Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 19, 1896, Image 9

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    KruM5tvcM.
ttfiJM , (Hin ttinmtifulfita:ii a.:
Xa 10. Tlrmceturp-j hatte in unb bti
dem SMbtdjen Stamm la Stolanbt Oan
tonnt ments be.ioqcn. General v, Boigts
!hetz hatte dcn Auftrag erhalten, den
Unten Flügel der 2. Arm gegen die
von Südwesten vordringende Loire
Armec zu decken, und war entschlossen,
bei Bcaune La Rolande den Angriff des
übermächtigen Feinde abzuwarten
Das Porps befand sich in einer sehr oe
fahrvollen Lage. Von allen Ke,ten um
schwarniten uns die Franzosen; dazu
tarn, da die Bevölkerung in fanatischem
Haß gegen uns entbrannt, und schon
mancher brave Kamerad war auf Bor
Posten oder Patronille durch die meuchel
mörderische Kugel eines Bauern aus
dem Hittlerhalt erschossen worden.
Die Soldaten hatten Befehl, jeden
Freischärler, den sie mit der Waffe i
der Hand gefangen nahmen, zu er
schießen, verdachtige Personen aber an
das Hauptguartier in Bcaune einzulie
fern. Ich lag mit meinem Zu,, auf ffeld-
wache bei dem Dörfchen Baiilln, westlich
. von Bemme, Ich hatte die Feldwache
hinter einem halbzerstörten Gehöft ans-
gestellt, die Doppelposten zogen sich ans
einer Anhöhe entlang, die einen weiten
Blick in das Land gestattete. In Ba
taivy selbst lag das Repli. Wir muß
tcn, daß der Feind in unmittelbarer
Nähe stand. Wir hatten aber strengen
Befehl, nicht über die Postenkette hin
auszugehen, sondern uns bei einem An
griff auf Beaune la Rolande zuriickzu-
ziehen, da? von unseren Pionieren, so
gut es ging, befestigt war.
Ich stand aus meinen Säbel gestützt
und sah gedankenvoll über das ver
schneite Feld, aus dem hier und da ein
vom Wind und Wetter zerzauster Busch
hervorragte. Die ab und zu marschiren-
den Patrouillen hatten dunkle Spuren
in die weiße Schneedecke gestampft; eine
Rabenschaar strich krächzend über das
ffcld, hungrig nach Beute aus pahcnd.
Ahnten sie, daß ihnen bald nur z reich-
, liche Nahrung auf diesem Gefilde zufnl
len sollte, dessen reine, weiße Echneehülle
dann ein blutiger, zerstampfter Morast
fein wurde
Eine Patrouille kam aus der Posten
kette zurück.
Es ist aus. dem kleinen Gehöft am
Walde wiederum aus den Posten Nr. I
geschossen worden, Herr Lieutenant",
meldete der Unteroffizier.
Ist Jemand verwundet?"
Nein, Herr Lieutenant."
Haben Sie das Haus nicht durch
sucht?" Zu Beseht, Herr Lieutenant. i?s
war Niemand drin, schien vollständig
unbewohnt. Der Bursche, der auf den
Posten geschossen, hält sich ohne Zweifel
im Walde verborgen."
Ich werde selbst einmal nach Posten
Nr. I gehen," eutgegnete ich ärgerlich.
Der Bursche ninß doch zu fassen sein.
Dreimal wurde schon von dort aus auf
iiuscrePosten geschossen. Es scheint immer
derselbe Schlipe zu sein."
Wollen wir einmal den Wald ab
suchen?" Nein, das geht nicht. Wir dürfen
uns nicht so weit entscrncn. Aber fan
gen miifsen wir den hinterlistigen Bur
schen." Der Unteroffizier lächelte etwas
schlau.
Ich denke, Herr Lieutenant, beute
kriegen wir ihn.
Wie so?"
Ich habe den Gcfreiien Ltammer
und den Füsilier Bindcwald auf Po
ften gelassen, beides schlaue Kerle, und
habe mit ihnen eine Kriegslift verab
redet." Eine Kriegslist?"
Ja, Herr Lieutenant. Ich denke es
wird ihnen glucken."
