Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 16, 1896, Image 10

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    was sie sonnte.
Im ach Scvnon abaUeio 0011 MIl,o,
1.
In einer der lebhaftesten Straßen der
großen spanischen Stadt M fiel
jedem Fremden sofort ein HauS auf,
das in einem der elegantesten, vor
nehmften Viertel gelegen, sonderbar
gegen seine Umgebung abstach. Mit
seinen geschlossenen Fensterladen, seiner
schmutzigen und düsteren Außenseite,
stand es in traurigem Gegensatz zu sci
nen Nachbarn.
Eine auserwählte Gesellschaft bewegte
sich in den Räumen einer jenem Hause
benachbarten Villa, in welcher die schöne
und liebenswürdige Hausfrau Gäste
um sich versammelt hatte.
Sie haben immer noch leine passende
Wohnung gefunden?" wandte sie sich
mit einem verbindlichen Lächeln an
einen der Herren, der ihr zunächst saß
und der erst vor Kurzem nach M , . , ,
versetzt worden war."
Nein, gnädige Frau," erwiderte der
selbe; von all' den Wohnungen, die
mir bisher angeboten wurden, sind die
meisten für meine zahlreiche Familie zu
klein, oder sie sind ungünstig für mich
gelegen. Das Ncdcnhaus Ihrer Villa
würde an Größe und Lage das sein,
was ich suche, und ich wundere mich,
gnädige Frau, daß Sie es mir gegen
Über nie erwähnten?"
Ja, in der That, an unser Nachbar
Haus habe ich nicht gedacht: wir sind
eben hier so daran gewohnt, es unter
die Todten zu zählen daß Sie nicht er
staunt sein dürfen, wenn ich nicht den
Versuch machte, es wieder in's Leben zu
rufen."
Man zählt es unter die Todten?"
Ja, denn seit sechs Jahren ist es
unbewohnt. Der Aberglaube und die
Scheu vor jenem Hause rühren von
einem Verbrechen her. In jenem Hause
ist ein Mord begangen worden. Das
unschuldige Opfer, eine harmlose alte
Frau, das Geheimniß, mit dem das
Verbrechen noch heute umgeben ist und
dessen Schleier wir auch wohl nie lüften
werden, haben dem Ort der That einen
ganz besonders unheimlichen Stempel
aufgedrückt."
Neugierig fragte der. Fremde nach
Einzelheiten.
Ich erzähle Ihnen gern, was ich
darüber weiß," erwiderte die Dame,
Vor etwa zehn Jahren bezog ein zu
einem hiesigen Regiment kommandirter
Offizier mit Frau, drei Kindern und
der Schwiegermutter das Nachbarhaus.
In seiner Erscheinung und seinem Aus
treten zeigte er ganz den vornehmen
Mann, und die große Zärtlichkeit, die
er seiner Frau entgegenbrachte, wie auch
die sorgliche Liebe zu seinen mndern,
nahmen sofort für ihn ein. Die Gattin
des Obersten war eine sanfte Taube, die
stolz darauf sein kennte, die Wahl eines
solchen Mannes auf sich gelenkt zu haben
und die Mutter der drei Engel zu fein,
die sie ihre Kinder nannte. Aber sie
verkörperte auch in sich den Typus der
Mufterfrau, die nur für den engen
Kreis ihrer Pflichten als Tochter, Gat
tin und Mutter vorhanden ist. Auch
die alte Tame war eine fromme, gute
Skkle.
'Ich ging sehr oft zu ihr hinüber,
denn der Frieden und die ruhige Be
haglichkeit bei meinen Nachbarn theilte
sich mir mit, und dann zog mich innige
Sympathie zu dem pflichtgetreuen edlen
Manne, der liebenswürdigen Frau und
der freundlichen alten Dame. Aber
.auch dieses Glück, so bescheiden und ein
fach es auftrat, muß zu vollkommen sür
diese Welt gewesen sein, als daß es hätte
dauern dürfen, denn eines Morgens
stürzte meine Jungfer ganz athemlos
und mit der Miene äußersten Entsetzens
zu mir herein.
Was giebt es denn, Manuela?'
fragte ich beunruhigt.
Gnädige Frau, ein Unglück
eine Scheußlichkeit sondergleichen
Die alte Dame im Hause ist ermordet
worden. Mit einem Dolch ist sie er
ftochen, hingeschlachtet!"
Heilige Mutter Gottes!" rief ich
schaudernd aus, und wie? warum?
Sind Diebe in's Haus gedrungen?"
Das ist wohl anzunehmen, aber man
weiß nichts Bestimmtes."
