bulbett will. Jetzt reitet ber forsche
Junge baS Teufelspferb zu, baß eS
eine Art at.
nicht aufhalten. Halte mir ben Din
men, Mutter, baß mich bie Alte die
alte Erlaucht ba oben gnädig em
psängt. Aus Wiedersehen!"
Er eilte bic. Stufen vorn Porsaal in
bie Thvreinfahrl hinab. Ehe er aber
die unmittelbar gegenuberliegenberei
treppe erstieg, winkte ihn der am Hof
thor stellende Vater zu sich heran und
sagte: Da schau' Dir ben licrl ein
mal an! Was, baS ist ein Reiter?"
Hermann sah sich bett jungen Ulanen
auch wirklich genau an, wie er ba auf
lein sich bätimenbcn Fuchshengst saß
ohne Sattel, nur den Halflersirtck als
Zäunt handhabenb aber festgegossen,
als wäre er mit dem Thiere vermach
sen. Dic Männer ringsum riefen
Bravo; dic Mäbchcn bewunderten ben
Reiter nur stumm, aber mit lachenbei
Munbc, blikenben Augen und hoch,
gerät heten Wangen.
ES war auch ein ungewöhnlich
schmucker Bursche, bieser Jan. Den
Polen konnte er in keinem Zuge ver
leugnen, aber Mutter Ratur schien
V-ihrn nur die Porzüge seiner Ration
ausgesucht zu haben. Wiewohl nur
mittelgroß, hatte er eine Figur, in der
sich Kraft und Gewanbtheit mit einer
angeborenen Eleganz vereinigten, mit
ein Ehevalcreskern," wie man es
mitunter sogar in den niebrigstm
Schichten feines Volkes antrifft. Sein
Gesicht trug einen leichten Hauch von
der Bronzcfarbe des Süblanberö. Eine
sehr intelligente Stirn, eine gerade
Rase und der Ausbaus der Lippen
die ein seines, wie mit dem Pinsel
hingctuschleS Bartchen zierte ver
einigten sich zum Gepräge hohen Ttol
zesder jeboch durch ein Paar rülircnd
sanfter Sammetaugen gemildert
wurde; die ganze Schwetmuth der
slavischen Rasse lag in innen.
Hermann ließ kein Auge von dem
Polen, wiewohl er keine Miene machte,
die allgemeine Bewunberung zu tlei
len. Endlich besann er sich, baß er
keine jeit zu verlieren Kalte, trollte er
die schickliche Pisiienstunbc nicht ver
säumen. Dem Pater einen ruß zu
roii!tnb, wrirnrear.o er im .üjorc, um
jid) der Schlosmepre znzuw.'nden.
Der EmvfangeselkN der Gräfin cbcn
Im Stockwerk ftics unmittelbar an die
grosie Bibliothek und war durch ein
geräumiges Vorzimmer uns ein oneit
telifch ausgestattetes abinett zu
reichen. Die Schloßhertin stand an
einem der kfene Fenfiet. die nach
dem Hefe hinaussahen. Sie hatte
weil e'ber.fs'.l das Rcikerkunststück des
jur,-;tt Ulanen da unten beobachtet.
Ein dip'.ZmatifchcS Kachel huschte
iiKr Hermanns Lippen, ol n beim
Eintreten diese ZÄtKrnehmung machte.
Im Uebrigen war seine Haltung von
einer beinahe unverschämte llndcfan
enueit. Die Edrerdietuna. die n in
seiner Begrüsniiigöphtafe andeutete,
konnte nicht salopper attsiedrtickt wer
den. Die hobeitsvolle Erscheinung der
Tarne imponirte ilmt entschieden nicht
im Geringsten, lind boch war eS cchie
Voiuehmlieit, was von dem Wesen
Gtasin AdelgnndeS ausging. Die
W)(, hager. Figur in ben schwarzen
Spitzengewanbern hatte als eine Per
körperttttg ber würdevollen Trauet (zel
ten können. Das weiße, edel geschult
tenc Gesicht in seiner Umrahmung von
langen, altmodische, grauen locken
bewahrte noch den Abglanz einer einst
blendenden Schönheit, trotz seiner fünf
tmdfünfzig Iahte und einem Ausdruck
schweren Kummers, ber sich in diesen
Zügen int Laufe der Zeit gewisser
maßen vetsteittert ztt haben schien.
Betrachten Sie sich als zu Hanse
auf Bitlentied, Herr Doklor!" crwi
bcrtc sie seine Aniebe mit einem schat
tenhasten kacheln. Eö freut ntich für
Ihre Eltern, bie ich sehr schätze, baß
Sie ihnen wieber ben Anblick deö
lange entbehrten Sohnes gönnen. ES
war wohl auch auf Ihrer Seite die
Sehnsucht nach der Heimath, was Sie
wieder zunicktiieb?" '
Rein," erwiderte Hermann einfach.
Ich bin gekommen, um Eurer Er
lauchl eine Mittheilung von höchster
Wichtigkeit zu machen."
Mir? Aber Ihr Vater sagte
mir doch"
Meine Eltern wissen ebenso wenig
als sonst Jemand ben wahren unb ein
zigen Grund meiner gegenwärtigen
Anwesenheit auf Birkenrieb. Ich
komme auch nicht birclt von New
Nork, wie man allgemein annimmt,
sonbern halte mich schon einen Monat
In Europa auf um Eurer Erlaucht in
eben ber Angelegenheit zu bienen, bie
mich hierherfiihrt."
Wie verstehe ich bas?" fragte bie
Gräfin mit Staunen. Unb was ist
baS siir eine Angelegenheit?"
