Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 23, 1896, Image 12

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    Das Brautkleid.
Von M. ifaglcr.
Frau Tottor Thurmeier trat aus dem
behaglichen Zimmer auf den Hausflur
und ries nach dem Dienstmädchen.
.Auguste, was ist denn das für ein
Lärmen, was machen denn die jungen
Mädchen dort oben?"
Was werden sie machen. Dumm
heilen natürlich," brummte Auguste.
Sie, Frau Doktor, haben doch un
serem Elöchen die Schliissel von oben ge
geben und nun putzen sich die jungen
Tamen niit dem alten Staat und wol
len sich dabei halb todt lachen."
Ta muß ich doch einmal z innen
geh,,,," sagte die alte Tame lacyeino
und stieg dann langsam die Treppe cm
vor au in oberen Stockwerke, aus dem
ihr frohe, jubelnde Stimmen entgegen
klangen. Die scheinen sich gut zu un,
terbalten." ivrach sie befriedigt.
Sie amiUirten sich wirklich. Vier
junge Damen, die sich bei Elschen, Frau
Doktors Enkelin, zum Besuche eingefun
den hatten, durchstöberten Kisten und
Schranke und holten alte Staatsroben,
Hute, Stoffe, Blumen und allerhand
Krimskrams daraus hervor. Da ging
eine Thiir auf, hinter der Elfe soeben
Toilelte gemacht hatte. O, wie schön.
Ach, wie reizend." erscholl es von den
Lippen der Anderen. Man konnte sich
auch wirklich nicht Schöneres denken,
als Elschen's schlanke Gestalt in einem
Brautkleide aus alter Zeit. Der gelb
liche schwere Brokat, der altmodische
Schnitt des Kleides Pakten vorzüglich
zu Else's zierlichem Köpschen mit den
braunen Rehaugen und dem dunklen
lockigen Haar. Lachend umlanzten sie
die Ucbrigen. Wie schön Du bist,
Elsc."
Wer ist schön, Elschen?" fragte die
alte Frau Doktor, welche über die
Schwelle trat. Als sie aber des jun
gen Mädchens im bräutlichen Schmucke
ansichtig wurde, herrschte sie dasselbe an:
Wie kannst Du es Ivanen, mein
Brautkleid anzuziehen, weg damit, ich
befehle es Dir." '
Erschrocken stoben die jungen Damen
auseinander. Die Uebelthüterin stam
melte eine Entschuldigung und kämpfte
mit Thränen. Die Großmama war
sofort wieder heruntergegangen, ohne
weiter den Eindruck ihrer rauhen Worte
zu beachten.
Die jugendlichen Teilnehmerinnen
an der lustigen Maskerade fanden ihre
frühere frohe Laune den übrigen Nach
mittag nicht wieder. Die gedrückte
Stimmung wich erst von ihmn, als sie
Abschied genommen hatten.
Die alte Dame hatte sich in ihr Zim
mer zurückbegeben und saß nun schmei
gend im Sophaeckchen. Die welken
Hände lagen gesaltet im Schooße und
Thräne um Thräne rann über das fal
tige Gesicht.
Da trat Elschen schüchtern herein.
Als sie die alte Frau ansah, die Thrä
nen, die Trauer, die sich auf deren Zü
gen malte, gewahr wurde, umhalste sie
dieselbe und stammelte bittend: Groß
mama, ich wollte Dir nicht wehe thun,
verzeihe mir, ich hatte nicht geglaubt"
Sprich nicht mehr davon," sagte die
alte Dame ruhig und machte PlaK ne
ben sich. Du haft mir nichts zu Leide
gethan. Ich war nur erschrocken dar
über, gerade an Dir, mein Liebling,
das Kleid zu sehen, welches ich an dem
schwersten, unglücklichsten Tag meines
Lebens trug, und ich fürchtete in einer
thörichten Anwandlung von Abcrglau
ben, etwas von dem Herzeleid, das ich
darin empfand, könnte, auf Dich über
gehen."
Als Braut Herzeleid, Großmama?"
Nicht wahr, mein Kind, das scheint
Dir wunderlich? Hochzeit haben ist ja
für jedes junge Mädchen der Inbegriff
oller Seligkeit. Warum ich an meinem
Hochzeitslage unglücklich war, sollst Tu
hiren.
