Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 09, 1896, Image 9

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    lluv eine Xerjc.
irir(3trimi(tiingrn von Korflnidilct 35.
Mein?? tnbtrtt dann qfbtnf ich.
Wild hcrvvr die Thräne bricht....
Der Todtensonntag sllnsundzmanzig
Jahre nach einem großen Krieg gestal
et sich ganz von selbst zu einem allge
meinen Allerseelentage. Jeder hat
Todten, ihrer zu gedenken, Jeder seine
Lieblinge. Die Schulzmkathrin von
St. Johann, die in die Schützenlinien
der Spicherer Schlacht den verdursten
den Kriegern Waster gebracht, ube
kümmert un die rings einschlagenden
Kugeln, der brave Obersörster von
Saarbrücken, der mit den Patrouillen
hinausging bis in die feindlichen Posten,
mein alter'Ehes Manteussel, General v.
Gersdorff, Karl August . Göben, der
Held von St. Ouentin, und endlich die
Allerersten, Zlioltke, Friedrich Karl,
Fritz und der alte Kaiser Weißbart:
Sie Alle haben ein Necht. vom ganzen
Bolke ihre Allerseelenkcrze zu erhalten.
Wem ich heute mein Kerzchen, abgcson
dert von den Anderen, von den Großen
anzünde, das will ich erzählen, denn in
der Verehrung des Feindes ehrt sich der
Sieger selbst.
Die ersten Septembcrtagc des Jahres
1870, deren Jubiläum wir mit so bc
rechtigtcin Stolze begingen, bergen fiir
mich die schmerzlichste Erinnerung mei
nes Lebens.
Fast zur selben Stunde, als die Ent
scheidung auf den Gefilden um Scdan
fiel, hatten wir den Persuch Bazaines,
die Linien des Eiuschlicßungsheercs von
Vieh zu durchbrechen, in der Schlacht
von Äioisseville blutig zurückgewiesen.
Die französische Rheinarniee hatte sich
unter die Kanonen von Bietz zrückgezo
gen. Das Jägerbataillon No. 1, bei
dem ich als Rescrvelieutenant stand,
hielt am Abend des ersten September
zwischen Servigny und Noisscville. Ich
erhielt, den Beseht, mit einer Feldwache
durch den Wald westlich von Servigny
vorzugehen und gegen das Torf Mey
hin zu sichern. Es war eine Illhlc
herbstliche Nacht ; ich versuchte deshalb,
meinen Zug in einem Gehöft unterzu
bringen. Wir fanden auch sehr bald
ein kleines Schlößchen, das sich mit sei
ncm schönen, tiesbclaubten Park an den
Wald lehnte. Es lag ziemlich hoch und
gestattete eine Aussicht bis gegen das
Fort St. Julien.
Wir kamen bei dunkler Nacht an und
suchten uns ohne Weiteres Unterkom
men. Die Thür zu dem Wohngebäude
war verschlossen, auf hcstigcs Klopfen
endlich öffnete nur ein alter Dienzr.
Was befehle der gnädige Herre?"
fragte er deutsch, aber mit starkem An
flug dcS elsässischen Dialektes.
Ich will meine Feldwache hier ein
logiren !"
Jawohl, dir gnädige Herre, der
Herr Marquis habe angeordnet, daß
alles geschehen soll, was von Ihre Sol
daten verlangt wird,"
Das Schloß ist wohl verlassen?"
Jawohl, der gnädige Herre; meine
Herrschast ischt raus gcsih schon eh' die
Feschtung eing'schlosse war."
Wir nahmen nach diesen Erkmidigun
gen Besitz von dem Schlößchen und
quartierten uns in dem Erdgeschoß ein.
Ich setzte meine Doppelposten aus, trieb
einige Patrouillen bis in die Gegend
von'Mey vor, und gestattete darauf den
Leuten, abzukochen. Der alte elsässische
Diener trat uns mit einer freundlichen
Bereitwilligkeit entgegen, er brachte
Wein und Lebensmittel, kostete auch
ohne weitere Aufforderung vor, um den
Verdacht der Vergiftung aufzuheben.
