Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 13, 1896, Image 9

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    Durch llacht und Schnee.
Novelle!, e ooii l. ßfjtnn.
Du Tu liebst mich nicht? las
ist nicht wahr, Thcresc!"
Es ist wahr!"
Die Stimme des Mannes klang lei.
denschastlich, gepreßt; diejenige deS Mad
chenö ärgerlich, herausfordernd.
Sie stand vor dem ttami. Tie helle
Gluth beleuchtete die schlanke Gestalt.
Den Kopf hatte sie trotzig in den Nacken
geworfen; die großen braunen Augen
blitzten ; die rothen Lippen zitterten.
Der junge Mann, ihr Verlobter,
stand wenige Schritte von ihr entfernt.
Die Rechte umklammerte ganz Irampf
haft die Reitpeitsche man konnte
deutlich die geschwollenen Adern auf der
dunklen Hand sehen. Er war grok,
hübsch, ungefähr dreist! Jahre alt.
Sei edles Gesicht zuckte in Zorn und
in verhaltener Leidenschaft. Ein ade
res Weib würde vielleicht nicht gewagt
haben, diesen Auöbruch heraufzube
schworen! aber Thercse Halden besaß
ein heftiges Temperament und war
eifersüchtig. Sie hatte es sich einge
redet, daß ihr Verlobter zu der Tochter
des Oberst Werder viel zu liebenswürdig
sei. Erich Wilbrandt war stolz und
empfindlich, darum verschmähte er es,
den reuigen Siindcr da zn spielen, wo
er sich keines Unrechtes bewußt war.
Ulls ihn Thercse nun hcnte so schwer be
leidigt hatte, indem sie ihn der Untreue
zieh, hielt er es für unter seiner Würde,
auch nr ein einziges Wort zu seiner
Bertheidignng zu sagen.
Du wirst morgen hoffentlich anderen
Sinnes sein," sagte er ernst. Heute
scheinst Du wirklich nicht zu wissen, was
Du sprichst."
Ich weiß ganz genau, was ich
spreche," rief sie aus. Anderen Sin
nes werde ich nie werden. Tu kannst
Deine Freiheit zurück haben. Ich ich
liebe Dich nicht!"
Diese grausamen Worte schnitten tief
in des jungen Mannes Seele. Sein
Stolz gab ein wenig nach.
Du liebst mich nicht! Ich glaube das
nicht Therese!"
Ein spöttischer, trotziger Blick war
ihre Antwort.
Eine Weile lang blickte Erich Wil
brandt seine Braut tiefernst an, dann
wandte er sich zur Thür.
Nun," sagte er niit erzwungener
Ruhe, dann habe ich allerdings nichts
mehr zu erwidern." .
Rein, nur etwas zu nehmen. Tie
ses hier "
Sie streifte den Vcrlobungsring von
ihrem Finger und hielt ihn Erich hin.
Er stutzte. Dann färbte sich sein
Gesicht dunkelroth und ein unendlich
schmerzlicher Ausdruck legte sich um seine
Züge. Doch sosort ermannte er sich,
nahm den Ring aus ihrer Hand ent
gegen und blickte ihr fest und ernst in
die trotzig blickenden Augen.
' Wenn Du ihn jemals zurück haben
möchtest, dann wirst Du erst darum
zu bitten haben," sagte er mit kalter
Ruhe.
Er öffnete die Thür und verließ das
Zimmer.
Ei zorniges Lachen Therescs tönte
an sein Ohr.
Erichs Besitzung lag etwa eine gute
Stunde von dem Hause der Familie
Halden entfernt. Tcr junge Mann,
besten ganzes Innere von den wildesten
Stürmen durchwühlt war, ritt in toller
Hast nach Hause. Sein Hirn brannte,
das Herz zuckte in wehem Schmerz,
Doch fest preßte er dann die Zähne zu
sammen, um sich zu beherrschen. Wenn
Therese ihn wieder zu ihren Füßen
sehen wollte, dann dann mußte sie
erst vor ihn, knieen! Er hatte in der
That bisher zu viel von ihrer Eiscrsucht
erduldet. Jetzt war das Maß voll
es lief über. Und dennoch hatte er um
Alles in der Welt nicht sagen mögen,
daß es bester sei, wenn sie sich trennten.
