Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 09, 1896, Image 10

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    Nitdesheimer Auslest'.
Humoreske von R u d v l x h l ch o,
Nun soll aber doch ein Bomben
Element! "
.Josef, Josef, lass' doch nicht schon
wieder Deinem unvünoiqen empcra
ment die 3üael schicken!"
..Ja. Mutter, was zu arg ist, ist z
arg. Zivei Kellerdiebstahle laiinein an
georoneie züeirjeuininegeiouijiiiticP'Uius
bllrger zur Noth ertragen, beim dritten
aber muß selbst ein lammfrommer npo
tbekcr zum rasenden Roland werden.
In mir kocht die Wuth, und um eine
ErdloNon ,u -verHuten, mutz ich nucyen.
Ein BombewElemmt soll den Schuft
schlagen, der schon wieder unseren Kel-
l ausgeraubt hat! so. vas erieicyicri
mein Gemüth!
Der krausköpfige Erbe der Schwanen
Avolbeke. Josef B!ausmann, setzte bei
dieser Zornentlabung einen Korb so
heftig auf den Tisch, daß das darin e
kindliche Schlüsselbund klirrte. Plötzlich
öffnete sich eine schmale Seitenthur, und
der Kops des Apothekers erschien in der
Spalte. Papa Mausmann warf einen
strafenden Blick über die Brille auf sei
nen Erstgeborenen und sagte: Was jür
in Lärm? Bring' doch den Medicinal
wein in den Laden, Josef."
Josef lachte zornmüthig auf: Kunst
ftück! Wo nichts ist, hat der Kaiser selbst
da Recht verloren."
Jetzt trat der alte Mausmann mit
erschreckter Miene in's Zimmer und
fragte leise: Schon wieder eingcbro
tyn?" Schon wieder."
Und unser Ungarwein 1"
Futsch!"
Und der Bordeaux ?"
Fort auf Nimmerwiedersehen."
Aber von den Likören "
Hat uns der Halunke nicht eine
Flasche gelassen. Von unserem ganzen
Borrath ist nichts zurückgeblieben, als
die zwanzig Flaschen Trabener, die wir
bis heute noch nicht geleert haben, weil
das Moselbmmchen zu sauer ist."
Donner und Doria!" schrie jetzt
Mausmann senior und schlug mit der
Faust auf den Tisch. Das ist aber
mahrhastiq zum Tollwerden! Nun m
den wir die eichene Thür am Eingange
des Kellers angebracht und unser Ah
theil durch ein Sicherheitsschloß mit
Riegel verwahrt, und doch "
So, nun sänge Du auch noch an zu
toben," unterbrach in strengem Tone
Frau Mausmann den Gatten. Wenn
Josef sich zum Zorn hinreißen laßt, so
kann man das mit seiner heißblütigen
Jugend ent chuldiqen, obgleich ein mn
zer Mann, der im Begriffe steht, Gatte
zu werden, wohl etwas mehr Selbstbe
herrschung üben könnte, wenn aber
ein Mann im reisen Alter "
Der Henker soll da kaltes Blut be
galten," unterbrach der Apotheker die
würdige Matrone,, wenn man sein
wohlerworbenes Eigenthum nicht vor
frechen Hausdieben schützen kann ! Ei
nen Todtenkopf hatte ich auf die Thür
gemalt und darunter geschrieben : Ach
tung vor Fallen und Selbftschüssen!"
Und dicht daneben haben die Schufte
d Latten mit dem Stemmeisen losge
löst und sind in den Keller geschlüpst."
Dieser Einwurf Josef's schürte noch
des Apothekers Wuth: Ich möchte nur
issen, zu was wir unsere hochgerühm
tat Detektives haben? Die beiden vor
hngegangenen Einbruchsdiebstähle ha
btn wir sofort angezeigt, und was ist
geschehen? nichts, rein gar nichts.
Wr sind also auf Selbsthulfe ange
niesen," knurrte nach einer Pause Papa
Mausmann und warf sich in seinen
wurmstichigen Großvaterstuhl, daß die
Augen krachten. So laß uns bera
then, was zu thun ist. Geschehen muß
twas."
Run ließ sich auch die Hausfrau neben
dem empörten Gatten nieder und be
merkte: Wenn wir nur wüßten, wer
tn Dieb ist."
.Ja,' rief Joses, bitter lachend,
.wenn wir das wüßten! Jedenfalls steckt
in unserem Hause!"
Nun unterzogen die drei Mausmanns
sämmtliche Mitbewohner des Hauses ei
nn moralischen Kritik. Vor dieser
konnten alle langjährigen Miether be
jtehen. zweifelhaft und darum verdächtig
schienen nur der Tafeldecker Ehrenberg
und der Osstziersbursche Fritz. Gegen
den Letzteren hegte Frau Mausmann
in starkes Mißtrauen, weil er um der
Beköstigung willen mit zwei Köchinnen
zugleich ein Liebesverhältniß unterhielt.
