Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 06, 1896, Image 12

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    in Duell.
l'urloaff von VotljiU Schmidt.
ES flieht nicht nur unmögliche Dinge
in der Welt, sondern auch unmögliche
Menschen, Caricaturc, die. wenn sie
uns in Bncbern beaeanen würden, uns
nimmermehr glaubhaft erscheinen möch
Jen. Solcher Mensch war Hugo,,,.
nun, nennen mir ihn Standle, mit
leichter Aenderung des Namens. Ich
sage, er war, denn er ist nicht mehr.
Einige Schaufeln Erde und sieben Jahre
Weltgeschichte decken seine Gebeine. Er
hat mich manchmal, ohne es zu wollen,
lachen gemacht im Leben und manchmal
auch im Tode, wenn ich mir ihn u.r
stellte in Aussehen, Worten, Thaten
und Keberden, als er freudig das Licht
noch sah, der arme, gute, dumme Kerl.
Das Komischste an ihm war der Kon.
traft zwischen Sein und Schein, zwi
schen dem, was er war, und dem,
was er zu sein meinte. Zu sein
meinte er ein sogenannter Schwerenö
ther", der durch die Vorzüge eines
Adonis, durch die Schneidigkeit eines
Gardelieutenants, durch Witz und Wis
sen den Müdels die Köpfe verdrehte.
Man denle sich einen Menschen von
einigen zwanzig Jahren, schmächtig
und engbrüstig, mit krummen Säbel
deinen. Dieses eigenen Defektes muß
sich Standke bei aller Jch-Blindheit
doch wohl bewußt gewesen sein, denn
er trug, ihn zu verdecken, stets Bein
kleider von erstaunlicher BreitenDimen
fion. Aber es half nichts. Die Hosen,
de er anhatte, waren halt immer
krumm. Zum Ueberfluß war noch die
Haltung des Körpers eine sehr nachia
sige. Er ging oder saß immer mit
weit nach vorn übergebeugtem Rumpfe,
gleich einem Menschen, der sich in uner
träglichen, schier besorgnißerregenden
Nöthen deS Leiblchmerzes befindet.
Hugo Standke war Reisender in
Tuchen en gros. Zwei konträr ein
ander entgegengesetzte Intelligenzen
müssen in ihm gewohnt haben. Als
Kaufmann war er durchaus tüchtig,
sein HauS schätzte ihn als einen sehr
flotten Äerkiiufer, der unter den aller
schwierigsten Verhältnissen die Waaren
an den Mann zu dringen verstand. Im
gesellschaftlichen Berkehr dagegen wurde
er von Jedermann zum Narren gehal
ten. Das kam von seinen Eigenheiten.
Zunächst machte er täglich im Durch
schnitt zwei bis drei Eroberungen.
Frauen und Mädchen, natürlich schön
wie der Tag, verliebten sich, ohne Un
terschied der socialen Stellung, in ihn.
Bald war es das Zimmermädchen im
Hotel, bald war es eine Gräfin, bald
irgend eine andere, geheimnißvolle ezo
tische Dame, bei der Standke kommend,
sehend, siegend reuffirte. Auf Mitthei
lung näherer Details ließ er sich indeß
nie ein : er war zu phantasielos, um
die typische Aufschneiderei mit neuen,
individuellen Zuthaten von Fall zu Fall
zu würzen. '
Ein anderer kurioser Zug an ihm be
stand in der Sucht, mit einer Talmi
bildung zu prahlen. Er verfügte von
der Quinta des Gymnasiums her über
ein Dutzend lateinisller Vocabeln. Jr
gendwo und mann hatte er dann später
auch ein paar französische und englische
Brocken aufgeschnappt, die er beständig
wiederkäuend in einer lotternden Ma
nier zu sprechen bei der Unterhaltung
vorbrachte. Sah er in einem öffent,
liehen Lokal oder einem Privathaus ein
Klavier, so stürzte er darauf los und
spielte, den Kops melancholisch seit'
Worts neigend, mit viel Gefühl und
wenig Gehör ein Stück oder vielmehr
sein Stück, das einzige, das er wußte:
die nicht mehr ganz ungewöhnlichen
Klofterglocken
Er wurde beständig geuzt: Herr
Standke, erzählen Sie doch mal Ihr in
tereffanteS Abenteuer mit der Baronin
Esterhazy Klusuly!"