Als ich in Deinem Alter war, hatte
mein Vater schon den Abschied genom
tuen, eines bösen Augenleidens wegen,
das sich trotz der Kunst der Aerzte ver
schlimmerte, bis schließlich ollständige
Erblindung eintrat. Seine karge
Hauplmannspension reichte nicht viel
weiter, als zu seiner Pflege, oazu hatte
er das Haus voll Kinder, zwei Söhne
und vier Töchter, von denen ich die
. älteste war. Wir waren alle fleißig,
arbeiteten, sparten und darbten, um
den beiden jüngsten Knaben zum Stu
dium zu verhelfen. Hübsch waren wir
auch, deshalb glaubten die Eltern, sie
würden uns nicht allzulange im Hauses
behalten; doch so ohne jedes Vermögen,
so blutarm, wie wir waren, hatte es
bisher an Freiern gefehlt. Heute, wo
ich Dir die alte Geschichte erzähle, glaube
ich noch der Mutter Stimme zu hören,
die eines Tages zu mir in die Küche
kam: .Anne, der Doktor Thurmeier
war hier und hat um Dich geworden."
Mit gepreßter Stimme und thränenden
Augen brachte sie es heraus. Ich sei- i
ber lehnte, einer Ohnmacht nahe, am !
Küchentisch. Ich kann nicht, schrie es ;
in mir, doch da sah ich die dürftige Ge '.
r: i i OT1..11 v : . .. - , . hw 01.11,1
pari Der ziuun, uic dic uilv 7iuv
im Hause, ich konnte ihnen durch meine
Heirath iai Elend etwas fern halten,
denn Thurmeier war ein reicher Mann.
Mir wurde es unendlich schwer, das
Jawort zu geben, denn ich liebte einen
Andern. Dieser Andere war ein armer
Künstler, ebenso arm. als ich selber. I
doch wir beide blickten hoffnungsvoll in !
die Zukunft und baltea uns Treue ge
lobt. Seit vier Wochen war Erhard!
in Italien und bisher hatte ich keine,
Kunde von ihm erhalten. War
krank oder todt, oder hatte er mich der
geffen? Ich aber konnte ihn nie er
gefsen, das mußte ich.
Auf dieses Zureden der Meinen
und nach schwerem inneren Kampse
willigte ich endlich ei, deS Doktors
Frau zu erden. Der Brautstand
währte nur einige Wochen. Mein
Bräutigam quälte mich nicht mit Zärt
lichkeiten; er hatte weder Zeit noch
Neigung dazu und war überdies wohl
fünfzehn Jahre älter als ich, ein ruhiger,
ernster Mann.
Die Zeit verging und mein Hoch
zeitstag kam heran. Thurmeier hatte
mir die herrlichsten Schinuckfachen, auch
das Brautkleid zum Geschenk gemacht;
auch meinen Eltern und Geschwistern
die Sorge, welche ihnen das Ausrichten
einer einigermaßen standesgemaßenHoch
zeit verursachte, abgenommen. Ich
stand bereits zur Trauung fertig, oben
in unserem kleinen Mädchenstübchen,
welches ich nun sür immer verlassen
sollte, und dachte bangen Herzens des
fernen Geliebten. Thräne um Thräne
rann über mein Gesicht, bis ich einen
schweren Tritt die Treppe heraufkommen
hörte. Ich dachte, es wäre mein Bräu
tigam und trocknete eilig die Thränen
spuren. ' Da steckte der alte Briefträger
lachend den Kopf zur Thür herein und
reicht mir ein Packet Briefe. Mein
Blick fiel auf einen, und das Herz stand
mir' still. Kaum, daß ich dem Alten
für die gutgemeinten Glückwünsche daw
ken konnte. Der Brief war von Er
hardt. Ich las ihn und traute meinen
Augen nicht, denn er schrieb, daß er auf
alle seine Briefe noch nie eine Antwort
erhalten habe. Von Bekannten, die er
in Mailand getroffen, habe er erfahren,
daß ich vorhabe, mich mit Thurmeier zu
verloben. Er bat mich, ihm die Treue
zu halten und nur noch kurze Zeit in
Geduld auszuharren, dann hoffe er eine
Anstellung zu haben, die es ihm möglich
mache, mich als sein Weid heimzu
führen. Das Alles stand da schwarz auf
weiß und ich las es an meinem Hoch
zeitstage.
Ich wankte mit dem Briefe in der
Hand zu meiner Mutter. Angst und
Entsetzen malte sich in ihren Zügen, als
sie mich so bleich, so gebrochen vor sich
stehen sah. Um Gottes Willen, was
ist Dir," schrie sie auf. Ich konnte ihr
nur stumm den Brief reichen.