Er liebte Therese mit der ganzen Gluth
seines Herzens, und er vermochte nicht
zu glauben, daß sie wirklich ihre Per
lobung im Ernst lösen wollte.
Aber Therese war es wirklich Ernst,
das Verlöbniß aufzulösen, oder sie
glaubte wenigstens, daß es ihr Ernst
damit sei. Sie war im höchsten Grade
aufgebracht und zum Unglück siir sie
nahm ihre Mutter auch noch ihre Partie
in dem Streit des jungen Paares.
Frau Halden war eine thörichte,
schwache Mutter, die ihr Kind schon von
frühester Jugend an verwöhnt und der
zogen hatte. Nur eins ärgerte die gute
Frau: daß ihrer Tochter nun die beste
Partie weit und breit entging. Denn
Erich Wildbrandt war der reichste un
verheirathete Rittergutsbesitzer in der
ganzen Umgebung, und Thercse besaß
nur ein kleines Vermögen.
Tie Nachbarschaft wußte in merkwür
big kurzer Zeit, daß Ehrich Wilbrandt
nicht mehr zu Haldens ging. Fräulein
Lucie . Werder freute sich hierüber un
gemein. Sie verdoppelte und verdrei-
. . . ri' C diM.n Xn
faa)i 10 rieoen-ivulvl"
reichen stattlichen Gutsbesitzer, denn sie I
war im Stillen schon längst neidisch auf ,
5k-k, newesen. trotzdem sie ihr dem ,
Anscheine nach in inniger Freundschast
zugethan schien.
Erich Wildbrandt war stiller und
schweigsamer geworden. Auch in Ge
scllichäften vermochte n nicht mehr so
heiter zu sein, wie früher. Toch das
ichreckte Luc nicht ab. Säpter würde
ihn i,mt das Alleinsein und die Lange-
weile plagen, und dann dann wollte j
fit sich ihin im besten Lichte zeigen.
zymik hatte tine Einladung zu,
einem kleinen Feste bei der Familie v. j
M Sonntagsgast,
Jahrgang I.
Werder angenommen. Es war ein
wilder, stürmischer Wiutertag. In
dichten Flocken wirbelte der Schnee vom
Himmel herunter und hüllte die Erde
in sein weißes Tuch. Dichter und
dichter wurde die Schnecschicht ans dem
Boden, bis sie wie es aus dem Lande
nicht selten vorkommt fast meterhoch
lag.
Am Morgen war das Wetter noch
ganz leidlich, und der Weg zum Werder
scheu Hause srei gewesen. Thercse hatte
sich dann auch frühzeitig aufgemacht,
um Lucie bei diesen und jenen kleinen
Vorbereitungen zu einem Feste behiilf
lich zu sein. Und sie loar gern sehr
gern gegangen! Trug sie doch im Herzen
die Hoffnung, Erich wiederzusehen! Sie
wollte ihm ' kalt, ganz kalt gegenüber
treten, damit er sehe, daß sie sich gar
nichts aus ihm mache. Denn es hatte
sie bitter gekränkt, daß er nicht einen
einzigen Versuch zur Versöhnung unter
nominell. Der Abend kam d der Schneesturin
war immer heftiger geworden. Weg
und Steg waren verschneit. Lucie's
Vater duldete es nicht, bckfskhcrcse in
solchem Wetter nach Hause zurückkehrte.
Man hatte also rechtzeitig zu ihrer
Mutter geschickt und diese benachrichtigt,
daß Thercse bei Werders übernachten
werde.
Erich Wilbrandt war nicht gekom
men. Gegen zehn Uhr verließ das junge
Mädchen das Gesellschaftszimmer, um
sich zurückzuziehen. Die Lust dort er
schien ihr so dicht, so schwül. Leise trat
sie in's Freie, um och ein wenig frische
Luft zu schöpfen. Es war ihr so bang
zu Muthe. Die Kälte that ihr wohl.
Im Grunde besaß sie auch eine so ge
sunde Natur, daß sie dieser schon etivas
bieten durste.
Die Nacht war dunkel, sternenlos.
