Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 30, 1896, Image 11

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    Urgroßmittterchcn.
Jioch dcm ;Hii(fij(!)fu beä ft. M, T!i)lojnit.
i llutte mich verspätet. Es schlug
Mittag, d schnell eilte ich aus die
Strasse. Sfaurn alte icl) ein paar
Schritte emacht, als ich eine steinaltc
Frau bemerkte, die ganz dürft an
einem Stock einherging. Als sie an der
Bank des Twarnik anlangte, die sich
neben dem Eingang eines jeden Hauses
bcsindct, siel sie darauf nieder, so er
schövft war sie. Ich ging schnell an
ihr vorüber. Dann holte ich mir bon
dem Schuhmacher die Schuhe, die er
diese Vorgen für meine kleine Sonja
fertigzustellen versprochen hatte. Als
ich den l'aften des Schuhmachers vertief!,
wer war die erste Person, die ich sah?. .
die kleine alte Frau, die jetzt wieder auf
der Bank eines anderen Hauses saß.
Kurze Zeit später, als ich auf dem
Reivskl'Prospkkt aiiaclangt war, it
merkte ich ein großes Plakat und trat
naher, um es zu lesen die kleine Alte
war auch schon wieder da! Erschöpft
lehnte sie sich an den !v!auervorsprung
eines Hauses, da hier eine Ban! sehlte
Die arme ffrau war ganz außer Athem
ffast unbewußt ging ich auf sie zu
und blieb stehen, um sie naher zu be
trachten. Warum," fragte ich mich,
ruht sie sich so ost aus?"
Du scheinst müde zu sein, gute, alte
rau!" sprach ich sie an.
Das will ich glauben, mein Bester!
Man wird in meinem Alter schnell
milde, und dann ist es auch so hei.
Ich will bei meiner Enkeliu zu Mittag
speisen.
Ah, Du bist eingeladen?"
Ja, mein Lieber, bei meiner Ente
Im."
Aber wenn Du Dich immer aus-
ruhst, so kommst Du ia niemals bin!
Oh doch! Ich habe Zeit! Ich ruhe
mich auf jeder Bank ein bischen und
gehe dann weiter!"
Ich betrachte sie naher. Wie alt sie
war! Aber dabei so ander! .ihre ab,
tragenen Kleider waren reinlich und
ordentlich, ihr Rock fast kokett. Die
Haut ihres Gesichtes klebte wie altes
Pergament an den Knochen, ihre Lippen
waren bleich und dünn, und man hatte
sie für eine Mumie halten können,
wären ihre sanften, guten, lächelnden
Augen nicht gewesen.
Wie alt bist Tu denn. Mütterchen?"
Ich bin 104 Jahre, mein Bester,
erst 104!" versetzte ne mit chlauem
Lächeln.... Und Tu? wo gehst Du
hin?"
Ich will meinem Töchterchcn diese
Schuhe bringen."
Ach, wie niedlich sie sind!" sagte sie,
und streichelte die Schuhe mit der linken
Hand: sie ist wohl noch recht klein
Deine Tochter? Hast Du noch andere
Kinder?"
Sie lächelte mir beständig mit ihren
lieben Augen zu und ich bot ihr ein
Geldstück an.
Willst Du dies ffünfkopekenstück.
Mütterchen? Du kannst Dir dafür ein
kleines Brod kaufen." Sie zögerte zu
erst.
Nun denn, ich nehm's!BeftenDank!'
Ick) begriff: sie nahm es nicht als Al
mosen, sie sah nicht so aus, als wenn
sie betteln wollte, sondern sie betrachtete
es als eine ihrem Alter gezollte Aus
merksamkcit, und nahm es nur, um
mich nicht zu verleben.
Na Adieu, Mütterchen !" sagte ich
dann, komm recht bald zu Deiner
Enkelin !"
Ich werde ganz sicher hinkominen,
und Tu beeile Dich auch, damit Tu
Dein Töchterchen wiedersiehst ! Oder ist
es vielleicht gar Deine Enkelin?"
Ich mußte lachen! Sie hielt mich
also auch schon für einen Großpapa !
Nachdem ich einige Schritte gegan
gen, wandte ich mich um, um sie noch
einmal zu sehen. Sie erhob sich schiver-
fällig und mühsam in diesem Augen-
blick, klopfte mit ihrem Stock auf das
Pflaster und sing an, weiterzugehen.