Und er lächelte geschmeichelt und mit
derholte stotternd selbstgefällig das von
uns Allen tausendmal gehörte: Als ich
vor zwei Jahren zu Berlin in der Frie
drichstraße spa z ziren ging..
Standke, spielen te doch was;
Sie haben einen so ausgezeichneten to
schlag!"
Und eh' noch die Bitte ausgesprochen
war, lauteten zum größten Gaudium
der Kumpane die unvermeidlichen Klo,
fterglocken".
Harmlos war er bis zum Erceß.
Man konnte ihm einreden, was man
wollte; er glaubte es.
Er fühlte sich sehr geehrt, mit uns,
die wir meist Studenten in jüngeren
Semestern waren, verkehren zu dürfen.
Tiefer Borzug kam ihm übrigens häufig
genug theuer zu stehen, denn obgleich er
immer .wahrhaftig" heute nicht bei
aKaKaffe war und auf Ehre" so
eben die letzte Cigarre anzündete, tran
ken wir gewöhnlich auf seine Kosten
und rauchten von seinem CigarrenBor
rath.
Seine Gutmüthigkeit kannte keine
Grenzen. Ich habe ihn nur einmal er
zürnt gesehen, und er hatte große Ur
suche dazu. Wir hatten in größerer
Anzahl in Begleitung von jungen Da
wen, worunter eine, die er besonders
auszeichnete, einen ConntagsauZflug
gemacht. Nach Tisch hielt die ganze
Gesellschaft aus schattig.kühler Waldleifte
Siesta. Da eine anstrengende Fußtour
bneiti hinter uns lag, schliefe einige
von den AuZflüglent bald ein auch
Standke. Ein zu dummen snelchen
Ein zu dummen
stets aufgelegter Pharmaceut machte sich
nun insgeheim daran, mit Cochenille,
die er in einem Flüschchen zufallig bei
sich. II hatte, die. abstehenden Ohren ,
StandkeS roth zu färben. Der dumme
Jungenstreich ließ sich nicht ungeschehen
machen. Wer schildert das Erwache?
Das war ein Girren und Gackern, ei
Schreien ud Johlen in der Ge ellschaft,
die in Jugcndllbermuth vollständig den
guten Ton vergaß, der bisher geherrscht
hatte.
Donnernde Lachsalven tönten in den
Wald, die dieser in mehrfachem Echo
zurückgab. Unser Clown stand da, und
seiner Natur bemächtigte sich ebenfalls
die allgemeine Heiterkeit. Er hielt sich
den Bauch und lachte, lachte. Er
lachte, daß ihm die Thränen über die
Wangen liefen. Mählich aber schien er
sich zu besinnen, daß es doch gut wäre,
zu missen, warum er und die Anderen
so ausgelassen seien, und er blickte mit
seinen kurzsichtigen Aeuglein im Kreise
umher, die Gesichter der Anwesenden
musternd. Da merkte er erst, daß er
selbst Gelegenheit der tollen Freude
war, und machte ein sehr verblüfftes
Gesicht.
Herr Standle, Sie gefallen mir
heule ausnehmend gut," rief das be
wußte Fräulein, das er in's Herz ge
schlössen hatte. Es war ein munterer,
schneller Backfisch mit impertinentem
Stumpfnäschen. Und ehe noch der
Angeredete sich für das Kompliment
bedanken konnte, war sie aus ihn zu
geeilt und hatte ihren Arm unter den
seinigen geschoben. Nun führte sie ihn
einige zwanzig schritte ableitS zn
einem plätschernden Wasser. Da stand
er, ein staunender Narciß, vor der
Spiegelung seines eigenen Ichs. Und
wie Narciß neigte er sich endlich der
kühlen Fläche zu, zwar nicht um hin
einzuspringen, aber um den bläulich
rothen Ohrmuscheln die natürliche Car
nalion wiederzugeben. Indessen der
Pharmaceut führte nur echte Waare.
So 'viel er auch rieb und wusch, die
Ohren erblaßten nicht und es wich nicht
die tückische Cochenille.
Das wird schon von selbst weg
gehen," tröstete ihn die malitiöse Kleine:
nur Geduld, Herr Standke, in eini
gen Wochen, ich versichere Ihnen, ist
nicht die Spur mehr zu sehen. Kom
men Sie jetzt und denken Sie nicht
mehr daran; es ist ja blos auswendig!"