Wie ausgezeichnet unsere Stellung ge
wählt war, sahen wir erst am andern
Morgen. Mein Hauptmann gab mir
daher im Einverständnis! mit dem Ba
taillon den Befehl, vorläufig in dem
Schlößchen stehen zu bleiben. Mir war
der Befehl ungeheuer angenehm, denn
es herrschte hier s eine behagliche Ruhe,
und ich als Forstmann fand mich mitten
im Walde, in meinem Element. Ich
ging sehr viel in dem schönen wilden
Part spazieren, genoß daS prächtige
Obst, schoß wohl auch in dem anstoßen
den Wald ab und zu ein Paar Kar
Nickel, kurz, ich befand mich mit meinem
Zuge auf vollständigstem Friedensfuße.
Eines Morgens, als ich wieder durch
den Park schlenderte, bemerkte ich plötz
lich ein helles Sommerkleid in den lan
gen Weingöngen. Eine Dame hier vorm
Feind?! Also hatte uns der alte Diener
doch angelogen. Ich ging auf die Er
scheinung zu, prallte aber geblendet von
ihrer Schönheit zurück. In den weiten
littauischen Forsten aufgewachsen, ohne
den Umgang der Gescllschast genossen
z haben, fühlte ich, wie linkisch meine
Verbeugung sein mußte und wie lächcr
lich mein Entschuldigunftottern. Die
junge Dame aber hals mir mit liebens
würdiger Nachsicht über meine Verlegen
heil hinweg.
Verzeihen Sie, daß ich mich auf Ihr
Gebiet gewagt?"
Ich habe um Verihung zu bitten.
Aber, wenn ich gestört, s ist ti die
Schuld Ihres Dieners, der mich in den
Glaube versetzte, das Schloß sei ver
lassen."
.Das ist ti auch; wir, meine Mutter
und ich. wohnen in dem kleinen Pavil
lon dort, mein Vater ist verreist." Da
mit verbeugte sie sich und verschwand in
drr Richtung ihrer Wohnung.
Ich blieb stehen und starrte ihr nach,
versunken, verträumt. Wenn man sagt,
daß es keine Liede auf den ersten Blick
gäbe, so kann ich das Gegentheil bewei-,
sen. AIS ich der jungen granzsiin in
-die Augen gesehen, wußte ich. daß sie
Der
Jahrgang 16.
das Schicksal für mich bedeutete. Wenn
je das Wort Diese oder Keine" zu
Recht bestand, so war es in meinem Fall.
Für meines Landes Feind entbrennen,
und mich vernichtet nicht die Scham ?"
Ach, in diesem Augenblicke dachte ich an
keinen Feind, ich dachte nur an das be
zaubernde Geschöpf, und ich zerquälte
mein Gehirn, wie ich es ermöglichen
sollte, sie wiederzusehen.
Ich glaube, ich bin an diesem Tage
ein sehr ungnädiger Feldmachkomman
deur gewesen. Jedensalls war ich über
all zu gleicher Zeit; die ganze Nacht trieb
ich mich in der Postenkette herum, ohne
Schlaf zu sinken, immer mußte ich an
die Begegnung von heute Morgen den
ken, immer nur sagen: Diese oder
Keine."
Am anderen Tage machte ich so sorg
fältig Toilette wie zu einem Ball, und
begab mich nach dem Pavillon. Ein
niedliches Kammerkätzchen öffnete, ich
übergab ihr meine Karte. Gleich dar
auf kam sie zurück: "Madam la Mar
quise vous attend."
Ich trat durch eine kleine einflügelige
Thür und besaud mich einer schönen,
alten Dame gegenüber, die mich freund
lich einlud, Platz zu nehmen. Die Kon
versation wurde deutsch gcsührt. Die
Frau Marquise war sehr viel in Deutsch
land gereist und verbrachte jedes Jahr
mehrere Monate in Wiesbaden.
Sie haben meine Tochter schon ge
sprochen, Herr Lieutenant?"
Ja, gnädigste Frau!"
Sie hat mir von Ihnen erzählt.
