Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 09, 1896, Image 11

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r
verrathene Freundschaft.
Huuwrcöke von Anna Bchnsch,
Sie hallen fkh's zugkschworen, baß
sie niemals kcirathen wollten. Sie hat
tcn das weibliche Geschlecht ihr Leben
lang verachtet und schon als nrnnasia
ften nur ein mitleidiges Lächeln siir ihre
?meraden gehabt, wenn dieselben den
blondlopfigcn Backfischen mit den blaue
Haarschleife, siir die sich ihr Her, in
der Tanzstunde entzündet, Fensterpro
mcnaden machten oder Pralines und
BeilchenbonquetS widmeten. Und spater
als Studenten na. unempfind
lich aeaen die ilccize des schönen e
schlechts waren sie i gerade nicht geive
sen, aber sie behandelten die Frau wie
ein niedliches Spielzeug, ein weivl,
dies Wesen ernsthaft nehmen? lächer
licher Gedanke! Und selbst, Ivenn sie sich
'mal herzhaft verliebten und verlieben
mußten sie sich bisweilen, war doch der
Eine ein Malers- und der Andere ein
Dichters,, und die haben schon von
Berufswegen die Temperatur ihres
Herzens zeitweise zu erhöhen so
blieben sie doch immer Herren der Si
tuation. Sie waren sich Beide einig darüber,
daß sie zu geniale Naturen waren, um
von einem Weibe begriffen zu werden,
und als treue Freunde reichten sie sich
die Hand und sprachen: Die Kunst resp,
die Poesie sei unsere Braut, und wer
derselben je zu Gunsten einer Staubge
borcnen abtrünnig wird, biibe diesen
Frevel mit dem Bruche unserer Freund
schast." Und die ffreunoMft yaile gepeilten
Jahrzehnte laug.
Da geschah es, daß sich der Poet
Harald Lehniaiin hieß er eines schönen
Sommertages auf Reisen begab, um
Eindrucke zii sammeln, nd keine An
stalten machte, wiederzukehren. Der
Freund Guido Pinselineyer wurde
unruhig, zumal er nicht einmal über den
Aufenthaltsort des Entflohenen unter
richtet war und seit Wochen keine Bliese
mehr von ihm erhielt.
Endlich, als sich das Laub schon bunt
zu färben anfing und die September-
sonne die reifenden Fruchte vergoldete,
traf eine Nachricht, aus einem vorneh-
mcn Scebade datirt, ein, die Folgendes
enthielt :
Theurer Guido, koste es selbst unsere
Freundschaft, endlich muß es ausge
sprachen werden : ich habe ein Weib ge
funden, das meiner würdig ist. Was
sage ich? ein Weib? Eine Göttin is!
sie, eine Heilige, schön wie der junge
Tag, lieblich wie eine Fruhlingsbluthe,
an Geist so groß und an Gemüth so uw
erschdpflich tief.
Viola hat vor einem Iah ihren
Gatten verloren, er war Künstler, und
auch sie selbst scheint künstlerische iöe
schäftignngen aus Liebhaberei zu pfle
gen. Sie spricht nicht gern über ihre
Verhältnisse, sie muß Schioercs durchqe-
macht haben. Du mußt wissen, daß
ich schon über acht Wochen auf dieser
Insel weile. Der Eindruck, den sie in
erster Stunde aus mich machte, war so
gewaltig, da ich sie schon ain nächsten
Morgen über den Zustand meines Her
zens aufklärte. Sie deutete mit einem
bitter vorwurfsvollen Blicke auf ihre
schwarze Kleidung, um ihre Lippen
zuckte es und schweigend erließ sie das
Lciekabinct, in welchem sich jene Szene
abspielte. Tos konnt ich nicht ertra-
gen, ich schrieb ihr auf der Stelle,
bat sie um Verzeihung und beschwor sie.
mir wenigstens ihre Gesellschaft nicht zu
entziehen: vielleicht würde es einem sich
bei näherer Bekanntschaft unfehlbar
ergebenden Verständnisse doch gelingen.
mich meine kühnen Wünsche erreichen zu
lasten.