Gespenstisch leuchteten die weißbeschneiten
Bäume und Sträucher aus der Finster
niß hervor. Jetzt war Therese an eine
kleine Anhöhe gelangt, die dicht neben
der Gartenmauer lag und nicht beson
dcrs hoch war. Neben dieser befand sich
die Parlthür.
Thcrese blieb stehen und blickte nach
denklich in die düstere Umgebung hinein.
Wie sie doch mit ihrer eigenen Stim
mung so seltsam harmonirte! Auch in
ihrem Herzen sah es so öde, so traurig
aus, wie hier in der ganzen Natur.
Plötzlich zuckte sie erschreckt zusammen.
Der Name Wilbrandt" war an ihr
Ohr gedrungen. Im Flüstertöne hatte
man ihn gesprochen.
Mit bang klopfendem Herzen, das
ihr die Brust zu sprcngea drohte, lauschte
sie angestrengt Da draußen standen
zwei Männer, die irgend einen Plan
besprochen. Sie konnte fast jedes Wort
hören.
Eine bessere Zeit giebt es nicht",
sagte der Eine von ihnen ich habe
mit der Küchenfee seit ein paar Tagen
ein Periiaiinin ic yai mir Alles
treuherzig erzählt es befindet sich
eine Menge baares Geld im Hause er
will das T sche Gut drüben damit kau
fcn Tie Tiencrschaft schläft im Sei-
tenqcbäude Störungen brauchen mir
also nicht zu sürchten Sein Arbeits
zimmer, dort liegt nämlich das Geld,
befindet sich im Erdgeschoß rechts
Seine Tante, eine alte Dame, die halb
taub ist, wohnt im ersten Stock Wir
steigen durch das Fenster in sein Ziin
mer Ist er zu Hause, so wird er so-
fort geknebelt Schießt er etwa aus
uns, nun dann geht es eben auf Leben
und Tod "
Also Punkt zwölf Uhr," erwiderte
die andere Stimme. Ein Wetter, sür
uns wie geschaffen Der Schnee
lallt also wird man Funipurcn
nicht sehen Toch nun komm, wir
wollen noch eins trinken, ehe wir an die
Arbeit gehen."
Therese kauerte sich schnell nieder, als
die beiden Männer draußen vorbeigin
gen und die Richtung nach der Tors
schänke einschlugen. Ihre Schläfen
hämmerten, der Kopf drohte ihr in
wahnsinniger Angst zu springen. Tas
Herz zuckte in bitterstem, unaussprech
licheil Schmerz. Sie hätte laut auf
schreien mögen Erich Wilbrandt sollte
angefallen, beraubt, vielleicht sogar er
mordet werden! Erst kürzlich hatte sie
von einem Einbruch gelesen, bei welchem
dem Uebcrsallenen ein Gleiches geschehen
war!
Barmherziger Himmel," stöhnte sie
leise, hilf mir, steh mir bei."
Jetzt, da sie das Gespräch der Per-
brecher mit angehört, war ihr die Binde
von den- Augen gefallen von den
Augen, die allein durch Trotz und Eiser
sucht verblendet waren. Sie dachte jetzt
nur noch an das Eine: daß der Geliebte
in höchster Ge'ahr schwebe! Ter Weg
war verschneit, aber der Himmel würde
ihr schon Krast verleihen, zu Erich zu
gelangen. Fort schnell fort ! An den
Schneefturm. der draußen wüthete.
dachte sie nicht. Auch nicht daran, daß .
Beilage zum Ncbraska Staats-Slnzeiger.
sie in der Tunkclhcit, die an und für
sich schon Schrecken in sich barg, ihren
Weg verfehlen, daß sie im Schnee der
sinken und umkommen könne. Sie
mußte das Gut erreichen, ehe die Mör
der dahin gelangten.
So eilte sie hinaus.
Sofort versank sie bis an die Knie in
den Schnee. Schwer athmend, keuchend
mußte sie dann und wann stehen dlei
den. Mehr als einmal fühlte sie sich
einer Ohnmacht nahe. Schon fürchtete
sie, umzusinken und im Schnee sterben
zu müssen. Aber der Gedanke, daß
Erich in Lebensgesahr schwebe, gab ihr
neuen Muth, Immer und immer wie
der raffte sie sich auf. Zugleich stieg
eine heiße Angst in ihrem Herzen empor.