Am Morgen war der Diener, der im
Souterrain schlief, zum Markte gegan
gen," fuhr dir Dame in ihrer Erzüh
lung fort. Die Hausthüre hatte er,
ie stets zu so früher Stunde, verschlos.
sen vorgesunden und beim Vrilaffen der
Villa wieder verschlossen. Wie groß
war aber fein Erstaunen, als er bei
seiner Rückkehr das Wasser des im Hose
stehenden Brunnens roth gesärbt und
die Hausthüre nur angelehnt sah. Sein
Erstaunen verwandelte sich aber bald in
panischen Schrecken, als er dann an der
wkißqetünchten Treppenwand den dluti-
gen Abdruck einer auseinander gefpreiz,
kn Hand erblickte. Zweifellos hatte
den Mörder beim Hinabsteigen der
Treppe ein Moment der Schwache über,
mannt, und n hatte, mit der Hand
nach der Stütze suchend, die vl.auer be
rührt. Entsetzt folgte der Diener wei
Irren Blutspuren, die nach der oberen
Etage in des abgelegene Schlafzimmer
der alten Dame führtet. Er stieß die
Thüre au?, überschritt die mit Blut be.
spritzte Schwelle und erdl,ckte das un
glückliche Cper auf dem Bette ausze
streckt, todt, mit weit geöffneten, vcn
Schreck versteinerten Äugen, wie sie im
Verscheiden aus itrem Möider gehaftet
haben mußten.
Mit r.wn durchdringenden Sei):
eilte der Diener zu seiner Herrschaft hin
unter und brachte ihnen die furchtbare
Botschaft. Welcher Anblick bot sich den
Beiden! Die junge Frau fiel wie vom
Blitze getroffen zu Boden, während der
Oberst, blaß und mit heiserer Stimnie,
aber doch Herr seiner selbst, den Befehl
zur Benachrichtigung der Polizei er
theilte. Tann ließ er die Hausthllre
verschließen, da er befürchtete, das Ge
schrei der Dienerschaft könnte Neugierige
herbeilocken.
Die Polizei fand nichts weiter, als
die stumme Leiche und keinen Schuld!
gen, nicht einmal den geringsten Fin
gerzeig, der den Verdacht auf irgend
eine bestimmte Person hätte lenken kirn
nen. Man verhaftete zwar den Diener
und die Köchin, mußte aber Beide we
gen Mangels an Beweisen wieder frei
geben, nachdem sie nachgewiesen hatten.
daß sie bis gegen Morgen auf der Hoch-
zeit der Schwester der Köchin gewesen
waren.
In Folge dieses schrecklichen Ercig-
nisscs hatte der Oberst feine Versetzung
beantragt, die ihm auch bewilligt
wurde. Sie zogen sich in eine entfernte
Provinz zurück, wollten sie sich doch
selbstverständlich dem Schauplatz und
der Erinnerung so schrecklicher Ereig-
nisfe entziehen."
Welche Ursache mag diesem Ver
brechen zu Grunde gelegen haben?"
fragte der Fremde,
Man meint, es sei ein Raubmord
gewesen. Am Tage vor ihrem Tode
hatte die alte Dame, nach Aussage ihrer
Tochter, eine bedeutende Summe durch
ihren Notar erhalten, schließlich siel
der Verdacht auf den Schreiber, der ihr
das Geld überreicht hatte, aber auch er
vermochte sein Alibi nachzuweisen."
Und seither haben sie nie wieder von
Ihrem einstigen Nachbarn gehört?"
Erst erhielt ich regelmäßig Nachricht,
aber wie das immer so geht, schließlich
ist unsere Eorrespondenz eingeschlafen.
Der Oberst hatte den Dienst quittirt
und sich in verschiedenen Unternehmun
gen versucht, die ihm alle glückten.
Seine Frau beruhigte sich allmählich
und ward wieder zufrieden und glücklich
in dem engen Kreise ihrer Familie."
So daß also in dem Hause der Ein-
druck der Schrcckenstage bewahrt blieb.
wie in den Herzen der Menschen," be-
merkte der Fremde etwas ironisch.
Das Haus trägt den Stempel des
Verbrechens an sich, in den menschlichen
Herzen verwischte sich allmählich der
Schmerz. Nun aber wollen Sie die
Wohnung drüben miethen?"
Nein, gnädige Frau, wenn ich auch
ein Sohn des 19. Jahrhunderts bin,
gewisse Eindrücke kann ich nicht über
winden. Das Haus blieb der Hüter
eines dunklen Geheimnisses! lassen wir
es in seiner unheimlichen Ruhe.
Deshalb bestand er darauf, daß seine
Schwester einen Mann ihrer Heimath
heirathen und das Dorf, in dein sie
ausgewachsen war nicht verlassen sollte.