Die preußischen Offiziere find so höfliche,
vornehme Herren. Werden Sie lange
Hierbleiben Ich will damit nichts
gesagt haben. Lassen Sie es sich wohl
gefallen bei uns, bleiben Sie recht lange;
ich bin so sehr beruhigt, daß wir deutsche
Soldaten um uns haben. Wir genie
ßen dadurch einen starken Schutz."
In diesem Ton ging das Gespräch
weiter. Ich empfahl mich zu schicklicher
Zeit. Die Tochter hatte ich leider
nicht zu Gesicht bekommen. Ich war
aber noch nicht recht auf meinem Zim
mer, als mir der Diener eine Karte
brachte: Frau Marquise von X. laßt
Herrn Lieutenant N. heute zum Diner
bitten, gefälligst 7 Uhr."
Ich zitterte vor Freude, und kaum
konnte ich die Zeit erwarten, die mich
mit den Pavillonbewohner zusammen
fuhren sollte. Ich wurde empfangen
wie ein lieber Gast, und fühlte mich
bald wie zu Hause. Das Wesen der
beiden Damen hatte so gar nichts Fran
zdsisches, sie sprachen von Deutschland
wie von einem liebeu Nachbarn und be
dauerten den furchtbaren Krieg.
Mein armer Mann, er kennt viele
deutsche Ofsiziere, ja, mit einigen unter
hält er sogar Freuudschast, und viel
leicht stehen sie sich schon morgen, Freund
dem Freunde, mit gezogenem Degen
gegenüber."
So ist der Herr Marquis Ossizier?"
Ja, er ist Oberst bei der Armee Ba
zaines!" Ich weiß nicht, es wurde mir plötzlich
so eigenthümlich zu Muthe, ein ganz
leiser Verdacht stieg in mir auf. Wenn
all diese Liebeswürdigkeit Maske, wenn
dahinter der Feind lauerte? !
Fräulein Genevieve setzte sich jetzt an
das Klavier und sang ein Zugeständ
nis! an den deutschen Jäger eine Arie
aus Freischütz.
Singen Sie nicht?" fragte mich die
Marquise.
Für den Hausgebrauch, nicht mehr."
Da hatte auch schon die junge Dame
das Duett Mäzens und Agathens aus
geschlagen. Ich trat an's Klavier, war
tcte geduldig mein Stichmort ab und
siel dann ein. Die Marquise hörte uns
still vor sich hinlächelnd zu und applau
dirte lebhast, als wir geendet.
Machen Sie uns recht oft das Per
gnügen." Ja, kommen Sie bald wie
der," siel Genevieve ein, wir wollen
I wieder zusammen singen." Sie reichte
mir ihre seine, schmale Hand und senkte
ihre seltsamen Augen tief in die mein!
gen. Ich wurde verwirrt, legte die
linke Hand an den Säbel, riß die Hacken
zusammen, drückte den Helm gegen die
Brust und verbeugte mich tief.
Aus Wiedersehen," klang es mir in
den Ohren, als ich schon am Thore war,
das nur der Diener ausschloß.
Befehle der gnädige Herr, daß ich
mit der Ladeicht voraus geh'?"
Nein, ich danke!"
Ich eilte, meine Posten zu revidiren,
alles war in größter Ordnung. Im
Fort regte sich nichts.
Am anderen Morgen traf ich Gene
vieve im Garten, mein Herz schlug hef
tig, ich hätte fliehen sollen, aber ich hatte
keine Kraft; ich war willenlos verliebt
in das leidenschastlich schönt Geschöpf.
Wir gingen plaudernd auf und ad.
Nicht wahr, wenn Sie im Pavillon
zufallig meinen Vater treffen, Sie der
hasten ihn nicht, er kommt in Pioil."
Aber, mein gnädiges Fräulein!"
.Wir haben so diel Vertrauen zu
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Staatö-Anzeiger. No. 34.
Ihnen, ich baue auf Ihre Ritterlichkeit,
mir hätten Ihnen ja verschweigen kön
nen, daß er Offizier ist, aber,. ,, thun
Sie's mir zu Liebe! Könnten Sie mir
nichts zu Liebe thun!"
Alles, alles, was Sie wünschen!"
