Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 16, 1896, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der Farmer von Santa Rosa.
tr,ählung von Harry Dchkjj,
Es war eine schwere Zcit, die ich in
den ersten zwei Jahren nieincs Ansenl
halt in Amerika durchmachen mußte,
und selten wohl ist einer so gründlich
wie ich durch die Diiihle gegangen",
wie man hier im Lande zu sagen pflegt.
Ost genug bereute ich, die.dcutsche Hei
math erlassen zu haben, um in Amerika
.schnell reich zu werden". Ich fürchte,
iebt immer noch eine große Anzahl
thörichter Menschen, welche sich dasselbe
einbilden und sich bezüglich der Carriere
m Amerika Vermuthungen und Hoff
nungcn hingeben, welche schnell vcr
schwinden, wenn man erst das Dollar
and betreten bat. a. wenn man noch
ein ordentliches Handmerk erlernt hf
öder wenigstens n Bcsch arbelisgeflayi
in Muskeln ist, dann soll es noch an
gehen, denn praktisch geschulte Menschen
werden hier immer gebraucht und der
hältnißmaßig gut bezahlt, aber ich war
nicht gewesen als königlich preußischer
Rkserendar und das ist im Lande der
Maschinen gewaltig wenig, Der Tod
meines Vaters, welcher keinerlei Vermö
n hinterließ, hatte es mir unmöglich
gemacht, dem Staate noch drei Jahre
unentgeltlich zu dienen, und so hatte ich
denn die Reise nach der neuen Welt an
getreten. Ich will's kurz machen, Kell
ner, Stiefelputzer, Leiter und Bediener
eines Eis- und Kohlenwagens, Agent
siir eine deutsche Buchhandlung, die mit
Schauerromanen flotte Geschäfte machte,
Geschirrwäscher in einem Hotel und end
lich Zeitungsjunge" das war ich
schon alles mit mehr oder weniger Glück
gewesen, nachdem die geringen mitge
brachten Baarmittcl zu Ende gegangen
waren. Und jetzt war ich im heißen
Sommer wieder einmal ohne Arbeit
nd Verdienst und hatte nur die Wahl,
fr freie Reife aus einem Dampfer
ach Europa zu erwirken, indem ich das
Mtern von Ochsen während der Fahrt
übernahm oder aus dem Pflaster New
Vorks zu verhungern.
Ueber diese unerquickliche und nach
keiner Seite hin verlockende Alternative
nachdenkend, setzte ich eines meiner letz
ten Fiinfcentsstiicke in einem Restaurant
i kalte Flüssigkeit um und studierte da
bei die Stellenangebote.
Da fiel mir ein Inserat in die Augen,
welches mich niit einiger Hoffnung be
lebte. Für eine Farm in der Nähe von
Santa Rosa wurden zwei Männer er
langt, die sich vor keiner Arbeit scheuten.
Guter Lohn und sreie Reise gesichert.
Mheres bei Mr. Patterson, Trinity
Ävenue 103.
Wie, wenn es mir gelang, von diesen
beiden Männern der eine zu sein? Eine
Stunde spater trat ich bei Mr. Patter
son, einem Agenten, welcher mit allerlei
Menschenwaaie handelte, ein, und ich
hatte das Glück, ihm zu gefallen. Es
wurde mir freie Beköstigung und zehn
Dllars Lohn auf die Woche zugesichert
nd Mr. Patterson händigte mir ein
Vmet bis San Francisco ein.
Sie fahren bis San Francisco,"
sagt er, fünf Tage und neun Stun
den und werden auf dem Bahnzuge gut
verpflegt werden. Nach Santa Rosa
gehen Sie etwa drei Stunden durch
inen prächtigen Wald, und dort, in
Eauka Rosa nämlich, wird Sie Ihr
neuer Herr, Mr. Halves, mit dem
Fuhrwerk erwarten."
Ist Ihnen Mr. Halves persönlich
bekannt. Mr. Patterson?"
Die Ordre ist brieflich eingelaufen,"
mtgegnete der Agent, unwillig, eine
Mtwort ohne Ertrahonorar geben zu
sollen, war mit einem Check für die
mosten begleitet."
Die Farm liegt also noch einige
Stunden hinter Santa Rosa?"
Vermuthlich. Heben Sie das
Ticket gut auf, es ist übrigens unver
käuflich gemacht. Good morning!"