Josef dagegen war stark gegen Ehren
berg und dessen zwei Söhne eingenom
men, weil die Jungen wiederholt Thier
quälereien verübt hatten, ohne daß der
Vater sie dasür ftraste, und weil dieser
selbst mit einem nnterwürsigen Beneh
nien ein gar zu verschmitztes Lächeln
verband. Die Familienberathung
führte zu dem Beschluß, daß man Fritz
und die Ehrenberg's scharf beobachten
und den Dieben eine Falle legen wolle.
Um ihnen die Luft an weiteren Straf
thaten zu verleiden, übernahm es Josef,
sechs von den zwanzig Maschen sauren
Mosels mit Brechweinftein zu versetzen
und sie äußerlich mit der Vignette:
,Rüdshkimer Auslese" zu versehen.
Um sür den Fall einer spateren Ent
deckung ein Merkmal des gestohlene
Gutes zu haben, zeichnete Mausmann
senior, sobald sein Sobn das Tränkchen
gemischt hatte, ein Sternchen in die
vcke der Vignette. Tn so pröparirte
Stäbn ward im Keller breit ausgelegt,
und acht Nächte spater fand wieder eine
Ausräumung deS MauZmann'schen
Vorraths statt. Die sechs Flaschen Rü
deshcmirr Auslcsc wanderten mit dem
sauren Mosel in die unbekannte Diebes
höhle. Als Josef diese Entdeckung machte,
lachte er in grimmiger Schadensrcude
aus und rief dem Vater zu: Run sollen
die Gauner was erleben!"
Im Grunde regte diese dritte Bcrau
bung die Mausmann's weniger auf,
als die beiden ersten, denn die Familie
befand sich inmitten gewaltiger Zu
rüstungen für Josef's Vermählung mit
der einzigen Tochter des reichen Mau
rermeisters Knortz, dessen stattliches
Haus der Apotheke gegenüber lag.
Julchen Knortz war eine hübsche Blon
dine von sanfter Gemüthsart, die kurz
nach ihrer Verlobung mit dem muute
ren Josef die Mutter verloren hatte.
Die Führung des Haushalts siel nun
auf ihre jungen Schultern, und da sie
einen Theil des TagcS stets am Erler
fcnfter verbrachte, um mit dem Verlob
ten allerlei Liedeszeichen auszutauschen,
so wäre es um die Verpflegung des ver
wittwetm Vater übel bestellt gewesen,
wenn dieser in der alten Reginc nicht
eine tüchtig Köchin besessen Hütte. Im
Vertrauen auf diese bewährte Krast be
schloß Knortz auch, die bevorstehende
Hochzeit Julchen's im eigenen Hause zu
feiern. Als oelf-made-rnan hielt et
an einfachen Lebensqkwohnhciten fest,
allein bei besonderen Gelegenheiten
prunkte er doch gern mit dem Erworbe
nen. Bei der Hochzeitsfeier sollte die
weiten Räume des selbfterbautcn Hau-
ses in festlichem Glänze erstrahlen, und
an auserlesenen Taselgenüsscn durste es
auch nicht fehlen. Knortz sah eil, daß
er zur Bewirthung der Gäste einer in
gastronomischen Dingen wohlerfahrenen
Persönlichkeit bedürfe, und so rief er,,
auf verschiedene Empfehlungen hin, den
Tafeldecker Ehrenberg in sein Haus.
Dieser erwarb sich durch den biederen
Ton, den er anschlug, und die reiche
Erfahrung, die er bei der Berathung
des Menüs offenbarte, das volle Ver
trauen des Gastgebers. Knortz legte
das Arrangement der Tafel, die An-
Werbung einiger Lohndiener und die
Anschaffung der zum Diner nöthigen
edleren Weinsorten vertrauensvoll in
Ehrenberg's Hände, wobei er ihm ein
schärfte : Alles muß feinster Qualität
und reichlich sein, lieber Ehrender.
Der Kostenpunkt spielt keine Rolle, denn
am Hochzeitstage feines einzigen Kindes
will man sich doch nicht blamiren.