Sie glaubte den Weg verloren z haben.
Unaufhörlich spähte sie durch die Dun
kelheit, um diese oder jene bekannte
Bannigruppe zu erspähen. Nein, Gott
sei Tank, sie hatte sich nicht verirrt!
Hier war die kleine Anhöhe, die sie schon
so oft erklommen und die zu dem Gute
führte. Mühsam bahnte sie sich den
Weg hinaus. Jetzt jetzt war sie oben
angelangt !
Zitternd an allen Gliedern, fiebernd
mit sämmtlichcn Pulsen stand sie da!
Sie hätte nach all der Qual aufjanch
zcu mögen, als sie das Haus erblickte.
Tort in seinem Arbeitszimmer brannte
Licht.
Sie mußte ganz leise vorwärts gehen,
damit die Verbrecher sie nicht bemerkten,
wenn sie etwa schon in der Nähe waren.
Endlich stand sie vor der Thür. Ihr
schwindelte. Schnell und heftig zog sie
an der Glocke. Toch in demselben Mo
ment brach sie auch kraftkos auf den
Steinstufen zusammen. Nur noch das
Klingeln hatte sie vernommen. Auch
das Zurückschieben des Riegels tönte an
ihr Ohr.
Ein Lichtschein siel jetzt Über die zu
sammeilgesunkene Gestalt und Erich's
Stimme, zitternd in feiner Todesangst,
rief:
Barmherziger Gott Du The
rcse!" Dann wurde sie von zwei starken
Armen umfaßt und fortgetragen, wüh
rend heiße Lippen sich auf die ihren
preßten.
Er bettete sie auf ein Sopha in einem
warmen Zimmer und schlang die Arme
um den Nacken des noch immer geliebten
Mädchens.
Allmählich kamen ihr die Sinne
zurück.
In fiebcrhaster Hast erzählte sie ihm
abgebrochene, unzusammen hängende
Worte. Sie flehte ihn an, er möge ja
Thüren und Fenster fest verschließen.
Wachen solle er ausstellen und Waffen
holen, denn sie" würden gleich hier
fein, sie" wollten ihn bestehlcn und
morden.
Wilbrandt ähnle den Znsammen
hang. Er sprang an' Fenster und ließ die
schweren Jalousien herab. Tann holte
er eine Flasche Eognac, mischte ein Glas
dieses Getränkes mit Waffcr und, den
Kopf Thercfe's auf seinen Arm bettend,
flößte er ihr den Inhalt ein. Trotz all
feiner Herzensangst hatte er auch nicht
einen Augenblick seine Geistesgegenwart
verloren.
Bist Tu sicher" hauchte sie matt
ganz sicher?"
Ja, mein Lieb, ganz sicher," flüsterte
er bewegt, indem er abermals seine Lip
pen auf ihren Mund Preßte.
Dann stand er auf und ging schnell
durch eine Seitenthür nach dem an
deren Flügel, um die Dienerschaft zu
wecken und ihr die nöthigen Befehle zu
geben.
Als er zurücklehrte, war Therese von
Neuem in eine Ohnmacht gesunken.
Er trug sie auf den Armen hinauf in
oas Jimmer inner aanic. xicie
brachte das junge Mädchen sosort zu
Bett, nachdem sie ihr mit Hülfe einer
Magd die völlig durchnäßten Kleider
ausgezogen.
In den wilden Phantasien Thercfe's
offenbarte sich denn mit aller Klarheit,
wie sie hinter den Anschlag gekommen
und welche Oual sie erlitten, um nur
noch zur rechten Zeit zu ihm gelangen
zu können.
Durch die Umsicht und Geistcsqeqen-
wart Erich's, der die Einbrecher erst ;
ruhig arbeiten" ließ, sie dann bei dieser
Bcschaitigung überrumpelte und ohne
viele Müh packte und knebelte, war die
Gefahr glücklich beseitigt worden. Man ,
hatte einen großen Fang gemacht, denn
die Missethäter waren die Anführer!
einer berüchtigten, wohlorganifirtcn j
Diebesbande, die weder vor Mord, noch i
sonst einem Verbrechen zurückschreckte,
um ihr verbrecherisches Ziel zu erreichen.