Nichts kann wohl ergreifender sein,
als die eigene Mutter beschämt, reuevoll
vor sich Iiiieen zu sehen. Ich hatte rich
tig vermuthet. Sie hatte Erhardt's
Briefe an mich mir verheimlicht und
dann vernichtet, als sie sah, daß der
reiche Doktor Thurmeier sich für mich
interessirte. Heute war durch Zufall
ein Brief in meine Hände gelangt.
Wäre sie nicht so sehr beschäftigt ge
Wesen, so hätte sie auch diesen letzten
behalten und Erhardt hätte mich für
treulos gehalten.
Mutter, Du hast mich um meine
Liebe betrogen, Du hast mein Leben
vernichtet, stehe aus, ich kann Dich nicht
sehen," schrie ich die alte Frau an. Ich
wußte selbst nicht, was ich that. Dann
hob ich die weinende Frau auf und
führte die Zitternde zum Sopha.
Mutter, noch ist's möglich, wenn ich
dem Doktor sage "
Er weiß es," sprach leise die Mutter.
Aber Anne, um Gottes willen, thue
uns doch die Schande nicht an und laß
es nicht den Vater wissen, wie ich an
Dir gehandelt habe; es wäre mein Tod,
o Anne, nur das nicht," fing sie wieder
an zu betteln.
Ich wandte mich ab, denn mein
Bräutigam kam soeben die Treppe hin
auf, ich hörte ihn mit der jüngeren
Schwester sprechen. Ich machte noch
eine Bewegung, ich wollte fort, hinaus
zum Fenster. Beffer todt, als in eine
Ehe, in die man mich hinein betrogen
hatte. Im nächsten Augenblick stand
mein Bräutigam an meiner Seite, um
mich zum Wagen zu führen. Mecha
nisch ließ ich Alles geschehen. Die
Trauung, das Festmahl, die Glück
wünsche der Gäste, Alles ging spurlos
an mir vorüber. Die Schwestern waren
fröhlich und lachten mit den beiden
Brüdern, der Vater hatte sein Leiden
vergeben, nur die Mutter sah in ihrem
armseligen Festlleide recht grämlich
aus, und doch sagte mir jeder Blick aus
ihren Augen, daß ibr ein Stein vom I
Herzen sei. Eine stillere Braut hat!
wohl niemals an einer Hochzeitstafel
gesessen; ich hörte kaum, waZ mein !
Mann zu mir sprach, mir war derKopf!
so voll hundert Gedanken. Zuletzt faßte ,
ich den Enischluß, meinem Manne Alles,
zu sagen. Er, der ältere Mann mit.
seinen reichen Erfahrungen würde mich
stützen und Nachsicht mit mir haben.
Lieben konnte ich ihn nicht, so sollte er
wenigstens die Wahrheit wissen, viel
leicht hatte ich dann viel weniger Scheu
vor einem Zusammenleben mit ihm.
.Als die Festlichkeit vorbei war, be
gaben wir uns in sein schönes stattliches
HauS, das ich bisher immer als ein
Wunder betrachtet hatte. Er führte
mich durch einige Zimmer und übergab
mir die Schlüssel, Tann entschuldigte
er sich. Ich muß noch einige Patienten
besuchen und komme erst spät wieder.
Laß Dir indessen von Brigitte Bericht
über alles, was Dich im Hause interes
firt, erstatten." Tann rief er nach der
Haushälterin und ging mit einem kur
ze, .Guten Abend" hinweg. Die
Worte, die ich mir auf den, Heimweg
zurecht gelegt, blieben gesprochen.
Ein gutes, freundliches Wort, ein
Lächeln hätten mir Muth gemacht, doch
ich blickte immer in ein gleichmäßig
ernstes Gesicht und blieb still, am ersten
Abend, ie an den folgenden Tagen.
So lebten wir neben, aber nicht mit
einander, höflich und kühl wie verstäw
dige Leute. Ich mußte mich in's Uir
vermeidliche siigen. Mein junges Herz
verlangte nach Liebe und fand nur
Jammer und Weh. Ich hätte auf
schreien mögen in wilder Verzweiflung
und fürchtete nur immer die kalten.
grauen Augen, die mich am Ende noch
höhnten, wenn ich sagte, laß mich frei
sein! schicke mich fort bis an's Ende der
Welt, nur gieb mich frei !