Umsangreiche Reise-Vorbereitungen
brauchte ich nicht zu treffen, mein arm
seliges Bündel war bald geschnürt, und
m nächsten Morgen rollte ich bereits
mit der übergroßen Schnelligkeit eines
amerikanischen Zuges dahin, der zur
Wgcsctzten Zeit in San Francisco ein
traf. Gern hätte ich mir diese interef
saute Stadt angesehen, aber ich mußte
mich sosprt auf den Weg begeben, um
Mr. Halves, der mich ja in Santa
Sofa mit dem Wagen erwartete, nicht
zu verpaffen. Auch hatte mir der Zu
stand meiner Kaste ein längeres Verwei
len in San Francisco nicht gestattet.
Ich machte mich also auf den Weg und
erreichte am Abend, nachdem ich nicht
drei Stunden, sondern deren sechs mar
schilt war, Santa Rosa.
Mr. Patterson hatte mir zugleich mit
dem Billet einen Zettel eingebändigt,
auf welchem der Name eines Gasthof
besttzers in Santa Rosa stand. Tort
sollte ich mich nur melden, um von dem
Kariner in Empfang genommen zu wer
den. Ich durchschritt da Torf, welches
meist von Schweizern und Italienern
bewohnt wird, und fand ganz am Ende
btfftlden den bezeichneten Gast Hof.
Hungrig und müde trat ich an den
Schenktisch. Hinter diesem hantirte
ein kleiner, dicker Wirth und spülte mit
wahrer Wuth Glaser, obivobl außer mir
sich nur noch ein einziger Gast in dem
düsteren Zimmer befand. Tiefer saß
abseits an einem runden Tische und
starrte gedankenvoll in das BrandyglaS.
welches vor ihm stand. Ich lauste mir
ein Glas Bier und fragte dann mit lau
in Stimme:
.Mr. Halves schon einpassirt?"
Der Wirth kniff ein Auge zu, sah
mich mit dem anderen durchdringend an
und hielt einen Augenblick in seinem
Gläserspülen innc.
3(is sagen Sie he Mr.
Halves? Kenne keinen Mann Namens
Halves in den Staaten.
Bctroncn Ichaute ich ihn an. ' Jcy
meine den Farmer Halves, der heut noch
mit seinem Fuhrwerk bei Ihnen eintres-
scn muß."
Kenne ede Farm vierzig Meilen um
Santa Rosa, aber keine, die einem
Manne Halves gehörte. Aber Sie fra
gen nicht allein nach ihm. Frcnider
dort der Gentleman hat sich soeben auch
nach dem Manne Halves erkundigt."
Ich wandte mich um und sah, daß der
Fremde sich ebenfalls erhoben hat.
Ich höre," redete ich ihn nach kurzer
Begrüßung an, daß Sie ebenfalls nach
dem Farmer Halves geforscht haben,
vermuthlich geht es Ihnen so wie mir.
Ich bin für die Farm des Mr. Halves
engagirt und sollte ihn hier mit Pferd
und Wagen treffen."
Weil, iso geht es mir anch. agtc
der Fremde, man scheint uns aber ganz
vergcffen zu haben. Ich denke, nur ein j
Irrthum. Was trinken Sie mit mir,
Fremder?" j
Ich hatte lange genug in Amerika ge-
lebt, um zu wiffen, daß die Einladung j
zum Trinken ausschlagen, eine grobe
Beleidigung gewesen wäre: ich nahm
daher den Milchpunsch, den mein Lei
densgenosse bestellte, dankend an.
Kommt es Ihnen Nicht erdächtig vor,
Herr," sagte ich, nachdem wir einen gu
ten Schluck des kühlenden Getränkes ge
than, daß unser Chef hier gänzlich n-
bekannt ist V
Mein Kollege zuckte die Achseln. Das
ist nicht so schlimm," erwiderteer, kal-i
kulire, daß Mr. Halves die Farm erst
kürzlich erworben hat, vielleicht ist er
selbst erst vor kurzem in'S Land gekom-i
men " '
Holla," rief der Wirth dazwischen,
Fremder, Sie sind ein kapitaler Kops,
und ich, John Hoplins, bin von der
Hitze, scheint's, ganz dumm geworden.
Mr. Halves ja, ich denke, das wird so
seine Richtigkeit haben das ist, kein
anderer als der Mann, der vor drei
Wochen der Wittwe Robertson die Farm
am Felsen abkaufte. War übrigens der
schnurrigste Handel, der hier herum je
mals vorgekommen ist."
Trinken Sie mit uns, Mr. Hop
kins," rief mein Kollege, anscheinend
sehr vergnügt, daß wir eine Spur ge
funden,' füllen Sie Ihr Glas und
dann erzählen Sie uns, wie Mr.
Halves der Wittwe Robertson die Farm
abkaufte."