Seit mebreren Monaten war sie 6tr
Schrecken der ganzen Stadt und der!
umliegenden Törfer, sowie die größte;
Sorge der Polizeibehörde gewesen. !
Nun faß die Rotte glücklich hinter!
Schloß und Riegel und durfte hoffen. !
auf eine beträchtliche Anzahl von Jahren
dingfest gemacht zu werden.
,Dank der guten Pflege und ihrer ge
funden Natur war Therese am andcrcn
Tage, wenn auch matt und blaß, wie
der ziemlich wohlauf.
Tie llberstandenen Strapazen hatten
keinen nachthciligen Einfluß auf ihrc
Gesnndheit auszuüben vermocht.
Der Bote, der noch am vorherige
Abend zu Oberst Werder hatte gehen
müssen, um Therescs Abwesenheit und
die damit verbundenen Umstände zu er
klären, fand nicht Worte genug, die
Mühen und Beschwerden zu schildern,
die ihm der Weg verursacht. Und es
war doch derselbe, den das junge Mäd
chen i der stockfinsteren Nacht durch
Schnee und Sturm unternommen hatte.
Matt, kraftlos von den körperlichen
und seelischen Anstrengungen, lag The
resc auf einem Tivan, als am folgen
den Tage Erich Wilbrandt zu ihr in das
Zimmer trat.
Trotz des Verbots seiner Tante hatte
er sich nicht abweisen lasse. Leiden
schastlich bewegt neigte sich Erich über
sie und bedeckte ihr Gesicht mit heißen
Küssen.
Er hatte Mühe, die gewaltige Erre
gng, die ihn zu übermannen drohte,
zu unterdrücken.
Thercse schlang die Arme um seinen
Nacken, Thränen füllten ihre schönen
Augen.
Vcrgicb mir, Erich," flüsterte sie,
sich enger an ihn schmiegend, oh, der
gieb! Ich war so schlecht, so eigensinnig
an jenem Abend. Ich ich habe Dich
immer immer geliebt ich weiß es
heute ganz bestimmt "
Dir vergeben? . . . "
Der starke Mann zitterte. Er ver
mochte kaum zu sprechen. Es würgte
ihm die Kehle zusammen.
Tu gabst Dein Leben für das meine
mein Lieb T mein Alles in der
Welt und da hätte ich Dir etwas zn
vergeben?"
,,Jetzt bin ich glücklich unendlich
glücklich," murmelte Therese. Aber
nicht wahr T wirst mir meinen
Ring auch jetzt wiedergeben?"
Wenige Augenblicke später blinkte der
Reis an ihrem Finger,
Tie Kunde von der That des jungen
Mädchens verbreitete sich durch die ganze
Umgegend. Thcrese wurde die Heldin
des Tagcs. Erich war stolz auf sie.
Zwei Wochen später wurde die Ver
lobung gefeiert, und schon nach weiteren
vier Wochen fand die Hochzeit statt.
Weder Thcrese noch Erich haben die
Begebenheiten jener entsetzlichen Nacht
vergessen. Doch Beide sind einig in dem
Gedanken, daß eine höhere Macht sie, die
schon geschieden gewesen, aus diese Weise
wieder zusammensühren wollte.
Das Geheimniß.
Humoreske von War Hirschicid,
Ein Postbeamter der deutschen Haupt
und Residenzstadt Wolkendnrg sortirte
die eingelaufenen Stadtpostsachen. Unter
diesen fand sich eine einsache Postkarte
mit der Adresse:
Herrn August Schneider.
Wolkenburg.
Keine Straßenangabc! Der Beamte
schlug das Adreßbuch aus: S Sch
Schn Schneider. Da war nun zu
lesen:
Schneider Aug., Affeffor, Eichen
straße 5.
Schneider Aug., Juwelier, Fried
richsstraße 12.
Schneider Aug., Metzger, Bären
straße 84.