Hermann konnte nicht gleich ant
Worten, bettn ans bem Hose schallte
eben wicber großer i'iinn herauf. Er
staub nahe genug am Fenster, bas bie
Gräfin währenb ihrer letzten Rebe ver
lassen hatte, um zu sehen, wie ber
Ulan von dem zitternden Pserbe herab'
sprang, es einem Reitknecht überant
wartete und von ben beuten mit
geräuschvollen Anerkennnngsbewcisen
umringt würbe. Perwalter Plock nahm
ihn nun am Arme unb zog ihn int
Berein mit den lärmenden Domestiken
in'S Haus, wahrscheinlich, um ihn
mit einem kleinen Ehrentrun' zu je
Wirthen.
Hermann wandte sich jetzt mit einer
Geberde an bie alle Dame, bie um Ge
hör bitten sollte.
Um mir alle Aufmerksamkeit für
meine umslänbtichen Eröffnungen zu
sichern, will ich Eurer Erlaucht zur
Einleitung gleich bie interessante That
sachc berichten, baß ich in New Jork bic
Bekanntschaft eines gewissen Grafen
Bogumil Morawinöki gemacht habe,"
Das war allcrbings eine wirknngs
volle Wenbung, sich die Aufmerksam
keit Ihrer Erlaucht zu sichern. Die
Gräfin fuhr zurück, als wäre zu ihren
Füßen eine Granate geplatzt. Dann
tastete sie nach dem Stuhle, den ihr
Hermann mit galanter Zuvorkommen
heit hinschob, und ließ sich ein Bild
vollkommenster Fassungslosigkeit
darauf nieber.
Bogumil MorawinSki !" kaut cs
halblaut von ihren blutleer gewordenen
Kippen.
Da dieser Name Eurer Erlaucht
keine freudvollen Erinnernngen zu er
wecken scheint, so barf ich wohl ohne
Weiteres bie fernere 'Mittheilung baran
knüpfen, baß bieser Herr gegenwärtig
nicht mehr unter ben hebenden
weilt."
Ah!" Gräfin Abelgunbe sah ben,
Sprecher mit weit aufgerissenen Augen
an, unb es war wirklich ein Seufzer der
Erleichterung, der jetzt ihrer stürmisch
athmenden Brust entstieg.
Ja, Graf Morawinski ist todt
seit etwa sechs Wochen und Eure Er
jaucht sinb nunmehr wirklich Wittwe."
Die Dame strich langsam, mit etwas
schwerfälliger Hand, ihre aschgrauen
Locken zurück und brauchte noch eine
kleine Weile, sich zu sammeln. ,
Das war cs also, was Sie mir zu
melden gekommen sind, Herr Doktor?
Ich danke Ihnen siir Ihre Be
mühungen, aber"
Frau Gräsin sehen darum noch
nicht ein, warum ich Ihnen diese
TvdcSnachiicht persönlich überbringen
mußte, und bie Alt unb Weise, wie
ich mit Herrn v. Morawinski zusam
mengetroffen 'bin, seine letzten Gebens
Verhältnisse unb bie Umsiänbe seines
Tobcs, das sind alle Dinge, denen
Sie in einer leicht verstänblichen
Ahnung höchst unerquicklicher Begeben
heiten nicht gerne nachforschen möch
ten?"
Sie verstehen mich in der That
vorttesflich."
Hermann verneigte sich und fuhr
fort, als vb er nicht unterbrochen wot
ben wäre : Ich werde auf diese pcin
lichen Momente auch nur so weit
zurückkommen, als es unbedingt nöthig
ist um mich deS Auftrages zn cnt
ledigen, mit welchem mich Dero et
längster Herr Gemahl in seiner letzten
Stunde bcttaut hat."
Ein Austrag an mich von meinem
von Gras Bogumil?" Hub ba wink'e
sie schon mit Kaftig adwehtcnbct Hanb.
Wenn rs seine Bitte um meine Bet
zcihung wat, so komme ich Ihnen mit
bet Petsickcrung zuvor, bzß ich längst
erziehen habe so weit cs eben in ben
Lrastcn cincS Menschen hegt, der das
ihm widerfahrene Nebel als ein Straf
gericht des Himmel anzusehen ge
lernt hat. Mein Dasein weiß nichts
mehr von den i'eidcn, bie Graf Mota
wineki mir selbst zugefügt hat; es ge
hört seit siebzehn Jabren nur bcr Buxe
um den Pater, ben der Ungehorsam
seiner Tcchtct altmalig gelobtet tat.
Ich habe also dein trafen Bogumil
schon die mir mögliche Pcrzeihung ange
I deihcn laiien, indem eh ihn aus mci
j nein Gedaitniß strick."
j Ich begreife. Eure Erlaucht meckp
I ten eine traurige Vergangenheit für
immer abgethan wissen, und glauben
mm um io iirhtrer dies Ziel erreicht ob
NEBRASKÄ
Haben, als 'der Ted Desjenigen, der
schon seit zwanzig Iahten nur noch
bcm Rauten nach Ihr Gatte gewesen,
die Scheidung ja i'zlllommen gemacht
hak. Wie aber, wenn der letzte Auftrag
des Gtafeii Motawinkis von einer Sirt
Ivare, die aus jeuer schmerzvollen Per
gangeuheit zu einer versöhnliche Zu
kunst leiten lüiinie?"
Ich versiehe nicht,"
Hermann suchte einen Augenblick
nach dem besten Aulniipfuugssaden.
Um mich deutlicher zn erklären, miis
sen mir Erlaucht, schon gestalten, daß
ich mancherlei Rücksichten der Diolie
tion bei Seite setze und unseren Fall
so behandle, als halte ich eine amtliche
Aufgabe."