Und Viola reiste nicht ab.... Als
wir uns wieder begegneten, reichte sie
mir holderröthcnd die schlanke Hand und
lächelte , als sie du großen ZZnder
äugen zu mir aufschlug, war mir, als
habe ich in den offenen Himmel geschaut,
Tann bat sie mich mit zitternder Stimme
um Schonung: die Erinnerung an ihren
Gemahl, den sie zwar nicht geliebt, ober
hoch geachtet habe, sei noch zu frisch, um
sie schon jetzt an ein neues Glück denken
zu lassen, wenn ich aber Geduld
haben wolle 0, Guido, wie es
in mir jubelte und jauchzte!
Noch immer zwar hat sie mir keine
bindende Zusage gegeben, doch nach
meinem stürmischen Flehen hat sie
gestern versprochen, mir nach drei Tagen
eine endgültige Entscheidung zukommen
zu laffen. Deshalb schreibt ich Dir.
Guido; Tu sollst Dich mit mir freuen.
Schüttle nicht den Kopf und frage, wie
ich armseliger Hungerleider, in dessen
Reifekafse der Aufenthalt in dem un
finnig theuren Orte und die Rosen, die
ich meiner Göttin taglich spende, schon
eine bedenkliche Ebbe verursach! haben,
eine Frau tryalten soll. Viola ist
reich, sie macht kolossale Ausgaben
ohnt im ersten Hotel und kleidet sich
in tdeure, wenn auch einfach aussehende
Stoffe. Nur Schmuck scheint zu Haffen:
das einzige Prunkstück, das ich je an ihr
gesehen, ist ein Armband mit einer
großen grauen Perle.
Wünsch mir Glück und denke an
ich.
Tin Harald Lehmann."
, kennen lernen werde ich du Sirene,
Schockschmnenoth und auf der
Stelle!" wetterte Pinselmeger, ballte
den Brief zusammen und schleuderte ihn
unter den Tiscd. Tann sprang er auf,
machte vor Zorn einen seuerrothen
Strich übn den blchblauen Himmel
und rief das Atelierfaltotum, daß ti
die Pinsel wasche und seinen Koffer
packe.
.Noch heute muß der alte Junge zur
Vernunft gebracht werten, das ist
JrcundschastSpflicht."
Schleunigst stürmte er auf den Bahn
Hof und erreichte noch eben den Zug,
mit dem er zu reisen beabsichtigte
und angekommen am Bestimmungsort,
lief er spornstreichs in seines Freundes
Logis. Der war natürlich nicht zu
Hause, und Guido blieb nichts weiter
übrig, als planlos am Strande entlang
zu schleudern und dabei die Bioral
predigt auswendig zu lernen, mit der er
dem Wortbrüchigen am Abend gegen
über treten wollte.
Da vernahm er hinter sich ein lieblich
gurrendes Frauenlachen, bei dem ihm
ganz seltsam zu Muthe wurde. Er
schaute sich um und erblickte Harald ini
weißen Flanellanzug an der Seite einer
Frau, nein, er gab es zu: keiner
Frau, sondern einer Göttin. Alles,
was er dem Freunde und seiner Ver
führerin hatte entgcgenschleudern wol
len, war vergessen. Roth wie ein
Schulbube stand er da und hatte Herz
klopfen. Der Dichter schnitt bei dem
unerwarteten Wiederfehen ein Gesicht,
als ahne er, daß Guido Böses im
Schilde führe; doch die Dame streckte
diesem mit der Sicherheit der eleganten
Weltdame und mit bestrickender Liebens
Würdigkeit die Hand entgegen: Wie
freue ich mich, Sie kennen zu lernen!
Sie werden ns doch siir heute das Ver
gnügen Ihrer Gesell chaft schenkend
Guido wußte nicht, ob er ja oder nein
sagte: er sah nur die Grübchen in
Viola's rosigen Wangen, die langen
sammetncn Wimpern, die ihre dunkel'
blauen Augen beschatteten, das Gekräw
scl goldbraunen Haares, das um ihre
weiße Stirn spielte, und fühlte,
sein KUnstlerherz, das nur durch's Auge
lebte, in Flammen stand. Ob die
schöne Frau es fühlte? Sie konnte so
nachfichtiq und erbarmend lächeln.