Ohne langes Besinnen schrieb der
Post-Beamte auf die Adreffenseite Eichen
straße 5. Und der Briefträger warf
die Karte in den Briefkasten des Astes
sors. Tas Tienstmädchcn nahm sie
heraus, las sie schmunzelnd im Eorridor
und trug sie dann hinein zur Frau As
scsior, einem hübschen jungen Weibchen,
das noch nicht ein volles Jahr verhei
rathet war. Tie Fra Affeffor las und
erröthcte bis unter die Haarwurzeln.
Tie besagte Postkarte aber hatte folgen
den Inhalt:
Lieber August! Wenn Tu das große
Geheimniß wiffcn willst, das Teine Frau
Tir so ängstlich verbirgt, so komme mor
gen Vormittag zu mir. Besten Gruß
Tein Eduard."
Tie Frau Affeffor drehte die Karte
bin und her, dann steckte sie sie langsam
in ihren Nahlasten.
Nach dem Ei'en sagte die junge Frau
zu ihrem Gatten:
Lieder August, ich muß Tir etwas
mittheilen, ehe Tu es von Andern ent
stellt ersährst."
Nur zu, liebe Helene."
Uns gegenüber, in dem Müller'schen
schon Hause wohnt ein Traqoncr-Lieute-nant.
Jedesmal, wenn Tu auf's Bu
reau gehst und ich mich mit einer Hand
arbeit an'i Fenster setze, tritt auch der
No. 3.
Lieutenant an fein Fenster, verbeugt
sich wiederholt, und und wirft mir
Kußhäudchcn zu."
Und Tu?"
Ich thue, als merke ich es nicht."
Du hattest vom Fcnster sortqchen
sollen."
Ich sehe so gerne auf die Straße"
Nun gut, das werden wir schon
kriegen."
Tcr Aiscssor ging wicdcr auf sein Bu
reau, d. h. nicht ganz, denn er bog um
die nächste Straßenecke und gelangte
über den Hof wicdcr in seine Wohnung.
In das Zimmcr trctcnd, winkte er der
am Fcnster sitzciidc Frau zu, sich ruhig
zu Verhalten, und als der Lieutenant
drüben mitte in den schönsten Verbeu
gungen und Kiißhändchen war, trat
der Assessor hinter der Gardine hervor
und gab dem Lieutenant die Verben
gungen und Kußhändchen mit Zinsen
zurück. Tas wirkte. Von dieser Zeit
an ließ der schneidige Offizier die Frau
Assessor unbehelligt.
Und jetzt kann ich Dir auch mit
ruhigem Herzen diese Postkarte ab
geben," sagte Frau Helene.
Ter Assessor las und schüttelte den
Kopf. K
Ich kenne keinen Eduard", die
Karte ist nicht, au mich gerichtet. Ich
werde sie dem Briefträger zurückgeben.
Der gewissenhafte Postbeamte diri
girte darauf die Karte an den Juwelier
Anglist Schneider auf dem Friedrichs
platz. Dieser Letztere hatte vor einem hal
ben Jahre eine Wittwe geheirathet,
welche auf, die Frage nach ihrem Alter
eine Zahl zwischen dreißig und vierzig
angab, während sie auf die Frage nach
ihrem Vermögen mit Stolz eher von
vierzig- als von dreißigtausend Mark
sprach. Wie gerne hätte Herr Schnei
der dieses Geld zur Verfügung gehabt,
um damit sein Geschäft zu vergrößern,
deßhalb hatte er eigentlich geheirathet.
Aber die würdige Tanie hielt den Dau
men auf die Talons und gab stets nur
die Coupons heraus.
Tas Ehepaar stand im Laden, als
die bewußte Postkarte anlangte, Herr
Schneider las sie' und die Gattin,
über seine Schulter sehend, ebenfalls.
Wunderbar!" rief Herr Schneider.
Eine Abscheulichkeit!" rief Frau
Schneider. Aber dieser Eduard" mag
seine Weisheit fiir sich behalten, ich
kann es Dir ebensogut sagen!"
Herr Schneider wurde aufmerksam.
Laß nur, ich werde schon hinter
Dein Geheimniß kommen!"