Sprechen Sie immerhin ohne Be
denke ! " feinste die Gräsin. Ich
sehe schon, Sie sind in die Verhall
nisse, die ich gerne vor aller Welt ver
fchleiert halle, vollkommen cinge
weiht."
Hermann verbeugte sich auf'S Neue
und begann bann wieber : Jhie un
glückliche Ehe mit bem Grafen Mora
winski ist nicht, wie man hierzulande
allgemein, glaubt, kinderlos geblieben,
Sie hatten drei Söhne, Fla Gräfin,"
Sie machte trotz ihrer vorigen Be
merkung eine Bewegung bes Staunens
über seine genaue iiemitnis! ber Per
Hältnisse. Tann sagte sie hastig:
'Roch einen Augenblick! Sie kannten
den Grasen Bogumil längere Zeit?"
Seit zwei Jahren. Er hat mir
PiclkS ans seinem vierzehnjährigen
Ehclebeit mit ber Tochter bes Grafen
Veodegar v. Eberiperg mitgetheilt.
So zum Beispiel, daß et in Breslau
seine Braut aus dem Hanse bes ihm
stets feindlich gesinnten Pateis ent
führt und daß Graf Leobegat feiner
Tochter geflucht habe, währenb er aus
ber Ferne formell bie Einwilligung zu
ihrer ehelichen Beibindung mit betn
gehaßten Schwiegersohne gab."
Gräfin Adelgnnde sank für einen
Moment an die Stiilllehne zurück und
schloß die Augen, Dann sagle sie lau
ter, mit müder Stimme: Der Pater
fluch trug auch seine Früchte; hat
Ihnen der Herr Graf das ebenfalls
gesagt? Hat er Ihnen gesagt, was ich
leiden mußte, bis meine Perblendimg
der schrecklichen Einsicht wich, bis sich
meine unsinnige Leidenschaft in wil
den Haß verwandelte?"
Ich konnte es mir leicht zusammen
r imen, beniiHeir v, Morawinski hielt
cs mir gegenüber nicht für nöthig,
seine Vergangenheit zu beschönigen;
er konnte ja nichts mehr verlieren.
Unb so weiß ich, daß Frau Gräfin
schon nach den ersten fünf Jahren, in
denen Sie ben Rainen Morawinski
trugen, nichts sehnlicher gewünscht
hätten, als sich von ihm trennen zu
können. Aber ba hatte Sie bereits
einen Sohn, lind die Schmach, welche
die Gallin au der Seite jenes Mannes
richt dulden wollte, mußte die Mutter
seines Kindes ertragen. ')!ach acht jäh
riger Ehe hielten Sie das zweite iiind
in den Annen, und nach weiteren vier
Jahren das drille."
Ich Thörin betrachtete damals diese
Kinder alö Geschenke des Himmele
mir zum Troste gesandt," stüstertc die
Gräfin, als spräche sie nicht zu sich
selbst. Und doch waren sie eigentlich
Nur die Letten, Die mich in mein Ma
tljriuin schmiedeten. Hätte ich weniger
an ihnen gehangen, hätte ich eS über'S
Herz gebracht, sie ztt verlassen, so wäre
ich früher von dem Unseligen erlöst
worden, dessen Verderben ich ja doch
nicht aufhalten konnte."
Da eS Knaben waren, wären sie
bei einet gerichtlichen Scheidung dem
Pater zugesprochen worden," bestätigte
Hermann, .denn damals galt ja Herr
v. Morawinski wenigstens den Be
hörben gegenüber noch als ein Ehren
mann."
Die Frau biß sich auf bie ?ippr.
Dann ahm sie bie Eiinnerungcn an
ihre Kinder wieder auf. Gott hat
mich schwet gestraft für meinen Irr
thttm. Wenige Wochen nach ber Geburt
meines jüngsten Kinbeö raffte ein
tückischer Tod dic beiden alteren Kna
bcn daliin ; in meinen Armen mußte
ich bic Aennsien an der Bräune ersticken
sehen, ehe ber Arzt eintreffen konnte
und Bogumil feierte zur selben Stunde
in der Stadt eine feinet wüstesten
Otgien im Kreise seiner saubeten Ge
seltjchaft." Ein Schauet des Ekels
dntchznckte die alte Dame bei biesct
Etinnetnng. Zwei Jahre später war
es so weil mit ihm gekommen, baß ich
enblich aus bie Trennung von ihm
bringen konnte, ohne ihm bas mit ge
blieliene Kind überlassen zu müssen,
denn nun stand bet Raute bcS Grasen
Morawinski als ber cincs Perbrechers
ant Pranger. ES gelang ihm zu cnt
fliehen, ehe man ihn verhaftete um
so besser, bachte ich, so wickelten sich
die Scheibmigsformalitaten vor ber
Behörde rasch ab, und mir blieb wenig
stens die letzte Schmach erspart : den
Pater meines Knaben im Zuchthause
zu sehen. Aber mein Veidcnekclrlt war
noch nicht völlig geleert; wenige Tage
nach der Flucht meines Mannes verlor
ich auch mein letztes !ind "
Sie brückte die Hände vor'S Gesicht
und kämpfte bic Bewegung niebet,
bic da ihre Brust erschütterte. Her
mann trat ihr jetzl einen Schritt näher.
Der Knab: h:cß Wladiinit, nicht
wahr? Er ist, wie cS heißt, in dem
See ertrunken, der zum teilte iocha
nowka bes trafeMoratvinoIi gehörte,
während Sie eben im Begriff waren,
biese Besitzung zu verlassen und mit
dem zweijährigen Knad.n zu Jijieui
erlauchten Pater zuruckzuieliren?"