Ja, wie wird er sie gekauft haben,"
lachte der Wirth. Sie haben um diese
Gläser Milchpunsch länger und mehr
gehandelt als der Mann Halves um die
Farm. Früh kam er, sah sich alles an
und zum Mittag hatte er bereits die Bc
sitztitel in der Tasche, am Abend mußt,
die Wittwe, wie sie ging und stand, her
aus und er zog ein. Aber er hat gut
und baar bezahlt, und so leicht wäre
Mistreß Robertson übrigens die Farm
nicht los geworden."
Weshalb nicht, ist der Boden
schlecht?"
Im Gegentheil, lauter gut kultivir
tes Land, wächst Alles beinahe von
selbst, aber die Farm liegt weitab von
der Straße, von Fels und Wald ein
gerammt wie eine Burg, es können Mo
nate vergehen, ehe da einmal eine
menschliche Seele anklopft und vor
spricht. Das ist nicht nach Jedermanns
Ge chmaa."
Wir wiffen nun wenigstens, woran
wir Und", sagte der Fremde zu mir.
und ich möchte Ihnen vorschlagen, daß
wir uns ogleich aus den Weg machen
Wie lange wandert man bis zur Felsen-
farm?"
Fünf Stunden Waldweg", antwov
tetc Hopkins, aber Sie wollen doch
nicht im Dunkeln
Bah, die Nacht ist mondhell und für
leosgetindel habe ich hier eine biltcre
Medizin." Er zog aus einer hinten an
der Hose angebrachten Tasche einen Re
volver, der sür sechs Schuß eingerichtet
war. Wollen Sie mit mir marschi
ren, Herr, oder haben Sie Anast um
ihr Leben? '
Ich erklärte, daß ich keinem Räuber
in der Welt, die Geschmacklosigkeit zu
traute, einen Menschen, der keinen Toi
lar in der Tasche und sich sür ein Bet-
telgeld als Farmknecht vermiethet habe,
anzufallen.
Mein Kollege lachte. Ta paffen wir
gut zusammen," meinte er, und nun
noch ein Glas und dann vorwärts! Ich
heiße übrigens Frank Smith und möchte
Ihren Namen hören, mein Herr."
.Oskar Winter."
Weil, Mr. Winter auf gute
Kameradschaft."
Eine Viertelstunde später schritten mir
zusammen dem Walde zu.
Seit acht Tagen befand ich mich auf
der Farm des Mr. Halves und ich hatte
keinen Grund, mit meiner neuen Stcl
lunq unzufriedeu zu sein. Es gab er
hältnißmäßig wenig Arbeit, und die
Verpflegung, welche durch einen Reger
Namens Auquftus besorgt wurde, war
eine gute. Tie Farm selbst umfaßte
nur 80 Acker welche mit Weizen beftan
den waren. Das Gebäude, ein ein
stückiges Haus, glich wirklich einer Burg,
denn es war von drei Seiten durch ffel
senhügel umgeben, an der vierten schlän
gelte sich ein ziemlich breiter und schau
mender Gebirgsfluß vorbei. Um zu
dem Haufe m gelangen, mußte man in
einem Boot über den Fluß des Eigen-
thnieis die Farm betreten, da er un
willkommenen Saften das Boot einfach
verweigern konnte. Die zu dem Grund
stück gehörige Scheuer dagegen lag
außerhalb der Fclspartie und sonnte
von unseren Aeckcrn bequem erreicht
werden. Es wurde uns, meinem Eol
legen Frank Smith und mir, übrigen?
bald klar, daß das Boot nicht sehr ost
benützt werden dürfte, da Halves Gesell
schast in keiner Weise zu lieben schien,
Der Farmer mochte vierzig Jahre
zählen, er war groß und hager und
hatte einen beängstigend engen Brust
kästen, aber bei einigen Gelegenheiten
zeigte er, daß er bedeutende Muskel
fräste besitze. Er war unvcrheirathcl
und mochte früher das Leben reichlich
gcnoffen haben, die auffallende Bläffe
seines Gesichtes und die Müdigkeit,
welche beständig auf den kleinen, grauen
Augen lag, sowie eine gewisse Nervost
tät, eine ihm eigene Unbeständigkeit des
Wesens ließen dergleichen vermuthen.
Er trug einen kurze, nach englischer
Manier gehaltenen Backendart und kurz
geschorenes Haupthaar.
Mr. Halbes war schweigsam, kurz
und energisch in seinen Anordnungen,
aber er trat uns niemals auch nur mit
einem Wort zu nahe. Während der
Mahlzeilen sprach er niit uns über die
Angelegenheiten der Farm, die er that
sächlich erst seit einige Wochen gekaust
hatte. Er hatte keine Leute außer uns
und Augustus. Letzterer schien schon
längere Zeit im Diensie Halves' zu
stehen, aber es war aus dem Schwarzen
kein Wort über das frühere Leben und
die Thätigkeit des Farmers heraus zu
bekommen; der alte, sette Bursche der
stand eben immer nur dann die englische
Sprache, wenn er verstehen wollte.