Er hatte bisher natürlich keine Ah
nung gehabt, aber schliß muß man
sein. Kurz und gut, die Frau zog
ihren Mann in das Nebenzimmer und
schloß es ab.
Tu hast also bemerkt," begann sie,
daß ich mich bei der Toilette von Dir
nicht gerne überraschen ließ?"
Gewiß habe ich es bemerkt." That
sächlich war ihm aber die Toilette der
Frau stets sehr gleichgültig gewesen.
Nun gut, ich gebe es zu, ich habe
vier falsche Zähne und einen falschen
Zopf. Willst Tu sehen?"
Unnöthig, aber weißt Tu. daß
diese Verheimlichung ein Scheidunqs
gründ ist?"
Frau Schneider erschrak. Juristische
Kenntnisse besaß sie offenbar nicht. Und
in diesem Schrecken versprach sie ihrem
Manne, ihm freie Verfügung über ihr
Vermögen zu geben, worauf sich die mo
ralische Entrüstung des biederen Gatten
sofort legte.
Aber nun mußt Tu mir auch sa
gen, wer jener niederträchtige Eduard"
ist."
Tas weiß ich nicht, liebe Frau, die
Karte ist offenbar an die falsche Adresse
gerathen."
Auf dem Wege über'S Postamt ae-
langte die Karte nun zum Actzgermei
ster Schncidcr in dcr Bärenstraße. Tie
Verkäuferin brachte sie ihm in die Wurst
kiichc. Falsche Adrcffe!" sagte dcr Meister,
legen Sie die Karte auf das Ladcnpult
und geben Sie sie dem Briefträger zu
rück, sobald er kommt."
Tas Ladenmädchen that, wie ihr ge
heißen wurde, aber als die Karte eine
halbe Stunde auf dem Pulte gelegen
hatte, war sie verschwunden.
Als dcr Meister nach gethaner Arbeit
die Zeitung las. trat seine Frau ein,
setzte sich ihm gegenüber und sagte mit
unendlich melancholischer Stimme:
.August!"
Nanu. Kathrine." lies der Meister
und ließ die Zeitung fallen, ist 's schon
wieder da? Soll ich Tir Hofsmanns
tropfen "
Nein, laß nur, August. Hast Tu
die Karte von Eduard" gelesen?"
Tie Karre von ? ' Ach so. die
meinst Tu? "
August, ich will Tir Alles gegeben.
Tas Geld, das Tir immer aus der La
denkaffe entschwand "
Kathrine!"
Ja, das hab' ich selbst genommen,
weil Tu doch immer so über die Putz
machcrrechuuuge schimpftest "
Und T ließest zu, daß ich das La
dcuniädchc vcrdächtigtc und beinahe
entlassen hätte? Warum sprachst Tu
nicht früher?"
, Ich hatte dc Muth nicht, aber als
die Karte ankam "
Ach, die Karte, die ist ja gar nicht
an mich gerichtet, die bekommt der Brief
träger zurück.
Tie vcrhangnißvolle Postkarte lag
wicdcr im Postamtc. Ordnungsmäßig
sollte sie dem Absender als unbestellbar
zurückgegeben werde. Aber wer war
dcr Absender? Zunächst stellt man das
Postamt fest, aus welchem die Karte aus
gegeben wurde. TaS war mittelst des
Stempels nicht schwer herauszukriegen.
Tann kam die Karte wicdcr mit anderen
unbestellbare Sachen vor den Post
direktor des betreffenden Amtes.
.,Tiese Handschrift sollte ich doch ken
neu," sagte er sür sich, und plötzlich de
sahl er einem dcr Schreiber im Bureau,
seinen Sohn zu rusen. Des Postdirek
tors Sohn war Student, und da es
ziemlich bekannt war, wo er studirte,"
holte man ihn rasch ans dem goldenen
Löwen".
Hast Du das geschrieben?" fragte
dcr Direktor, die Karte zeigend.
Allerdings," crwidcrte dcr Student
verlegen, Tu wcißt, ich bin Schrift
wart bci unserem Eorps, und da unser
Senior beim Frühschoppen den Gedan
ken hatte, einige Ulkkarten zu schrei
den "
Gut, gut. hier hast Tu die Karte
als unbestellbar zurück. Laß aber in
Zukunst solche Dummheiten!" Und bei
sich dachte er:
ES lebe die Findigkeit dcr Post!"