Um zwei Uhr ging ich zu meinem
Friseur; aber wie groß war meine
Ueberraschung, als ich die kleine Alte in
den Laden treten sah. Sie war außer
Alhem und ihr Stock zitterte ihr in der
Hand.
Da bist Tu ja, Großmütterchen !"
sagten sogleich drei kleine Kinder, ein
Knabe und zwei Mädchen, und fingen
an, unter lautem Händeklatschen um die
Alte herumzuspringen.
Tie Kinder und die Großmutter
lächeln sich an, dieselbe Freude verklärt
ihre hübschen kleinen Gesichter und die
abgelebten Züge der Alten, ihre naiven
Herzen verstehen sich. Sind doch die
Enkel der Trost der alten Leute !
Tie Großmutter läßt sich aus einen
Stuhl fallen und betrachtet neugierig
einen Ardeiter von etwa vierzig Jahren,
der bei dem Friseur zu Besuch ist. Ich
sitze im Hingrunde des Ladens, außer
dem entzieht mich der Lehrling, der mir
die Serviette um den Hals geschlungen
bat, ihren Blicken.
Ach. wie müde ich bin!' sagt die
alte Großmutter ; aber wer ist denn
das?"
Sie erkennen mich also nicht wieder,
Maria Mazimowna?" versetzt lachend
der Arbeiter. Und dabei wollten wir
doch vor drei Jahren Ehampignons
pflücken gehen ! Sie hatten mir weig
jtenS versprochen."
.Ach, sieh' doch einer den boshaften
Spötter an !" entaeanete die Alle, mit
dem Singer auf ihn zeigend; gewiß.
erinnere ich mich meines Versprechens,
aber Deinen Namen weiß ich nicht
mehr. Auf jeden Fall werde ich heute
nicht gehen, den ich fühle mich zu er
schöpft und weiß gar nicht warum."
Ich hasste, Sie würden seit unserer
letzten Begegnung etwas gewachsen
sein," suhr der Arbeiter heiter fort.
Hansnarr!" erwiderte die Groß
mutier, ganz glücklich darüber, daß
man sich mit ihr unterhielt.
Ich bin kein Hansnarr, Maria
Mazimowna, das kann ich fest vcr
sichern I"
Das sehe ich wohl, und darum habe
ich Deine Späße ganz gern."
Sie stöhnt auf:
Wie schwer mir das Athmen wird!"
In diesem Augenblick geht der Neffe
des Friseurs an ihr vorüber, um sich in
die Druckerei zu begeben, wo er Lehrling
ist, und sie meint:
Ihr habt Sergius also einen neuen
Paletot machen lassen?"
Dann schöpfte sie von Neuem müh-
sam Athem.
Du solltest lieber etwas Stärkendes
zu Dir nehmen, anstatt so viel zu
schmatzen, Maria Maximowna! Du
scheinst so müde! versetzte der Arbeiter
Es ist mir so furchtbar heiß, mein
lieber greund, es in o chönes Wet
ter, daß ich nicht im Bette bleiben wollte
und mich entschlo en habe, Euch einen
Besuch zu machen. Da traf ich unter
Wegs einen Herrn, der für sein Töchter
chcn Schuhe gekauft hatte; er sah mich
und sagte zu mir: Wie erschöpft Tu
aussiehst, meine gute, kleine Alte!"
Dann hielt er mir süns Kopeken hin
Ich gebe sie Dir, damit Du Dir ein
kleines Brod kaufen kannst!" meinte er,
und ich habe die fünf Kopeken genom
men." Nun, Großmütterchen, ruhe Dich
aus .... Du sprichst zu viel ich habe
Dich nie so erschopst gesehen!" fuhr der
Friseur fort und drückte ihr mit unruhi-
gcr Miene die Hand.
Die Alte war erblaßt und ihre Lippen
waren ganz weiß geworden, während
ihr wirrer Blick von einem Anwesenden
zum andern schweifte, die sie entsetzt de-
trachteten.
Dann habe ich also die fünf Kopeken
genommen, um den Kindern Kuchen zu
kaufen...."
Ihr keuchender Athem zerriß das
Schweigen des Zimmers.
Hast Du Schmerzen, Großmutter?"
sagte der Friseur und neigte sich besorgt
über sie.