Gewissermaßen als Entschädigung
hatte mir das Schicksal meinen Käme
raden Frank Sniith gegeben, er war
ei liebenswürdiger Mensch, mit dem
man sich auch einmal über nicht alltäg
liche Dinge unterhalten konnte. Bicl
harte Arbeit schien er noch nicht verrich
tet zu haben, denn seine Hände waren
weiß und gepflegt. Wir schliefen zu
sammen in demselben Raum, der sich un
ter dem Dache des Hauses besand, und
ein so enges Zusammensein bildete zwi
schen uns schnell eine Art von Freund
schuft aus.
Dieselbe sollte jedoch in eigenthüm
licher Weife bald getrübt werden.
Es war am zehnten Tage meines
Farmerdaseins, als Frank und ich erst
um Mitternacht unser Lager anssuch
ten. Wir hatten in, Stall einige Aus
bcfferungcn vorgenommen und das hatte
uns so lange aufgehalten. Halves,
der im Parterre sein Zimmer hatte,
und der Neger, der nebe der Küche im
Keller schlief, waren schon längst zur
Ruhe gegangen.
Auch wir entkleideten uns möglichst
schnell, sagten einander Gute Nacht"
und versuchten zu schlafen. Mir aber
floh der Schlummer, auch peinigten
mich die Moskitos gar zu arg und, ob
wohl ich mir olle Mühe gab, gelang es
mir nicht, in Schlaf zu kommen. Trotz
dem lag ich vollkommen bewegungslos,
um meinen Gefährten nicht zu stören,
der offenbar glücklicher als ich, längst
in's Land der Träume hinübergcgan
dert war, denn er lag, mit dem Gesicht
zur Wand, regungslos. So verging
eine halbe Stunde.
Plötzlich sah ich, wie sich Frank lang-
sam, ganz langsam ausrichtete. Er
wandte das Haupt und ein langer, prll
sendn Blick tras mich. Wie ganz an
ders sah der Mann aus. Jede Spur
von jovialer Liebenswürdigkeit war aus
seinem Gesicht verschwunden, eiserne
Energie, düstere Entschloffenheit und
lauernde Vorsicht verriethen Nch jetzt ,n
seinen Zügen.
Mit staunenswcrthcr Geräuschlosigkeit
verließ er sein Bett und trat an mein
Lager, um sich über mich zu beugen und
meinen Athemzügen zu lauschen. Er
glaubte mich in festem Schlaf versunken
und lächelte befriedigt. Dann zrg er
sein Kleiderbündel unter dem Bett her-
vor und öffnete es. Er entnahm txm
selben einen zusammengerollten schwär
zen Gegenstand. Es war ein Hemd
und ein Paar Strumpse, beide Xiei
dungsstücke waren von iiesschwarzer.
garbe.
Smith bekleidete sich mit den ctbcn
Ich lag in Schweiß gebadet da, diese
sonderbaren Anstalten schienen mir
nichts Gutes zu bedeuten. Das waren
Vorbereitungen, wie sie rafsinirte Diebe
zu ! retten Pflegen, welche Nch durch das
Dunkel ihrer Tracht möglichst unsichtbar
machen wollen.
Mir war vollkommen klar, daß ich
mich nicht rühren durfte, wenn mir mein
Leben lieb wäre. Ich sah daher schein
bar schlafend mit an, wie mein unhcim-
licher Gefährte seinen Revolver mit sechs
Patronen lud und dann aus den Zehen
zur Thür schlich. Eine Minute lauschte
er an derselben, dann öffnete er niit berj
größten Vorsicht und schlüpfte hinaus, i
Ich hörte noch, wie er die Treppe hinab-
chllch dann wurde alles still.
Mit fieberhaft klopfendem Herzen Im
ch da und überlegte, was zu thun sei.
Daß Smith eine verbrecherische Absicht
verfolge, war klar, wahrscheinlich plante
, den garnier zu berauben.
Ich sprang auf und wollte die Treppe
hinadeilcn. um Larm zu schlagen. Aber
eine innere Stimme, ein unerklärliches
Gefühl hielt mich davon ad.
?cein. dieser Frank konnte kein Ver-
brecher sein, und wenn der Schein auch
gegen ihn war. Ich neigte jetzt zu der
Aniich, eS mit einem Geisteslianlen zu
thun zu haben, der. von einer siren Idee
beherrscht, allnächtlich in dem sondcrda-
ren Kostüm umherwandelt.