Tcr Kronprinz von Amerika.
In einem großen Berliner Kaffee
haus, in welchem dem Billiardspiel mit
lebhaftem Eifer gehuldigt wird, fpielten
unlängst zwei Herren eine Karambolage,
während eine große Korona mit ge
spanntester Ausmerksamkcit das Spiel
verfolgte und mehr oder weniger laut
die einzelnen Bälle" iritisirte. Diese
Gewohnheit beim Billardspiel gefiel je
doch dem einen der beiden Spieler nicht,
und als einer der Zuschauer, wie jener
einen Ball ausließ" halblaut sagte:
Der war schlecht gespielt", trat er in
straffer Haltung an den Sprecher heran
und sagte mit erhobener Stimme:
Wie können Sie sich mir gegenüber
eine solche Bemerkung erlauben, ich bin
der Baron von B Witz." Der also
Angeredete ein Amerikaner ver
beugte sich artig und cntgegiiete ebenso
laut: Freut mich sehr, Ihre Bekannt
schaft zu machen, ich bin dcr Kronprinz
von Amerika."
Nun halte er die Lacher auf seiner
Seite, und die Stimmung, welche un
gemüthlich zu werden drohte, war wie
der hergestellt.
Dcr Lurus in Handschuhe.
In England werden jährlich 3 Mil
lionen Handschuhe erbraucht; drei Vier
tcl davon, so erzählt Woman's Life"
seinen schöne Leserinnen, gehen in den
Besitz der Tarnen über. Von der Aus'
dchnung dcr Handschuhsabrikation ma
chen sich wenige Lente einen, rechten Be
griff; eine englische Firma allein be
schastigt direkt und indirekt 50,000 Per
Ionen, und in Worcestcr allein bedecken
Handschuhsadriken eine Strecke von acht
Kilometern. Manche Engländerinnen
sind sehr verschwenderisch mit Hand
schuhen; 150 fiir Handschuhe gilt als
eine bescheidene Summe, einige Ladies
dringen es fertig, $500 in Handschuhen
aufgehen zu zaffcn. Es ist das kein so
großes Kunststück, wenn man bedenkt,
daß das Paar feinster Qualität über
s!0 kostet. Eine große Tame muß na
türlich unter ihrer Toilette gleich einen
ganzen Laden voll Handschuhe haben.
Bei der Auktion der Ausrüstung der
Herzogin von Somerset wurden über
2000 Stuck versteigert!
Alte Aerjtc.
Tas Journal de Wrhisittp" führ
drei Fälle von Langlebigkeit bei Aerzten
aus. Tcr erste derselben ist her 1B
jahrige Tr. Boissi, in Le Havre. Der
zweiie in i.r. saun in Rockland. im
Staate Maine. der jetzt mit 9 Jahren
noch praktizirt. Ein eifriger Anhänger
des Vegetarismus, trinkt er nichts als
Wasser. Milch oder Ehocolade; Thee,
Kaffee UNd Liauöre erwirst tr hnflitiin.
big. Tcr dritte ist Tr. W. Salmon,
in er wracya,t Gtamorgan l -chott
land), dcr bcrcitS seinen li1.. Geburt.
tag gefeiert Hat.
8rct.
Wilhtilsir.r tt.r S4 ..........
lufuii ucii tiuiifru
Wrti'hmittnn hi mim lttl5 m: r;..t
? "n wmiii vsmiic citi
gelangweilt): Wollen Sie sich denn
nicht endlich 'mal eine RadfaHrerzeitung
d (l;:it. li.
V"1 KMUlJf
Wirth: Werd' ich mich schön hü
trn ta.nn CZ'f 4. (.:;
" ll4 IIUl ItlllUC
habcn, verzehren Sie ja gar nichts
?elbserkcnnmisi.
Richter: Nun. Angeklagter, was
haben Sie zu den Auslastungen des
Herrn Staatsanwalls zn sagen ?"
Angeklagter: .ch hätte nie ge
glaubt. Herr Präsident, daß ich so'n
Subjekt bin."