Ehrenberg verbeugte sich mit der
Grandezza eines Oberhofmeisters und
erwiderte, verschmitzt lächelnd:
geschätzter Herr Baurath, nach dem Fest
werden Sie mir zugestehen, daß
ganz in Ihrem Sinne gehandelt habe
Das Hochzcitsseft fand an einem naß
kalten Apriltage statt, ,und die Geduld
des Brautpaares und der Trauzeugen
hatte in den Warteräunicn des Stern-
desamteS und der Kirche harte Proben
zu bestehen. Durchkältet und hungrig
kehrte die kleine Gesellschaft in's Knortz
sche Haus zurück. Hier aber belebte
sich die gesunkene Stimmung wieder
beim Anblick der festlich geschmückten,
von goldigem Licht durchflutheten
Räume. Kaum hatten sich die Paare
im Salon zusammengesunden, so öffnete
sich die Flügelthür des Speisesaales und
ein Ah" der Ueberraschunq kam beim
Anblick der verlockenden Festtasel von
den Lippen der Eintretenden.
Mit innigem Behagen nahmen
Brautpaar, Eltern und Freunde vor
den beladenen Fruchtschalcn, den silber-
nen Eiskübeln, zierlichen Geschirren
und dustenden Frühlingsblumen Platz,
dann gab Ehrenberg in der ernsten
Haltung eines Schtachtenlenkcrs das
Zeichen zum Auskragen der Suppe.
Unter dem Einfluß der Taselgeniiffe
entwickelte sich bald in den Mannessce
len der Drang, die Rednergabe sanft
erstrahlen zu lassen. Zwischen der
Suppe und dem Fisch flatterten Scherz
Worte und Anekdoten von Gruppe zu
Gruppe, dann begrüßte Papa Knortz
die Gäste in kurzer, aber wohlgesetzter
Rede, und als der Braten in Sicht
kam, prüste sich der Gymnasialdirektor
Dr. Kreuzmcycr, der älteste Freund
Mausmann's, in aller Stille, ob er
seine gedankenreiche Rede auf das junge
Ehepaar noch fest im Gedächtniß habe.
Mechanisch nahm er von der Schüssel
ein Stück Rehbratcn, und als ein
schwarzbesrackter Diener ihm ein Glas
Rheinwein mit diskreter Angabe der
Marke reichte, leerte er es mit dem Ke
danken: der Wein steigert uiisere geistige
Flugkrast.
Josef, der junge Ehemann, hatte
nach den starken Erregungen des lang
ersehnten Tages einen Wolfshunger
und ließ sich Speisen und Getränke
trcsflich munden. In den Eßpausen
stieß er mit Julchen an, wobei er lachend
die Frage stellte: Na. Schatz, wie ist
Tu als junge ffrau zu Muthe? Won
nig, nicht wahr?"
Und Julchen strahlte vor Glück.
Außer der Suppe, von der si, wohlig
durchwärmt wurde, war sie unfähig,
noch irgend etmas zu genießen, denn
selige Gedanken durchströmten ihr Herz,
Sie begriff es auch nicht, daß ihr Joses
so tapser zulangen konnte. Ja. sie er
schrak fast, als dieler zum Wildbraten
ein volles Glas Rheinmein aus einen
Zug leerte und dann enttäuscht ausrief:
,O weh, dieser Rüdesheimcr hat einen
Stich !" Wie konnte er in dieser weihe
volle Stunde noch ein Urtheil über
materielle Dinge haben I Ihr war's so
freudig um s Herz, wie der sonnen
trunkenen Lerche, die sich vom Acbren
fcld jubilirend aufschwingt zum lichte
blauen Aethcr.
Ein Helles Klingen unterbrach Jl
chen's Gedaiikengang. Dcr Braten war
verzehrt, und es erhob sich mit feier
licher Miene der Gymnasialdircitor zum
Toast aus das jüngste Ehepaar. Wh
rend der hochgeschätzte Redner sich
räusperie, flüsterte Josef: Gott sei
Dank, das mir uns gestärkt haben.
Wenn dieser Demosthcncs das Wort er
greift, laßt er es auch so bald nicht wie
der los.
Der Ansang dcr oratorischen Leistung
schien Josef's Voraussage zu bestätign,
denn uin nachzuweisen, daß Maus
mann, sen., und Knortz Zierden der
Bürgerschaft seien, deren Wohlstand sich
I mit dem Ausblühen der Stadt und des
deutschen Reiches entwickelt habe, unter
nahm er einen weiten Exkurs in die va
terländische Geschichte. Seltsamer Weise
schien der bewährte Redner diesmal der
gewohnten Ruhe und Selbstbeherrschung
zu ermangeln. Sein Gesicht wurde von
Minute zu Minute bleicher, bei den
Kriegszügen Otto's des Großen mischte
er sich den Schweiß von dcr Stirne, und
als er glücklich bei der großen Leidens
geschichte Deutschlands, dem dreißig
jährigen Krieg, angelangt war, schienen
ihm die Gedanken nicht mehr frei zuzu
fließen, sondern unter Eonviilfioncn ge
boren zu werden. Auf's Tiefste beim
ruhigt, schob ihm die treue Gattin ihr
volles Glas zur Stärkung hin, aber
der Trank steigerte nicht seine Geistes
kräfte, sondern erhöhte nur das Würge
und Angstgefühl in seinen. Innern.