Trotzdem machte ich mich fertig, beim
ersten Hilserns zur Hand zu sein.
Aber eine Stunde verging und alles
blieb still.
Plötzlich, ach Verlauf einer weiteren
halben Stunde hörte ich leise Schritte
die Treppe hinauskommen. Ich wars
mich auf das Bett und heuchclte festen
Schlaf,
Frank Smith trat ein, und mit der
selben Vorsicht wie vorher überzeugte er
sich von meinem Schlummer, entledigte
sich des Hemdes und der Strümpfe und
begab sich zur Ruhe.
Bald war er eingeschlasen und auch
mir fielen jetzt die Augen z. Am
nächsten Morgen weckte mich mein Käme
rad, er war liebensivttrdig wie immer
und ich war beinahe versucht, das Er
ledniß dieser Nacht für einen wüsten
Traum zu hatten. Aber so lebhaft
pflegte ich nicht zu träumen. Jedenfalls
beschloß ich für die kommende Nacht aus
der Hut zu sein.
Und wirklich, es vollzog sich in der
zweiten Nacht, während welcher ich
Frank beobachtete, genau dasselbe, was
in der ersten vorgegangen war. Er
legte wieder ebenso geheimnißvoll das
schwarze Gewand an und entsernte sich,
um zwei Stunden später zurückzukehren
und sich zu ruhigem Schlummer nieder
zulegen. Im Hause selbst war nicht
die geringste Unregelmäßigkeit geschehen,
es wurde nichts vermißt, keine Spur
eines Einbruchs oder irgend einer Ge
waltthat gefunden.
Dagegen wurde der gewohnte Gang
der Ereigniffe an diesem Tage auf fl
gende Weise unterbrochen. Frank und
ich arbeiteten im Hofe, als vom anderen
Ufer des Fluffes das Boot verlangt
wurde. Der Farmer schlief in seinein
Zimmer und Augustus befand sich im
Garten, um Gemüse zu holen. Ob
wohl der Farmer uns anbefohlen hatte,
niemals ohne seinen Befehl das Boot
irgend Jemand zur Verfügung zu
stellen, so schien es doch diesmal ge
boten, anders zu handeln. Der Mann,
der am jenseitigen Ufer stand, rief uns
nämlich hinüber, er fei der Depeschen-
böte aus Santa Rosa und bringe für
Mr. Halves ein Telegramm.
Ohne ein Wort zu sagen, sprang
Frank in das Boot, kettete es ad und
ruderte hinüber, bald daraus kehrte er
mit der Depesche in der Hand zurück.
Ais der Farmer erwachte und Frank
ihm die angekommene Botschaft über
gab, riß ihm Halveö mit einem wüthen
den Blick das Papier aus der Hand und
zog sich, einen Fluch murmelnd, in s
Haus zurück. Frank sah ihm eigen
thümlich lächelnd nach.
Es vergingen nur einige Minulcn,
als der Farmer die Thür seines Zim-
mcrs aufriß und mit lauter, offenbar
sehr erregter Stimme den Namen des
Negers rief.
Der fette Augustus stieg aus seinem
Keller empor und folgte seinem Gebieter,
der sich mit dem Schwarzen in sein Zim
mer zurückzog, dessen Thür verriegelte
und deffen Fettster hastig durch Bor
hänge geschloffen wurden.
Der Farmer blieb mit dem Neger
über eine Stunde allein.
Auch Frank verblieb während des
Tages ziemlich eiiisilbig, eine sichtbare
Unruhe schien ihn zu beherrschen und
sein sonst so ausgeglichenes Wesen aus
dem Gleichgewicht gebracht zu haben.
Er blickte von Zeit zu Zeit über den
Fluß nach dem Walde hin, als erwarte
er irgend Jeniand zwischen den Bäumen
auftauchen zu sehen.
So kam der Abend heran und ich be-
schloß, in dieser Nacht unbedingt das
Räthsel, das mir mein Kamerad aufge
geben, zu lösen. Im Stalle lag ein
scharfes Beil, das zum Verkleinern des
Holzes gebraucht wurde. Diese Waffe
trug ich heimlich nach unserem Zimmer
und verbarg sie in meinem Bett. Der
Besitz des Beiles wollte zwar nichts im
vergleich mit den, Revolver Franl's be
deuten, aber ich hoffte auch zuversichtlich,
daß eS zu einem Kampf nicht kommen
würde, sondern daß Frank, sobald er
sich entdeckt sahe, sein nächtliches Treiben
erklären würde. Meine Erregung war
natürlich ouf's Höchst? gestiegen, als ich
an diesem Adens mich zum Schlummer
niederstreckte und meinen Freund Smith
beobachtete.