Ich war nicht so zuversichtlich. Ich
kannte den Gefreiten Stammer als
einen tapferen, aber auch ziemlich leicht
sinnigen Burschen, Bindcwald dagegen
war in der Garnison der Schrecken der
Eompagnicchess wegen seiner vielen
dummen Streiche gewesen. Auch im
Felde hatte er manche Tollheit verübt.
Er war ans dem Harz, und man mun
kcltc von ihm, daß er nur durch Zufall
der Bestrasung als Wilderer entgangen
war. V!ir war es daher nicht recht,
daß der Unteroffizier diese Beiden zu
sammen auf den gefährlichsten Posten
gestellt hatte! ich fürchtete einen dum
inen, tollkühnen Streut). Ich ließ zwei
andere Leute als Patrouille antreten
und machte m,ch selbst mit dem Unter
offizier und den beiden Leuten auf den
Weg nach der gefahrvollen (stelle.
Der Posten stand in der Tbat sehr l
erponirt auf seiner Anhöhe. Ich sah
die beiden dunklen Gestalten dicht beij
einander stehen, als ob ste stch eifrig i
unterhielten. Tann gingen sie ausein-j
ander unb patrouillirten wie in ber ,
größten Gleichgiliigkeit auf und ad, ein j
vortrepllches jjiel für den in dem üvaioe
verborgenen Schützen gebend.
Ich belchleunigte meine -chritte, um
den beiden Wagcbalfcn eine gedecktere I
uung anzuwenen. ?nn nn,
icqii uiuui im .,. .i
..- fl.Mlti.iMt44 mir
,rrv;;f,(:r
-omwiiu.iF .un
warf die Arme in die Luft und stürzte!
jählings zur Erde nieder. Ter Ge-I
freite tammer iie, was er lonnre.
sott.
Ein derber Fluch entichlupsie meinen
Lippen. Al'o war die Tollludnbeit der
Beiden da oben d.'ch dcstra't worden!
Und der Eiefreite Stammer. der tapfere
Der Sonntagsgast,
Jahrgang 1.
Krieger, lies davon? Das verdiente
eine eremplarifche Strafe. Ich setzte
mich mit meiner Patrouille in Lauf
schritt, um vielleicht den Freischärler
noch zu überraschen. Da erblickte uns
der gefreite Stammer. Heftig winkte
er uns zu, stehen zu bleiben. Er selbst
duckte sich hinter einen Busch, durch ein
Zeichen auffordernd, gleichfalls Deckunö
zu suchen.
Ich begriff gar nicht, was eigentlich
der Mann wollte, und eilte auf ihn zu.
Was soll den das bedeuten, Stam
met?" Warten Herr Lieutenant eine Au
gcnblick, wir fangen den Schuft."
Den Franctireur?"
.Ja."
Ist Bindewald todt'"
Nein, Herr Lieutenant," lachte der
Gefreite, ,,so gesund wie ich das ist
uufcre Kriegslift da decken Sie sich,
Herr Lieutenant!"
Unwillkürlich duckte ich mich hinter
dem Busch, hinter dem auch meine Pa
trouille verschwand. Aufmerksam späh
ten wir nach der Anhöhe, auf der der
dunkle Körper Bindewald's noch immer
regungslos lag.
Plötzlich tauchte ein Kopf hinter der
Anhöhe auf, dann die breitschulterige
Gestalt eines Franzosen in einer blauen
Blouse, In der Hand trug er eine
Büchse, Borsichtig schaute er sich um
und näherte sich dann schleichend dem
ahnungslose Bindewald. Er beugte
sich über ihn, suchte den Mantel des
scheinbar Todten aufzuknöpfen da
gellte ei Schrei durch die stille Winter
inst, der anscheinend Todte hatte den
Franzosen bei der Gurgel gepackt und
warf ihn zu Boden, das Knie auf seine
Brust setzend. Der Franzose suchte sich
zu befreien, ein wildes Ringen entstand
zwischen den beiden gleich starken Bur
schen, Jetzt ist's Zeit, Herr Lieutenant!"
rief der Gefreite und sprang mit langen
Sätzen seinem Kameraden zn Hilft.
Wir folgte rasch. Im nächsten
Augenblick war der Franzose ü'ocrwäl
tigt und stand mit auf den Rücken ge
knebelten Händen, finsteren Blicks vor
uns. Tie Kriegslist der beiden schlauen
Burschen war gelungen. Der hinter
listige Schütze, der bereits mehrere unfe
rer Posten aus sicherem Versteck ver-
wuudet, war gefangen.