Da wurde mir die Kunde, daß mein
Vater unerwartet eine bedeutende Erb
schaft gemacht hatte. Alle Sorge und
Noth waren sortan aus dem Eltern,
jault geschwunden, o war also mein
Opfer umsonst gebracht. Ich war tief
elend darüber und dürfte es doch Nie
mand merken lassen, am wenigsten der
Mutter, die ich seit meiner Hochzeit nicht
wieder fröhlich gesehen habe. Ich mußte
Gesellschaften geben und Besuche machen
und immer ein freundliches Gesicht zei
gen, mich glucklich preisen lassen mit
dem Weh im Herzen. Es war zum
Berzweifeln.
Einst waren wir zu einer befreuw
beten Familie geladen. Als wir in die
erleuchteten Festraunie traten, fiel mein
erster Blick au Erhardt,
Mir war als müßte ich umsinken.
als unsere Blicke sich begegneten uno
war ihm dankbar, als er uns sehr sonn,
lich wie oberflächliche Bekannte begrüßte.
War eS Verstellung, kluge Zurückhab
tung oder hal er Dich vergessen, der
achtet? Mir schwindelte und ich war
froh, als mein Mann von Bekannten
umringt und hinweggeführt wurde.
Eine Weile hielt ich noch aus in der
Gesellschaft, gab Rede und Antwort,
dann ertrug ich es nicht länger. Mein
Kopf schmerzte, ich zitterte an allen
Gliedern und die Zähne schlugen wie
im Frost zusammen und als ich glaubte,
unbeobachtet zu sein, zog ich mich in ein
etwas abseits gelegenes, kleines Zim
merchen zurück. Es war leer und nur
matt erleuchtet. Nicht lange hatte ich
dort gesessen, da hörte ich einen, ach nur
zu bekannten Schritt. Ohne aufzu
sehen, mußte ich, wer gekommen war.
Ich hätte laut aufjubeln mögen in tho
richter Freude, denn es war Erhardt,
welcher vor ihm stand.
Da öffnete er schon die Lippen zu
vorwurfsvollen Worten, die ich ruhig
hinnahm. Sage mir nur das Eine.
Anne, ob Du mich ganz ergessen hast.
ob ich nichts inehr zu hoffen habe?"
Der zärtliche Blick, der Ton seiner
Stimme, mit der er diese Worte sprach.
nahmen mir den letzten Rest on Fas
sung. Erhardt," rief ich, sei barm
herzig, es ist ja alles vorbei, alles will
ich ertragen, nur verachte mich nicht,
hatte ich gewußt Aber ich habe keinen
Deiner Briefe erhalten und glaubte mich
von Dir erlassen, nur einen erhielt ich
an meinem Hochzeitstage." So
Aehnliches stammelte ich verwirrt.
Ich konnte es mir denken," jubelte
et. AIs ich Tich hier eintreten sah, so
traurig und blaß, da wußte ich, daß
Dein Herz mir gehört ; mein Lieb, mein
herziges, armes Lieb !"
Der Ton seiner lieben Stimme, das
Mitleid, das in seinen Worten lag.
überwältigten mich. Im nächsten
Augenblick hatte er die Arme um mich
geschlungen und ich ruhte an seiner
Brust, an seinem Herzen. Es war so
feierlich still im Zimmer ; ich hätte am
liebsten aus der Stelle sterben mögen,
Ta glaubte ich draußen Schritte zu ver,
nehmen und kam zur Besinnung. Viel,
leicht suchte mich Jemand. Mein
Mann. Wie ein Blitz fuhr mir der
Gedanke durch den Kopf. Wie kannst
Du mit ihm weiterleben, wenn er Dich
hier mit Erhardt findet ! So kann es
nicht weitergehen, noch ist es Zeit zur
Umleyr.
Leb wohl," sagte ich leise, und
gönne mir die schwer erkämpfte Ruhe.
Vergiß mich und diese Stunde und
werde glücklich."
Und Tu, Arme?"
Ich bin die Frau eines ehrenhaften
Mannes und nun behüt' Dich Gott."
An ihm vorüber ging ich in den
Festsaal. Die Wirthin kam mir ent
gegen mit der Nachricht, daß mein
Mann eines leichten Unwohlseins wegen
das Fest bereits verlaffen habe.
Ein
Unwohlsein? Ich begriff sofort.
Er
hatte uns belauscht, er hatte gehört
ivnä ich mit Erhardt gesprochen und
deshalb war er fortgegangen.