Auch das wiiskn Sie? lind ven
Morawinski selbst? Aber ja, ja, er
kann cS ja erteilten haben. Et soll
sich diinialS zunächst nach Paris ge
wanbl haben, und es mag ihm gelungen
sein, mit einigen seiner frnherrn Ge
nossen in Verbindung zu bleiben. So
war cS wchl?"
Hermann nickte flüchtig, .tic
Vcidit des Kind's wurde richt geiun
den, wshl aber die seiner Wärterin,
die sich in der Verzweiilung dem ,1m:
den nachgest ürzt haben s Ute, entweder
um ihn zu retten eder um eben Selbst
ntor zu etiibcn, da sie das ihr a:wer
tarn? Kind verlöre sah. S tenn!?
STAATS - ANZEIGER. Lincoln, tfeb
ma wenigstens annehmen,"
Sie sind gut nnterritet. Ja, so
war es ?, mir lebt jede Einzelheil
noch tut t schrecklicher Deutlichkeit int
Gedächtnis!, Es war an einem milden
Apriliiachmittaqe nach einer Woche
stürmische,! FrlihlingSwetters auf
Kochanewka war Alles gepackt ich
wußte ja bereits durch bie Rachbarn,
was es biesmal mit bem Feinbleiben
meines Gatten für eine Bewandtnis;
l)attc--cr war seit drei Tage auf der
Flucht, Ich wagte cs, von einer schö
ncn Zukunft zn träumen ich wollte
Alles hiiiler mir lassen, die Abwickc
lting meiner Scheiduugsache durch den
Anwalt befolgen lassen und fort,
fort von diesem Kochanowka, das mir
vierzehn Jahre lang eine Hölle gewesen
es gehörle uns von Rechtswegen auch
schon lange kein Stein und kein Halm
mehr darauf,
An diesem Nachmittag lag ich,"
fuhr die Gräfin fort, erschöpft nach
den namenlose Aufregungen des ver
gaiigette Tages, an dem mir über das
Perbreche BognniilS Gewißheit ver
schafft worden war, auf den, Ruhebett,
Wladimir störte mich mit feinem find
lichen Mnthwillc, batiint nahm ihn
Fcbronia, seine frühere Ainnic, hinaus
auf einen Spaziergang in bie nächste
Umgebung; eS war ja ein so herrlicher
Tag. Die Unglückselige war schon
früher mehrmals im Garlen eiiigeschla
sen und ber Knabe bavongclaufcu.
Darum war ihr ber Weg nach bem
Kochanowkasee ausdrücklich verboten
worden. Dieser See, der vorn Polkö
munde als unergründlich bezeichnet
wird, war um diese Jahreszeit über
seine Ufer getreten und überschwemmte
das Gestrüpp, das sonst eine Art von
Schutzhecke um ihn bildete. Wie eö
nun so kommen mußte, wie Febrouia
so leichtfertig sein konnte, den Knaben
ans den Augen zu lassen, wie die Sache
überhaupt zuging bas wirb kein
Mensch mehr ergründen. Als ich, nach
mehrstündigem Schlummer erwachend,
in Sorge um die aus'leibeude Dienerin
die l'cute nach ihr ausschickte, findet
man die Pflichtvergessene ertrunken
im See, mit den Kleidern indem über
schwemmten Ufergebüjch hängend, in
der einen Hand noch daö Hütchen des
armen Kindeö haltend. Die Reiche bes
Knaben aber gab bas tückische Wasser
nicht wieder,"
Hermann war im Begriff, eine
rasche Bemerkung eiuzuwerscn, als er
aber die Gräsin so in ihre schmerz
lichen Erinnerungen versunken dasitzen
sah, wollte er ihr Zeit lassen, sich
wicber auf bic Gegenwart zu besinnen.
Sie raffte sich auch balb auf, schob
diese Reminiscenzen mit citier euer
gifchen Gebcrde gleichsam aus ihrem
Gedankenkreise, und sagte plötzlich mit
eigenthümlich harter Betonung : Der
Herr hat's gegeben, ber Herr hat'S ge
nommen, sein Wille sei gepriesen
unb ich erfülle ihn! Amen."
Die Zeit hat Sie über biescn Ver
llist getröstet. Erlaucht"
Ich kam rasch zur Einsicht," ent
gcgneie sic, unb jctzt war nichts Weich
wüthiges mehr in ihrer Rebe. Ware
der Knabe am i'cbctt geblieben, ich
hätte ihn der Kirche geweiht unb Prie
sicr werben lassen, baß er seinem sün
bigeu Pater vor beut Allerbarrner ei
Fürsprecher sei. Der Himmel hat bie
ses Cpfer zurückgewiesen, unb eS war
gut so, benn das Elbtheil des väter
lichen Blutes wäre meinem Sohne in
Ipäleren Jahren sicherlich verhänguiß
voll geworden. Göttliche Gnade war
es, daß Bogumil Morawinekis die!
Söhne im unschuldigen Knabenalter
hinsanken, unter so deutlichem Ein
greisen der Vorsehung, und nur meine
damalige Blindheit ließ mich deswegen
wider sie hadern."
Wie aber, Frau Gräfin," fragte
Hermann plötzlich, wenn es sich nun
mit einem Male herausstellen sollte,
daß Ihr jüngstes Kind nicht ertrunken
ist, sondern lebt?"
Sic wies ihn mit einer gering
schätzigen Kopsbewegung zurück. Eine
michige Frage! Oder wäre eö das
vielleicht, was Sie mir noch sagen
wollten?"
Ich begreife, baß Ihnen ber Ge
banke baran nicht gleich faßbar wäre.
Aber es ist so, wie ich sage, Ihr Sohn
Wladimir lebt. Er ist nicht im See
von Kochnnowka umgekommen, son
der der damals zweijährige Knabe ist
entführt werben."
Entführt? Pon wem?"