Eben hatte n mit dem letzten Ausgebot
seiner Kräfte die Phrase herausgestoßen:
Im Augenblick der höchsten Noth aber
erschien der große Friedrich auf der
Bildflächc und wurde zum Retter der
tiesgesunkenen Germania", da warf er
seinen Stuhl um und rannte aus dem
Jestsaal mit solcher Eile, als wolle er
das Ausreißcn der Feinde Preußens
parodircn.
Das Auditorium war zunächst sprach
los vor Verwunderung, dann schien es
aber, als wirke das räthselhafte Beneh
men des Direktors ansteckend. Wäh
rend der jäh abgebrochenen Rede hatte
sich auch der würdigen Frau Maus
mann eine peinliche Unruhe bemächtigt.
Sie war von Knortz zu Tisch gesllhrt
morden, der sie mit Artigkeiten über
häufte, weil er sich sagte: Julchens
Schwiegermutter mußt du zart entge
genkonimen, um sie siir dein Kind zu
gewinnen. Er schenkte ihr fleißig ein,
brachte ihre Gesundheit aus und rühmte
Josef's Tüchtigkeit. Frau Mausmann
that ihm erst freundlich Bescheid, wurde
dann aber allmählich schweigsam und
zerstreut, schien während der Rede des
Direktors nervös zu werden und be
trachtete, als dieser entfloh, mit an
scheinend tiefem Interesse die Thür,
durch die er den schleunigen Rückzug be
werkstelligt hatte. Der galante Mau
rernieistcr ahnte nicht, daß seine Nach
barin jenseits der Thür eine stille Klause
mit angstersllllter Seele suche. Bald
verlor Frau Mausmann ihre strenge
Haltung und flüsterte mit backfischarti
ger Verschämtheit: Ich hab' mein Ta-
schentuch im Mantel stecken lassen."
Mit diesen Worten erhob sie sich,
aber Knortz hielt den Augenblick sür ge
eignet, seine Eourteosie in's rechte Licht
zu setzen und sagte aussprmgend:
Bitte, das ist meine Sache. Wie sieht
Ihr Mantel aus?"
In beschwörendem Tone cntgegnete
Frau MauZmann: Sie werden ihn
nicht finden, bitte, laffen Sie mich!"
I, das wäre la noch schöner, so groß
ist die Gesellschaft doch nicht "
Nun riß der ängstigten Frau der
Geduldsfaden. Mit beiden Händen
den galanten Knortz auf den Stuhl nie
derdrückcnd, rief sie ihm mit heiserer
Stimme zu: Ich muß hinaus! Blei
den Sie!"
Spornstreichs entfloh sie dem Saale.
Ganz verblüfft sah ihr der Maurer
meisler nach und murmelte dann: J ul
chen hat Pech in dcr Wahl der Tchmie
germutter." Der Neuvermählten aber schien es zur
selben Zeit, als sei sie auch unglücklich
in der Wahl des Gatten gewesen. Als
der rednerisch begabte Direktor so weit
ausholte, wurde Joseph ungeduldig und
höchst reizbar. Er machte spott, che
Glossen, und als Julchen ihm zu-i
flüsterte: Nimm doch Rücksicht auf!
eine gute Absicht!" antwortete er barsch:
.Ich' pseise auf seine gute Absicht.
Kürze ist der Rede Würze."
Aber Joses, er will uns doch hoch-
leben lassen." j
Dann soll er es noch heule thun und
nicht, wenn wir alt und grau geworden
find. Das Ende dieses VortrageS er
leben unsere armen Eltern nicht mehr."
Kaum war diese höhnische Bemerkung
gesaUen, so stürzte der Redner aus dem
raal und Joses brummte: Was oll
der Narrenstrcich bedeuten?"
Unterlaß doch die unschickliche 35c
merkungen," warnte Julchen, sie könn
ten gehört werden."
Unschicklich? Ei. Tu willst mir
schon am Hochzeitstage eine Lektion
geben: das ist zu früh!"
Aber Josef, Deine aufbrausende
Heftigkeit erschreckt mich. In diesem
Ion haft Du noch nie mit mir ge
redet!' Wenn er Dir mißfällt, so fordere
ihn nicht durch unpassende Bemerkungen
heraus."
Julchen starrte den Sprecher erst ver
ftändnißlos an, dann füllten sich ihre
Augen mit Thränen und sie stammelte:
.Ach, nun sche ich. Deine Liedesver
sicherungen waren erheuchelt!'