Ich muß heim," sagte ich. Ent
schuldigen Sie mich, bitte, bei den Ta
men. Im Vorzimmer traf ich Erhardt,
der mich heimbegleiten wollte. Ich
gehe allein," sagte ich beinahe heftig und
stürmte durch den strömenden Regen
vorwärts, so schnell als mich meine Füße
tragen konnten. Als ich vor dem Hause
anlangte, sah ich Licht in meines Man
nes Zimmer. Er öffnete auf mein
Klopsen und schien erstaunt, mich schon
zurück zu sehen. Einen Augenblick setzte
ich mich, um mich zu sammeln und ihm
alles zu beichten und aus seinem Munde
mein Urtheil hinzunebmen. Ich konnte
die rechten Worte nicht finden, es würgte
mich in der Kehle; endlich begann ich za
gend: Man hat mir gesagt. Tu seiest
unwohl, es hat wohl einen anderen
Grund, daß Tu daS gest verlaffen haft ?"
.Ja, eS hat einen andern Grund,"
brummte er unwirsch.
.Ich wei es. Tu haft gesehen, wie
ich mit Erhardt gesprochen habe und im
Zorn über mich bist Tu fortgegangen."
.Tu haft ihn gesprochen?" frug er
gleichgültig. .Nun, da kann ja noch!
ant, glli er. aj ein nr eine
Erklärung schuldig. Anne, wenn Tu
mich heute noch anhören willst. Latz es
mich kurz machen. Ich bin ein armer
ruinirter Mensch. Mein Bankier ist
bankerott und mein großes Vermögen
ist dahin."
Seine Stimme zitterte und er trom
melte nervös auf der Tischplatte.
Aber Du hast ja Deine Pnijiä,"
wagte ich einzuwenden.
'Glaubst Du, es wäre mir möglich
länger hier zu leben, arm zu sein und
zu kämpfen ums tagliche Brot? Tu
weißt, Anne, daß ich den größten Theil
meiner Patienten dem jungen Holm
übergeben habe, nur um meinen Stu
dien leben zu können. Noch einmal von
vorn ansangen, wozu? Das einzige
Gute an dem Unglück ist, daß es für
Dich nicht zu spät kommt. Du gehst
zurück zu Deinen Eltern und wenn der
Mann, den Du liebst, Dich noch zum
Weibe begehrt, woran ich nicht zweifle,
so kann am Ende noch Alles gut werden.
Siehe, sprach er hastig weiter, als er
sah, daß ich ihn unterbrechen wollte,
von unserem Hochzeitstage an that es
mir leid, Dein junges Leben an das
meine gebunden zu haben, denn ich
konnte Dir weiter nichts bieten, als ge
sicherte Verhältnisse und wie blutwenig
das war, habe ich Dir angemerkt."
Er bedeckte das Gesicht mit den Hän
den und ein schmerzliches Stöhnen kam
aus seiner Brust. Ich war aufgestan
den und zu ihm getreten. Und Du,
Gottfried, was soll aus Dir werden?"
frug ich ihn leise. In der nächsten Mi
nute schrie ich entsetzt ans. Ich hatte
gesehen, wie seine linke Hand ein Pistol
umklammert hatte und es vor meinen
Augen verbergen wollte. Gott sei
Dank, ich war nicht zu spät gekommen,
noch konnte ich das Schlimmste berhü
ten. Also das soll das Ende sein.
Gottfried," begann ich wieder, m
fühle, daß Du ein Recht hast, mich fort
zuschicken. Ich bin Dir keine treue
Gattin gewesen, hab' nur an mich ge,
dacht und an das, was gewesen ist, viel
zu wenig an Dich und daß Du einsam
war t, und allein wie ich."
Ich nahm seine beiden Hände in die
meinen. Merkwürdig, alle Scheu, die
ich ihm gegenüber bisher empfunden,
schien von mir gewichen zu sein. Bitte,
laß mich bei Dir bleiben, ich will Dir
Dein Unglück tragen helfen und dadurch
gut machen, was ich an Dir zu sündi
gen im Begriff stand. Ich will meine
Pflicht thnn, so gut ich kann, nur laß'
mich bei Dir bleiben und versuche es
noch einmal mit mir."
Da wandte er sich zu mir und sein
Kopf sank auf meine Schulter und er
schluchzte, da es seinen ganzen Körper
erschütterte. Wie ich so auf seine ge-
brochene Gestalt, sein ergrauendes Haar
blickte, überkam mich ein tiefes Mitleid,
und ich gelobte in diesem Augenblicke,
treu zu ihm zu stehen, in Freud und
Leid, auf daß uns nichts mehr trennen
könnte. Und so ist es auch geblieben.
Alles Mißtrauen, alle Scheu waren
von mir gewichen und auch er war weit
weniger finster und blickte wieder freudig
in die Zukunft, da er mich zur Seite
hatte.