Es ist ja blos auswendig!" wieder
holte die ganze Corona, die inzwischen
sich den Beiden genähert hatte.
Nun geschah etwas Unerwartetes.
Bleich und zitternd vor Wuth schnellte
plötzlich vom Bachesrand der Reisende
empor, und mit den gesprengten Dau
men der noch feuchten Hände auf seine
Hörorgane deutend, rief er dann er
regt: Wer wer wer hat das ge
than?"
Keine Antwort. Alles biß sich in
die Lippen, um nur nicht herauszu
platzen. Fe fe fe feigheit, infame!"
Der Pharmaceut trat vor: Ich
war's, lieber Standke, ich werd's aber
gewiß nicht wieder thun, ich wollte blos
mal sehen, ob "
Pitsch, patsch! Zwei wohlgezielte
Ohrfeigen saßen rechts und links auf
des Apothekers Wangen. Noch bevor
dieser recht zum Bewußtsein der ihm
angethanen Schmach kam, noch ehe wir
uedrigen interveniren konnten, um
einige etwaige Prügelei zu erhin
dern, hatte Standke die Flucht ergriffen
und war im Walde verschwunden.
Man suchte ihn, man rief ihm mit
weithin schallenden Stimmen Amne
stie nach, man pflanzte auf Stöcke und
Schirme ein Dutzend weißer Taschen
tücher auf er kehrte nicht zurück
er war und blieb unsichtbar den ganzen
Nacymmag.
Was thun? Wir überließen ihn fei
nem Schicksal, in der Hoffnung, er
werde sich schon wieder einsinken oder
schlimmsten Falles allein den Heimweg
antreten. Inzwischen mußte natürlich
der Pharmaceut herhalten. Er war die
Zielscheibe vieler Witze, guter und
schlechter. Er ertrug es mit Humor,
daß man ihn hänselte, nur bestand er
darauf, daß die Affaire noch ein Nach
spiel haben sollte, und zwar ein recht
scherzhaftes. Ueber das Wie, Wo und
Was wurde nun eingehend berathen.
Am nächster Morgen klingelte ich bei
dem Deserteur.
Guten Morgen !"
Guten Meme morgen I"
Standke, Sie müssen sich schießen !"
Schesche schießen?"
Ja, ich komme im Auftrage von
Brander, den Sie doch geohrfeigt
haben."
Ich neh neh nehm' Alles zu
rück l"
Wie denn? Sie können doch die ge
gebenen Ohrfeigen nicht mehr zurück
nehmen! Bitte, nennen Sie mir Ihren
Zeugen !"
Ich kann nicht schießen... ich will
nicht schießen, und mit diesen Ohren
gehe ich uderh ha Haupt zu keinem
Tuell !" rief er heftig.
.Sie müssen... Sie blamiren sich
sonst unendlich ! Denken Sie an Frau
lein Rosa ! Sie hat gewettet, daß Sie
sich den Konsequenzen Ihrer Sand
lungsmeise nicht entziehen würden."
Mein Gott, ich will mich ia auch
nicht enziehen, ich will ja Alles thun,
um... Wissen Sie was: ich werde ein
Bierklhectoliter Be Be-Bürgerbräu
zum Besten geben."
Wird mit Tank angenommen
nachher; vorhn aber muß Brander
atiSfacnon haben."
Er hätte einen Stein erweichen kön
mn, wie er fo dastand in seiner Angst
und Rathlosigkeit. Er that mir leid,
Um ihm die Annahme der Forderung
schmackhafter zu machen, rückte ich schnel
ler, alS erabredet war, mit Concessio
nen heraus: Acceptiren Sie doch nur;
es passirt Ihnen ja nichts. Sie wisse,
bei derartigen Händeln kommt nur sel
ten etwas heraus. Sie können ja Beide
in die Lust schießen !"
Und wenn nachher der Te te teu
sei seine Hand im Spiele hat und ich
werde getroffen?"
Hm na, hören Sie, um die
Sache ehrenvoll und in aller Form zu
erledigen, ist mein Mandat noch zu
einem weiteren Zugeständnisse bereit:
wir werden keine Kugeln laden, blos
Pulver."
Ihr Ehrenwort?"
Mein Ehrenwort."