Aber keine Vorstellung der Welt konnte
Donna Marianna von ihren Illusionen
abbringen, sah sie doch im Geiste schon
die glänzende Zukunft ihrer Tochter vor
sich. Da der Sohn der Mutter immer
opponirte, erklärte diese, daß sie La Paz
verlassen werde und bei ihrer Tochter
den Rest ihres Lebens zu verbringen gc
denke. Sieben Jahre waren seit Rosaliens
Heirath verflossen. Sie lebten jetzt in
der großen Stadt M , wohin der
inzwischen zum Oberst avancirtc Pcnalta
versetzt worden war. Trotzdem spann
sich das Dasein Rosalien's und Donna
Marianna's nur im engsten häuslichen
Kreise ab, wo sie sich ganz den inzmi
schcn geborenen drei Kindern widmeten.
Durch den Alles beherrschenden, tqran-
Nischen Hochmuth des Obersten völlig
in den Schatten gestellt, sanken Frau
und Schwiegermutter zu vollständigen
Nullen herab.
Don Andres Penalta bezeugte grau
und Schwiegermutter im Beisein von
Fremden Liebe und Achtung. Für die
sen Zwang, den er sich vor Änderen auf
erlegte, rächte er sich dann zur Genüge
in der Intimität, indem er die Frauen
so viel wie möglich von oben herab und
mit wegwerfender Geringschätzung be
handelte. Bis zur Empörung brachten
den Oberst die Ungeschicklichkeiten, die
seine Frau in Gesellschaft Anderer be
ging. Es war natürlich, daß die junge,
auf dem Lande aufgewachsene Frau
nichts von den Sitte und Gebräuchen
einer großen Stadt wußte. Sie sang
Nicht, sie tanzte nicht, sie tonnte nicht
Klavier spielen und verletzte dadurch
aus's Empfindlichste die Eitelkeit ihres
Gatten, der sich in solchen Fällen, um
einem Unwillen Luft zu machen, eine
Redensart angewöhnt hatte, mit der er
fortwährend die junge Frau kränkte
und demüthigte: Tu kannst aber auch
gar nichts!"
3.
000 Pesetas blieben verschwunden, wie
es auch niemals gelungen war, den
Mörder zu entdecken. Tie unheimliche
That machte der Familie dc weiteren
Aufenthalt in M zur Qual, so daß
sie bald daraus, wie schon erwähnt, in
eine andere Garnison übersiedelten, wo
der Oberst schon nach kurzer Zeit den
Abschied nahm.
4.
Inmitten der Ausläufer der Pnrc
näen liegt ein hübsches Torf, dem wir
den Namen La Paz geben wollen. Ein
sam liegt dieses alte spanische Dörfchen,
fern ad von jedem Geräusche der Welt.
Wie groß war daher das Erstaunen der
Dorfbewohner, als sich dennoch eine
Schwadron Militär in den abgelegenen
Ort verirrte. Man erzählte' sich, die
Soldaten seien ausgcsandt, um nach
politischen Flüchtlingen zu fahnden.
Die Schwadron wurde von einem Ea
pitän commandirt, den man bei der
Wittwe eines reichen und angesehenen
früh verstorbenen Gutsbesitzers einquar
tirte. Diese hatte einen Sohn, der,
wie sein Vater, Landmann geworden
war, und eine Tochter von 15 Jahren,
der Sonnenschein des bescheidenen Heims
der Wittwe.
Der Eapitän Ton Andres Pcnalta
war ein Mann von bestechendem Acuße
ren, aber vcn melancholischem Tempera
ment, verbittert durch die vielen firin
kungen, die er im Lause seiner militäri
schen Carriere ersahren hatte, nichts
Seltenes in jenen Zeiten politischer Un
ruhen und revolutionären Geistes. Doch
schien die milde Atmosphäre des fricd
liehen Heims seiner Wirthe bald einen
wohlthuenden Einfluß auf den durch so
viele Enttäuschungen muthlos geworde
nen stolzen Mann auszuüben. Er faßte
allmählich eine Neigung zu dem jungen
Mädchen, das der Abgott seiner Familie
und der Liebling des ganzen Torfes
war. Mit dem vollen Zauber ausge
stattet, den Jugend und Unschuld ver
leihen, boten ihre sittsame Einfachheit
und Liebenswürdigkeit alle Garantien
für eine glückliche Ehe, und überdies
verfügte sie über ein nicht unbeträcht
lichcs Vermögen, etwas, was kein zu
unterschätzender Punkt bei einem Manne
war, dessen ganzer Ehrgeiz dahin ging,
eine RrDe in der Welt zu spielen.