Die Großmutter antwortet nicht, sie
wird ganz weiß, und die Knochen ihrer
Wangen scheinen aus dem Gesicht treten
zu wollen. Plötzlich wird ihr Blick starr,
um ihre Lippen spielt ein Lächeln, sie
blickt, aber sie sieht nichts mehr.
Sie sollten einen Priester holen
lassen," sagt der Arbeiter leise zu dem
Friseur.
Ich befürchte er kommt zu spät,
versetzt der Friseur noch leiser.
Die Frau des Friseurs begreift Alles
und ruft: Großmutter, Großmutter!
Die Alte bewegt sich nicht, ihr Kops
ist auf die Hand zurückgesunken, die sich
auf die Tischkante stützt; noch immer
hält sie die fünf Kopeken fest; die andere
Hand liegt auf der Schulter ihres Lieb
lings, des sechsjährigen Mich, der sie
mit seinen schönen Äugen anblickt, die
durch unklare Furcht nur noch größer
geworden sind.
Der Friseur hebt nun den Kops der
alten Frau in die Höhe, lehnt ihn auf
ein Kissen, bekreuzigt sich und sagt mit
zitternder Stimme: Sie ist todt!"
Das ist nicht möglich," versetzte der
Arbeiter, schnell neben die Alte tretend,
ich sah wohl, wie ihr Kopf sich neigte,
aber das erwartete ich doch nicht!"
Und dabei betrachtet er alle Anwesen
den mit entsetzter Miene.
Tie Frau des Friseurs ist so verwirrt,
daß sie ausrust: Was sollen wir nun
thun? Wollen wir sie nach ihrer Woh
nung schaffen, Markowitsch?"
Warum?" antwortete ihr Gatte, ist
sie nicht unsere Verwandte? Es ist
unsere Pflicht, sie anständig zu begra-
den Aber vor allen Tingen müssen
wir die Polizei benachrichtigen."
104 Jahre alt zu werden, sagt der
Besucher bewegt, das ist ein schönes
Alter!" Und er wird ganz roth, so er
schüttelt ist er.
Ich glaubte, der Tod würde sie ver-
gcsjen!" meint der Friseur.
und vor kaum fmis Diinuten lächle
und scherzte sie noch mit mir, die arme
Alte und in der Hand hält sie noch
die fünf Kopeken des Herrn, die sie den
Kindern schenken wollte.. .. Ach, wie
wenig ist doch das Leben vor der Macht
des Todes!"
Ich bin glücklich," fährt der Friseur
fort, daß sie in unserer Mitte gestor
den ist; sie hat den Kindern noch zuge
lächelt, wie ein Segen hat ihr Lächeln
auf uns geruht. Begleiten Sie mich,
Pietr Sentjanowitsch,!"
Tie beiden Männer verlassen den
Laden, um das Begrätniß zu besorgen.
Der Tod eines Hundertjährigen dk
trübt nicht lange. Als die Neuigkeit in
dem Viertel bekannt wurde, kamen die
Nachbarinnen nd halfen der Frau des
Friseurs, der Urgroßmutter die letzte
Ehre zu erweisen.
Wahrend sie die Todte ankleiden,
plaudern sie, und scheinen ihr trauriges
Amt fast als eine Zerstreuung zu be
trachten. Ter Samowar wird angezündet und
man trinkt viel Thee.
Nur die Kinder bleiben tiefbewegt.
Sie bilden eine reizende Gruppe, wie sie
sich alle Drei in eine Ecke kauern und
ihre alte leblose Urgroßmutter bc
trachte. Ich glaube, sie werden diese Stunde
nie vergessen, namentlich Mich, der das
letzte Zittern der alten Hand auf feiner
Schulter gefühlt hat. Er wird sich fein
ganzes Leben lang an diesen Augen
blick erinnern: aber wenn an ihn die
Weihe kommen wird, zu sterben, wer
wird dann dieser alten Frau gedenken,
die 104 Jahre lang gelebt hat?
Warum hat sie so lauge gelebt?
Wie viel solcher Wesen giebt es wohl,
die so unbekannt dahinleben, daß man
kaum sagen möchlc, sie athmen wie die
Anderen' und stcrken, ohne eine Spur,
ohne ei:!e Lücke zu hinterlassen!