Und wieviel Schritt Distanz?"
Sagen wir zehn."
,'Zeze zehn?" rief er zitternd.
Ach so! wegen der Papierpfro,
pfen? Also meinetwegen zwanzig.'
,,Zeze zwanzig?"
Ja, was fällt Ihnen denn eigens
lich ein? Wollen Sie vielleicht, daß er
sich am Nordpol ausstellt und Sie am
Südpol?"
Fünfzig !" bat Standke, indem er
meine Hand begütigend streichelte.
Unmöglich ! wo denken Sie hin?"
Fünsundveve vierzig !"
Na wenn Sie denn absolut nicht
anders zu bewegen sind schön, 4o."
Auf Ehrenwoit?"
Auf Ehrenwort.... 45 Schritt
Distanz und dreimaliger Kugelwech-
sei...."
Ku ff ii Kugelmechsel?". Die
Kniee des Aermsten schlotterten von
Neuem.
Ich meine selbstverständlich nur drei
maliges Schießen !" tröstete ich.
Ach, bitte, nur einmal !"
Gut ! Sie sollen sehen, daß wir nicht
so sind; also nur einmal!"
Endlich nannte er mir seinen Zeugen,
natürlich einen unserer Complicen, und
ich ging.
Am folgenden Tage, früh um drei
Uhr, begaben sich die beiden Gegner,
die beiden Zeugen, der Unparteiische
mit dem Pistolenkasten, der Arzt mit
dem Verbandzeug, Alle und AUeS aus
Sparsamkeitsrückiichten in einer ein
zigen Droschke nach dem etwa eine
Stunde von der Stadt entfernten Ren
dezvousplatze. Als uns der Kutscher
alle Sechs einsteigen sah, weigerte er
sich anfangs zu fahren. Nachdem wir
jedoch zu dem ausbedungenen Preise
noch Jeder pro Kopf zwanzig Pfennige
zugelegt hatten, änderte er seine Ansicht
und gab dem Klepper die Peitsche.
Wir waren wie die Bücklinge zusam
mengepfercht: drei auf dem Vordersitz
und drei auf dem Rücksitz. Auf dem
Bock wollte Niemand Platz nehmen,
weil es ein wenig regnete, selbst
Standke nicht. Dieser war sehrauf
geregt und sah in einem fort ängstlich
bald nach dem Pistolenkasten hin, bald
nach der Blechliste, mit deren Inhalt
der Arzt, ein Student der Medizin,
sich in ostentativer Weise zu schaffen
machte.
Du, Müller, laß doch mal die Waffe
sehen !" rief plötzlich Brander und nahm
eine der Pistolen heraus. Es war ein
mächtiges Ding mit langem, rostigem
Lauf und stellenweis defectem, durch
und durch wurmstichigen Kolben, auf
dem die Jahreszahl 1813 eingeschnitzt
war.
Brander öffnete den Hahn, der un
heilverkündend ächzte, und, indem er
das Geschoß gegen das Fenster hielt,
schaute er prüfend mit Kennermiene in
den Lauf hinein: .Donnerwetter, fein!"
Hämisch lächelnd zielte er auf den ge,
genüber sitzenden Standke.
Meme machen Sie keinen Un
sinn !"
Sie ist ja noch gar nicht geladen !"
lachten die Andern.
Man Ie kann nicht wissen
Müller, der Unparteiische, nahm
Brander die Waffe ab: Wir wollen
jetzt laden". Dampfend blies er die
Rauchwolken aus feiner Cigarre von
sich, während er dabei von dem Inhalte
eines Pulverhornes in den Laus schut,
tete. Ebenso machte er es mit der ande
ren Pistole.
Wie unvorsichtig", tadelte der Medi,
ziner; ein Funke aus Deiner Cigarre
genügt, um uns Alle in die Luft zu
sprengen."
Standke bewegte sich unruhig auf sei,
nem Sitze hin und her; die Uedrigen
aber blieben kaltblütig bei der ange
drohten Gefahr.
Run stopfte Müller mit dem Ladeftock
die Papierpropfen ein: Ich bitte, daß
Jedermann sich überzeuge, wie Alles
commentmäßiq geschieht."