Die Brust des Franzosen hob sich in
heftigen Athemzügen. Die schwarzen, j
krausen Haare hinge ihm wirr um das
fahle Gesicht, bie Lippen bebten, in den
schwarzen Augen loderte ber Haß empor.
Er kannte sein Schicksal.
Ein kurzes Verhör, der Bursche leug
nete nicht, auf unsere Posten geschossen
zu haben. Als ich ihn sragte, ob er
wüßte, was seine Strafe sei würde,
flog ein finsteres Lächeln über sein ckarak
tcristischcs Gesicht.
Ich fürchte den Tod nicht." stieß er
hervor, Macht ein Ende!"
Ich befahl der Patrouille ihn abseits
zu führen, ihm die Aiigen zu verbinden
und ihn zu erfchieizen. Der Unter
offizier ergriff den Gefangenen hart beim
Arm.
Komm, Halluiike! '
Herr Lieutenant", sagte der Gefreite
zögernd.
Was giebt's noch?"
Der arme Kerl thut mir leid , . . "
Ihnen? Obgleich er auf Sie gc
schössen?" Er ist doch ein braver Kerl, so ganz
allein sich an unsere Posten heranzu
schleichen," meinte Bindewald, er muß
den Wald genau kennen, daß er uns
stets entgangen ist. Er ist gewiß ein
Eollege von mir."
Ein Wilderer " lackte der Un
teroffizier." Still jetzt !" befahl ich. Ihr kennt
Alle den Befehl, Jeden, den wir mit
den hatten in der Hand erqrci'cn, zu
erschießen. Das ist KrieqSrccht. Wenn
dieser Mann gegen uns kämpfen wollte,
mochte er in die französische Armee ein-
treten. Tann schützten ihn bie Kriegs-
gesetze. Er hat sich selbst außerhalb der
Gesetze gestellt. Er verdient sein Schick-
fal."
Das wohl. Herr Lieutenant." so
meinte Linoemaid verlegen lächelnd,
ider ich benke mich in seine Lage
wenn die Franzosen in meine Heimath
kamen und ich ich hatte eine Büchse
zur yand wer wein, was ich thäte."
?kun gut. hr habt den Mann
langen. Was woui or, da mir lym
gelchepe ? ch kann ihn doch nickt laufen
wu
V" .iiuuliui.. wufium
fMT Wll.ttt ivn MN ,. i
r:z , i,:;v , rri'ir " ""r'i
mag das Kriegsgericht sprechen."
. 3""' v"""'. u ,
Glaubt ,hr, da,; das ein anderes
Urtbeil sall! als den Tob?"
Tann haben wir idn doch :::cfct er
scboncn. Heu Lieutenant."
Gut. Es soll gcichehcn. l!,::er
offizier. bringen Sie den Bursche mit
einer Patrouille nach Bat:ll:; von dort
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
mag er weiter nach Beaune befördert
werden,"
Im Innern war ich selbst froh, daß
ich den Gefangenen los wurde. Ich
hatte den Befehl zum Erschießen im
ersten Zorn gegeben, jetzt fiel mir doch
eine schwere Last vom Herzen; es ist
nicht so leicht, einen Mcnschen kalten
Blutes niederschießen zu lassen.
Der Unteroffizier entfernte sich mit
dem Gefangenen, der unser Gespräch
ausmerksam verfolgt hatte, als ob er
den Sinn unserer Worte verstände.
Mit gesenktem Haupte schritt er dem
Unterosffzier voraus.
Ich revidirte noch die Ncbcnposten
und lehrte dann znr Feldwache zurück.
Es war am Abend. In meinen
Mantel gehüllt saß ich neben dem klci
ncn Feuer, das wir hinter bem Gehöft
angezündet hatten, so versteckt wie mög
lich, damit es von den Patrouillen des
Feindes nicht gesehen werden kann.