Von seinem eigenen Pater."
Die Gräfin znckte zusammen, aber
gleich barauf erwiderte sie mit einem
verächtlichen fächeln: Glauben Sie
wirklich an biese alberne üge, bie man
Ihnen aufgebunden hat?"
Ich muß wohl, denn ich habe die
Wahrheitecheweise in Hänbeit. Ge
statten Sie mir, Erlaucht, ben Her
gang so zu schilbern, wie ich ihn mir
denke. Die Wärterin war im Gebüsch
nahe am See eingeschlafen vielleicht
hat anfangs auch bas Kinb neben ihr
geruht; sein Hut, den sie ihm abge
nommen, könnte ja dasiir sprechen.
Der Knab hat sich bann erhoben, vor
sichtig genug, um die Wärterin nicht zu
wecke, von der er aus Erfahrung
wußte, baß sie sonst seiner Bewegung'
freiheil lästige Schranken gezogen hätte.
Er entfernt sich also und begibt sich
aus ben nahen Feldweg, ber vom Dorse
her, am Herre.ihause von Kochanowka
vorbei, in das Gehölz unb burch dies ?
nach dem benachbarten Gute führt, das
beut intimsten Freunde des Grafen
Morawinski geholt. Der Knabe ver
folgt diesen Weg. kommt in das Wald
ä,en uiid sieht siel, ta plövlich seinem
Pater gegenüber, den er schon mehrere
Tage uicht ,efehen ha!."
Was dichten Sie sich da zusam
men?" unterbrach ihn hier die Grasin
schroff. Erzählen S: Matchen?"
,Keines!ieg, ich berichte die That
fachen, wie ich sie an? dem 'Munde des
sterbende thaten Boinmil vernahm."
Wie, er wäre an jenem Tage noch
in der Nähe von ochanowka gewesen?
Er hatte die 'elegcnheit zur Flucht
nicht benutzt, t!)t der ftOzer aufmann
aus rund des gefälschten Wechsels
seine Verbaflung crwirltc?"
Erlaucht dieser von der Hand
Ihtes Gemahl gefälschte Wechsel be
sNi tli) an j eirciii u,,iv,i,,
schon in der 'Verwahrung des Amt
maiins Graf Morawinski sowohl wie
seine Knnivane wußten eben nur durch
den Herrn Anttmaiin von der vorzei
tigen Entdeckung jener Fälschung. Der
Äintman, der später selber wegen
sehr unsauberer Machenschaften die
Reise nach Sibirien antreten mußte,
hatte mehrfache Gründe basür, dem
Graten Pogumil eigenhändig das Hin
terthürche einer Flucht zu öffnen.
Aber Herr v. Morawinski konnte von
diesem freundschaftlichen Wink nicht
sogleich Gebrauch machen, denn ihm
fehlte vorläusig da Nöthige Geld zu
dem Ausflug über die Grenze, Seine
Freunde, die ihm schon deshalb bei
springe mußten, weil sie zum Theil
mit ihm in eine ber baninls mit das
Jahr aCii in Polen sehr hausigen
polilifchen Verschwörungen verwickell
waren und seinen Verrath zu fürchte
hallen, schössen das Geld zusammen,
so gut ttlid so eilig es ihnen bei ihrer
eigenen Verschuldung nur möglich war.
Und Herr v. Ai'araivinski that dem
Amtmailü indessen den Gefallen, sich
in einer Köhlcrhültc, bic zum Gute
seines 'llachbars unb vertrauten Freun
des gehörte, verborgen zu hallen, denn
der betrogene odzer Kausmann halte
wegen der Wechsclgesehichte ja schon
V&tm geschlagen, Errathen nun Euer
Erlaucht den Zusammenhang?"
Bogumil suhlte sich sicher genug,
in der Rahe zu bleiben?"
Er war bereUS int Begriffe, sich
auf den Weg zur endlich gesicherten
Flucht zu machen. ArnAbeudsollte ihn
an der Grenzscheide der Güter das be
stellte Wägelchen erwarten ; als Kut
scher war ein finmpssinnigerPserdehirt
von einem Rachbargut gedungen wor
kn, und Morawinski gedachte nalür
lich Perkleidung anzulegen,"
lind Morawinski wäre nnn sounge
schickt gewesen, sich aus diesem Wege
die i'aft des Knaben aufzubürden? Er,
der das eben von Frau und Kind
auf'S Spiel gesetzt hätte, um sich der
leichtesten Unbequemlichkeit zu ent
ledigen? Wenn er vor Ihnen mit den
Gefühlen des zärtlichen Palen! ge
prahlt hat, der sein gclicblcs Kind mit
sich nehmen wollte, so erkenne ich darin
so recht den elenden Vügner, der er
immer gewesen ist."
Iran Gräfin, ich kannte Herrn v,
Morawinski ebenfalls recht gut und
hätte ihm solche Motive jener Kindes
cntfiihrung nicht geglaubt. Er dachte
nicht einen Augenblick daran, bas Kind
zu behalten. Aber er nahm die sich
bietende Gelegenheit eines fnrchldaren
Aachestreiches wider Sie wahr, Sie
sagten vorhin, Sic hallen Ihren Gal
len im saufe ber Jahre hassen gc
lernt ; ba wissen Sie wohl auch, daß er
diesen Haß um so glühender imb
tückischer erwibertc, als er Sie ncch
umschmeicheln mußte, um durch Ihre
Vermittelung nach unb nach jene Nn
summen zu erlangen, um bie das Ver
mögen des Grasen veodegar v. Ebers
perg geschmälert wurde. Wie oft hat
ten Sie eö ihm in's Gesicht geschlcu
bert, daß nur Ihre Liede zu dem Kinde
es sei, was Sie noch bei ihm auf
Kochanowka zurückhielte. Er wußte
genau, wann und wo Sie sich juri
stischen Rath zn bcr tausendmal de
absichligten Ehescheidung geholt hat
ten, und daß man Ihnen gesagt, Sie
müßten ihm in solchem Falle nach
dem andcsgesetze das Söhnchen über
lassen, so lange Sie ihm nichl ein
direktes Verbrechen beweisen könnten.