Noch eine halbe Stunde, wahrend der
die Insassen der Droschke eine feierlich
ernste Stimmung heuchelten, und wir
waren am Ziel. Wir stiegen aus.
hießen den Wagen halten und bogen
seitwärts ab von der Chaussee in ein
Brachfeld ein. Die Distanz wurde
abgemessen: 45 wohlgezählte Schritte.
An dem einen Ende poftirte sich Bran
der, an dem andern mußte der todt
bleiche, wankend Standke aufgestellt
werden.
.Muth. Hugo. Muth um GotteSwil.
len, sonst bist Tu im Nachtheil!"
flüsterte ihm sein Secundant zu.
Man setzte jedem der beiden Tuellan
ten ein Zündhütchen auf den Piston.
Tarauf hielt Brander'S Secundant fol
gende Ansprache: Meine Herren ! Ob
wohl es mir völlig aussichtslos erscheint,
daß nach Allem, was vorgefallen ist.
sich die Gegner versöhnen und vom
blutigen Zweikamvfk Abstand nehmen,
so will ich doch meiner Pflicht gemäß
verbuchen, eine friedliche Lösung herbei
zuführen. Ich frage also: wollen Sie
sich aussöhnen?"
Ja !" rief Standle erfreut.
Nein !" replicirte Brander dumpf.
So gebe ich denn durch Zählen bis
Drei das Commando, loszuschießen.
Richtet die Waffe sind gerichtet
Eins, zwei, drei, loS !"
Zwei armselige Echüßlein knackten im
feuchten Nebel der Morgenluft.
Standle stand da, unversehrt, und
wischte sich den kalten Angstschweiß von
der Stirn.
Eine Gruppe hatte sich um Brander
gebildet. Der lag am Boden und stöhnte
und röchelte.
Er stirbt eS ist aus mit ihm !"
rief es durch einander. Man riß ihm
den Rock auf, öffnete das Hemd über der
Brust, legte Jododsormgaze auf und
machte einen regelrechten Verband. Nun
holten sie Standle herüber und bedeute
ten ihm leise, sich mit dem Gefallenen
auszusöhnen.
Aber ich denke, es waren le Ie
leine Kugeln d'rin?" wimmerte der
Aermste.
Waren auch nicht. Der kolossale
Luftdruck hat ihn getödtrt!" erklärte
lakonisch Einer aus der Corona.
Der Lustdruck und der Papier
Pfropfen!" verbesserte schnell ein An
derer.
Standke rang erzweiflungsvoll die
Hände. Eben war man im Begriff,
den Leichnam auszuheben und nach der
Droschke hinüber zu tragen, als ich
plötzlich zwischen zwei Korn Feldern
einen Reiter erblickte: Kinder, der
Gendarm!"
Hei, nahmen mir Reißaus. Wir
eilten nach der Chaussee zu. Allen
voran der Todte, der am besten laufen
konnte. Hinter uns her das Gewieher
und der dröhnende Husschlaq des Pfev
des. Die Pistolen hallen wir im Stich
gela en.
rtunf erreichten auch glücklich den
Wagen. Der Sechste war natürlich
Standke. Er war einige Male gesto!
pert auf der Flucht. Der Gendarm
nahm ihn am Kragen und transportirte
ihn wie einen Verbrecher in s Dorf,
Dort wurde er in's Spritzenhaus ge
sperrt, wo er drei Stunden lang, bis
zum Erwachen des Herrn Amtsvor
stehers, campiren mußte. Der stellte
ein sehr unverständliches Verhör mit
ihm an. Als aber der Gendarm schließ,
lich entdeckte, daß es sich um keinen
ernsthaften Fall" gehandelt habe, ließ
man den Gefangenen laufen. Den
Kasten mit den Waffen behielt man als
Corpus Delicti zurück.
Noch am Abend desselben Tages
saßen wir Alle, die Duellanten in der
Mitte, in der Kneipe vereint. Wir
tranken ein Viertelhektoliter Bürger,
bräu und stießen an auf das Wohl
Standke s, des edlen Spenders.
Die Diebin.
N o o e l l e t I e von R,
Ich hatte mich verlobt und war über
glücklich, das Ziel mei;:er sehnlichsten
Wünsche erreicht zu haben. Emma
war entzückend schön und das eigen
artig räthselhaft Geheimnißvolle ihres
Wesens zog mich im verstärkten Maße
zu ihr hin.
Liebte te mich? Ich wein es nicht.
denn nie hatte' ich es vermocht, ihren
Lippen ein Geständniß abzuringen.