Allmählich haben wir uns wieder
emporgeningen. Nach den schweren
Zeiten der Arbeit und Sorge habe ich
erst seinen edlen und rechtschaffenen
Charakter kennen und schätzen gelernt.
Nach allen Kämpfen haben wir noch
manche sorgenlose Jahre miteinander
verlebt, still und friedlich, und als nach
einiger Zeit uns (sott ein Töchterchen,
Deine Mutter, liebe Elfe, bescheerte,
wünschte ich mir kein schöneres Loos.
Tu, mein liebes Kind, hast ja den
Großpapa noch gekannt, und mit mir
an seinem Grabe geweint. Alle aber,
die iyn kannten, rühmten ihn als den
edelsten, besten Menschen, und mir war
es vergönnt, bis zu seinem letzten Athem
zuge sein Leben zu erheitern und zu ver
schönern.
Tas ist meine Geschichte. Jetzt aber
vergiß den Schrecken, den Tir die alle
Großmama wegen ihres Brautkleides
eingejagt hat. Wolle Gott,' daß Tir
das Glück beschieden sein mag, wonach
Tein junges Herzchen sich sehnt."
Das kleine e"
Humoreske von 1 n ft j 1 1 1 1.
Assessor Otto von Gallen kam eines
Tages fuchsteufelwild und noch vor
Beendigung seines Sommerurlaubes
auS dem Karpatenbad S. in seine Ko
mitatsstadt zurück. Seine zahlreichen
Freunde steckten die Köpse zusammen,
und kamen nach kurzer Berathung über
ein, daß ihm nun wieder einmal ein
Liebesabenteuer mißglückt sein musst,
Tenn die einzige, aber glühende Leiden,
schast des kleinen, beweglichen Affeffors
waren die schönen Frauen. Tas wäre i
nun soweit ganz in Ordnung: daS Be,
dauerlichste daran war nur der Umstand,
daß unser Herr, der als junger und
fescher Lebemann gar manchen süßen
Ersvlg errungen haben mochte, leider
vergaß, daß er die Schwelle der .Vier
ziger" bereits überschritten hatte.
Wie richtig man über die Ursache der
bösen Laune gerathen hatte. daS zeigte
sich noch desselben Abends. IS sich die
gewohnte Corona beim schäumenden
Msenerauf der Glasveranda des Hotels
fe-tm ml CT Vfl .
"'77"V"
K.. tltrtldl t.M.M.tMA 4, .
i lu.uiiu "wtimmuiity uuui ci'Ufltliru,
zuerst sehr schweigsam, sagte er beim
dritten GlaS endlich:
.Kinder, von heute an giebt'S keine
Fremdwörter und keine Tamen mehr
für mich!"
Allgemeines Staunen. .Erzählen,
erzählen!" klang eZ von alle Seiten.
Ich will Euch meine Blamage
ich weiß kein deutsches Wort dasür
thatsächlich erzähle, verbitte mir aber
im vorhinein jede Bemerkung. Das
hätte jedem passiven können, denn Ihr
wißt, daß ich mit den Frauen umzu
gehen verstehe." Lautlose Zustimmung
durch bejahende Gesten. Ich habe also
in S. die Bekanntschaft einer reizenden,
jungen Wittwe gemacht, in die ich mich
wahr und wahrhaftig verliebt habe.
Sie ist ein wahrcr Teufel an Ueber
muth und verfügt über jenen Grad
distinguirter vornehmer wollte ich
sagen Koketterie,.Verzeihng für das
fremde Wort, der us Männern so
wohl behagt. Ohne unbescheiden zu
sein, darf ich behaupten, daß sie mir
sehr entgegenkam.
Nun wißt Ihr, daß ich ein Mensch
bin, dei Poesie im Leibe hat; ich wollte
also für meinen Heirathsantrag einen
recht stimmungsvollen Ort aus,
suchen. Bei meinen täglichen mehr,
stUndigen Spaziergängen hatte ich einen
reizenden Punkt anssindig gemacht,
zwar etwa eine Stunde zu steigen, aber
prachtvoll, Bellevue" hieß das Ding.
Zuerst galt es meine spröde Wittwe
dazu zu überreden. Tas war kein leich
tes Stück Arbeit. Zuweit wollte sie
nicht. Sie schlug mir vor, ihren ent
fernten Vetter, Hans Friedmann hieß
der Jüngling, mitzunehmen, einen sehr
schüchternen blonden Maler.