Alles wiederholte sich wie in den vor
aufgegangenen Rächten, nur daß ich
diesmal, als der schwarze Mann" sich
der Thür zuwandte, mich gleichfalls er
hob und mit dem Beil in der Hand auf
den Zehenspitzen ihm folgte.
Halt steh!" stieß ich im Flüsterton
hervor, als er die Schwelle es Gemaches
erreicht hatte.
Blitzschnell wandte er sich um und
streckte mir den Revolver schußbereit ent-
gegen. Mechanilch schwang ich das Beil
über meinem Kopf.
Der Mond sandte ein bläuliches Licht
durch das geöffnete Fenster und beleuch-
tele diese sonderbar vsrnppe.
Wahrscheinlich balle Frank einen an
deren Feind in seinem Rücken erwartet,
denn als er jetzt mich erkannte, stieß er
ärgerlich lächelnd einen kurzen Fluch
aus und ließ den Revolver innen.
Zum Teufel." flüsterte er, Sie
sind es, Winter? Nehmen Sie vor allen
Dingen die blitzende Spielerei da herun
ter und legen Sie sie beiseite."
Ich gehorchte und wars das Beil aus
das Bett zurück.
Und nun sagen Sie mir. warum
Sie gerade deute nicht den Schlaf des
Gerechten schlafen?"
.Weil ich über Ihr Nachtlichts Trei
ben cnolich Aufschluß haben will." rief
ich. Frank, ich kann nicht glaubk.i.
daß Sie ein Elender sind, aber sagen
Sie selbst, ob nicht der Verdacht "
Pst, nur leise," unterbrach er mich,
sollen alles erfahren, Mr. Winter,
denn Sie find ein ehrlicher Kerl, der
mit einem Mörder keine gemeinsame
Sache machen wird."
Mit einem Mörder?"
Ich mußte wohl zu laut gewesen sein,
den Frank zog mich plötzlich gewaltsam
von der Thür weg und sithrte mich in
eine Ecke des Zimmers.
Die Zeit drängt," sagte er hier mit
leiser Stimme, jede Minute ist Gold
werth. Hören Sie denn und stehen Sie
mir dann bei im Kampfe gegen das
Verbrecherthiiin. Vor zwei Monaten
wurde in St. Louis der Kassirer der
St. Louis Saviugs Bank ermordet,
Ei Unbekannter überfiel den Beamten,
als dieser gerade den abendlichen Ab
schloß machen wollte, stieß ihm einen
Dolch in das Herz, so daß der Kassirer
lautlos umfiel, und raffte dann In eine
mitgebrachte Ledertasche, was er in der
Eile an Gold und Noten zusammen
scharren konnte. Der ganze Trick
dauerte nicht zwei Minuten.
Als man aus den grausigen Vorgang
aufmerlsam wurde die meisten Beam
ten hatten das Bureau schon Verlusten
war der Mörder entflohen! man sah
jedoch noch, daß er in einem von einem
Farbigen gelenkten Wage davonfuhr.
Die sofort eingeleitete Untersiichung er
gab, daß ein gewisser James Murphy
der Mörder war und daß er die Bank
um nicht weniger als zweiundachlzigtau
send Dollvrs beraubt hatte. Jetzt ging
die Jagd nach dem Burschen an, die
Bank setzte sofort zwanzigtausend Tol
lars Belohnung auf seine Ergreifung
aus, und alle Detectives Amerikas wa
ren darnach lüstern. Aber Mr. JaineS
Murphy blieb verfchwiindcn. Endlich
gelang es einem Beamten der New Z)ork
Delective Company, zu ermitteln, daß
sich Murphy, nachdem er sich längere
Zeit in Texas herumgetrieben, in der
Nähe von San Francisco eine Farm
gekauft habe und dort unter falschem
Namen mit feinem farbigen Spießge
sellen Hause. Der Beainte der Detektive
Company ließ sich, uin den Mörder
nicht mehr aus den Augen zu lassen, als
Knecht auf die Farm engagiren, denn,
um zu Ende zu kommen, der Beamte
bin ich und der Mörder ist Mr. Halves,
unser Herr, übrigens der größte Schurke
in den Staaten, der schon acht Jahre
wegen Brandstiftung hinter sich hat."
Ich vermochte vor Schreck und Ent
setzen kein Wort hervorzubringen. Aber
Frank halle sür unnöthige Reden auch
keine Zeit.