Julchen. Tu Herrgott. Thränen!
Na, da? fehlte mir noch. Thränen am
Hochzeitstage! Ei, da soll den
doch "
C, er will mir heute schon den
Herrn zeigen!" , klagte Julchen nd hielt
ihr kostbares Taschentuch vor die Augen.
Und das ist der ersehnte Glückstag!
O Gott, o Gott, wenn ich das geahnt
hätte "
Im Gcsühl tiefster Enttäuschung
konnte die junge Frau ein Schluchze
nicht unterdrücken. Dies brachte Joses
vollends m seine Fassung; er sprang
ans. rannte ihr zu: Dein Benehmen
ist kindisch unerhört!" und rannte
wie ei Besessener ns dem Festsaal.
Der Zank der Neuvermählten war
vom alten Mausmann bemerkt worden.
Dieser nahm aus dem von Josef ver
lassenen Stuhl Platz, um die weinende
Lchwiegertochter liebreich zu trösten.
Dabei demertte er aber zu seinem Be
fremden, daß sich die Reihen der ffest
genossen ausfallend schnell lichteten.
Schon war die Hälfte dem Direktor ge
folgt, da fragte er sich: Was mag der
Grund dieser' panikartigen Flucht vor
der Freude sein? Ihm selber war wohl
zn Muthe, denn er hatte an dem diäte
tischen Prinzip festgehalten: Lösche dei-
nen Durst bei großen Diners nur mit
einem Getränke, Da ihm nun der zum
Fisch , gereichte Josefshöfer geschmeckt
hatte, so war er bei der Sorte geblieben.
Julchen naher rückend, wollte er ein
Glas zur Seite schieben, sah aber, daß
der Wein getrübt war. Da ihn als
Ehemiker Erscheinungen dieser Art in
teressirten, so prüfte er die Flüssigkeit
und seine Zunge stieß auf einen wider
lich süßen. Beigeschmack. Eben erwog
er, was wohl die Ursache der Trübung
sein könne, da vernahm er neben sich die
Frage: Noch ein Glas Rlldeshcimer
Auslese gefällig?"
Dies traf ihn wie ein Blitzstrahl. Er
wollte vom Sitz aufschnellen, im selben
Augenblick aber legte Julchen den Kopf
gegen seine Schuller und klagte, daß
Josef ihr recht weh gethan habe. Barsch
rief der Apotheker dem Aufwärter zu:
Setzen Sie das Tablett mit Flasche
und Glas auf den Tisch," dann, als
dies geschehen war, richtete er Julchen
auf und prüfte die Vignette der Flasche.
Ein leiser Ausschrei kam von seinen
Lippen, Da, in dcr Ecke, war das fa
tale Sternchen, das Zeichen der als
Tiebssalle präparirten Flaschen. Haftig
eilte er mit Flasche nd Glas zum
Hausherrn und stellte die Frage: Wo
ist dieser Rüdesheiiner her?"
Weiß ich nickt. Ehrenberg bot mir
an, die Weine zu bestellen. Er kennt
die besten Quellen. Schmeckt Dir der
Wein nicht?"
Der Apotheker lachte grimmig,
Eine dieser besten Quellen kenne ich
genau; sie sprudelt in meinem Keller.
O, dieser Ehrenberg! Ehrenberg?
Schandberg müßte der Kerl von Rechts-
wegen heißen! Der Wein ist gestohlen
und der Dieb hat damit die Hälfte Dei
ner HochzeitSgäste vergiftet!"
Knortz erschrak heftig und ließ sich
über die besondere Natur der Rüdes
heimer Auslese aufklären. Als dies
geschehen war, bemerkte Knortz: Na.
der Dieb soll wenigstens nicht unbestraft
bleiben. Laß' rasch alle Reste dieses
unheilvollen Getränkes vom Tische ent
fernen, unterdessen will ich, der ich zum
Glück nur leichten Mosel trinke, den
Monsieur Ehrenberg in's Gebet nehmen
Ah, da kommt er eben!"
Knortz winkte den feinsten Tafeldecker
herbei und sagte in gleichmuthigem
Tone: Versuchen Sie doch einmal die
sen Rlldeshcimer. Mir scheint er ist
trübe und schmeckt schlecht."
Ehreitberg ließ den Wein prüfend
über die Zunge gehen und meinte, er
habe zwar einen etmas befremdlichen
Charakter, aber das fei ja bei allen
edleren Weinsortcn der Fall."
Ja, Sie müssen das Glas ganz
leeren," bemerkte Knortz, denn erst am
Bodensatz erkennt man den üblen Ge
schmack." Ehrenberq trank das Glas aus und
versicherte, er habe den Wein aus der
Erbschastsmassk eines Fürsten gekaust.