Und doch welch' hohe Lehre bietet das
Leben eines Hundertjährigen! Und
welch' tiefer Friede ruht in dem Tode
eines solchen! Wie tief erschütternd
wirkt er und welchen unauslöschlichen
Eindruck von Achtung und Zärtlichkeit
läßt er zurück!
Erfüllter Auftrag,
Nicht wenig erstaunt war Tante
Bärbel, als sie eines Tages von ihrer
lieben Nichte, die seit Kurzem mit einem
jungen, liebenswürdigen Arzt vermählt
war, folgenden Brief erhielt :
Liebe Tante Bärbel!
Du kannst Dir nicht denken, in wel
cher Angst und Unruhe ich bin. Drei
mal habe ich bereits an meinen Mann
geschrieben, ohne eine Zeile zu erhalten.
Ich bin so nervös geworden, daß ich
dem Zimmermädchen besohlen habe, das
Aquariuin aus der Stube, welche ich
hier im Kurhause bewohne, zu entscr
nen, weil mir die Goldfische zu laut
sind. Wie ist es nur möglich, daß ein
Mann bereits nach einjähriger Ehe so
rücksichtslos sein kann? Oder sollte er
etwa krank sein? Thu' mir den einzigen
Gefallen, liebe Tante, geh' einmal hin
und sieh', wie es steht. Ich hoffe, er ist
nicht unsolid geworden, das wäre mein
Ende. Auf Dich vertrauend, grüßt
Dich herzlich.
Deine Helene."
Dacht' ich mir's doch," sagte Tante
Bärbel, nachdem sie diesen Brief ge
lesen hatte, die Männer sind einer wie
der andere, sie taugen alle nichts."
Darin hatte sie'Recht. War es doch
z. B. keinem Manne auf der Welt ein
gefallen, Tante Bärbels Hand zu be
gehren. Daß er gesund ist, weiß ich," setzte
Tante Bärbel ihr Selbstgespräch fort,
et übt ja seine ärztliche Praxis ganz
munter aus. Ich gehe noch heute Abend
hin, da wird er natürlich nicht zu Hause
sein, sondern in der Kneipe, und ich
kann die Köchin ruhig aussragen."
Tante Bärbel ging also des Abends
hin. Vor der Haüsthüre stand ein
Maurergeselle beschäftigt, eine Oeff
nnng in der Mauer mit Mörtel zu der
kleistern. So spät noch bei der Arbeit, Mei
stet?" fragte die Tante, denn sie liebte
es, die Leute auszufragen.
Ja," brummte der Geselle, der Herr
Doctor hat uns keine Ruhe gelassen."
Wie? Der Herr Doctor? Mei
nen Sie den Arzt, der hier im Hause
wohnt? Was hat der mit dem Loch in
der Mauer zu thun?"
Wenn der Herr Dortor in der Nacht
aus der Kneipe nach Hause kommt, ver
wechselt er dies Loch immer mit dem
Schlüsselloch."
Die Tante wollte im ersten Augenblick
nach dcm Telegraphenamt eilen, um
diese unerhörte Nachricht ihr mitzuthei
(en. Jedoch besann sie sich und stieg die
Treppe hinauf, um bei der Köchin das
Material zu vervollständigen.
Ist der Herr Doctor zu Hause?"
Jawohl," sagte die Köchin und öff-
nete die Thür zum Salon.
Am liebsten wäre die Tante in die
Erde gesunken, und zwar vor Scham
über das gottlose Leben ihres Neffen.
Mitten im Salon stand ein weißgcdeckter
Tisch, aus ihm eine gewaltige Bowle
und ringsherum saßen mehrere junge
Leute, welche ein eben angefangenes
Trinklied beim Eintritt der alten Dame
unterbrachen.
Liebste Tante," sagte der Neffe auf
sie zueilend, das ist wirklich samos.
daß Tu mich auch einmal besuchst. Hier
stelle ich Tir meine ehemaligen Studien
genossen vor, welche, aus einer Ferien
reise begriffen, einen Abstecher zu ihrem
alten Freunde gemacht haben. Na, ich
konnte die Jungen doch nicht so trocken
sitzen lassen. Nun aber komm', Tante,
setz' Tich und trink' ein Glas Bowle
mit."
Wo werd' ich denn!"
Aber. Tantchen, zier' Tich doch
nicht.'