Da es nun nicht anders ging, nahm
ich endlich diesen Vorschlag an; ich dachte
nämlich: wenn der Maler die Aussicht
vor Augen kriegt, nimmt er sein Skiz
zenbuch aufs Knie und ist für die Welt
verloren. Also war die Sache bald ab
gemacht.
Der kommende Morgen war herrlich,
wie geschaffen sür Landpartien und
Liebeserklärungen. In aller Frühe
schickte ich darum den Badediener zum
Bergwirth, denn oben giebt's kein
Wirthshaus, mit folgendem Briefe:
Ich gehe heute mit einer Dame und
einem Herrn auf die Bellevue; schicken
Sie mir Punkt 12 Uhr drei Bauteilen
Burgunder mit einem anständigen
Diner."
Und dann ging's in die Höhe.
Sie haben doch Ihr Skizzenbuch
mitgenommen, Herr Friedsam? Sie
finden oben prächtige Auslese", meinte
ich zu dem Maler.
O nein, ich bin Portraitmaler."
Schöne Gegend," brummte ich un
gehalten ; herrlich" antwortete er mit
entzücktem Augenauffchlag, im vollen
Mißverstand meines Ausrufs.
Endlich waren wir an der Spitze.
Nachdem wir den schönen Fernblick ent-
sprechend gewürdigt hatten, runzelte
Lacy, die sehr verwöhnt ist, ihre schöne
Stirn : Aber hier ist ja keine Restau
ration und ich bin riesig hungrig und
durstig." ' !
Nur ein wenig Geduld, meine Gnä
digste", schmunzelte ich, ich habe ein
Tischlein deck dich."
Und nun kam das Unglück mit Nie,
senschritten. Punkt 12 Uhr keuchte der
Kellner mit einem großen Korb heran
packte drei Flaschen aus und stellte sie
aus den Tisch.
Und das Mittagessen?"
Solches hat mir der Herr nicht mit,
gegeben; die Frau wollte auch den
Wein nur mit dem Gaisbuben schicken,
aber der Wirth meinte, Sie hatten
eigens geschrieoen, man soll den Bur
gunder mit einem anständigen Diener
schicken und so hab ich selbst kommen
müffen."
Tableau!
Ich war wie verzweifelt, Lacy machte
ein allerliebstes Schmollmäulchen und
nur der Windhund blieb gleichmllthig.
Pardon, meine Herrschasten", meinte
ich endlich, ich will das Fehlende sofort
herausschaffen lasten", und vhne weiter
nachzudenken, stürmte ich auf der ande
ren Seite des Berges mit dem Kellner
hinunter.
Das war ein Weg ! Glühende Mit
tagshitze, kein Tropfen Schatten und
die Blamage! Eine halbe Stunde
hinab, Sturm in der Wirthshauslüche,
eiliges Packen von kaltem Geflügel und
dergl. und dann wieder im Sturm
schritt hinaus! Und als ich mich
ahnungslos der Laube nähere sitzt
meine Lacy ganz knapp neben dem
Maler und hat ihre weißen Arme um
seinen Schwanenhals dorauf Ver
wirrung, heißes Erröthen, Vorstellung
als Verlobte ; den Rest könnt
Ihr Euch denken."
Der Aiieffor hielt erschöpft inne.
.Aber Tu sagtest ja. er wäre so
schüchtern", fragte man aus der Runde,
."er eri hal iq ,a an meinem
Burgunder Eourage angetrunken,
meinte Gallen wüthend.
Die schallende Heiterkeit, die sich
darauf entlud, liefe es unserem Assessor
fast leid thun, daß er seine Kameraden
in die Geschichte eingeweiht hatte und
um ihn zu trösten, ließ man ein paar
laschen Burgunder anfahren, die ihm
gar bald die Sorgen verscheuchten.
L,n vnzroeifelter.
StudivsuZ (zu seiner Angebeteten):
C. Emilie. ich balle mich Ihretwegen
ssin ttt'i Artin .ftiint ttunti
."dasselbe mcht eine so große
. n "
Aversion hatte!"
Abkühlung,
(Auf der Soiree.) .Gnädiges Zräu
lein, darf ich Ihn eine Er
frischung anbieten?"
.Ach ja wollen Sie mich nur eine
Viertklftund allein lassen!"
Iik schöne Ass!chl,
Miether: Das Zimmer genügt wohl
meinen bescheidenen Ansprüchen. Auch
der Preis paßt mir. Aber sagen Sie
mir noch eins, liebe Fran: In Ihrer
Ankündigung schrieben Sie, daß das
Zim.ner eine schöne Aussicht habe, wo
ist die? Ich sehe hier aus dem Ferstet
nur auf eine Reihe alter Häuser."