Es wäre ja möglich, daß gerade in der
vorstehenden Flasche ungewöhnlich viel
Bodensatz gewesen sei. aber Blume und
ümqkcit könne man dem Wein nicht
absprechen.
..Hier ist noch ein Rest in einer an-
deren Flasche." bemerkte Knortz, ver
suchen Sie den; mir scheint, wir sind
hereingefallen."
Ehrenberg leerte auch dies Glas uud
meinte dann in biederem Tone: Hier
ist dcr Gcschmack reiner, und die sechs
Mark, die ich sür ,ede Flasche bezahlt
habe, ist der Wein sicher werth."
Nun erhob sich der Hausherr, zog
Ehrenberg in ein Nebenzimmer und
sagte zu ihm: Die RüdcS!eimer Aus
lese wird Ihnen bald zu Leibe gehen
und Ihnen verrathen, daß Sie ein er
tapptcr Dieb sind. Der Wein ist aus
Mausmann's Keller gestohlen. Still,
verlieren Sie kein Wort weiter Sie
Sie Schandberg! Dies HochzeitS-
feft haben Sie schändlich gestört. So
fort verlassen Sie mein Haus. Wegen
der Eindruchsdiedftahlt wird der Apo
theker Sie zur Rechenschaft ziehen.
Hinaus!"
Ehrenberg verließ geknickt und leise
fluchend das Knortz sche Haus. Unter
dessen hatte Mausmann, weihrend der
Wegräumung oller Weinresle, den
Herren die verderbliche Wirkung des
RudesbeimerS erklärt. Tie Glücklichen,
die ihn hatten vorüdergcden lassen,
waren schadenfroh genug, beim Anblick
der zurückkehrenden Optcr in ein du enisikvenoen ?aui,ch!e,ten. au
schadenfrohes Gelächter aufbrechen. I mählich wichen der Unglaube des gro
Als diese aber den Grund ihres Unwohl-i ßen Hausens und die Borurtheile der
seins erfuhren, machic sie gute Miene
zum bösen Spiel und lachten mit.
Josef aber kehrte reuevoll zu Julchen
zurück, erflehte ihre Verzeihung und
rics, als sie wieder lächelte: Liebste,
D hast wirklich keinen Grund, an mci-
nein Herzen zu zweifeln, nur mein
Magen ging in die Falle. Ein GuteS
hat die Rüdesheiiner Auslese UNS doch
gebracht; die Rede deS DirekiorS ist uns
zuni Theil erspart geblieben."
Kaum hatte Joses diesem Gefühl der
Genugthuung Ausdruck gegeben, da
tönte ein helles Klingen durch den
Saal und eine sonore Stimme sprach:
Verehrteste, ivir waren bei dem Ev
scheinen Friedrichs des Großen in der
Böller-Arena stehen geblieben
pic erste deutsche Eisendahn.
AltNiirnbcrq war in großer Auf'
regung. Etwas ganz Neues sollte im
Werke sein. Einc Anzahl Leute sollte
sich zusammcngkthan haben, um eine
Dampsbahn ach dem benachbarten
Furth zu bauen, und man sollte kiinf
tig diese Strecke von I j Stunden in 15
Minuten zurücklegen können! Kluge
Leute erklärten die Aussührung dieses
Gedankens sür unmöglich. Die Menge
verharrte in jener dumpfen, mißtraut'
schen Neugier, die sie allem Neuen gc-
genübcr an den Tag zu legen pflegt.
Am lautesten aber eiserten die gegen den
Plan, die von ihm Benachteiligung
gewäitigtcn: die Inhaber der etwa 40,
000 Frachtwagcn, die auf der Fürth
Nürnberger Pappelchaussce alljährlich
hin und wieder fuhren.
Ja, es hatten sich einige muthige
und thatkräftige Männer vereinigt, um
Deutschland die erste Eisenbahn zu
schenken. Heinrich Riickert sang, tief
ergriffen von dieser neuen Erscheinung:
In dieser Fahrt ist eine Art
Von göttlicher Allgegenwart
Auf welchem Punkt im Erdenrunde,
Wo willst Du sein? Zu welcher Stunde?
Setz ein, fahr zu, halt an, steig aus,
Steig wieder ein und sei zu Haus,
Du hast, was Monde sonst getrennt,
Wie Sonn' in einem Tag durchrennt , .
Die Begründer dcr Bahn waren
durchweg hoch angeschene Bürger.
Georg Zacharias Plattier, dem die
Ehre der ersten Anregung gebührt,
hatte sich mehrfach um die Stadt ver
dient gemacht und ihr u. A. schöne An
lagen geschenkt. Sein thätigster Bun
desgenosse war der ehemalige Bürger
meister Johannes Scharrer, ihnen ge
sellten sich aus Nürnberg der Erste
Bürgermeister von Bäumen und die
Kaufleute H. F. Meyer und I. W.