Schnell," raunte er mir zu, kleiden
Sie sich nothdürstig an nd nehmen Sie
das Beil, während wir hier sprechen,
können die Burschen schon entflohen sein.
Das Telegramm, welches heute an den
Galgenvogel anlam, ntcrrichtcte ihn
von der Gcsahr, in welcher er schwebt.
Es war aus New Z)ork von einem seiner
Kumpane. Murphy weiß jetzt, daß
man ihm auf der Spur ist. Aber
auch ich habe dem Telegraphenbolen eine
Depesche nach San Francisco mitgegeben
und jeden Augenblick muß der Sheriff
mit seinen Leuten eintreffen."
Ich hatte mich indessen fertig gcniacht
nd nahm das Beil zu Hand, ent
schloffen, Frank beizuflehen und mein
Leben für das seine in die Schanze zu
schlagen.
So geräuschlos wie möglich schlichen
wir die Treppe hinab. Ein penetranter,
Brandacruch schlug ns entgegen, un-
erträgliche Hitze herschte in den unteren
Räumen des Hauses.
.Die Schurken habe das Haus in
Brand gesteckt," murmelte Frank, da
mit wir mit Haut und Haar verdien
neu. Sie vermuthen eben in einem von
un beiden den Dktcciive und wollen
uns unschädlich machen aber was ist
das sehen Sie, Winter, dort im Stall
ein Licht."
Durch die Stallthttr siel ein Lichtschein
auf den Hos hinaiiö.
Die Burschen sind an der Arbeit."
flüstirte dir Detektive; sie satteln sich
die beiden mexikanischen Pferde, in
auf diesen schnellen uns ausdauernden
Thieren eine entsernte Bahnstation zu
gewinnen, aber wir wollen ihnen einen
Strich durch die Rechnung machen.
Wenn mir nur große Nägel bei der
Hand häitcn."
ES liegen eine Waffe starler Nägel
in der Nähe des Brunnens," antwor
tete ich, ich habe heute Werkzeug rcpa-1
rirt "
Schnell holen Sie dieselben herbei,
ich hoffe, die Burschen in einer beque
men Falle zu fangen."
Bis zum Brunnen waren es nur
zwanzig schritte, schon stand ich wieder
neben dem Detektive.
Folgen Sie mir," befahl dieser.
Wie zwei Indianer drangen wir aus
unserem Kriegspsad vorwärts, mehr auf
dein Bauche kriechend als gehend.
Jetzt hatten wir die Slallthür erreicht,
und konnten genau beobachten, wie der
churke Murphy einem der Pserde das
Sattelzeug umhing. Aber ur schat
tenhaft glitt dieses Bild an mir vor
über. Frank ließ mir keine Zeit, es
länqer zu beobachten.
Mit schncllem Griff hatte er die Stall
thürr erfaßt, und sie in Schloß ge
zogen, im nächsten Monient war auch
der lange, rostige Schlüssel zweimal her
umgedreht. Im Innern bei Stalles erscholl ein
wilder Fluch. j
.He. AuquftuS, was soll das ah, ;
Tchur'e. Tu da st die Zasche ausgegra-
den. und willst nun den Raub allein
iür Dich behalten!"
,
Frank zog mich an sich, und raunte
mir in's Ohr:
Er vermuthet, daß sein Spießgeselle
ihm den Streich gespielt so viel Nä-
gel in die Thür getrieben, als Sie kiii
iiett, denn das Holz ist morsch, er könnte -
cs leicht sprengen."
Hund von einem Neger, mach' auf."
tobte cs drinnen; lieber, goldener
Augustus, ich schwöre Dir, daß Du end
lich die Hälfte bekommen sollst drei
viertel von dem Gelde, mir öffne,
hörst Du mich so sage doch ei Wort,
Du Teufel in Menschengestalt!"
Ich achtete nicht auf diese heiseren
Rufe, nicht auf die Verwünschungen,
die nun folgten, wie ein Rasender Hand
habte ich mein Beil, und hatte in weni
gen Minute wohl ein Dutzend Nägel
in die Thür getrieben, und überdies
noch zwei starke Bretter querüber gena
gelt. Noch war ich mit meiner Arbeit
nicht ganz fertig, als ich hinlcr mir
Frank's Stimme hörte:
Steh, schwarzer Hund, oder ich
schieße!"
Dann ein Schuß, dem schneller als
der Gedanke ein zweiter und dritter
folgte. Als ich näher trat, sah ich Au
gusts am Boden, er wälzte sich in To
dcszuckungen, aber auch Frank war am
linken Arm verwundet.