In seiner glänzenden Uniform und
mit seiner vornehmen Haltung hatte
Penalta die Bewunderung des ganzen
Ortes erregt, aber vor allem die der
Damen, bei denen er wohnte. Als er
daher eines Tages um die Hand Roia
lien's anhielt, konnte die Wittwe ihre
große Freude darüber nicht verbergen,
und dos junge Mädchen, das nie gegen j
den Willen seiner Mutter eine Ehe ein
gegangen wäre, gab nch ihrem vollen
Gluck hin. als sie diese einverstanden
fand. Nur der -ohn der Wittwe
stemmte sich mit aller Entschiedenheit
gegen die Verbindung seiner Schwester
mit dem fremden Ofsijier. Immer
wieder setzte er der Mutter auseinander,
daß ihr in Grundstücken und zahlreichen
Heerden angelegtes Vermögen nur zu
förderlichem Gedeihen gebracht werden
konnte, roenn zusammenblieb, daß
aber, wenn jeder iein Theil fordkrte, es
jum Schaden Aller ausfallen mußte, j
Von Jahr zu Jahr war das Verhält
niß Donna Marianna's zu ihrem Sohn
ein schlechteres geworden, da sie edes
mal an der Abrechnung, die er ihr
schickte, etwas auszusetzen fand, natür
lich unter dem Einfluß ihres Tchwiegcr
sohnes. Donna Marianna hatte ihr
Vermögen auf dem Gute stehen lassen,
befolgte aber schließlich den Rath des
Obersten und verlangte, nach vielem
Hin und Her mit ihrem Sohne, ihren
Theil herauszuzahlen.
' Eines Morgens, als sie eben aus der
Kirche heimgekehrt war, überbrachte Iffr
der Bote des Geschastsbevollmächtigtcn
ihres Sohnes noch 8(5,000 Pesetas, den
Rest des von ihr flnig gemachten Ka
pitals. Tonna Marianna unterzeich
nete den Empfangsschein mit einem
Gefühl der Erleichterung über die end
lich zum Abschluß gebrachte Erledigung
der Angelegenheit, als der Aelteste ihrer
Enkel in's Zimmer trat. Kaum war
der Bote gegangen, da zeigte der Junge
auch schon stolz der Großmutter eine aus
einem Hefte losgetrennte Seite, die er.
nachdem ihm die Mutter dies als Auf
gäbe gestellt, vollgeschrieben hatte. Mit
dem Interesse, das die alte Tame an
Allem nahm, was ihrer Tochter Kind
veiras, las sie den aus jeder Linie in
steifen, ungelenken Buchstaben sich wie
Verholenden Satz: Rechne nicht auf
den kommenden Tag, denn Du weißt
nie, ob Tu ihn erleben wirst," und auf
der letzten Linie: Geschrieben von An
drcs Penalta am 20. Marz."
Herzblättchcn, heut: ist aber erst der
19. März," sagte die Großmutter.
Ach, da habe ich mich geirrt," erwi
derte der Kleine. Tas schadet ja nichts;
nehmen wir an, ich hätte es erst morgen
geschrieben."
Vergißt Tu so schnell die weise in
Deinem Satz enthaltene Lehre: Rechne
nicht auf den kommenden Tag?"
Tu hast Recht, Großmlltterchcn; ich
werde es auch gleich verbessern." Und
eilich lief der Knabe hinaus, um schon
nach wenigen Minuten wiederzukehren
und der Großmutter die Aenderung zu
zeigen.
Warum, Kind, hast Tu es denn
aber mit rother Tinte korrigirt ?" meinte
die alte Tame fast erschreckt. Tas sieht
ja gerade wie ein blutiges Tatum ans."
Tie rothe Tinte stand auf Papa'S
Schreibtisch und ich fand sie so hübsch",
erwiderte das Kind.
Nein, unordentlich ist es," mischte
sich jetzt seine Mutter in's Gespräch.
Zerreiße die Seite, Andres, und nior
gen schreibst Tu der Großmutter eine
neue."
Gieb sie nur her, mein Liebling."
wehrte die Tame ab. Tu haft sie für
mich geschrieben und giebst mir darin
eine weise Lehre. Ich werde das Blatt
Zehn Jahre lebten sie schon in ihrer
neuen Heimath, wo sich der Oberst zu
einem der angesehensten Bürger der
kleinen Stadt aufgeschwungen hatte.
Verschiedene Unternehmungen, an denen
er sich niit dem Vermögen seiner Frau
betheiligte, waren alle von großem
Erfolg begleitet gewescu.
Tank der Seclenstärke, die so oft das
höchste Gut edler Naturen ist, hatte
auch Rosalie ihr Gleichgewicht wiedcrge
funden, und sie würde im Kreise ihrer
heranwachsenden Kinder glücklich und
zufrieden gewesen sein, wenn ihr Gatte,
der durch seine Ersolge noch hochmüthi
ger geworden war, sie nicht mit täglich
zunehmender Geringschätzung behandelt
hätte.