Bitte, bitte, gnädige Frau," sagten
die Studenten und rückten zusammen.
Sie wußte nicht, wie ihr geschah, sie
saß plötzlich an der Tasel und trank von
der Bowle, welche übrigens dem Ge
schmack ihres Neffen alle Ehre machte.
Und beim Trinken, beim Gesang, beim
Geplauder wurde ihr so wohl, so wohl,
sie fühlte sich in ihre Jugendzeit zurück
versetzt. Alle tranken ihr zu, und Allen
mußte sie Bescheid thun.
Plötzlich erwachte Tante Bärbel und
blickte verstört um sich. Was war das?
Tie saß im Lehnstuhle, um sie herum
leere Sessel, eine leere Bowle, ausge
trunkene Glaser
Der Wagen wartet schon so lange
unten."
Welcher Wagen. Kathrine?" fragte
Tante Bärbel erschreckt die Köchin, welche
in der Thüre stand.
Der Herr Doctor hat eine Droschlc
bestellt, und sobald Sie ausmachen,
sollte ich Ihnen sagen, daß Sie nach
Hause sahrcn können, wenn Sie wol
lcn." Allmählich wurde der alten Dame die
Situation klar. Sie hatte wahrhaftig
mehr Bowle getrunken, als sie vcrtra
gen konnte. Sie fuhr nach Hause,
schlief bis in den Vormittag hinein und
schrieb schließlich an ihre Nichte Fol
gendcs :
Liebe Helene !
Dein Mann ist gesund und läßt Dich
grüßen. (Hier erröthctk Tante Bärbel.
Es war eine der erste Lügen ihres Le
bcns.) Was aber seine Solidität be
trifft, so kann ich nur sagen, er ist soli
der als Deine
Tich herzlich grüßende
Tante.
Berliner Bolkswiiz.
Berlin wird von Jahr zu Jahr ärmer
an Originalen", aber der Berliner
Volkswitz' wenigstens ist geblieben.
Ueber ihn hat Biktor Laverrcnz neuer
dings Humoristische Studien" vcröf
fenilicht, die neben guten Bekannten
auch manche Neuheiten enthalten. Wo
sind heute die früher weit verbreiteten
Pantinen geblieben, nach denen die Ge
gend vor dem Hamburger Thore das
,Pantineniertel" genannt wurde, weil
die dort wohnende ärmere Bevölkerung
sich mit Vorliebe dieses Fußzeuges be
diente. Auch eine Pantinenschulc" gab
es einst. Mit den Pantinen verbindet
der Berliner noch jetzt den Begriff des
Starken, Jmponirendcn. So sagt er
z. B. : Du, det sag' ick meinem jroßen
Bruder; der hat Pantinen an!" In
AltBerlin gab es auch eine Böhmische
Walachei", so nannte man nämlich den
Theil der Wilhelmstraße von der Pult
kamerstraße bis zum Halleschen Thor,
weil dort in allen Häusern böhmische
Weber wohnten; die böhmische Kirche
erinnert ja noch heute daran. Damals
mußte auch noch Jeder, der durch ein
Berliner Thor wollte, dem Thorschreiber
über Namen und Ort Rede stehen. Als
einst der sächsische Gesandte von Globig
hinein wollte, gab es folgenden Zwi
schenfa. Wie heißen Sie?" Ich
bin der sächsische Gesandte Globig,"
Ach wat jloob ich. Tat genügt mir
nich. So wat muß man doch wissen."
Aus der Franzosenzeit stammt die
Redensart: Nun, Kuhnheim, rede
Du!" Napoleon hatte dem Kaufmann
Berend (Unter den Linden 15) Lieferun
gen übertragen; in dieser Angelegenheit
mußte Berend dem Gouverneur von
Berlin, General Hulin, einen Besuch
machen und nahm, da er außer einer
Vorstellungsphrase kein Wort franzö
sisch konnte, seinen Buchhalter Kühn
heim mit. Er machte dem Gewaltigen
seine Verbeugung und sagte: "Je suis
je riche banquier Berend de Ber
lin. Nu Kuhnheim, rede Du!"
nahm sich einen Stuhl nnd schmieg.
In das Gebiet der blutigen Kalauer
gehört die Frage: Welcher Unterschied
ist zwischen dem Brandenburger Thor
und einer Violine? Antwort: Die Vio
line hat eine G-Saite, aber das Bran
denburger Thor hat zwei Geh-Seiten.