Dann saßen sie zusammen im Cafe,
er dürfte ihr den Zucker reichen und
dabei ganz, ganz leise, ganz zufällig
ihre blauqcüderte Hand streifen, deren
Gelenk der goldene Reif mit der graiien
Perle umschloß. In diesem Augenblick
fühlte er, daß er seinen Freund haßte,
tödtlich haßte. In seinen Blicken mußte
das geschrieben stehen, denn in Harald's
Wesen kam etwas Scheues und Un
ruhiges. Diesem merkte man an, daß
er eine Auseinandersckunq mit dem
Maler fürchtete. Verschieben wenig
steiis woM er die Unterredung, bis ei
dem Freunde mit vollendeten Thatsachen
entgegentreten konnte. der nächste
Morgen mußte ja Viola s Jawort bnn
gen. too cyutzle Haraio vcnn eine
Verabredung mit einem durchreisenden
Kollegen vor, die ihn bis in die Nacht
hinein bände, um sich unmittelbar nach
dem Kaffee zu' verabschieden.
Viola entließ den Schriftsteller mit
einem Händcdruck, der Guido innerlich
rasen machte. Dann wandte sie sich zu
ihm, nahm seinen Arm und bat ihn.
nach Hause zu geleiten, da sie für den
Abend noch den Besuch eines nahen Vcr-
wandten erwarte. Er zog die Uhr:
Gnädigste, die Sonne steht noch hoch,
das Wen ist Ichön, lasten Sie uns
ein Stündchen wenigstens noch am
Strande verweilen."
Und wieder lächelte sie ihr Lächeln
machte sie fassungslos , und sie wil
ligte ein.
Und sie schritten neben einander durch
die Dünen und lagerten sich auf einer
Böschung. Er erzählte ihr bon seiner
Jugend, von seiner Kunst, der er so
lange ausschließlich gelebt, zumal sein
großes vermögen ihm geftatie, ganz
nach seinen Neigungen zu schassen. Und
sie lächelte nochmals und sah ihn an, , .
Und plöklich kniete er zu ihren Füßen
und bedeckte ihre Hände mit glühenden
Küsten. Biola, seit ich Sie erblickte,
liebe ich Sie. Sie müssen mein wer-
den, mein siir Zeit und Ewigkeit."
Und sie seutzte schwer und erhob sich.
Wie stürmisch Sie sind, oh gehen
wir heim!"
Nein, rief er, nicht eher als bis
Sie mir gesagt haben "
Haben Sie Geduld bis morgen, ich
schreibe Ihnen, in der Stille der Nacht
will ich mit mir in's Reine kommen."
Plöklich fuhr sie zusammen. O
Gott, mein Armband!"
Verloren?" fragte er bestürzt.
Sie nickte. In den letzten zehn
Minuten. Vor einer Viertelstunde hatte
ich'3 noch. Es muß in den losen Sand
gefallen und verweht sein."
Sie suchten Beide. Sie in sichtlich
wachsender Aufregung, nichts war zu
entdecken. Er wollte den Verlust dem
Stadtwachter melden, sie wehrte ihm:
.Wenn wir's nicht sinken der sindet's
auch nicht; es kann nur an dieser Stelle
verloren sein. Ueberdies, erhielt ich s
auch morgen wieder, die Unannehmlich
keit wäre dieselbe sür mich. Ich sagte
Ihnen schon, daß ich noch heute meinen
Schwiegervater erwarte, gerade vor
ibm wäre es unsäglich fatal, das lebte
Geschenk meines Gatten nicht mehr zu I
vcptzen. AN das Z!erl,ren wurde er
kaum glauben."
.Wenn Sie vorgäben, es nicht mit
auf die Reise genommen zu haben?"
.Er weiß, daß ich gewöhnt bin. es
täglich zu tragen, . . . Mein Gott, was
soll ich machen Allerdings sah ich
hier in einer Auslage ein fast gleiches,
doch würde der Preis desselben meine
augenblicklich flüssigen Mittel bedeutend
übersteigen. ,
.Ader Gnädige haben selbstverftand
lich über mich zu verfügen."
.Ich danke Jhnen sehr gütig.!
doch kann ich das unmöglich annch-
men."
Aber Gnädigste werden niir doch gc
statttcn, Ihnen aus einer momentanen
Verlegenheit zu helfen , . , . "
Auf keinen Fall. Ich haste lede
Schuld. Lieber trage ich die Folgen
meiner Unachtsamkeit, als daß ich von
meinen GrundsäKen abweiche."
Er versuchte sie zu überreden, doch sie
unterbrach ihn ernst und bestimmt:
Bitte, sprechen wir nicht mehr davon."