Der dunkle Winterhimmel, mit tausend
und abertausend Sternen besäet, wölbte
sich in majestätischer Ruhe und Schön
heit über dem lautlos daliegenden Ge
filde. Nur zuweilen wurde die Nacht durch
den Ruf eines Postens oder das Wiehern
eines Pferdes unterbrochen, das aus
dem Gros der Borposten zu uns her
über drang. Hinter uns flammte ein
lichter Schein an dem dunklen Hori
zont ans, die Lichter von Beaune la
Rolande,
Ich dachte an die Heimath. Nur
wenige Wochen trennten uns von dem
Weihnachtsfest, Wie Biele von Denen,
die heute Nacht zu den Sternen empor
schauten von den verschneiten Feldern
um Beaune la Rolande, würden die
Sterne der heiligen Nacht nicht mehr er
blicken! Wie Biele die Hcimath nicht
wiedersehen! Weib und Kind und
Schwester und Braut! Auch auf mich
wartete ein liebendes Herz daheim. Der
Krieg hatte uns getrennt. Noch sah ich
die in Thränen schwimmenden Augen
,dcr iseiicoten, noch horte ich ihr herzzer
brauendes chluchzcn beim Abichied, , ,
Ob ich die lieben blauen Augen jemals
ivicocrielien wurde?
Herr Lieutenant, eine Patrouille von
der Postenkette!"
Ich erhob mich, Der Gefreite Eiam
mer trat in den Lichtschein des Feuers.
Eine dunkle, vermummte weibliche Gc
statt folgte ihm.
Herr Lieutenant, ich kann mich mit
der Frau nicht verständigen," sagte der
Gefreite. Sie will nach Beaune la
moiande, sie will sich nicht zurückweijen
lassen, da hab' ich sie hergebracht."
Ich trat aus die Frau 'zu und blickte
in ein angstvoll verzerrtes, todtcnblasscs,
aber hübsches Gesicht, dessen große tbrä
nengesüllte blaue Augen flehend zu mir
cmporschauten.
Sie wollen nach Beaune, Madame?"
fragte ich, Wissen Sie nicht, daß der
Verkehr gesperrt ist? Was wollen Sie
in der Stadt?"
Ehe ich es Verbindern konnte, lag die
junge Frau vor mir auf den Knieen
und streckte die Hände zu mir empor.
betten feie mich, retten Sie meinen
Gatten, mein Herr." rief sie in wilder
Verzweiflung. Haben Sie Erbarmen
mit uns Sie haben ihn nach Beaune
dringen lassen, ich weiß es. er soll er
schössen werden! Haben Sie Erbarmen
mit uns ich will Alles gestehen Alles,
was wir von der französischen Armee
m,cn nur reiten ,e meinen Gatten,
haben Sie Erbarmen!"
vm viedanle schoß mir durch den
Kops.
Sind Sie die Frau des Mannes,
der auf unsere Posten geschossen?" ,
Ja, mein Herr. Ich bin seine Frau.
Er war Waldhüter bei dem Eomte bc
Batill, bem jener Walb gehört. Frau
zofische Offiziere verführten ihn, Spio
nendicnfte zu leisten, obgleich er in die
Armee eintreten wollte. Er kennt die
Aufstellung der ganzen französischen Ar
mee, wenn Sie ihn erschießen, erfahren
Sie Nichts, schenken Sie ihm das Leben,
so wird er Ihnen Alles sagen."
Wissen Sie das so bestimmt?"
ch werde ihn überreden. Lassen
Sie mich mit ihm sprechen o. er wird
an mich, an unsere Kinder denken und
wird Alles sagen, wen Sie sein Leben
schonen. Haben Sie Mitleid mit mir
baden Sie Mitleid
Die unglückliche Frau sank schluck-
ge-,,cnd m stch zuiammen. Ich war tief
enquiie!!, der ..aminer des
Weibes zerriß mir das Sitn.
wuxik, a vas ricgsgericht IN Beaune,
mim muciitu'. iic eingeiieierien
,Sni. ., i..;.-..t ,
i...i iu)wi i.uiu villui, zwanzig sinn-
un er,aio',en,
.c i mim iui u.qec sian Denen !