Eines Abends, als ich, eine Cigarre
rauchend, aus der Terrasse der Villa
des Banquiers Arnftedt, wo wir
Beide geladen waren, über das Eigen
thümliche meiner Lage und ihres We
sens sinnend, auf und nieder ging,
vernahm ich in den inneren Gemächern
ein Gewirr erregter Stimmen, das auf
irgend einen ungewöhnlichen Zwischen
fall zu deuten schien. Ich schleuderte
meine Cigarre über das Steingelander
und kehrte in den Salon zurück, wo ich
durch die verstörten Gesichter sämmtlicher
Anwesenden meine Vermuthung deftä
tigt fand. Emma nur bildete eine
Ausnahme. Sie stand theilnahmslos
am Fenster und blickte, scheinbar unbe
kümmert um das, was um sie her vor
ging, in die weite, im Schmucke des
Hochsommers prangende Ebene hinaus.
Was ist geschehen?" fragte ich.
Wenigstens zehn Personen antworte
ten gleichzeitig. Ihren Reden entnahm
ich, die Diamanten der Frau Arriftedt,
ein Familienfchmuck von hohem Werthe,
feien aus dem Schranke, wo sie ver
wahrt lagen, verschwunden, also ohne
Zweifel gestohlen worden. Die That
mußte kurz vorher verübt worden sein,
denn vor einer Stunde hatte Frau Arn
ftedt den Schmuck noch an seiner Stelle
gesehen.
Aus Veranlassung deS gleichfalls
unter der Zahl der Gäste befindlichen
Hausarztes, des greisen Toclors Patt
ner, den man mit der Leitung der vor,
läufigen Nachforschungen betraute, war
die gesammte Dienerlchaft in einem
nahen Zimmer versammelt und dort
eingeschlossen worden. Einstimmig
wurde beschlossen. Niemand von den
Gasten dürfe den Salon verlassen und
habe sich unweigerlich einer Durch
luchung seiner Person zu unterwerfen.
Auf Antrag des Hausherrn, welcher
sich ansanglich dem Beginnen ernstlich
widersetzte, seine Freunde und Bekann
ten durch eine derartige widerliche Proce
dur zu demüthigen, würd dieser Be
schluß nur dahin in Etwas abgeändert.
daß bei der Dienerschaft der Anfang ge
macht werden sollte.
Toctor Pattner begab sich hinüber.
Statt der Erregung des ersten Augen
blickcs herrschte jetzt unter den im Saale
Zuruckgeblicdeiikn düsteres schweigen.
Mein Auge suchte nach Emma. Sie
stand in meiner unmitielbaren Nähe
und ich glaubte in ihren Zügen einen
Ausdruck der Zärtlichkeit zu entdecken,
wie ich einen solchen nie zuvor gesehen.
Sie trat ganz an mich heran, stützte die
Hand auf die RUcklehne meines Fau
teuils, neigte sich ein wenig vor und
flüsterten kaum hörbar: Wenn Sie
mich lieben, trachten Sie als Erster
durchsucht zu werden dann kommen
Sie rasch an meine Seite und verbergen
Sie den Gegenstand, den ich in Ihre
Hand legen werde."
Würde der Blitz zu meinen Füßen
eingeschlagen haben, hätte ich nicht mehr
entsetzt sein können. Alles Blut er
starrte in meinen Adern. Eine Se
künde lang durchzuckte mich der Ent
schluß, die Hand nach ihr auszustrecken
und laut hinauszuschreien: Hier ist die
Diebin!"
Haben Sie mich verstanden?" weckte
mich die Versucherin aus meiner Er
starrung.
Ja," gab ich ebenso leise zurück.
Kann ich auf Sie zählen?" hauchte
sie.
ES war mir unmöglich, die Lippen
zu bewegen, denn ich besürchlete, meine
Zähne mürben laut klappern, wenn ich
den Mund öffnete. Ich wollte heftig
berneinend den Kopf schütteln und doch
nickte ich bejahend.
Emma dankte mir mit einem Blicke,
der mich unter anderen Umständen
wahnsinnig vor Freude und Seligkeit
gemacht haben würde; er raubte mir
auch jetzt den Rest meiner Besinnung.
Emma trat zur Gruppe der Damen
und ich stützte den Kopf in meine
Hände.