Daß Sie jetzt Iriumphireu, daß Sie
das Kind behalten durften und
jubelnd über die Befreiung von der
Ehefessel in Ihr Vaterhaus zurück
kehren würden, schon das allein wäre
siir ihn ein Sporn gewesen. Alles in
Bewegung zu setzen, um Ihnen eine
ewig schmerzenbe Wnnbe als Andenken
zu hinterlassen. Zudem kochte neue
Wuth in ihm über die bestimmte Art,
mit welcher Sie kurz zuvor seine Zu
mulhung zurückgewiesen hatten, Ihren
Vater abermals um finanzielle Hilfe
anzurufen er hätte dieses Geld eben
zur Einlösung des gefälschten Wechsels
vor der Verfallszeit gebraucht; Sie
blieben fest und mußten sich ja auch an
die endgiltige Erklärung des Grasen
l'ccbecwr halten, daß er keinen Heller
mehr opfern werbe, unb gälte eö auch,
ben öibam bannt vom Galgen zu
retten. Diese Worte Ihres Vaters,
bic Sie ihm in jener furchtbaren letz'
ten Ttrcitfzene wiederholte, steigerten
die Rachgier des Mannes vollends.
Ermessen Sie nun, wie er frohlocken
mußle, als ihm der Zufall in letzter
Stunde so die Möglichkeit zur Bestie
bigung dieser Rache in die Hände
spielte ! Wo hätte er Sic empfindlicher
treffen können, als in der Mutterliebe,
aus der Sie allein die Kraft zur Er
buldung Ihres EhemarthriumS g
schöpft hatten?"
Gräfin Abelgunbe schaubcrtc. Aber
noch sträubte sie sich, zu glauben, was
man ihr ba sagte, nicht, weil sie Vogu
mil Morar.'inski eine so ungeheute
Bosheit nicht zugetraut hätte, sondern
weil sie da in einer Minute eine Ueber
zcugnng ausgeben sollte, auf der sie
in diesen zwanzig Jahren ein neues
Leben begründet hatte.
Fahren Sie sorl!" sagte sic end
lich. Was soll dann weiter mit dem
Kinde geschehen sein?"
Grat Morawinski brachte es biec
scits ber Grenze auf preußischem
Boden bei einem polnischen Bauer
unter. Das war damals nicht schwer.
Der jüngste Ausstand unter den rus
sischen Polen batte Tausende let;
Flüchtlingen über die Grenze geworfen,
und immer noch eib cs, zumal unter
den Schlack titzen, gen.'g Äamier,
die, neuerdings kcmrromillirt, die
Hcimalhs'cholle zu verla'fen gezwun
gen waren, wollten sie dem politischen
Straigerichlc entgehen, welches das
neue 'lmverneuient bis zu Ende der
sechziger Jahre bcs,l,ä'tigtc. Und hüben
bei uns :r vielleicht kein einziger
Pole, der richt Not. ut scren 'iesctzcn
irge:. B.",i ,, zu den ms
sischeii Rebeiteu unterhalten hatte.
So hauchte Morawinski, als er in dic
Hülle .:.:i Bauern trat, nur anzu
deuten, baß er politischer Flüchtling sei,
und daß cr sein Xind dem polnischen
jrruoer nvetticine, um einer ticiun
Ausnahme siehet zu sein und sich des
Knaben zu entledigen. Später, in
Paris, wo et als angeblich polilisch
Kompromitlirler in der Kolonie seiner
eulflohenen Vandsleute lange genug
Sicherheit und materielle Unterstützung
fand, erfuhr er durch de Bericht seines
Freundes, daß sein Soli auf Kocha
nowka ertrin ken sei, das heißt : daß
jener ZusaU, der ihm die Möglichkeit
seiner Ruche wider Sie gegeben, das
Werk zugleich aus die vollioinmenste
Weise gekrönt hatte, Tic Wärterin,
die aus Verzweiflung über das Per
schwindelt des Kindeö de !od im mt
getretenen Sei gesucht, hatte ihm mit
diesem Selbstmord die Viirgschast gc
liefert, daß das Geheimniß über den
Verbleib des Knaben nie entdeckt wer
den würbe, wenn er sich nicht selbst
einmal bazu entschließen wollte."
Die Gräfin ging mit verschränlien
Annen in bem großen Zimmer auf
uub nieder. Hermann woille ihr Zeit
lassen, sich an das Ungeheuerliche fei
er Mittheilungen ztt gewöhne, und
schwieg. Seine Aufmerksamkeit wandte
sich wieder dein Schloßhofe zu, von wo
abermals das Geriiiijch von Pserbe
Hufen heranfdrang.
Der Offiziersbuische Jan zog eben
sein eigenes Pscrd, auf dem cr gekom
men wat, attS dem Stalle, und plau
derte babei mit bcm Vertvallct und
einigen Statlburschen, die ihm das
Geleit gaben.
Gräfin Adelgnnde trat jetzt an Her
mann heian. Wer bürgt aber dafür,
daß Herr v. Morawinski nicht eben
erst durch die Nachricht ven den, Tode
seines Sohnes die Möglichkeit gegeben
sah, die ganze Enlscihnmgsgeschichle
zu erfinden? Ich könnte mir sehr
gut denken, daß er sogar in seiner
Sterbestunde noch einen Boicheitö
streich gegen mich führe wollte unb
mit diesen raffinitt ausgeklügelten
Roman ciseucn läßt in bet An
nähme, baß ich nun den Rest meines
Lebens mit verzweifelten Forschungen
nach dem Kinde zubringen würde."