ES
. ... ' " t v ' 1 u wi. n3 i w.i hui, mini i.;iii:u vai cue -i'anmc einem inni'ett 'Inte iimtifLimm!-
wichtige Au,I,arungen geben konnte, i gcpol.tcr.cn Stühlen sitzen dnr'te. war i sich nie ungesirast renken W V;r N u, wa mein Tu ob Ä
und Da5 man ilmi deshalb das Leben es mit ibrem Frl,ün, ihrer Schaffens-! Frau dauert mich." ' o,. u f Z i-
n te. Abcr war es nicht ich:: zu tust vorbei und s.lbii die Aussicht aui :e,'e vnkucht,. sich gcwa!:!a:: n, be-' ' (4 ictnrt io wahrend ich da war
tut' - : der Emiruna des das gioüirlig, Einweibunzsjcst risz n, . herrschen, und lanq ihm. die tjt. kamen all" lr t I
'"""SM an Zwo!, Stunden r . n:ch! uns dem Trübsinn empor, da sie zu tau'chen. Aber nachdem d-r L- '1 - " '
strichen. Zwöls Stunden genügen im
Kriege, um das Urtheil zu sprechen und
cs zu vollziehe. Aber ich wollte eS
dennoch versuchen !
Ich sagte der Frau einige tröstende
Worte. Mit dankbarem Lächeln schaute
sie zii mir auf. Dann schrieb ich rasch
eine längere Meldung und sandte die
Frau mit einer Patrouille nach Batillv
zum Gros. Mehr konnte ich nicht thun.
Dankbar wollte sie mir die Häubc küs
sen, . ich wehrte ihr unb wandte mich
rasch ab.
Ausathmend setzte ich mich wieber an
bas schwach glimmende Feuer nieder.
Der Blick der in Thränen schwimmen
den blauen Aligen verfolgte mich n
aufhörlich. Wie froh war ich, daß ich
nicht das Todesurtheik an bem Gcfan
gencn hatte sofort vollstrecken lassen,
Tie Nacht verging. Am Morgen
würben wir abgelöst unb marschirten
nach Baiilly zurück. Von bort ging
es gegen Mittag nach Beaune la Ro
lande. Die Straße sührte an dem Kirchhos
des Stäbtchens vorüber, ber von eini
gen Eompagnicn besetzt unb ziir Ber
thcidigung eingerichtet war. Am Ein
gang des Kirchhofs befanb sich ein
Doppelposten, dahinter ein Heiner
Wachtposten. Ueber bem Eingang in
einer Nische stanb bas steinerne Bildniß
einer Mater Tolorosa. Auf ihren
Kniee lag der Leichnam des Sohnes,
ihr Herz war durchbohrt von sieben
Schwertern, ihr Antlitz zeigte den Aus
druck des tiefsten Wehs.
Unb vor dem steinernen Bildniß lag
die zusammengebrochene Gestalt eines
jungen Weibes, das Gesicht in den
Annen verborgen, das blonde Haar zer
rauft, bie Kleider zerrissen.
Herr Lieutenant, bas ist bie Frau
des Waldhüters," flüsterte mir der Ke
freite Stammer zu.
Ich erschrak hestia, Sollic die Un
glückliche zu spät gekommen sein? Ich
trat aus den Posten zu.
Woher kommt jene Frau bort?"
Das ist 'ne traurige Geschichte, Herr
Lieutenant, Gestern Abend ist ihr
Mann, der ans unsere Posten geschossen
hatte, aus dem Kirchhos süsilirt worden.
Heute Morgen kam die Frau ich
glanbe, sie ist mahnsinnig, sie läßt sich
nicht fortbringen, so mag sie da liegen
bleiben,"
Also doch zu spat ? Ich legte sanft
die Hand auf die Schulter des Wei
des. Da zuckte sie empor und sah mich
mit einem irren Blick an ol, diesen
Blick, ich werde ihn nimmermehr ver
gessen! Erkannte sie mich? Ich habe es nicht
erfahren. Sie sah mich nur groß und
starr an. dann sank sie wieder in sich
zusammen und murmelte ein unver
ständliches Gebet vor sich hin.
Ich konnte nicht länger bleiben. Ich
mußte meiner Eompaqnie folgen. Noch
einen wa warf ich zurück nach dem ste.
ncrnc Biidnin der Mater Doloro a
nach der zusammengesunkenen Frauen
gestalt, dann eilte ich sort.
Zu viel 5liUf.
!':'.s aus , V(i)cn. ?,n alden,.