So tam es, daß sie ein wenig vcr
stimmt auscinandergingen, doch ein
sanfter, zärtlicher Blick, der ihn beim
Abschied aus verschleierten Augen tras,
versöhnte den Maler im Nu.
Als ob es hinter ihm brenne, durch
stürmte Guido nun die Straßen des
Ortes und fahndete auf das Armband,
von dem das herrliche Weib gesprochen.
Nach stundenlangem Suchen hatte cr's
gefunden. Vor der Höhe des Preises,
der ihm genannt wurde, erschrak er
doch, obgleich er auf die größten Ziffern
gefaßt war. Allein was half's ? Das
Armband mußte er besitzen, er
zahlte.
Dann warf er ein paar Zeilen auf
eine Visitenkarte.
Noch vor Sonnenuntergang gelangte
die Sendung in Viola's Hotel.
Er verbrachte eine schlaflose Nacht.
Sein Zimmer lag unmittelbar neben
dem seines Freundes ; er hörte densel
ben um ein Uhr nach Hause kommen,
doch er gab kein Lebenszeichen, jetzt
scheute er die Gegenwart des Dichters.
Gott im Himmel, wenn's doch erst
Morgen werden wollte, der Morgen,
der Viola's Entscheidung bringen sollte.
Und es wurde Morgen ; Guido wagte
sich nicht aus seinem Zimmer zu rüh
ren, Harald ging es ebenso. Im Hotel
wurde es lebendig. Guido genoß den
Kaffee auf seinem Zimmer, Harald des
gleichen. In Beiden wühlte sickernde
Erwartung.
Da, als längst die Kurmusik zum
zweiten Male verklungen war, vernahm
der Maler aus Harald'S Zimmer einen
unterdrückten Schrei. Ein menschliches
Mitleid beschlich ihn. Er donnerte an
die Wand : Du, was ist Dir?"
Ein dumpfes Stöhnen war die Ant-
wort.
Mensch, bist Du krank?" Er stürzte
aus der Thür und erzwäng sich Einlaß
in Harald's Gemach. Der wies kreide-
bleich und mit schlotternden Gliedern
auf ein zu Boden gefallenes Schreiben.
Da eben vom Kellner "
Blitzartig durchzuckte den Künstler
eine teuflische Freude. Also, ich bin's,
den sie erwählt!"
Er nahm den Brief und durchflog
ihn.
Theurer Freund, ich nehme Abschied
von Ihnen. Meine durch den Besuch
meines Schwiegervaters und Jmpresa
rios plötzlich veränderten Rcisedispo
sitionen zwingen mich, schon bei Mor
gengrauen das Schiff nach New Bork zu
besteigen, um rechtzeitig mein Engage
ment an einem dortigen Cirkus anzu
treten. Ihrem Freunde danke ich herz
lich für seine Eourtoisie ; hätte er sich
doch meinetwegen nicht so in Unkosten
gestürzt, die Perle in dem verlorenen
Armband war ja nur eine unechte.
Ihre ergebenste Viola."
Harald war, während Guido las,
an's Fenster getreten und versteckte sein
Dichtcrhaupt hinter der Gardine,
das benutzte Guido, sich nach beendeter
Lektüre lautlos aus dem Zimmer zu
schleichen.
"Kühne kangfinger.
Bilder an3 der englische Bkrbnchervell,
Die Fortschritte, welche die Kultur
macht, erstrecken sich auch auf das Ver
brecherthum der Tiebstahl, das heißt
der Tiebstahl im Großen, wird heutzu
tage gewissermaßen ftudirt und wissen
schaftlich betrieben.
Als Beweis dafür möge der in der
englischen Kriminaliftik berühmte"
Fall der Langsinger Firma Pierce &
Agar dienen.
An einem schönen Morgen sitzen zwei
einander völlig fremde Herren in einem
Eoupee erster Klaffe auf der Fahrt von
Liverpool nach London. Einer von
ihnen ist Agar, ein Wagehals, der an
einem spielhaufe, das er m Amerika
gehalten, zum kleinen Rentner gewor
den. Ter Andere heißt Pierce und ist
Börsenspekulant. Sie fangen mit ein
ander ein Gespräch an, ein gewöhnliches
Eoupeegespräch natürlich, über die
Scdnelligleit der Züge, über die Maß-
regeln, die sür die Sicherheit der Paffa-
giere und des Gepäckes getroffen wer
den. Ter eine Gentleman lobt die
Wachsamkeit der Eisenbabn-Gesellschaf.