Rein, hier thun Eure Erlaucht dem
Grafen doch Unrecht, benn er hat mir
alle 'Mittel nn die Haijd gegeben, den
Verschollenen ansiinig zu machen,
und ich habe ihn auch wirklich gefun
den," Ah ! Und dennoch es kann Alle
Trug und Täuschung sein ich glaube
an bic Wicbcrkehr beS Todten nicht
eher, bis ich ihn nicht in Fleisch und
Bein vor mir sehe,"
Dazu kaun ich Eurer Durchlaucht
sofort verhelfen," cnlgcgnete Hermann
gelassen.
Wie mein Sohn oder Der, den
Sic so nennen er wäre in der
Rühe?"
Da unten stcht cr!"
Er zeigte in dcn Hof hinab. Die
Gtasin sah ihn an, alö habe sic ihn int
Verdacht, sich cincn frivolen Scherz zu
erlauben.
Wen meinen Sie?"
Den Ulanen, der sich da eben in
den Sattel schwingt."
Frau v. Morawinski glaubte jetzt
an seinem gesunden Verstände zweifeln
zu müssen.
Der Bursche des Barons Vriinciv?"
Ist Gras Wladimir 'I..raLinsli,
Ihr Sohn."
' Die Gräfin stützte sich schwer auf bas
Fensterbrett, von bei Hermann zurück
getreten war, unb sah mit entgeistertem
Blick in bett Hof hinab. Sic sah, wie
Jan. bcr schmucke Ulan, auf feinern
Braunen in bcr Thereitifahrt ver
fchwattb, cr hatte noch respektvoll salu
tirt, als er bie Schloßfrau am Fenster
gewahrte ; und noch eine Weile, nachdem
sich keine Mcnfchenscele mehr da unten
regte, stand sie so da, wie in Verstei
ncrung.
Endlich drchlc sic sich langsam um,
kalt und hochanfgcrichlet, unb sagte
nur ein einziges, gebieterisches Wort :
Beweise!"
Hermann vcrncigte sich, alö habe er
mir' ans biese Aufforderung gewartet.
Die Aufzeichnungen, die mir Herr v.
'.Rorawinski zur Verfügung stellen
konnte, crmicscn sich als sehr genau
und richtig. Ich habe nämlich gleich
im ersten Augenblick eingesehen, daß
ich mit mcincr Botschaft nur dann vor
Eure Erlaucht hintreten dürfte, wenn
ich zugleich die unzweifelhaften Belege
zu bcn behaupteten Thatsachen beibrin
gen könnte. Es ist mir gelungen.
Der Bauer, dem Graf Bogumil ben
zweijährigen Knaben überantwortete,
ist glücklicher Weise noch ant Leben und
wohnt noch in bemselben Torfe, in
derselben Hütte. Dies Torf heißt
DricSkow unb licgt bei Lublinitz, nahc
an der russischen Grenze, also nicht
allzu entfernt von uns, ber Mann
selbst heißt Bohuslaw Zkalicki."
Sie haben ihn gesprochen?"
!!ewiß."
Unb ihm gesagt, baß"
Beruhigen Sie sich, Frau Gräfin,
ich habe nicht cincn Moment vergessen,
baß es sich um Ihr Geheimniß han
belt, baß ich also kein Recht habe, ohne
Ihre Erlaubniß einen Tritten cinzu
weihen."
Die Dame athmete erleichtert auf,
um hieraus in gründlicherem Tone zu
sprechen : Wie haben Sic den Mann
bann ausgeforscht?"
Auf die einfachste Weise von der
Wett. Ich sagte ihm, ein mittlerweile
verstorbener Freund, der einst da drü
ben im Ledzer Gouvernement au ber
Piliza begütert gewesen, habe mir das
C'estandiiiß geiuacstt, seinen zweijäh
rigen .'.'ntben am 17. Xvril lsi;j hier
alö Kostlinb untergebracht zu haben,
und cs intercsfirc mich, den nunmehr
zum Manne Erwachsenen kennen zu
lernen, um ihm vielleicht förderlich
sein zu können. Als ich mich durch
Anführung aller Einzelheiten legiti
mirt und alle Biira'ckaft dafür geleistet
hatte, daß dem guten Alten ob seines
damaligen Verhallens keine Ungelegen
dcitcn entstellen kennten, rückte er mit
der Sprache heraus und sagte, was er
sagen konnte. Tas war eigentlich nur
so viel, daß svöt cm Abend des genann
ten Tages ei Fremder bei ihm kingc
treten fei, den er an feiner Kleidung
und seinem ganze Gehabe sofort als
einen Jjvrrn, einen ren ber vctbtüber
ten schilt eista rrraV tiaoe. er hatte'
auch sogleich errath?,,, daß er ba eine,,
Flnchtliug vor sich habe, unb eben bes
wegen habe er t vermieden, genauere
Ausfnust zu verlangen, um später ein
mal vor dem rurichter mit gut ent
Gewissen nöthigensallS beschwören z:
können, daß er nicht gewußt habe, wen
er beherbergt. Run, er hatte auch
wirklich keine Ahnung von bei Namen
bes Grafen und dem des Knabe, und
Morawinski fand cs in seinem Plane
gelegen, ihn auch in dieser Unkenntniß
zu lassen. Ter Graf blieb nur die eine
RaW und setzte noch vor dem Morgen
grauen seine Reise fort. Der kleine
'Wladimir, den cr schon schlasend in'S
Hans brachte, rnvaclilc erst, nachdem
sein Vater schon weit war. Er wurde
von Volmölaio Skalicki, der vor Kur
zein eist einen gleichalterigen Knaben
verloren Gras Bogumil, der das im
Dorfe erkundet, hatte sich eben darum
an ihn gewendeli-an indessiatt aus
genommen und fortan Jan gerufen,
wie der Verstorbene, Die Heimath
hat sein indeiversiand wohl bald ver
liessen, und wenn ihm eine Erinnerung
davon geblieben, so ist es ihn, wohl
wie eine A.t von Traum gewesen.