Eines Tages, als Rosalie ihrem
Töchterchcn Unterricht im Nähen er
theilte, trat der jüngste ihrer beiden
Söhne zu ihr ins Zimmer.
Mama", sagte er, indem er ihr ein
zcrlnittcrtes Papier hinreichte, sich doch
mal wie komisch, da ist noch eine Seite,
die Andres als kleiner Junge gcschric
bcn hat."
Rolalinc nahm das Papicr und las
niit bestürzter Miene: Rechne nicht auf
den kommenden Tag, denn Tu weißt
nie, ob Tu ihn erleben wirst."
Und auf der letzten Linie stand rolh
das blutige Tatum des 19. März mit
den Worten: Geschrieben von Andreas
Penalta", und darunter von der Hand
Tonna Marianna's: Marianna Pcrcz
hinterläßt dies ihrem Entel Andres als
Andenken."
Wo hast Tu das gefunden?" fragte
Rosaline mit so sonderbar verändcrler
stimme, daß ihre Kinder erstaunt zu
ihr aufblickten.
In Papa's Zimmer, zwischen alten
Papieren," erwiderte der Junge
Line gefährliche Lisendahnfahrt
Es war eines Abends in NcuMcriIo,
Ich und mein Rciscgcsährtc, ein Bcrli
ncr, waren eben von einem Bremser der
AtchisoN'Topcka und Santa-FeEiscw
b"hn 11 Meilen östlich von Las Vegas,
aus dem Unterschlupf, welchen wir im
letztgenannten Orte in einem Vieh'
wagen gesucht hatten, vertrieben wor
den, denn aus seine Frage: Haben Sie
Geld bei ich, miige Herrcu?" tonnten
wir nur mit Nein" antworten und so
ertönte es denn von seinen Lippen:
Nun, dann macht, daß ihr fort
kommt." Was half es? An Widerstand
unsererseits war nicht zu denken und so
verließen wir dcun unser weiches Lager,
das wir in dem den Boden des Wagens
bedeckenden Heu gesunden hatten.
Tiefe Finsterniß herrschte ringsum,
von Gebäuden konnten wir nur die
Umrisse des StationShauses wahrnch
men und so machten wir unS schon mit
dem Gedanken vertraut, bei Mutter
Grün zu übernachten, wo uns die Erde
als Matratze und der Himmel als Zu
decke hätte dienen müssen, denn unser
Gepäck bestand nur in dem was wir aus
dem Leibe trugen. Ein Blick nach
Westen, neue Hoffnung belebte uns;
denn das Licht einer anderen Lvkomo
tivc zeigte sich unsere Blicken und nicht
lange dauerte es, so rollte ein Frachtzug
heran, Sosort schwärmten wir in
Schützenlinie aufgelöst der neu zu er
stürmenden Position zu, bald' stießen
wir auf den neuen Fcmd, welche? in
der Gestalt eines mit der Laterne be
waffneten Bremsers uns entgegentrat.
Wir gaben unsere Losung, Bcföderung
nach dein Osten, und er sein Fcldgc
schrei Nicht ohne Gelb!" Doch Geld
cristirte sür uns beide um diese Zeit
nur als Sage, und so schlugen wir uns
denn, wenn auch nicht in die Büsche, so
doch in die Dunkelheit zurück, um in
der Geschwindigkeit einen anderen Plan
sür unsere Beförderung zu schmieden.
Jegt gewahrte ich, daß sich ein Emi
qrantcnwagen am Ende des Zuges be-
fand und sosort war mir klar, was wir
I thun mußten, um von hier wegzukom
I men. Ich theilte meinem Begleiter den
verkündete und jngjrich das Ende nsc
rer eigenthümlichen Fahrt. Bald sandte
die ausgehende Sonne ihre ersten Strahl
len und ein langsameres Gehen des
Zugks zeigte uns das Nahen einer Sta
tion an. Nach meiner Berechnung hatte
mir gegen sieben Stunde auf unseren
nichts weniger als gemüthlichen Sitzen
zugebracht und mußten ngesähr 0
Meilen zurückgelegt haben, genug, um
die Strapazen vergessen zu machen.
Jetzt stand der Zug still, der Bremser,
wklcheruns verwehrt hatte, mitzusnhrcn,
entdeckte uns infolge der Tcrrainbcschaf
fcnheit, welche den Blick unter die Ears
erleichterte, und wollte es nicht glauben,
daß wir dieselben vom letzten Abend
seien: auf unsere Frage, wie viel Mci
len wir zurückgelegt hätten, gab er uns
zur Antwort: 84. Höchst zufrieden mit
diesem Ergebniß, steuerten wir der Sta
tion mit 'Namen Torsey zu, wo wir uns
durch einen Trunk frischen Wassers und
eine Waschung, denn wir sahen neben
bei bemcrlt, lustig aus, zur ütZeilerrcise
stärkten.