ten, welche jedweden Tiebstahl unmög
lich machen. Da zuckt der zweite Gentle
man die Achseln: Ob die Gesellschaften
wirklich so wachsam seien. Und der
zweite Gentleman meint, daß bei guter
Einleitung des Geschästes"
Tiefe Andeutung genügt. Pierce und
Agar, zwei mahlverwandtkjTikdesseelen.
yaven einanoer gesunken. Xw zwei
Paffagie rücken zusammen und be
sprechen sich mit leiser Stimme. Tenn
es ist ein ßoup auszuführen: Die
South Eaftern Railmay tranSportirt
häufig Goldbarren für die Bank von
England, und dieser Barre wollen sich
Pierce und Agar bemächtigen.
Schon für den Abend nach der An
kunst in London geben sie sich ein Ren
dczvous, um das Problem zu ftudiren.
Es ist wirklich ein strategisches Problem,
denn was alles müssen die Tiebe
machen ! Vor allem den Tag erfahren. i
an welchem die Bayn so viel Goio
sührt, daß das Unternehmen" sich be
zahlt, dann die genauen Stunden von
Abfahrt und Ankunft, das Aussehen
und die Gestalt der Koffer, die Form
und das Gewicht der Barren kennen.
In den Wagen dringen, in welchem der
Transport erfolgt, und dabei die Wach
ter des Schatzes täuschen oder entfernen.
Die Kofferschlüssel besitzen, da ein Er
brechen derselben zu viel Zeit erheischt
und zu viel Lärm macht. Die gestohle
ncn Barren durch anderes schweres
Material ersetzen, damit die erste Kon-
trolle bei Ankunft des Schatzes die
Koffer werden wieder abgewogen ge
tauscht werde. Und wieder die letzte
Aufgabe: den Waggon unbemerkt der
lasten, mit etwa 70,000 das heißt mit
einer Last von etwa 170 Pfund.
Das Alles bildet ein scheinbar nicht
zu verwirklichendes Kunststück, und doch
ist es den Gentlemen" Pierce und
Agar geglückt. Zunächst studirten sie
auf häufigen Fahrten die Eisenbahn
strecke London-Folkeftone, m alle T
tails des Dienstes kennen zu lernen,
Tann kauften sie Kupfer und Silber
darren, welche sie öfters verschickten, da
durch erhielten sie Kenntniß über alle
Modalitäten solcher Versendungen.
Pierce ließ sich in Folkestone nieder,
knüpfte Beziehungen mit den Eisen
bahnbcamten an und erfuhr sehr bald,
in welcher Schreibtischlade die Schlllffel
zu Waggons für die Barren aufgehoben
wurden, und es gelang ihm in einer
Nacht, die Schlüssel zu copiren. Agar
machte während dieser Zeit Reisen auf
dem Continent, stndirte den Verkehr der
Eisenbahnen und Dampfschiffe, die
Ufancen der Banken. Das Geschäft"
kostete den Beiden ein Jahr an Studien,
ein Einlagekapital" von ca. 88000,
aber es gelang. Und sie wären nie ent
deckt worden, wenn nicht Agar in einem
Anfall von Eifersucht seinen Complicen
Pierce denuncirt hätte, um diesen von
einer Geliebten zu trennen.
Ein anderer berühmter Verbrecher,
Benson. erschien mährend des deutsch
französischen Krieges mit scheinbar aller
echtesten Papieren beim Lordrnayor von
London, berief sich auf eine Empfch
lung Eambetta's und legitimirte sich
als Abgesandter des Gemeinderaths von
Chateaudun. Der Lordrnayor lud Bew
fön zum Diner, hörte unter Thränen
dessen Erzählung von der Einnahme der
Stadt Chateaudun durch die Deutschen
und gab schließlich dem Abgesandten der
tadt 50,000 Francs aus dem zur Un
terstUtzunq der Kriegsopfer bestimmten
Fonds. Benson dankte Uberschwänglich
und reiste nach Brüssel, um sich zu
arnustren.
Nactf einigen Wochen beklagte sich der
Lordmayor telegraphisch beim Gemeinde-
rathe von Chateaudun, daß man ihm
keinerlei Danksagung geschickt; so erfuhr
er, daß er betrogen worden.