Sehen Sie, in der Festung ist es so
unbehaglich, mein armer Vater leidet,
schonen Sie ihn, wenn er einmal her
überkommt, um sich zu laben."
Ich wollte noch Einwendiingkii ma
chen, aber- die junge Französin wußte
mich zu beruhigen. Man könne doch im
Salon Freund sein, auch wenn man im
Felde gegen einander kämpfen 'müsse.
Sie war so schön und bat so herzlich,
ich konnte nicht Nein sagen, ich versprach
ihr alles! Sie eilte nach dem Pavillon,
und ich stand allein. Verrath, rief eine
Stimme in mir, Verrath. Du bist
Ossizier, lasse Dich ablösen, baue deine
Feldwache wo anders auf '
Es vergingen acht Tage, nichts Son
derliches geschah, fast täglich war ich
Gast im Pavillon gewesen. Wir hatten
uns einander genähert, ich fühlte, daß
ich Eindruck auf Gcncvieve gemacht
hatte.
Wenn der unselige Krieg zu Ende
ist, kommen wir nach Wiesbaden,"
meinte die Marquise.
Dann besuchen Sie uns," fiel Gene
vieve ein, und dann", setzte sie leise
hinzu, dürfen Sie mir sagen, was der
Herr Lieutenant jetzt verschweigt."
Genevieve !"
St!"
Aber ich hatte sie schon in meine
Arme genommen und ihre Lipen geküßt
und immer wieder geküßt. Wir hatten
die Anwesenheit der Mutter vergessen,
und als wir uns umschauten, war ihr
Platz leer. Sie ließ uns allein, und
mir folgten ihr nicht nach. Wir hatten
uns so viel zu sagen, so viel Unwichti
ges; das Wichtigste wagte keins zu be
rühren, die Hindernisse, die unsere jun
gen Neigung fast unüberwindlich entge
genftanden. Danach fragen aber Ver
liebte nicht.
Genevieve ist ihr freier Herr, sie soll
den Mann nehmen, den sie liebt. Frei
lich muß erst Alles vorüber sein. Unter
den Waffen kann sich keine Französin
mit dem Feinde ihres Vaterlandes ver
loben."
Das sahen wir ein. Ich verabschie
dete mich, um am Abend wieder zu
kommen. Aber Genevieve bat mich, bei
meinen Leuten zu bleiben, und zivar
mit einem so angstvollen Gesichte, daß
ich erschrocken fragte, ob etwas im Werke
sei. Sie schüttelte den schönen Kops und
wiederholte um so eindringlicher ihre
Bitte.
Ich eilte zu meiner Feldwache und
vermehrte sosortmeine Patrouillen, ser
ner befahl ich, zur Nacht die Posten zu
Verstürken, und ging zu meinem Haupt
mann, ihm die ganze Sache zu erklären.
Da ich aber meine Quelle nicht anzu
geben wagte, lachte er mich aus,
brummte etwas wie Sommerlieulenant
in den Bart und ging weg. Ich mußte
also allein handeln.
Es war eben dunkel geworden, als
vorn bei meinem Posten ein Schuß fiel.
Eine Patrouille kam gleich darauf im
Laufschritt heran.
Herr Lieutenant, der Kurschat ist
von einem Franctireur erschossen wor
den, als er ihn abhalten wollte, die
Postenkette zu überschreiten. Wir haben
den Kerl scft. Der Oderjäger Marburg
bringt ihn her."
Wenige Minuten später stand ich dem
Marquis, dem Vater meiner Braut ge
gevüber, er war in Civil, also ein
Franctireur. Das eiserne Gesetz des
Krieges besahl mir, ihn zu erschießen.
Ich konnte ihn nicht retten.
Darum also hatte mich Genevieve ge
warnt, der Vater wurde zum Abend im
Pavillon erwartet. Die treue Seele
wollte mich vor einem Konflikt mit mei
ner Pflicht bewahren.
Der Prozeß war kurz. Mein Haupt
mann hatte unerbittlich den Tod des
Marquis befohlen. Es wurde ihm er
laubt. Abschied von seiner Familie zu
nehmen. Tann trat er ruhig vor die
neun Gewehre. Er hatte als letzten
Wunsch die Anwesenheit seiner Frau
und Tochter bei der Exekution erbeten.