Mit dem Glockenspiel auf der Kloster
kirche bringt man folgende Aeußerung
eines Lederfritzen" in der Klofterstraße
in Verbindung: Kaum hat man 'nen
Käufer erwischt und will ä Keschäftche
machen, gleich fangt das Glockenspiel
an: Ueb' immer Treu' und Redlich-
keit!"
ein Tctekttv.HistSrchk.
Von einer Dame und einem Herrn,
die zusammen auf der Eisenbahn fuh
ren, wird folgende ergötzliche Anekdote
berichtet:
Beide waren einander fremd. Nach
längerer Unterhaltung begann der Herr:
Darf ich Sie wohl bitten, Madame,
auf kurze Zeit zum Fenster hinauszu
sehen? Ich möchte etwas an meiner
Toilette ändern."
Recht gern, mein Herr," erwiderte
die Dame schnell, indem sie schon aus
stand und dem Begleiter den Rücken zu
wendete. Schon nach wenigen Minuten sagte
dieser: Ich bin fertig, Madame; wol
len Sie gefälligst wieder Platz nehmen?"
Als die Dame sich umkehrte, sah sie
zu ihrer Verwunderung, daß ihr männ
licher Begleiter sich in eine elegante
Dame verwandelt hatte, die einen dichten
Schleier vor dem Gesichte trug.
Und nun. mein Herr oder meine
Tame, was Sie eben fein mögen." sagte
jetzt die Tame. möchte auch ich Sie
bitten, das Gesicht dcm Fenster zuzu
wenden, denn ich möchte ebenfalls eine
Aenderung an meiner Toilette vornch
men." Gewiß. Madame," nd der Herr in
Frauentracht drehte sich nach der ande
nn Seite ab.
Nun können Sie Ihren Platz wieder
einnehmen."
Zur größten Verwunderung bemerkte
jetzt der verkleidete Herr, daß sich feine
Rcifegefellschafterin in einen Mann der
wandelt hatte. Er brach in helles La
chcn aus und sagte: Es scheint, wir
befinden uns Beide auf der Flucht.
Was haben Sie denn begangen? Ich
habe eine Bank bcftoblen."
Und ich." erwiderte die frühere
Tame. dem anderen schnell ein Paar
Handschellen umwerfend, ich bin der
Tetertw I aus Amsterdam, der
Ihnen schon einige Tage aus den Fersen i
war, und nun" einen Revolver her
vorziehend rühren Sie sich nicht von
der Stelle!"
Haarnadeln.
Die civilisirte Frauenwelt hat die
Haarnadeln schon seit so langer Zeit sür
unentbehrlich angesehen, daß es merk
würdig erscheint, zu finden, daß die ein
geborenen Indianerinnen solche niemals
gebrauche. Die Mädchen in Madras
nd in Bengale, die ihr lange? Haar
vor dem Flechten einölen und es zu
einem hübschen mit einzelnen Blüthe,!
geschmückter Knoten binden, verzichten
aus Haarnadel ebenso, wie die schwer
arbeitenden Kol- oder Santhalsrauen,
die den Tag über auf dem Felde thätig
sind, nachdem sie das Haar in einen
festen Knoten eingebunden haben, der
auch aushält, bis sie ihn selbst lösen.
Die hübscheste Haartracht in Indien
sieht man a der Malabarküste, wo die
Nayarfraucn ihr weiches, üppiges Haar
nur zusammendrehen und daraus eine
Rolle bilden, die kokett an der linken
Seite des Kopfes getragen wird, wo sie
ohne Haarnadeln fest sitzt.
Andcrcrseits stecken die Frauen an der
Westküste Afrika's verschiedene, in drei
eckige Metallplattcn auslaufende Nadeln
in ihr Wollchignon. Diese metallischen
Anhängsel sind ganz scharf geschlissen
und werden gebraucht, um das Haar da
abzurasiren, wo es nach westasrikani
scher Sitte unerwünscht ist. Sie haben
indeß auch einen anderen Zweck: diese
Damen von etwas amazonenhaster Na
tur gebrauchen die Metallplattcn zuwei
len als Angriffs und Berthcidiguugs
Waffen bei Strcitigkciten unter einan
der. Der renzhase.