In der Villa des Fabrikbesitzers
Kiese, welcher kürzlich in das neuerbaute
Haus eingezogen, herrschte auffallendes
Leben. Alle Fenster waren taghell er
leuchtet, unzählige Diener standen um
ber oder besorgten die mit ungeheurem
Ueberfluh ausgestattete Tafel, 'die min
distens für fünfzig Personen hergerichtet
war. Nichts war vergessen, nichts ver
säumt, was mit Geld zu erschwingen
war, denn wir haben cs ja!" war die
Regel, nach welcher Mabanie Kiese sich
gern unb jederzeit richtete.
Wir haben es ja!" lag auf ihren
Lippen, wenn sie von ihrer Villa sprach;
wir haben eS ja," lag in ihren kleinen
braunen Aeualein. wenn sie im atlas-
beschlagenen Wagen saß und stolz aus !
ihre Pserde, auf den betreßten Kutscher !
und Tiener sah. I
Doch lag in diesem Ausfpruch nicht!
ir eigenes ?ewuz!ien, londern eS war
des Herrn Lieblmqsivort, mit welchem
er seine allzu einfache, sich nur schwer
an die veränderten Werbältnisse qe
wohnende Frau zu seiner Ansicht bekehr
ren wollte.
, war tie,, ,e war ,m Grunde genommen emeihr stanb und vertiefte sich angelegentlich Französisch lernen; od mir das besondere
, .jungen ; Natur. d,e m,t a .cm znfneden war. ine j ,n denen Inhalt. I Schwierigkeiten verursachen wird "
tn. v,d, , sich aber nie wohler fuh te als wenn sie ; Wahrend denen zog sich der Präsident , Professor: Im Gegentheil; wer La
n Beaune, so recht nach Herzenslust im 'au c , geräu chlos zurück, aefola! von den, bt.tfmm rft,.M ,,rt ... ,.1
so recht nach Herzenslust im Haufe ,
iqanen lonn e,
.-.:. . .
" "U'igcn war. .,,, am ,c,e E-muths
aiiocuiiaicn aiiminer oer neuen 'illa
a, von einem wiener lervircn zu Iacn, i
dcßcn Anwesenheit dci Tisch ihr jeden i
o. 44.
ja selbst nicht Hand anlegen dürfte,
sondern nur befehlen sollte, und gerade
das siel ihr so schwer.
So war der Festtag angekommen.
Madame Kiese überließ' sich seuszeud
den Händen ihrer direkt von Paris ver
schrieben! Kammerjungser. Als das
Ankleiden beendigt war, staunte sie sich
selbst an wie ein Wunderthier unb
starrte auf bas tadellose Bild, bas ihr
ber Spiegel zurückwarf, bann lief sie,
ungeachtet ihrer Schleppe, in das Erd
gcschoß, um ihr Herz der aus den ein
fachen Tagen überkommenen, mit ihr
alt gewordenen Köchin Lene anszuschüt
ten. Mittlerweile war der Herr Fabrik
besitz tadellos aus den Händen des
Kammerdieners hervorgegangen und
betrat die Empfangsräünie. Auch er
blieb vor dem großen Spiegel stehen
und beschaute sich wohlgefällig; dennoch
flog ein Schatten über sein etwas gleich
giltiges Gesicht, als sein Blick das leere
Knopfloch streifte. Wann würde end
lich dort ein Bändchen sich einsinken?
Noch stand er vor dem Spiegel, als
er durch benselben sah, wie bie Flügel
thür geöffnet wurde und ein Diener
einen vornehmen Herrn mit tiefen Bück
lingen eintreten ließ.
Kiese fuhr herum und auch sein
Oberkörper neigte sich tief herab,
Ercellenz, welche Freude, Sie so
srüh begrüßen zu dürsen!" rief Kiese
ehrerbietig, indem er sich wiederholt vor
dem Präsidenten von Staatsheini ve?
beugte Verzeihen Sie, mein lieber Tirel
tor," erwibertc ber Präsident, ein lcut
seliger Herr mit lustig blinzelnden
Aeuglein, daß ich Sie so früh über
falle, aber man sagte mir so viel von
den Kostbarkeiten, die sie gesammelt,
daß ich nicht der Versuchung widerstehen
konnte, mir Alles genau anzusehen und
Sie nun bitte, mich durch Ihr Haus zu
sichren."