Nur mühsam ihre Fassung vor den !, Plan mit, welcher allerdings schon mehr
Kindern bewahrend, erhob sich Rosalie, an Tollkühnheit grenzte, er bestand näm-
ney oarin, dass yeocr von uns einen &itz
auf einem der Ouerbäume vor der
Bremse unter dem Wageu einnehmen
sollte. Mein Gefährte schauderte zu
rück vor dieser Art der Benutzung der
Eisenbahn, lieber wolle er lausen, als
auf diese Weile seine Glieder zu Martte
zu tragen. Es gab nicht lange Zeit
zum Besinnen. Schon ertönte die Glocke
zur Weiteriahrt, noch einmal sorderte
ich ihn auf, mir zu folgen, und ich ver
und bis auf die Lippen erblassend, eilte
sie in ihr Zimmer, wo sie die Thüre
hinter sich verschloß.
Wie vernichtet sank sie auf einen
Stuhl. Nach zehn Jahren lag endlich
das Geheimniß enthüllt vor ihren Au
gen: sie kannte jetzt den Mörder ihrer
Mutter. Drei lange Stunden saß sie
unbeweglich, starr wie eine Leiche. In
wildem Chaos jagten sich die Gedanken
,n ihrem nedernden Gehirn. Tann
packte sie grenzenlose Verzweiflung.
Endlich erhob sie sich, zündete eine
Kerze an und verbrannte das Papier,
das zum Ankläger gegen den Mörder
ihrer Mutter geworden war.
Erschöpft und verzweilelt warf sie sich
dann auf ihr Pett, wo sie schon nach
wenigen Minuten durch ein Klopfen
Penalta's aufgeschreckt wurde, der in
gewohnt barscher Weise feinem Erstau
nen über die verschlossene Thüre Aus
druck gab. Als sie die Stimme des
Mörders ihrer Mutter vernahm, über
lief ein eisiger Schauder den zitternden
Körper der Unglücklichen, und mit auf-
einandergepreßten Zähnen stieß sie nur
mühsam die Antwort hervor, daß sie
trank sei.
Acht Tage blieb Rosalie in ihrem
Zimmer eingeschlossen, obne Jemand,
außer von Zeit zu Zeit einem Dienst
boten, den Eintritt zu zeftatten, uner
trägliche Kopfschmerzen vorschützend ;
fürchtete sie doch, noch nicht gesaßt genug
zu sein, um nicht in einem Schrei der
Verzweiflung ihr Geheimniß zu verra
ten.
üis? .TO,.4f.
stehen fand und ihr Gatte sie um ersten Bremi n ang . , ftdc" d e
Male wiedersah, prallte er vor ihrem !.. s wenn ein Feuerwerk losge
Anblick erschreck, zurück, und mit Recht. ! br?,,,nt wurde Allmählich machte ich
Tie Haare der jung n Frau waren i ,nf f,cr W '5 fnjcc
" und die'volt schwarzen R,n- ren d Be n v tae
Werbung in Zranevaal.
Wie man in Transvaal heirathet,
darüber erzählt ein Afrikareisender dem
Lokal-Anzeiger" folgendes: Die Boeren
heirathen in sehr jugendlichem Alter.