Reißig zu. Es gelang eine Aktiengc
sellschaft mit einem Kapital von 132.
000 Gulden zusammenzubringen, die
sich am 18. Novcmder 183!! konsti
tuirte. So war denn das erforderliche Gcld
beisammen; nun galt es den geeigneten
Baumeister ausfindig zu machen. Das
war angesichts des Mangels an Ersah
rangen in Deutschland eine schwere
Sache, und man wandte sich darum zu
erst nach England, an Robert Steven
son, George Stevenson's genialen
Sohn. der die große Fabrik in ?!ew
casiic inne yane. icoen,n ,cyiug
einen seiner Mitarbeiter zur Leitung
dcs Unternehmens vor; aber der Mann
stellte so hohe Forderungen, daß man
darauf nicht eingehen konnte. Zum
Glück bot in diesem Augenblick das
Vaterland einen befähigten Mann dar.
Es war der 1795 in Mainz geborene
Ingenieur Paul Eamille Denis, der
eben von einer Studienreise aus Eng
land und ?!ord Amerika zurückgekehrt
war, wo er die bereits entstandenen
und noch vorbereiteten Schienenwege
einem sorgsamen Studium untermor
fen hatte. Es zeigte sich bald, daß
durch Thatkraft und Umsicht Denis zur
Leitung des bedeutsamen Unternehmens
eine ungemcin geeignete Persönlichkeit
war; er wurde die Seele dcs Werkes.
In einer Hinsicht sah man sich freilich
noch immer auf England angewiesen :
die erste Lokomotive konnte man nur
von Stevenson beziehen. Der Adler"
wurde sie getaust ; und der Flug, den
dieser Adler vom Tyne bis zur Pcgnitz
machte, war ein theures Vergnügen.
Denn es kostete die Lokomotive ein
schließlich dcs Tenders und des Trans
Portes 13.000 fl.; 120 bayerische Eent
ner wog sie und hatte etwa 15 Pferde
kräfte. ' Mit ihr kam ein Mr. Wilson
nach Nürnberg, den das (beschick dazu
bestimmt halte, der erste Lokomotivfüh
rer in Deutschland zu sein. Im übri
gen erwies sich die deutsche Industrie als
durchaus leistungsfähig, sie stellte die
Schienen, die Wagen, die Maurcrardei'
ten schnell und gediegen her.
Ja, es wur wirklich Ernst mit dcr
Sache ! Aus dcr alten Ehaussee wurde
gegraben und gebaut, und wieder gc
wühlt und gebaut ; und als der Som
mer des Jahres I835 gekommen war,
da leuchteten bereits im Sonnenscheine
die Eifenfchiencn, die das Lvmdol einer
neuen Zeit werden sollten. In demsel
den Maße aber, als die Sache Gestalt
und Wirklichkeit annahm, schlug die
Ttimmung der Bevölkerung um. Es
mußte doch etwas daran fein, wenn mehr
als 200 Männer aus Nürnberg und
Umgegend ihr gutkS Geld an die Sache
wagten! Und man strömte zu den wohl
bekannten Pappeln und sah mit opf
schütteln, mit Erstaunen, mit Bewunde
rung auf die geheimnisvollen Arbeiten,
sich beeinträchtigt Glaubenden" einer
wachsenden Begeisterung.
Am bkgeistcrtstrn aber warc die, in
deren Hand das Werk lag, ndsorüstig
förderten sie die Arbeit, daß schon im
November 1835 die Bahn zu Probe,
fahrten fertig war. Man hatte so gut
gewirthschaftet, daß die Herstellung der
Bahn sowie aller dazu gehöriger Uten
silien nicht mehr als 175,490 Gulden
50 Kr. betrug. ES sei vorwcg bemerkt,
daß sich Denis bei diesem Bauc soglcich
als ein wahrer Meister i seinem Fache
erwiesen hat, da der Bau sich vortrefs
lich bewährt hat, ja im Laufe der Zeit
stets gebessert hat. Dennoch mochte eö
wohl ein ängstliches Gefühl fein, als am
21 . November die erste Probefahrt mit
Dampfkraft vor sich ging. Fünf Per
sonenivagen waren an die Maschine aii
gehängt, und gespannt wurde das Sig
nal zur Abfahrt erwartet. Es ging,
c ging! Das Dampfroß zog an und
legte die Strecke in 12 Minuten zurück.
Der Sieg war entschieden; um aber
dem Publikum Vertrauen einzuflößen,
veranstaltete man am 3. Dezember drei
weitere Probefahrten, an denen gegen
Erlegung von 311 Kr. Jedermann theil
nehme konnte.