Excellenz bereiten mir dadurch eine
große Frende, Darf ich bitten! Damit
lud Kiese seinen Gast mit einer Hand
bewcguna ei,,, in das nächste Gemach zu
treten.
Der Präsident sprach in Überschwang
lichen Worten sein Lob und seine Be-
,vuuoeing ans, ,o oan mt( in einem
Meer von Wonne schwebte.
Die Frau Direktor ist wohl noch
mit der Toilette beschäftigt?" fragte
der Präsident gelegentlich. Natürlich
wird sie wieder eine der schönsten sein
wollen."
O, Ercellenz!" stammelte Kiese gc
schmeichelt. Nun, mein Lieder, Sie haben eine
liebenswürdige Frau; findet sich mit
seltenem Takt und Geschick in die so
glänzend veränderten Verhältnisse."
Ercellenz sind zu gütig," stotterte
Kiese wieder.
Sämmtliche Stockwerke hatten sie
durchschritten, ,'es blieb nur noch das
Erdgeschoß.
! Kiese machte ichweigend den Führer ;
zuletzt noch besah sich Ercellenz die Küche
uno lernte leine chritte auf die nächst,
Thür zu.
iie ane rcue, weiche Heute o recht in
ihrem Elcmcnt war und nach Herzens
lust kommandiren tonnte, zupste ihren
Herrn am Aermel und flüsterte: Lasse
ce den Herrn nit da nemgehe, Herr
Direktor!"
Doch Kiese hörte nicht auf die freund
fchastliche Warnung und folgte, stirn
runzelnd der Ercellenz.
Beide prallten zurück und Kiese
glaubte nicht anders, als in diesem Au
gcnblick ein kaltes Skurzbad zu empian
gen. Tort saß seine Gattin im dunkel
rothen Brokatkleid, ein prächtiges Dia
mantenkollier um den Hals, in den
hochsriesirten Haaren Hvazinthenblü
then, deren Tauperlche große Tiaman
ten bildeten,, Sie drehte den Eintreten
den den Rücken zu und war, nach ben
Bewegungen ber Arme zu schließen, eben
dumit beschäftigt, eine Mahlzeit zu sich
5" nehmen. In dem Glauben, daß
die alt' Lene hinter ihr stehe, sagte
irau Kiese, indem sie sich den Mund
wiiozic:
O. das schmeckt. Lene: so 'ne Knack-
wurst habe ich schon lange nicht mehr !
vorgesetzt bekommen. Ach, früher war's'
doch schöner! Prosit, Leite!"
ie naym vas Seidel ier. das vor!
geräuschlos zurück, gefolg! von dem be-
aonenen K ete denen KIk!.i,-s n',,r,
HM ,t,r, ?,,! fc.1ur.e9
stim-
muna Ienn,ck,,!?t!
Jcx trccllenz that der Mann leid
und ko sagt, cr ,-,tmutb?g: Glauben
gegangen, machte Kiese der alii,gSlo
sen Frau die bittersten Borwiirse, daß
sie der Hemmschuh fei, der seinen Flug
beeinträchtigte und ihn immer wieder iii
den Staub ziehe.
Mit stummer Klage sah Frau Kiese
iliren Gatten än, dann ging sie zur
Ruhe. Doch anstatt des Schlafes um
drängte wilde Fiebcrphantasie ihr
Lager, Schon lange hatte sie sich nicht
wohl gefühlt, die heftige GemüthSbewe
gnng aber, die harten Anklagen ihr
Gatten brachten die Krankheit zum Aus
druch und die Patientin an den Rand
des Grabes.
Bittere Reue plagte Kiefe; seine gute,
brave Frau, die ihm in schweren Zeiten
hingebend zur Seite gestanden er
sollte sie jetzt, vielleicht durch eigene
Schuld, verlieren; er hatte sie schlecht
behandelt, und warum? Weil sie sich
nicht schnell genug in das viele Glück",
wie es die Leute nannten, gesunde! In
den bangen Standen am Krankenlager
seiner Gattin gelobte er sich, ein anderer
zu werden.
Der TodeSengel zog vorüber. Frau
Kiese wurde dem Leben erhalten und
durste, wieder genesen, nach Herzenslust
schalten und walten und an der Seite
ihres Gatten glücklich sein.