sobald ein Bauer zwanzig Jahre all
geworden ist, sieht er sich nach einer
Lebensgefährtin um. Bälle und ahn
liche heirathsvermittelnde Einrichtungen
kennt man dort nicht; der Bauer besteigt
fein Pferd und reitet von Farm zu
arm, um sich eine Braut unter den
Töchtern des Landes auszusuchen. Man
sieht ihm schon von fern an, was er im
Schilde führi, Taö wollene Hemd ist
durch einen reinen Kragen, vielleicht
auch durch eine Kravatte verschönt, die
rohledernen -tiesel sind besonders blank
geputzt, der breitlrümpige Filzhut hat
ein neues Band aus blauweißer Seide
erhalten, und unter dem Sattel liegt
eine neue, hellbunte Decke. So gehts
im Gvlopp nach der nächsten Farm;
dort sattelt der Heirathskandidat ab,
trinkt einige Liter Kaffee, raucht ein
Dutzend Pfeifen, ißt dreimal mit der
Familie, verschlingt die Töchter mit den
Augen und spricht so wenig wie mög
lich. Nach Sonnenuntergang, wenn
Licht in die Stube gebracht' ist' und die
Familie sich anschickt, die Schlafraume
aufzusuchen, faßt er sich ein Her, und
i fragt die Mutter, die natürlich nur auf
vielen Moment gelauert hat, ob sie ge-
statte, daß Minche, oder wie nun die
Erkorene heißt, noch ein bißchen mit
ihm aufbleibe. Ter Wunsch wird so
fort erfüllt, verlegen kommt Minche in
die Wohnstube zurück, stellt ein Licht
aus den Tisch, setzt sich in eine Ecke und
schwand unter der tsar", eine Inieende I sagt nichts. Unser Freier sitzt in einer
Stellung auf dem bereits erwähnten Wanderen Ecke, raucht, spuckt und sagt
Ouerbaum einnehmend. Zu meiner auch nichts. Aber trotzdem hat Schlau
Freude bemerkte ich, wie mein Reise, Minche erstanden, ihrem . Anbeter zu
geführte, wohl denkend, es sei nicht gut, zeigen, ob er ihr gefüllt, indem sie da-
wenn der Memch allein sei, ebenfalls , nach die Vrore des Lichtes einrichtete,
unter den Wagen huschte und meiner Je länger die Kerze, desto länger können
Anweisung zusolge dieselbe Stellung am sie ausbleiben! Am nächsten Morgen
entgegknlctzicn Enoe des Wagens ein
nahm. Ein Ruck und der Zug setzte
sich in Bewegung. Jetzt, muß ich gc
stehen, singcn an, schlimme Gedanken
auf mich einzustürmen, allerlei Borste!
lunqcn vcn möglichen Unglückssällcn
durchkreuzten mein Gehirn, der Bruch
sattelt der Bauer sein Pferd wieder und
reitet nach einer anderen Farm; und so
wiederholt sich die Sache, bis er endlich
klar ist, welches Madchen ihm am besten
gefallen hat. Zu diesem reitet er zurück,
bleibt wieder eine halbe Nacht auf und
macht ohne viel Redensarten seinen An-
eines Bolzens oder Kettengliedes, dachte trag, der höchst selten nicht angenommen
ich, liefert uns dem sicheren Tod in die j wirb. Schcn am nächsten Kirchgnngtag
Arme. Traf es mich, war es nicht so , wird Hochzeit gefeiert,
schlimm, doch mir bangte für da- Leben
meines czieiicrs; icy yane ivn ,a uver : Löwtndändicr un
reoei uno iq yaiie mir ic iqivcruen
Borwune gemacht, Ware idm ein dcv
ihre agcn.
Es ist ein eigenthümliches Verhältniß
bezüglich der Entschädigung für ver-
gen umrandeten, tief eingesunkenen Au
i ui sc.l.;AA.
kl :i.i,. :. i cioiuia iiiuujie iiiumtuiuuc iiciuit
gen diiaicn im Ficbcrqlanze LUü einem , r . ..... .;.
Wordenen, ablagerten Ge.chte ! rÄnAÄe
V-SX ! 8Ä !fÄ
tagte. Tu mutt viel gelitten ha mWtm Bewegung
Sehr viel," erwiderte sie mit einem ' unten hatte ein schmerzbaftes Auf
Schauder. , ftoen bewirkt.
Warum haft Tu Tir denn aber Ici-! Endlich, wir mochten gegen 30 Mei
nen Arzt holen lassen?" fuhr Pcnalta lcu zurückgelegt haben, kam der Zug
ungeduldig aus; Tu kannst auch gar ' zum Stehen und wir konnten uns auf
..,i. .... cv vezugnm er
.Ä'' schied.. Leiftungen. daß manche Sän
; l 1 er und Sängerinnen sür den Vortraq
,?1 Lieder an einem Konzertabend
und ein gehordetaubendes Trohnen und ! tft ,,.,, .
riit.rn hrw, nfprrr ?ii ! wöchentlich fast abenteuerliche -ummen
. m o; ... J.j, l erhalten, während Männer, die bei ikder
berauben. Wurden von Zeit zu Zeit, ,..,. . :u, .,... !..
hie rpirn nnnehrphi f M i, '"8 LebfN ils -pikl
j setzen, wie z. B. Löwenbändiger, dage
j gen nur verschwindend kleine Gagen ie
j ziehen. Noch merkwürdiger dürste es
sein wir schweifen damit freilich von
I unserm eigentlichen Thema ab daß
leine Frau aus Schaustellerkreisen als
j dritten Gatten .inen Löwenbändiger er
! wählt, trotzdem dessen zwei Vorgänger
von Thieren, mit denen sie VorsteUun
gen gaben, getödtet worden waren.