Ich hatte den Jüngling gerne gesehen,
aber das war nichl möglich, weil er,
wie ich erfuhr, zur Zeit bereits sein
dritte Militärjahk bei den Breslauer
Ulanen abdiente, wo ich ihn als Bur
scheu des Lieutenants Freiherrn v.
Brünow anfressen lönne. Erlaucht
mögen sich mein Erstaunen ausmalen,
als ich in ber Breslauei 'Wohnung des
Herrn Barons erfuhr, daß er sich
sammt seinem getreuen Jan znm
UrlaubSauseitthaft aus seine Besitzung
Nebenstein bei Birkenried begeben
habe!"
Gräfin Adelgnnde hörte mit steigen
der Zerstreutheit zu; je mehr ihre
Zwcisel über baS Wiederauftauchen
des tobtgeglaubleu Sohnes schwanden,
desto schwerer schien sie sich mit dem
Gedanken an die darauf erwachsenden
Zukunftsverhältnisse abfinden zn Ion
nett. Jedenfalls war es jetzt nur noch
ein Vorwand, wenn sie alle möglichen
Gegenargumente hervorsuchke,
Sind Sie bereit, mir diesen Bi,r
scheu Bohnölaw Skalicki gegenüber
zustellen?"
Jede Stunde, Frau Gräfin. Ueber
dies habe ich hier das Zeugniß vom
Dricskowcr Bürgermeister, welches bc
flätigt, daß der Mann den vo- :' ,a
Jan genannten Knaben als el .ctos
in sein Haus ausgenoinm.i' und an
SohneSslalt erzogen ira"
Hermann zog aus der Tasche die
Brieftasche, welche er in der vergan
genen Rächt aus seinem !l!eisekosfer gc
nommen hatte, und legte sie auf den
Tisch in der Mitte des Empsangsziiu
mers.
Hier ist cs. Erlaucht finden dabei
auch die vorhin erwähnten Aufzeichnun
gen, bie sich Graf Morawinsli seiner
zeit zu ber Sache gemacht hat, Jeder
mann, der Bohuslaw Skalicki von An
gesucht zu Angesicht sieht, wird erken
neu, baß er cs da mit einem Manne
von absoluter Ehrlichkeit und Wahr
heitsliebe zu thun hat. Wünschen Iran
Gräfin sich einen weiteren Beweis zu
verschaffen, to würde iil, mir einen Vor
schlag erlauben, Erlaucht bewahren
vielleicht noch ein Porträt von Herrn
v. Morawinski auf. Man lege dieses
mit anderen Bildern dem alten
Skalicki vor, und es kann ihm nicht
schwer sein, baraus bcn Herrn heraus
zufinbcn, der ihm damals dcn Knaben
gebracht hat. Er muß sich seiner gewiß
noch klar erinnern, denn für ihn war
diese öpisobe boch eines ber bebeutenb
stcn Ereignisse seines ganzen Lebens."
Weiß bieser Jan, daß ber alte
Skalicki mir scin Ziehvatet sein soll?"
Ja, seitdem et die Dorfschule ver
lassen hat."
Dic Dorfschule!" tturmelte bic
Gräfin mit einem bitteren Lächeln vor
sich hin. Natürlich wie sie eben
für Bauernsöhue paßt, b,e ihre drei
Iahte beim Militär bien.n unb Reit
knecht unb Stiefelputzer bei den Ossi
zieten werben!".
Mir scheint ber junge Mann, so
viel ich auf ben ersten Anblick urtheilen
kann, viel Intelligenz unb einen Übet
taschenben Anstanb zu besitzen. Daß
eine ungewöhnliche Rasur in ihm steckt,
da kann man allgemein hören; anch
sein Ziehvatet hat mit viel davon ge
sptochen." Der Mann liebt bann ben Bur
schen sehr unb wäre vielleicht recht
betrübt, wenn man ihm seine Vater
rcchtc streitig machen wollte?"
Leichten Herzens gäbe er ihn gc
wiß nicht hin. Aber seinem Glücke
würde er nicht im Wege stehen eben
weil er ihn wie einen echten Sohn
liebt ; er hat ja auch keine weiteren
Kinbcr. Sobald sich also Eure Er
laucht entschließe, Ihren Sohn anzu
erkennen"
Eine heftige Geberde schnitt Her
mann baS Wort ab. Bitte, sprechen
wir nicht hiervon! Tas steht rninde
stens noch in weitem Felde!"
Hermann deutete durch einen devoten
Bücrling an, baß er sich in bieser Hin
ficht ben Ansichten ber Frau Gräfin
völlig unterorbne.
Ich muß Sie nunmehr doch fragen,
in welchem Pcrhältniß Sie überhaupt
zu Herrn v. Morawinski stauben, " de
merkte sie dann; wie Sie ihn kennen
gelernt haben."
(oorlsetzung folgt.)
I lange & öo
(5ti( Lcvge ur,d Pc! Pomir.)
11t) südl. i.2tr. Lincoln
Weit!' ud 33ici
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Tick frei vaitäglii ?'i r iaffttr
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queu.e; seine lig'rten sk.
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