Woll, er hat fein Theil," sagte der
Detektive lachend; die Bestie feuerte auf
mich, da habe ich ihn über den Haufen
geschossen, cr ist, wie es scheint, schon,
fertig ; geben Sie mir die Tasche, die
nebe ihm liegt, Mr. Winter, sie ent
h,'.lt offenbar den Raub. Ich reinige
indessen meine Wunde am Brunnen."
Aus dem Stall erscholl das Brüllen
eine? Tobsüchtigen. Murphy versuchte
die Thür zu sprengen, was ihm jedoch
nicht gelang.
Eine Stunde später langte'dcr Ehe
riff mit sechs Gehilfen an. ' Er beglück
wünschte uns zu unserem Fang, und be
fahl dann, die Thür mit aller Vorsicht
zu erbrechen.
Murphy setzte der Gewalt, in welcher
er sich jetzt befand, keinen Widerstand
entgegen. Er ließ sich feffeln, ohne
eine Miene zu verziehen. Nur als er
an Augustus' Leiche vorbkigcsiihrl
wurde, lächelte er befriedigt. Er glaubte
also immer noch, daß der Neger ihn ver
rathen habe.
Einige Monate später büßte Murphy
sein Verbrechen am Galgen. Ich kehrte
mit Frank nach New Z)ork zurück, wo
mir mein neuer Freund in einem Hotel
eine gnte Stellung als Geschäftsführer
verschaffte.
Wie aber erstaunte ich, als ich kurze
Zeit darauf seitens der St. Louis
Savings Bank einen Check über drei
tausend Dollars zugesandt erhielt als
meinen Antheil der auf die Ergreifung
des Mörders ausgesetzten Belohnung.
Mit diesem Gelde begründete ich rnei
nen kväteren Woklstd. Mrin lidittiir
Freund in Amerika aber blieb Franks
hfir hstuie 311 San horttftmiafta Tlt-
tiveö gerechnet wird.
V"" 8M "w. w uuniiiiiiii
Krase der deutsche S
baten.
Ein in Epernay wohnender Franzose
schrieb in einer französischen Zeitung
vom Oktober 1870: Wir haben zuerst
acht Tage lang fünf Württemberg bei
uns im Quartier gehabt, darauf drei
Bayern, darauf drei Andere, welche wir
acht Tage lang hatten. Alle führten
sich sehr gut und einige halten Thränen
in den Augen, als sie abmarschirte.
Nach diesen bekamen wir drei Preußen
in s Quartier. Oh, diese wollen uns
aufcffen! Gewiß, die Bayern, dic WUrt
temberger, die Polen, die Badens, die
Sachsen gehen noch an, aber die
Preußen! Bor denen, sagt man uns,
müffen wir uns hüten!
Ich habe aber niemals so gesittete
Leute gesehen, wie die Preußen. Am
Abend bin ich mit ihnen, und nament
lich mit einem, welcher Kinder hat, zu
sammen und spiele mit ihnen Dame
oder wir nehmen gegenseitig Unterricht
im Deutschen und im Französischen.
Sie schlafen im Eßsaale auf Matratze
und hatten beinahe Furcht, uns Unbc
quemlichkeiten zu verursachen. Nach
nd nach sind sie dreister geworden und.
verkehren nach ihrem Gefallen in Haus"
und Hof seit vier Wochen, ohne daß
auch nur eine Stecknadel abbanden oe-
kommen wäre. Unsere Mutter ist sag
fortwährend beschäftigt, die Küche zu
besorgen mit den Rationen, die sie voll
ständig herbeibrinaen; dann nebe sie
dem Vater Tabak und nennen die Mut
ter: Meine gute kleine Mutter!" So
sind sie, diese grausamen Lichlvcrzchrer
von 1815, welche uns unsere Großvater
in ihren Gjschichtcn als Wilde, welche
Mcnschenflcisch äßen, dargestellt haben.
Ich bin überzeugt, daß sie dcnselbeu
Charakter zu jener Zeit hatten wie jetzt."
Borsichti.
Der Senat Napoleon's I. bick Alles
gut. was dem Kaiser gut dän'tc. und
zog sich dadurch allgemeine Wißachtung
zu. Einst stillte einer der Senatoren
dem Kaiser vor. es werde nöthig sein,
um das Ansehen des Senate wieder
etwas zu Heden, das ihm ein Tckret zu
gesandt werde, über dessen Berwerfunö
man schon vorder übereingekommen sei
der Napoleon antwortete: Rci
nein, ihr könntet euch verwöhnen."
tcbt nvibrfeinlid!.
Professor zil seinem Freunds .Ach,
glauben Sie mir. ich halte nie mehr ge
deiratbet. wenn mir meine erste Frau
nicht gestorben wäre:"
n(
r
nti
)