Benson wurde verhaftet, ausgeliefert
und zu in Jahren Zuchtarbcit verur
theilt. Im Gefängniß fand er Ge
schmack am Verbrechen, und trotz Mau
ern. Gittern und Wächtern organisirte
er eine Bande, die jahrelang der
Schrecken von London war. Aus dem
Gesängniß schickte er seine Instruktionen
an die freien Genossen, die nichts zu
thun hatten, als sich genau an diese
Vorschriften zu halten. Der Erfolg
trat pünktlich ein, und nie hätte man
die Tiebe entdeckt, wenn Benson sie nicht
selbst verrathen hätte, um seine Freiheit
zu erkausen. Benson befindet sich jetzt
wegen anderer Diebstahle wieder m en-
gem Gewahrsam. Es wäre trotzdem
gar nicht unmöglich, daß der Silber
barrendiebstahl. wie der große Juwelen
diebstahl bei Frau Lilly Langtry, zwei
Operationen von besonders geschickter
Vorbereitung und Ausführung, zu de
nen sicherlich mehrmonatliche Studien
erforderlich waren, auf diesen größten
aller jetzt lebenden dunklen Gentlemen"
zurückzuführen sind.
Wie
weit kann man mit losten
Auge sehen?
Das hängt von der Höhe des Beob
achters und, soweit irdische Gegenstände
in Frage kommen, auch von deren Höhe
ab, eigentlich auch noch von dem geo-
graph, chen Punkte der Beobachtung,
weil die Erde nicht überall gleichrund
ist. Bei miltlerer Erdlrlimmung sieht
ein Mann von gewöhnlicher Größe vom
Seestrande aus einen Gegenstand aus
dem Meere nur 5j Kilometer weit;
überragte das Objekt die Meeresfläche
um 15 Meter, so würde es schon 15
Kilometer weit sichtbar werden. Von
1617 Meter Höhe aus reicht der
Blick ebknloviele Kilometer weit (immer
über das Meer) hinaus. Vom höchsten
Berge der Erde (Mount Everest. 8840
Meter) könnte man gut 320 Kilometer
weit sehen. Tie Höhe (bei Stand
Punktes) in Metern mit 9 multiplizirt
ergiebt annähernd die Entfernung in
Kilometern, bis zu der man einen Ge
genftand sehen kann. Nach dem wölken
losen Himmel hinauf ist die Sehweite
ja nahezu unbegrenzt, denn wir erken
nen ja das Licht der Sterne, die Millio
nen und Billionen Meilen von uns ent
fernt sind.
Tit xeissa,,
jenes so nützliche und in den verschieden
ften Gewerben unentbehrliche Werkzeug,
welches nicht allein in Sägemühlen und
Tischlereien, sondern, sondern auch in
Knopffadriken, Messer-, Kurzwaaren-,
-pielwaaren und Bleifti't-Fabriken,
ebenso auch neuerdings in Mctalldear
dtitungswerkstatten eine große Rolle
spielt und bei aufmerksamer Bedienung,'
auch gar nicht so gefährlich ist, als wie
es von vielen Seiten hingestellt wird,
eristirt seit dem Jahre 1770 und ist eine
Erfindung eines amerikanischen Kami
niacherS Namens Hartshorn. Tcmsel
den ging die Herstellung der Kammzin
ken durch Einfchneiden mittelst Hand
säge zu langsam, weshalb er eine ku
pfernc Münze nahm, deren Umfang
flach feilte, mit Zahnhieb versah, ein
Loch in deren Mitte bohrte und eine
Achse einsetzte, worauf das neue Werk
zeug zwischen die Spitzen einer Drehbank
gespannt, und in Umdrehung persetzt
murde. Die primitive Einrichtung lei
stete gute Dienste, weshalb nun unser
Kammmacher größere Sägen aus Stahl
blech fertigte und damit nunmehr auch
die Horn- und Elfenbeinplatten zurich
tete und die Haudsüge ganz aus seinem
Betrieb ausschloß. Da der Erfinder,
welcher übrigens auch noch den Löffel
bohrer erfunden hat, Patente auf sein
neues Werkzeug nicht nahm, so wurde
dasselbe bald Gemeingut, nachdem man
gelernt hatte, größere Kreissägcnblälter
in guter Qualität herzustellen.
Bolksthümliche Erklärung es 2c
Icphons.
Tu, Hinnerk, scgg mal, all Lüd'
snackt von dat grote Telephon, wat is
dat denn egentlich sorn Dings?"