Trotz meines E.insrruchcs gewährte der
Hauptmann diese Bitte. Genevieve
hielt meinen Arm. der Kompagnieches
hatte der alten Marquise galant den
seinen gereicht.
Jetzt kommandirte unser jüngster
Lieutenant:
Bataillon soll chargiren geladen !
Legt an Feuer !
Plötzlich ein Schrei mein Vater
und Genevieve flog dem Marquis
an den Hals Ich schlug dem näch
ften Jäger das ßtewehr in die Höhe. . .
Stopfen! schrie ich Zu spät, sie
lang entseelt über ihrem Vater
G l l a n t s ch. Tie goldene Hoch'
zeit feierte das Wramentsche Ehepaar zu
Patulin-Husen.
Rache ist süh.
Hiimorcske von 81. ?enef.
Oskar Fröbel war Buchhalter in
einem Vaulgeschüfte ; er hatte die feste
Absicht, sich demnächst zu erheiralhen ;
deshalb erschien eines Tages eine An
nonce in der Zeitung, in welcher ein
strebsamer, gebildeter junger Mann
von angenehmem Aeußern und gesicher
ter Stellung" eine Lebensgefährtin mit
etwas Vermögen" suchte.
Acht Tage darauf sah man in dem
Garten eines größeren Sommerlokals
eine junge, elegante und auch hübsche
Dame erscheine, die in der Hand eine
Nelke trug. Alsbald nahte sich ihr ein
junger Mann, dessen Knopfloch eine
Nelke zierte. Das war Oskar, und die
Dame war die Offerte, die ihm passend
erschienen war. Sie hieß Lina und
war eine sogenannte Jünsgroschen"
Rentiere. Die Beiden setzten sich, plauderten
lange zusammen, wobei Lina mehr
mals jungfräulich erröthete. Sie er
ließen den Garten als Verlobte. Wie
prosaisch und alltäglich! Aber jetzt
kommt der poetische und außergewöhn
liche Theil.
Lina hatte eine Freundin, eine sehr
reife Jungfrau, Namens Sabine. Die
biedere Sabine war lang und hager,
etwa siebenunddreißig Jahre alt und
hatte ein ziemlich runzeliges Gesicht,
dazu eine lange, spitze, geröthete, von
einem permanenten Schnupfen geplagte
Nase. Zuweilen machte sie lyrische
Gedichte, die aber keine Zeitung ab
drucken wollte. Sie hatte etivas Ver
mögen, und man sagte ihr nach, sie sei
verlobt gewesen, ihr Bräutigam habe
sich aber kurz vor der Hochzeit erschossen.
Sabine sand die Art, wie die beiden
jungen Leute zusammengekommen wa
ren, höchst prosaisch. Sie sandte an
Beide anynyme Briefe und schalt sie
aus, onß sie sich so verschacherten.
Sollte dies nicht blos Neid gewesen
sein? Die arme Lina machte sich über
den Inhalt des Briefes so viele Vor
würfe, daß sie, wie man zu sagen pflegt,
kopsscheu wurde.
Ist es denn Mahr, daß unsere Hei
rath eine Schacherheirath sein wird?"
sagte eines Tages Lina zu Oskar.
Er wurde ärgerlich.
Das hat Dir der alte Drache, die
Sabine, eingeblasen," sagte er.
Alter Drache?!" rief Lina entrüstet.
Meine beste Freundin so zu beschim
psen !"
Und doch ist sie ein alter Drache!"
Abscheulicher!"
Nicht so abscheulich, wie diese Sa
bitte!" Ein Wort gab das andere, man zankte
sich, und Oskar schied im Zorn.
Am anderen Tage schickte man sich
Ringe und Geschenke zurück, und das
auf dem nicht mehr ungewöhnlichen
Wege der Zcitungs-Annonce entstandene
Verlöbniß war gelöst.
So ist's recht!" rief die Freundin
Lina's. Tie Männer taugen alle
nichts!"
Das ist übertrieben," antwortete
Lina. Oskar fühlt sich doch Unglück
lich, ebenso wie ich."