Es ist in meinen Augen eine sest
stehende Thatsache," bemerkt Professor
Klugermann in einer Gesellschaft, daß
Grcnzbewohner dadurch, daß sie mit ei-
ner anderen 'Nation beständig in Bcruh
runq kommen, allmählich ein bedeuten
des Sprachtalent erlangen und über-
Haupt an Intelligent gewinnen!
Da haben Sie sehr recht," stimmte
ihm der Oberförster Knollig bei: das-
selbe trifft aber auch bei den Thieren zu
Ich kann Ihnen da einen Vorfall bc
richten, der mir selber begegnet ist und
für dessen Wahrheit ich persönlich ein
stehe! In jüngeren Jahren", so er
zählt der Oberförster, lebte ich längere
Zeit im Elsaß. Eines Tages kam ich
während eines Jagdaiisfluges in die
Nähe der französischen Grenze und sehe
da einen Hasen sitzen, der mir den
Rücken zukehrt; ich schleiche mich vorsich
tig heran, immer näher, und schon er-
hebe ich die Flinte zum Schuß da be,
merke ich und nun staunen Sie, meine
verchrten Herrschasten! da bemerke ich
zu meiner Ueberraschung, daß der Hase
mit der größten Leichtigkeit aus dem
Deutschen in 8 Franzöiische übersetzt!"
7ic Zeitungen Europa's.
Teutschland ist von allen Ländern
Europa's dasjenige, welches die meisten
Druckschristen publicirt. Es besitzt
0000 Zeitungen, von denen ca. 1000
täglich erscheinen. Dann kommen Eng-
land mit 3200, darunter 00 täglich;
Italien mit 1400. darunter 200 täglich;
Oesterreich-Unqarn mit 1300, wovon
200 täglich. Tie Zahl der in Europa
erscheinenden Zeitschriften erreicht sast
die Höhe von 25,000, in der wenig Re
Produktion, jedoch viel Eigenwerth in
Rechnung kommen.
Bedenkliche Cloge.
Das ist wenigstens ein Vorzug des
Alters, daß man mit den Jahren ge-
scheidter wird."
Aber Sie sind doch noch ganz jung!"
(Ein Schwerenöthcr.
Herr Lieutenant, Sie machen
so reizende Scherzgedichte warum ver
suchen Sie es nicht einmal mit lyrischen
Gedichten?"
Geht absolut nicht, Herr Pro
fessor bring's zu keiner unglück
lichen Liebe !"
s
31.: Siehst Tu dort den Mann, den
ich soeben gegrüßt habe? Der Brave
hat mir während meiner Studienzeit
oft hilfreich unter die Arme gegriffen!"
.: Ter steht abcr nicht gerade
wohlhabend aus! Was ist er denn?"
A.: .Nachtwächter."
Schneidig,
A.: Herr Lieutenant. Ihre Braut
ist ja ein ganz reizendes Wesen, wie ha
den Sie denn die erobert!
Lieutenant: Aeh, neulich von Blitz
zuq aus gcsch'n, einfach Nothleine ge
rissen und angehalten."
Anzeige.
Alle, welche noch Alten aus dem Nach
lasse meine? verstorbenen Mannes be
anspruchen, werden aufgefordert, sich
binnen vier Wochen zu melden, widri
genfalls sie eingestampft werden.
Frau Advokat G
Aufmerksam.
Frau (zu ihrem vom Tpaziergang
heimkehrenden Gattens: Ta ist eine
Todesanzeige vom Finanzrath Knops
aus Leipzig angekommen. Kanntest!
Tu den r
Mann: Ein liebenswürdiger Mensch !
Bin nur einen halben Tag mit ihm auf
Helgoland zusammen gewesen und
bat die Aufmerksamkeit
mir seine To-
desanzeige zu schicken!"
lvlßbrgierde,
Notar: Also Sie'bersügen lctztwillig,
daß Sie ach ihrem Tode secirt wer
den?"
Tcstator: Ja, i muß wisse, an was
i denn eigentlich g'storbe bin,"
Ijypsrk'l.
Dame: Nn, HcnDolwt, sind Sie
auch schon von Amors Pscil getroffen
worden?"
Herr: Gnädiges Fräulci, mein
Herz muß schon wie ei Sieb aussehe!"
jlusredo.