Nichts, alle Nachforschungen sind
vergebens", schreckte mich die Stimme
des wieder eingetretenen Arztes auf.
Der Augenblick des Handels war ge,
kommen. Ich ließ die Hände sinken,
mein Auge begegnete dem flehend auf
mich gerichteten Blicke Emma's, und ich
erhob mich.
Ich bitte mit mir den Anfang zu
machen, Herr Doctor", sagte ich laut.
Nach wenigen Minuetn war die
Procedur beendet und ein anderer der
Herren trat an meine Stelle. Meiner
Weisung gehorsam näherte ich mich
Emma, die, als ich ganz dicht an ihrer
Seite war, ihren Fächern senkte und
mir mit der Schnelligkeit des Blitzes
Etwas in die Hand drückte, das ich
kaum weniger rasch in meiner Rocktasche
verschwinden ließ. Dann wandte
Emma sich mir mit der leisen, doch ein
dringlichen Frage zu: Lieben Sie
mich noch?"
Leidenschaftlich."
Sind Sie trotzdem entschlossen, mir
am Traualtar die Hand zu reichen?"
Auf der Stelle, wenn es sein
konnte."
Wie vorauszusehen, hatte auch die
Untersuchung zu keinem Ergebnisse ge
führt. Der Arzt, der nun einmal im
Zuge war, hatte den Salon verlassen,
um seine Nachforschungen fortzusetzen.
Die Gesellschaft rüstete sich zum Auf
bruche. Eben im Begriffe, mich von
der Frau vom Hause zu verabschieden,
hörte ich hinter mir den Doctor rufen :
Victoria! Ein Zufall bat mich
richtig geleitet. Da ist der Schmuck und
hier die Diebin."
Zum Tode erschrocken wandte ich
mich um und sah Doctor Pattner, in
der hocherhobenen Linken ein Lederetui,
und mit festem Griff der Rechten eine
der Dienerinnen am Arme haltend.
Ich riß das Etui, welches mir Emma
in die Hände gespielt, aus der Tasche
und drückte an der Feder. Es enthielt
zwei kleine' Parfumfläschchen. Auf
Emma zueilend, wollte ich um eine Er
klarung bitten.
Sie legte den Finger auf den Mund,
ergriff meinen Arm und zog mich, von
den Uedrigen, welche den Arzt umdrängt
yatlen, unbemerkt aus die Terra e hin,
aus. Dort nahm sie meinen Kopf
zwischen ihre beiden Hände, drückte
einen innigen Kuß auf meine Lippen
und jagte zärtlich :
Wenn eS Dich glücklich macht, will
ich Dir gestehen, daß ich Dich immer
geliebt habe letzt bete ich Dich an,
Die drei harten X.
Ein sächsischer Musiklehrer pflegte sei,
nen Schülern nachstehende Regel einzu,
prägen: Die Hauptsache bei der Musik
find die drei harten T., darum merken
Sie sich besonders das Tömbo, den
Takt und den Don!"
vnxlaxxert,
.Tu, Frauchen, ich hätte heute Ap,
Petit auf Wildbraten. Das Mädchen
könnte mal zum Wildhändler gehen
und einen Hafen schießen."
Seine Ansicht.
In einem Torfe ist in einem kleinen
Hause Feuer ausgebrochen. Tie Feuer
wehr, welche bisher nur Lüscheimer be
saß, hat seit einigen Wochen eine nette
Feuerspritze. Als die Feuerwehr diese
Feuerspritze zum Brande fahren will,
meint der Commandant: Ach was.
nehmt'S nur die Löscheimer, wir können
doch net wegen dem kleinen Brand die
neue putze ftrapaziren!"
Val Gericht.
Richter: .Haben Sie noch etwas zu
Ihrer Vertheidigung anzuführen?"
Angeklagter: .Ja woll, ick habe mir
überhaupt blos geirrt, ick wollte in een
janz anderes HauS inbrechen!"
Feinste l'iltminj,
, Unsere Martha, Herr Pro.
feffor, muß bekomme die feinste Bit
dung. gor de französische Sprache en
gagircn wir eine Gouvernante, und for
de englische eine Miß!"
Und wie halten Sie es mit dem
Teutschen?"
D a S l e r n e w i r s e !"
(RtusdniNJ,.