Und sie brach in Thränen aus,
Sei nur ruhig," tröstete die
Freundin. Ich werde Dir beweisen,
wie verderbt die Männer sind."
Am anderen Morgen las man im
Stadt-Anzciger" folgendes Inserat:
Eine Dame mittleren Alters mit
Vermögen, sucht eine paffende Partie.
Ernstgemeinte Gesuche u. s. w."
Diese Anzeige wurde dem verlassenen
Oskar roth angestrichen zugesandt.
Dem jungen Buchhalter ärgerte es
sehr, daß diese Verlobung zurückgegan
gen war, und er beschloß, Lina zum
Trotz, nun die erste Beste zu hcirathen,
die Vermögen hätte und für ihn zu ha
den wäre.
Stolz wollte er mit ihr dann in einer
Droschke an dem Fenster der Wohnung
seiner srühcrcn Braut vorüberfahren,
um zu zeigen, daß er die Auswahl ha
ben könne.
Die eingesandte Offerte erschien ihm
eben recht. Er machte seinen Antrag
urft) erhielt nach acht Tagen ein zierli
ches Billet, das ihn in eine genau be
zeichnete Laube eines großen Easegartens
bestellte. Er sollte eine Kornblume in
der Hand, die Dame eine solche am Bu
sen tragen.
Wer mochte das wohl sein ?
Auf alle Fälle beschloß Oskar Fröbel,
sich die Sache etwas näher anzuschcn,
und fuhr, tadellos gekleidet, nach dem
Orte des Rendezvous. In elegantester
Haltung trat der junge, ehelnstige
Buchhalter, die Kornblume in der Hand,
in die Laube und sand dort die Tra
gerin der anderen Kornblume vor, es
war Sabine.
Oskar schrak zurück, und Sabine
lachte laut auf.
.Da kommt ja der glückliche Bewcr-
der," rief sie laut, seien Sie herzlichst
willkommen!"
Und sie schien vor Lachen ersticken zu
wollen, während in demselben Augen
blick Lina am Eingange der Laube er
schien.
Ah, nnn siehst Du, was Du ver
loren hast," sagte die Freundin zu Lina
und schien in einen Lachkrampf verfallen
zu wollen. Lina sagte kein Wort.
Oskar lief es eiskalt über den Rücken;
er sah, daß er sich unsterblich blamirt
hatte.
Nichtswürdiger alter Drache!" rief
er und stürzte wie ein gehetztes Reh von
bannen. Die Schande drückte ihn nie
der. Erst wollte er sich erschießen.
Aber er hatte kein Pistol. Tann wollte
er sich erhangen. Aber er hatte keinen
Strick. Dann wollte er sich ertränken.
Aber er besann sich, daß das Waffer
keine Balken habe, und so kam es, daß
er an dem Abend dieses verhängniß
vollen Tages nicht e r trunken, sondern
b e trunken nach Hause gebracht wurde..
Im Katzenjammer brütete er Rache,
und bekanntlich kommen über den Wen
scheu in solch' einem Zustande allerlei
schwarze Gedanken.
So auch dem armen Oskar. Man
hörte in den nächsten Tagen nichts von
ihm, außer daß Lina erfuhr, er habe
infolge seiner Blamage die Stadt aus
immer verlassen. Die junge Dame
vergoß doch einige heimliche Thränen,
erholte sich aber wieder an einigen grim
migen Liedern von der Untreue der
Männer, die Freundin Sabine eigens
sür diesen Fall gedichtet hatte.
Indessen hatte Oskar Fröbel das
schreckliche Ei der Rache ausgebrütet.
Im Stadt-Anzciger" erschien einige
Wochen nach des jungen Mannes Ab
reise wiederum ein Heirathsgesuch nach
folgenden Inhalts:
Ein Kaufmann mit sicherem Ein
kommen sucht zur Gattin eine gebildete
Dame gesetzten Alters. Es wird weder
aus Vermögen noch auf körperliche Vor
ziige Geivicht gelegt. Tagegen muß die
Dame Verständniß für Poesie haben,
mit welcher sich der Antragsteller in sei
nen Mußestunden beschäftigt. Ernst
gemeinte Gesuche u. s. w."