Vermieterin: Ader sehen Sie just
da drüben den schönen Wurstladen
nicht?"
Starke Abkühlung,
Mama (sehr corpulente Dame, im
Ballsaal, zu ihrer sehr hübschen Toch.
ter: E? scheint, daß ich heute wieder
meinen beim jom- habe, trotz meiner
fatalen 48 Jahre. Der Oberstlieute
nant hat mich bereits um dritten Wal
zer gebeten ist heute ausnahmsweife
galant."
Tochter: Er hat soeben auch mit Be
wunderung von Dir gesprochen."
Mama: Wirklich was hat er denn
gesagt?"
Tochter: Er sagte, kein Mensch
würde es glauben, daß Du in der Mitte
der Fünfzig stehst."
vor hie lüahl gestellt.
Schneider: Zum letzten Mal, Herr:
wollen Sie Ihre Rechnung bezahlen
oder nicht?"
Schuldner: Na, denn lieber nicht!"
verfehlter vormurf,
Frau (zu dem spät heimkehrenden
Manne): Mein Gott, vollführst Du
einen Lärm; schämst Du Dich nicht vor
dem Zimmerherrn nebenan?"
Mann: Nee! Denn der kommt hin
ter mir total bekneipt de Stiege ruffje
krochen!"
Ivarnung.
Vater: Junger Mann. Sie wollen
meine Tochter heirathen? Bedenken Sie
wohl sie hat meine Frau zur
Mutter !"
Jlul
A. (Schauspieler): Gestern habe ich
als Tell mal wieder den Vogel abge
schössen!" B. : Den Vogel? Ich denke, den
Appel?"
Falsch aufgefaßt
Droschkenkutscher (im Handschuhla
den): Fräulein, jeb'n Sie mich een
Paar Handschuh' für meine Jattin."
Fräulein: Welche Nummer, bitte?"
Droschkenkutscher (auf seine Droschke
draußen deutend): Nummer Neunhun
dertdreizehn."
Doppelsinnig,
Wirth (einem Gast sein gefülltes
Glas hinreichend): Probiren Sie 'mal
den neuen Wein, den ich bekommen
habe!"
Sie wollen mir wohl den Mund
wässerig machen?"
Lnfant terrible.
Tante, mich friert."
Ader, Käthchen, schäm' Dich, bei
dem schönen Wetter zu frieren; sieh',
mich friert garnicht."
Ja, Tante, Tu hast auch ein dickes
Fell, hat der Papa gesagt."
Nebelhaft.
Baron: Johann, was ist denn für
Wetter heute?"
Johann: Ja. Herr Baron, es ist so
furchtbar neblig draußen, man kann es
nicht sehen!"
Anzüglich.
Kind (weinerlich): ..Sieh'
doch,
Mama, bei mir ist ein Zahn lose
Pater: Aber Kind, deswegen brauchst
Tu doch nicht zu weinen, sieh', bei
Mama sind alle lose, und sie weint doch
nicht."
Angenehme Frage,
Tame (in der Absicht, einem Rad
fahrer etwas angenehmes zu sagen):
Herr Schulze, haben Sie sich schon
oft beim Radfahren den Hals ge
brachen?"
Zweifel,
Jüngling: Guten Tag. Herr Pro
feffor. kennen Sie mich nicht mehr? Ich
v,n yans Mller -
Professor: Potztausend. Sie wären
der kleine Müller? Unmöglich! Tiefer
große Mensch! Tas kann nicht sein,
Sie sind am Ende Ihr großer Bruder
Eduard?!"
Auch ein k?eiralhsgrun.
Sie wollen heirathen?"
Ja, die Kartoffeln sind ja
Jahr so billig!"
dieses
Doppelsinnig.
Beamter: Ihr Alter, mein Fräu
l.-in?"
Fräulein: .Aber ich habe es Ihnen
doch bereits mit 2? Jahren angegeben!"
Beamter: .Also angeblich 23
Jahre!"
Im Prirathi Sürcju.
Junger Mann: Also, 150,.
000 Mark hat die Tame! Wie sieht sie
denn ans?"
Prinzipal: .Nun. Ivie hzlt eine mit
150,X0 Mark ausschaul!"
Gemüthlich.
.Schau. Girgl. wie sich der Skvp
dort langweilt! Geh. hau' ihm
ein Paar hinter die Ohren!"