Sehr wenige von denen, die sich in .inen
Löwen-Küsig wagen, erhalten selbst in
großen Menagerien mehr als etwa 100
Mark für die ganze Woche. Sind es
Farbige die übrigens niemals selbst
Raubihiere zähmen, doch mit von An-
deren gezähmten austreten, so müssen
nichts, nicht einmal für Tich sorgen. ' kurze Zeit aus unserer auälenden Lage diese sich gar mit 40 bis 60 Mark
wenn Tu krank bist." ! bereun, blieben jedoch unter der Eor". i Wochenlohn" begnügen. Ein wir!
Roch ein Jahr lebte die arme Tu! , um nicht gesehen zu werden, u mn : lickicr Waldlöwe", d. h. einer der wild
denn. ner Freude fand ich meinen Berliner eingefangen wurde, dürste kaum je in
Endlich nahte der erlösende Tod. woblauf und vcn meinem Einfall, auf einer Menagerie zu sehen fein : alle die
Rathlos standen die Aerzte am ran : diese Weise dem Zugpersonal ein ; ändernden Könige der Wüste" tom
kenbett Rosalinens. und mit tröstenden j Schnippchen zu schlagen, trotz der Ge ! men von einem weltberühmten Händler
Worten betete der Priester zu Häupten fahrlich!c:t de'ricdigt. Wir waren einig, in Algier, der sich züchtet und zuweilen'
zur Erinnerung ausbewahrcn und auch der -terdcn. AI- sie suhlte, dasz e die -aczc auszunutzen, io lange es gegen davon Monath hat. In
Tir dasur ein Andenken geben. Hier nur noch wenige Augenblicke zu leben , ging, denn vor den Augen des Zugver- Mitteleuropa ist auch der Leipziger
find fünf Goldstücke, die sollst Tu ganz haben würde, gebot die edle Frau den sonals waren wir, fo lange es dunkel Zoologische Garten als Bezugsquelle für
ertra nach meinem Tode bekommen." Umstehenden, sich zu enl'crnen und war. ge'chutzi: wo wir faßen, sucbicn junge Löwen bekannt.
Tonna Mananna griss nach der winkte ih n Gatten dicht zu nch beran. Icine Premier naq Pai'agieren. , . .
Feder, mit der st. .den die Ouittung! Vater meinn Kinder." sagte sie mit Ton der Glocke mahnte uns wieder,
unterzeichnet hatt., und schrieb unter feierlicher Stimme, zwei Tinqe hat. Platz zu ncrmen und bald flogen wir
den Namen des indes: .Marianna ich doch in dieiem Leben aekonnt." wieder über d:. Prärie dahin; :ch machte
Per hintkrlaßt ihrem Enkel Andres .Tu! Wi. mein Tu das?" 'ragte je! mit schrecken die Wahrnehmung.
dies kleine Anoenken." Tann wickelt. ' der Gatte erstaunt. Als seine Blicke daß sich infolge der Anstrengung eine
fi. die Goldstück, in das Blatt ein. ver ven ibrcn deaeanetcn. da erblaßte der a:!e -ch,a!ngkeit ich meiner dcmach-
schloß sie mit der .den vom Notar ae- Schuldig., und die Augen starr aus sie tigen wcllte. unwillkürlich schlesien 'ich
konmenen Summ, in .in. Kaisctte und 'gerichtet, rnabm er ihre letzten Werte: meine Lugen, aber ich war mir bereun.
ckrkidwkttbewkrb.
Beim sechsten, vom Gcneralsmidiket
der -tcnrgiapdcn und Taklnlographen
veranstalteten Wettbewerb, welcher letz!
hin in Paris stattfand, find ganz außer
ordentliche Schnelligkeiten erreicht wor
den. Tl. Konkurrenten schrieben mit
ttua fie in ihr Schlafzimmer. .Im Lebn, konnte ich schweigen, um deß ich verirren sei. wenn ich mich rom i der -Sreidmaickune ISi auswendig g5-
I jenn Nacht geschah der ichreck.iche ! meiner Kinder willen. und in der Schlaf übermannen ließ. Nach nn:gcr lnnte Worte binnen kiner Minute aus
Mord an Donna Marianna. den wir ! Stund, des Todes kann ich verzeiben Anstrengung bette ich jedcch auch b.e'. dem Kopf nieder und in I , M'nutei
am nkang unserer Erphlung geichil-! um 'brifti willen.' Krisis überwunden. Tn Horizont im Il:i0 Werte ab. Ein -tenograph
der, haben. Und di. edle luldmn schirr di.,Oft.n kgann sich zu hellen, was den brachte in 10 Minuten M) Worte
Ti. aus der affette geraubten :, ' Augen um n nie wieder zu onn. . Beginn des kommenden jungen Tece , Papier.
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