Abcr, Eduard, wie koiinlcst T
unscr Stubciimiidchen lüsscn diese
unfolgsame Person, die ich crst vorhin
wieder aliszaiikc mußte?!"
Ach, licbes Kind, ich wollte es ja
nur einmal mit Giitc vcrsuchcn!"
(Ein guter Kerl.
Richter: Wie konnten Sie nur mit
einem so dicken Knüppel ans dc schwäch
lichtn Man loZhaue?"
Angeklagter: Es ist auch wahr, Herr
Richter, das nächste Mal werde ich einen
dünneren nehmrn."
Kennzeichen.
A: Sagen Sie mir, ist denn der
Schriftsteller KaminSti wirtlich so popu
lät?"
B: O steil'
Man benützt ja
schon den Titel seines neuesten Romans
als Hundenamen!"
Schlagende Kritik.
Wie hat denn das neue Matchen
spiel gestern im Theater gefallen?"
Na, am Schluß sagte man allge
mein: Es war einmal!"
Aasernhosblüthe.
Unteroffizier: Meyer, machen Sie
nicht so ein schlaues Gesicht, sonst
lasse ich Sie drei Tage in's Loch stecken
wegen Vorspiegelung falscher That
suchen!"
Anch ein Streber.
Wie bist Du mit Tcinem neuen
Bürcau-Kollegen zufrieden?"
Ach, das ist auch so ein Strebet!"
Ein Stteber?"
Jawohl! Bier Abende hab' ich nun
schon beim Bier mit ihm zusanimenge
scssen und er hat noch nicht ein einziges
Mal über unser'n Ehes geschimpft!
Besser gesagt.
Johann," schreit der Hert Lieu
tenant, Du bist ein Esel das ist
klipp und klar!"
Nee," seuszt Johann, der vor Schreck
das Kaffeegeschirr sagen ließ, det war
klapp und klirr!"
Bedenkliches lob.
Nun, wie hat Ihnen mein neues
Wcinchen geschmeckt?"
O, wenn ich nur daran denke, läuft
mir das Wasser im Mund zusammen!"
verschnappt,
Schwiegermutter: Ich hörte, Sie
seien stark verschuldet, Herr Lumincr?"
Herr: Das böswillige Gerücht kirn
nen nur meine Gläubiger ausgesprengt
haben!"
Lmpsehlnng.
Gast: Ich möchte eine Portion Gänse
braten essen; kann man davon satt wer
den?"
Kellner: Ich sage Ihnen, wenn Sie
drei Bissen gegessen haben, dann mögen
Sie schon nicht mehr!"
(Ein lustiges Geschäft.
Ihr Mann scheint eine recht ver
gnügtc Seele zu sein, dem kann ich bc
gegncn wann ich will, der lachl immer."
Ja, wissen Sie, das bringt bei dem
sein Geschäft so mit sich; mein Mann ist
nämlich Schristsctzer an einem Witzblatt,
und da kommt er den ganzen Tag nicht
aus dem Lachen heraus."
Enfani tcrriblc.
Herr: Gnädige Frau haben aber
heute witllich eine schöne, ftischc Ge
sichtsfatbe "
Söhnchen (einfallend): Ja, die
chachlel kostet abet auch fünf Matk!"
Selbstbewußt.
Chef (zu dem neuen Eoinmis): ,,Un
sere Kundschaft besteht hauptsächlich aus
jungen Tamcn!"
Eommis: O weh, da habe ich natür
lich von allen Eommis wicdcr die meiste
Arbeit!"
Durch die Blume.
Student A: Weshalb kommst Tu
denn nicht mehr in unsere Stamm
kneipe? Haft Tu denn den Wirth belei
digt?"
Student B: O, im Gegentheil! Bei
dem bin ich sehr gut angeschrieben!"
IV Gericht.
Richter: Wie alt sind Si?. Zeugin?"
Zeugin: Turchschnittlich einund
zwanzig Jahre!"
Ivigbegier.
Sie haben vorhin meiner Tochter
einen Kuß gegeben; rechtfertigen Sie
sich!"
Ich wollte mich nur überzeugen, ob
sie den Mund auch auf dem rechten Flcck
hat!"
Feldwebel: Rekrut Maner. in Jh
rem Schädel ist's so finster, daß ein
Mohrenkopf wie eine elcklrifie Bozen
lampe dagegen aussieht."