Herr (zu einem Studeulen): AIS
ich gestern über den Marktplatz ging,
sah ich Sie g'rad aus dem Wirthshaus
kommen!"
Studiosus: Das war ich nicht! Ich
komm' nie g'rad aus dem Wirths
Haus!"
Äutc Ausrede,
A. : Studirt denn Ihr Herr Sohn
irnuer noch?"
B. : Freilich!" Wissen Sie, er
wird Mediziner, und da bleibt er
lieber etwas länger auf der Univer
sität. weil zu älteren Herren die
Leute doch mehr Vertrauen haben!"
LrklZrung,
Sie, Kellner, warum ist denn die
Wurst so klein?"
Entschuldigen Sie die ist jeden
falls zu früh zugebunden worden!"
Etymologisches.
Donnerwetter, Rieke, kann Dein
Schatz aber essen!"
Dafür steht er aber auch bei der
ersten Eßcadron!"
Heuchelei.
Httr: Denken Sie sich, der Schnei
der Zwirn ist nach Amerika durch
gebrannt!" Studiosus: So eine Gemein
h e i t ! Nun kann ich ihm die 100
Mark nicht mehr bezahlen, die ich ihm
schuldig bin!"
ScfZtrliche Drohung.
Bettler (der ein Stück Braten be
kommen): Vergelt's Gott! Sie,
gna' Fraul'n, haben Sie den Braten
selbst 'braten?"
Fräulein: Gewiß!"
Bettler: Nacha geb'n s' mir 10
Pfennig, sonst geh' ich zu Ihrem Herrn
Bräutigam und laß ihn den Braten
kosten!"
Schlau,
Professor (das Dienstzeugniß schrei
bend): Als Entlassungsgrund muß ich
leider schreiben: Große Unsauberleit!"
Dienstmädchen: Könnten Sie nicht
vielleicht einen lateinischen Aus
druck dafür gebrauchen, Herr Pro
fessor!"
Zm Zorn.
Er (in die Küche hinausrufend)
Ist
der Kaffee fertig?"
Sie: Er locht noch nicht!"
Er: Immer noch nicht?!". .
Do:,
Dritt nerwetter. Ihr seid doch zu
in der Küche!"
Reciprok,
A.: Ich hab' kein Glück bei den
Mädchen mich lachen alle aus, weil
ich so schüchtern bm!"
B.. Na, warum sind Sie denn so
schüchtern?"
.: Weil mich alle Mädchen aus
lachen!"
Doppelsinnige Anerkennung.
Portrait-Maler: Wie finden Sie
mein neuestes Bild?"
Atelier-Besucher: Was Aehnliches
wird man vergeblich suchen!"
Selbstbewußt.
Direktor: TaS Stück, in welchem
Sie als Gast auftreten wollen, füllt
eigentlich einen Abend nicht aus!"
Schauspieler: Unbesorgt!..,. Die
übrige Zeit wird app laü dirt!"
Sensationelle Bonbons.
Geschäftsreisender: , Tann ein
Pfehle ich unsere patentirten Mund
stiller.Bonbons. Dieselben enthalten,
neben den wirksamsten Beruhigungs
Mitteln, vielen klebrischen Zuckerstoff,
und haben Würfelform im Umfang
von 6 Centimeter. Sie werden der
bösen Schwiegermutter in den Mund
gesteckt, hemmen sosort jeden Wort
schmall, und der Schwiegersohn hat
dann bei jedem Bonbon zehn Minuten
Ruhe."
viel herumgekommen.
A.: Der Radfahrer Tippler scheint
viel herumgekommen zu sein."
B.: Tas will ich meinen,
der ist in
Welt zu
allen Chausseegräben der
Haufe."
MißverslZndniß.
A.: Gestern war ich im Theater."
Was baden sie denn gegeben?"
Nichts!"
.Und da waren Sie im Thea
A,
ter?
A.: .Ja,
wissen Sie. ich hatte ein
Freibillet."
Aus der Sommertrisct.
Stadtfräulein: .Höre. Kleine, was
find denn das für aelde Blumen hört
auf der Wiese?"
Landmädchen: TaS find Butterblu
men."
Stadtfräulein: Ganz recht, das find
die Blumen, aus denen Jdr Bauers
leute die Butter macht. Wie gut sie
die Jahr gerathen find, und doch wird
die Butter nicht dilliger!"