Sabine las natürlich auch den
Stadt-Anzciger", und die Spalte, in
welcher die Heiratsannoncen zu stehen
pflegten, erregten immer ihre besondere
Aufmerksamkeit. Tas war ja ein An
gebot in optima forma, ein Angebot,
welches auf sie paffen mußte, wie auf
keine andere in der ganzen Stadt. Als
sie sich die Nase in Ordnung gemacht
hatte, nieinte sie vor dem Spiegel, vor
den sie getreten war:
Run, gar so übel sehe ich nicht aus."
Line trat ein und sie zeigte ihr das
Inserat.
Da ivcrde ich schreiben. Was meinst
Du?" fragte sie im verschämtem Tone,
doch mit funkelnden Augen.
Aber ist das nicht alltäglich und
prosaisch?" fragte Lina naiv.
Du siehst doch, unerfahrenes Müd
chen," brauste Sabine auf, daß es sich
hier um Poesie handelt."
Wie Du meinst," antwortete die
verlassene Dame wehmüthig.
Du hältst mich wohl nicht für ge
eignet?" sagte Sabine lauernd mit
einem bösen Ausleuchten ihrer grauen
Augen.
O, doch," antwortete die Eesragte
gelaffen.
Dann begleitest Tu mich, wenn ich
ein Rendezvous angeboten bekomme."
Sie schrieb und hatte den Muth,
eine, und zwar ihre Photographie bei
zulegen. Schon nach drei Tagen kam die Ant
wort und war ihr günstig. Sabine
wurde eingeladen, sich mit einem Beil
chcnstrauß auf einem schönen Aussichts
Punkt, einem Pavillon in den An
lagen des über der Stadt liegenden
Schlaffes, in früher Morgenstunde ein
zu finden.
Siehst Tu," rief sie, so lohnt sich
ein poetisches Talent. Wie herrlich
wird ein Zusammenleben mit solch'
einem Manne sein!"
Ja," meinte Lina gleichgiltig, mel
chcr dir Freundin nun zuwider geworden
war.
Aber Tu begleitest mich doch?"
fragte Sabine. Es ist nicht gut, wenn
ich so allein dem fremden Manne gegen
übertrete," sagte sie, Verschämtheit heu
chelnd. Nun ja," antwortete Lina und
murmelte: Vielleicht diene ich auchchcm
Herrn zum Schutze!"
Was sagst Tu?" rief jene argwöh
nisch. Nichts; ich begleite Tich ja!"
Tu scheinst mir neidisch zu sein."
Die Verlassene antwortete nichts dar
aus und empsahl sich.
Am anderen Morgen sand sich Sa
dine, von Lina begleitet, jrühzeiiig in
dem Pavillon ein. Sie brannte vor
Ungeduld und Spannung. In der
Hand trug sie einen mächtigen Beil
chenstranß, der als verabredetes Erlen
lingszeichen dienen sollte.
Plötzlich erschienen drei fremde Her
ren, welche den Eingang zum Pavillon
besetzten. Die beiden Damen staunten,
Sabine zitterte vor Spannung da
trat Oskar Fröbel triumphirenden Ant
litzrs ein.
Nun," sagte er spöttisch, schöne
Dichterin Sabine, Sie wollen mich also
wirklich in meinen Mußestunden glück
lich machen?"
Damit hielt er ihr einen Brief hin.
Tie mitgebrachten Zeugen aber brachen
in ein homerisches Gelächter aus.
Sabine siel in Ohnmacht, Liua er
röthcte. Oskar aber sagte zu ihr:
Du siehst nun, daß wir uns von
diesem alten Drachen haben unnöthiger
weise entzweien lassen; komm', laß
uns nnn wieder Frieden schließen und
uns versöhnen. Ich habe eine glän
zcnde Genugthuung. Komm', Lina!"
Lina siel ihm um den Hals und
weinte vor Freude.
Einer der Freunde aber sagte: Es
ist . gut, daß Ihr Euch nun kennt.
Hoffentlich habt Ihr eingesehen, daß
der Weg der Zeitungsannoncen ein ge
sährlicher ist."
Das Befinden der Gänse.