Dcr Sieg war gewonnen ! Es ging,
es war also wahr ! Eine ungeheure Be
geisterung bemächtigte sich jetzt des Publi
kunis und der Montag, an dem die
Ludwigsbahn" (diesen Namen hatte
sie dem König Ludwig I, zu Ehren an
genommen) eröffnet werken sollte, der
7. Dezember 1835, wurde zu einem
VolkSsesttage siir ganz Nürnberg. Z
Tausenden strömte die Bevölkerung
zu dem Bahnhossgebäude, das sich fest
lich geschmückt hatte. Da stand die
räthsclhaste Maschine, durch eine hohe
Esse weithin sichtbar, und ncun Per
sonenwagen, die alle mit Fahnen ge
schmückt waren, waren angehängt.
Nachdem der Bürgermeister Binder aus
die Bedeutung des Tages hingewiesen
hatte und der Denkstein im Bahnhofs
gebäude enthüllt worden war, der die
Wappen Nürnbergs und FUrth's der
einigte, zeigte, gab um 9 Uhr Vormit
tags ein Kanonenschuß das Signal.
Athemlose Spannung.
Ein Psiff, und unter den die Lust
erschütternden Vivats einer zahllosen
von einer Stadt zur anderen Spalier
bildeten Menschenmenge flog (wie ein
Augenzeuge berichtet) der Zug, der
Windsbraut ähnlich, durch die weite
Ebene hin, und das Frohlocken dcr
Nachbarstadt, die sich plötzlich mit ihrer
größeren Schwester verbunden sah,
mischten sich mit dem allgemeinen Ent
zücken." Die Begeisterung für das
neue Unternehmen äußerte sich am
drastischsten darin, daß die Bahn in der
ersten Woche ihres Bestehens nicht weni
ger als 8044 Personen beförderte und
daß die Aktien der Gesellschaft in einem
Jahre aus 350 Gulden stiegen. Im
ganzen Deutschland machte die Begeben-
heit großes Aufsehen und zahlreiche
Fürstlichkeiten und hohe Personen
kamen, um eine Fahrt mit der Lud
wigsbahn zu machen.
ms die Meister. Direktoren und
Aktionäre ihr Werk so gut gethan fan
den und auch der zweite und dritte Zug
müS mat 6flj, , tm?nLm fie
in vouer Krönung feinen Weg yin und
b im mnhum , mh, - im
großen Festmahle, und tauschten man
chcs gute Wort, und sangen nach der
alten schöncn Weise : Am Rhein, am
Rhein, da wachsen unsre Reben":
Ja, alle Ketten, Fesseln, Wehr und
Waffen
Aus roher harter Zeit,
Sie werden einst in Schienen umge
schaffen Zum Preis der Menschlichkeit.
Mit Schienen, Freunde, webet ohne
Bangen
Ein Netz von Pol ,u Pol!
Sieht sich Europa einst darin ge
fangen
Tann wird es ihr erst wohl."
So fang zukunftsverkündend der Buch
bindermeister und Magistratsrath Jacob
Schnerr aus Nürnberg ; nd Teutsch
land war in das Zeichen dcs VerkchrS'
getreten.
(ein bayrisches Idyll in okohama.
Tie in Yokohama in deutscher und
englischer Sprache erscheinende Eastern
World" erfreute ihre Leser in ihrer
Nummer vom 18. Januar mit folgen-
dem reizenden Idyll aus dem gesell-
schastlichen Leben der japanischen Hasen
ftadt: Tie Bayern sind gemüthliche
Leute, aber grob sind sie, saugrob.
salva vciiia. Bös gemeint ist's frei-
lich nicht und ein Baer versteht's schon.
pielen da zwei Bayern Billard ,m
Grand Hotel eines Abends, und ein
Sachse, den das Spiel zu iiitercssiren
schien, war naher hinzngegangen und
hatte so in Gedanken die Hände aus
den Rand dcs Billards gelegt. Tas
sieht nnn dcr eine Bayer. Sö Ochs,'
schritt er, nehinen's doch Jbre Sau
pratzcn weg vom Billaid, bat er da
seine Klauen draus liegen, wie a Paar
Pflastersteine.' Tem achscn ist es
ganz heiß über den Rücken gelaufen,
gesagt bat er aber nichts, sondern bat
schnell feine Hände weggenommen und
ist weitergegangen. Tie Bayern haben
ruhig weilergespiell und banerisch'
miteinander geredet."
Durch die Llume.
A. : Ich habe gehört, Sie sollen
öffentlich erklärt haben, ich fei ein Esel!'
B. : O nein, ich erzähle nie ffent
lich, was ich von Jemanden denke.'