Kiese selbst machte fortan einen edle
ren Gebrauch von seinem Reichthum,
indem er mit Ausopsernng sür das
Wohl seiner leidenden Mitmenschen
sorgte, was ihm wahre Befriedigung
gewährte und jene Anerkennung und
Auszeichnungen erwarb, ach denen er
früher sehnsüchtiges Perlangen getra
gen. I welchem Bebensaltcr ist der
' Mensch am stärksten?
Wie alle Organe unseres Körpers,
haben auch die Muskeln die Zeit ihrer
Entwickelung, ihrer Blüthe nnd ihres
Versalls. Die phvsische rast des Mcn
schen steigt bis zu einem gewissen Le
bcnsjahre, um daraus wieder zu sinken.
Bon Forschern auf dem Gebiete der
Menschenkunde wurde die Krast der
Muskeln mit Hülfe eigenartiger Dyna
mometer lKrastmesser) an Taufenjls,,
Personen gemessen, unb aus biese Weise
konnte ermittelt werden, wann wir jir.
der Fülle unserer Kraft stehen. Für die
Männer der weißen europäisch-amerika-nischen
Rasse ergaben sich dabei folgende
Werthe: Die Hubkraft" eines Jllng
lings von 17 Jahren beträgt im Durch
schnitt 128 Kilogramm, im 20. Lebens
jähre steigt sie auf 147 Kilogramm, um
im SO. und 31. Lebensjahre mit 164,2
Kilogramm ihren Höhepunkt zu errei
chen. Von da ab sinkt sie allmählich,
betragt aber noch im 40. Lebensjahre
131 Kilogramm. Ist erst das 50. Le
bensjahr überschritten, dann geht es ra-
scher abwärts, bis je nach der persönli-,
! chen Anl,ige bes Einzelnen bie Alters
schwäche eintritt. Neger unb Mulatten
zeigen einen ähnlichen Entwickelung z
gang ihrer Muskellrast, bei ben norb
amerikanischen Indianern tritt dagegen
bie volle Krastentsaltuug etwas später
ein; sie befinden sich im W. bis 44.
Lebensjahre auf der Höhe der Kraft.
Pommerschc Sltdscligkcit.
Zwei Pommern hatten verabredet,
mit einander zur Stadt zu gehen, es
marschirc sich zu zweien besser, auch
könne man ein Wörtchen schwatzen. Der
Pommer aber ist ein schweigsamer
Mensch, was cr spricht, ist nicht viel.
Wie sie also eine Weile stumm neben
einander gegangen sind, deutet der eine
nach rechts und nieint: Diene Arwke
staht god!" jDeine Erbsen stehen gut.)
Der andere nickt die Unterhaltung ist'
zu Enbe, beide besorgen in der Stadt
ihre Geschäfte und kehren bann mit ein
ander zurück. Da weift der andere un
terwegs auf die entgegengesetzten Seite
des Weges nnd sagt: Dien Flachs
awer ook!" (Tein Flachs aber auch.)
Ter Begleiter nickt unb so haben sich die
beiben aus einem ganzen Wege mitein
ander unierhalten.
Berschicdcne ufsassung.
Kaiser Nikolaus I, von Rußland traf
einst einen Mann sinnend vor der
Statue Peter's des Großen in Peters
bürg stehen und fragte ihn, worüber er
so tief nachdenke. ,
Ich möchte wissen," war die Ant
wort, warum der große Kaiser den
einen Arm nach dem Meere, den an-
deren nach dem Justiivalaste aus-
streckt?"
Das bedeutet," sagte der Kaiser,
daß Peter zugleich 'Beschützer des
Handels und der lijercchtigkeit gewesen
ist."
Ich danke für die freundliche Auf
klarung," entgcgnete der Fremde, ich
meinte, Peter habe andeuten wollen,
wer es hier mit der Justiz zu thun de
komme, möge sich schleuniast davon-
machen,
Ai,gl,ä'.
Förster:
Ich mochte gern noch etwas
teinisch ver'Iclü, lernt Franzosisch spie-
icno.
?cr b!aftk I?zxa.
Tochtcr qi'.m Vater, der eben von
einem Beiucb bei ibrem Brautiaam.