Von Lord Ponsonby, dein jüngst ver
storbene Ceiemonienmeister der Köni
gin von England, erzählt der Komiker
Toole eine lustige Geschichte: So oft
eine Künstlerin oder ein Künstler in
Windsor oder Balmoral aufgetreten
war, schickte Lord Ponsonby am nächsten
Tage an ihn ei Telegramm des Wort
lautes: Ihre Majestät war sehr er
sreut, zu erfahren, wie es Ihnen oder
(wenn es eine ganze Truppe war) wie
es den geehrten Mitgliedern Ihrer
Truppe ergeht, und wie dieselben ihre
Reise bestanden Habens Von mir bitte
ich denselben den Ausdruck meiner hoch
achtungsvollen Gefühle bekannt zu ge
ben, Ponsonby." Eines Tages hatte
auch Rodgers Pratt sich mit seinen dres
sirten Gänsen vor der Königin und den
Kindern des Herzogs von Connaught
produzirt. Und was bekain er am
nächsten Tage? Das Telegramm: Ihre
Majestät wäre sehr erfreut, zu ersah
ren, wie es den Mitgliedern ihrer
Truppe ergeht und wie dieselben ihre
Reise bestanden haben. Von mir bitte
ich denselben den Ausdruck meiner hoch
achtungsvollen Gefühle bekannt zu ge
den. Ponsonby."
(kine 'ergSIjliche Missdeuku
so schreibt man der Voltsrundschau"
hat kürzlich ein Schreiben vom General
kommando in der LUncburger Haide er
fahren. Ein Baucrnsohn hatte sich zur
Einstellung bei der Garde gemeldet.
Nach einigen Tagen erhält er Antwort.
Als er den Brief gelesen, sragte er za
gend seinen Vater: Vadder, der, kannst
Tu mi, wenn ick na'r Garde kome, woll
noch 100 mehr mitgäven, denn dat Ge
wehr mut ick mi siilpst löpen." Wis
den Breis mal her. Junge," sagte der
Vater, setzte seine Brille auf, las auch
und sagte dann: Ja et is richtig, da
steit et, dat mag wer bi de Garde woll
nich anners gähn." Die Behörde
hatte in dem Brief zum Schluß geschrie
ben: Eine Gewähr sür Einstellung
kann nicht geleistet werden."
Tie Schneeflocke.
Ich saß am Fenster und sah in Ruh'
Dem Schneegestürme des Winters zu.
Die Lüfte durcheilend zum Erdenziel
Trieben die Flocken ihr tolles Spiel.
Da siel mein Blick so von ungefähr
Auf ein einziges Sternchen im weißen,
Meer
Und es kam mir dabei just in den
Sinn,
Daß dieses Flöckchcn ich selber bin.
Schnell schloß ich die Augen, ich mochte
es nicht seh'n,
Wohin die Wirbel, die wilden mich
wch'n.
Wenn Du willst, daß ich morgen
Abend kommen soll, schick mir einen
Brief in die Käsern'!"
Wer soll mir denn den Brief be
sorgen?"
Kannst Du denn Deine Madam'
nicht schicken?!"
Unverändert.
A. : Hast Tu Lchmann in Norderney
getroffen?"
B. : Ja!"
A. : Na, hat er sich sehr verändert?"
B. : Nicht ein bischen, er hat mich
sofort um sllnfzig Mark angepumpt!"
?chän ausgedrückt.
Soldat (aus dem Manöver zurückgk
kehrt): Rieke, an Tich habe ich immer
fort gedacht, die Bratwürste, welche Tu
mir mitgegeben, zogen sich durch's ganze
Manöver als rother Faden."
Der ubre Grund.
Anwalt: Warum sind Sie denn im
Gefängniß?"
Sträfling: Weil ich nicht heraus
kann."
WM möglich.
.Sie sagen. Sie hätten sich Ihr Geld
sauer erworben? Tas stammt doch
Alles von Ihrer Frau?"
Na ja, die bad' ich mir eben sauer
erworben."
cnszki eines khemnncs.
Ich weiß nicht, meine Dienstmädchen
rändern sich alle Augenblick mein
Frau nie!"