Je, dat will ick di seggen, aber dit
is 'n ganz kuriose Geschicht, und dat
kannst du uich beqriepen, wenn d die
dor nich orrig rinncr-denken deihst,
kannst dat wohl ?"
Rinnerdenken, na, dat kann ick ja
mal dohn.
Na nu denk di, du häst 'neu Smien,
kannst di dat denken?"
Ja, dat kann 'k mi denken,"
Nu denk di, dat Swien hat 'n
Smanz."
Ja, dat hebben's ja all."
Ja, dat Smien, wat du häst, dat
steiht in Rostock up'n Markt, und de
Swanz de is so lang, de geiht bet na
Warnemunde."
Bet na Warneniiinde? Dat isdumm
Tüq!"
Schapskopp, denken schast di dat ja
man blos, kannst dat mch?
Von Rostock bet nah Warnemiinde,
na ick will mal sehen,"
Nu paß aber up, nu knippst d dat
Swien in Warnemundc in n Swanz,
ganz düchtig knippst du rin, wat malt
denn!"
Denn schrieqt et!"
Ja, wenn du dat Smien in Warne
münde in 'n Swanz knippst, makt dat
Mul, wat in Rostock is. quieck! Sii
du wol, dat is 'n Telephon,"
In der Zerstreutheit.
In den Stallungen des Gastwirths
Krause Pflegen die Bauern der Umge
gend bei ihren Stadtbesuchen die Pferde
ausspannen und füttern zu lassen. Da
viele der Landleute für das Stall- und
Futtergeld eine Quittung verlangen,
hat der Wirth sich gedruckte Scheine:
Stall und Futtergeld dankend erhal
ten", angeschafft. Kürzlich verheirathetc
sich Krause. Einige Tage nach der
Hochzeit llbcrscndit der auswärts woh-
nende Schwiegervater die Mitgift per
Post mit der Bitte um Empfangsbestä
tigung. Der junge Ehemann viel
beschäftigt und in Gedanken beständig
bei seinem Weibchen greift gewohnter
Weise mechanisch nach einem der bewuß-
ten Scheine und staunend bekommt der
Herr Schwiegervater am nächsten Taae
zu lesen: Stall- und Futtcrgcld dan,
kend erhalten. Krause." 1
Immer derselbe.
Dame: Herr Lieutenant, wie geht es
denn Ihrem Herrn Papa?"
Lieutenant: Wie kann es einem Pa-
ter gehen, der einen solchen Sohn hat?"
Leiner lvink.
Frau: Höre,, liebes Männchen, Du
mußt Dich photograplziren lasten!"
Mann: Weshalb?"
Frau: Damit ich Dich öfters sehe!
Tu bist immer so selten zu Hause.
Auch ein Geburtstagsgeschenk.
,,Ach was für eine schöne Brieftasche
Sie da haben."
Ja, meine Frau hat sie mir zum
Geburtstag geschenkt."
Wirklich! War auch noch etwas
darin?"
Ja; die Rechnung sür die Brief
lasche." Der nervöse Zuhörer.
Fräulein Krähhahn (am Gesellschafts
abend, singt): .Ich möcht' am liebsten
sterben da wär's aus einmal still !"
Herr (für sich): .Wenn fie's nur
thät !"
väterlich Rath.
Großbauer: .Aber Sepp, hab' ich
Tir net schon hundert mal g'sagt, Tu
sollst dei'm Einkausen a' psisftg's Ge
ffcht machen?! Bei'm Verkauf kannst
Tu so dumm dreinschauen, als D'
magst !"
Vrautwerbung,
Herr August (bewirbt sich um die
Hand deZ Fräuleins Henrictte): Theu
rer Engel!" deklamirt er, ich bete Sie
an, seien Sie mein Weib!"
Ach. Herr August." flötet Henriclle,
.dieses Gcftändnik kommt mir so uner
wartet Laffen Sie mir doch einige
Zage Bedenkzeit."
Bedenkzeit k Unmöglich! Ich
habe auch andere Aussichten."
(theures Andenken.
Frau A.: In dem Medaillon haben
Sie wohl ein theures Andenken?"
Frau B.: Ja, da ist eine Locke von
reinem Manne drin,"
Frau A.: Na Ihr Mann lcbt aber
doch noch." '
Frau 33.: Ja, aber seine Haare
leben nicht mehr."
in ?chwcrenötlcr.
Geck: Na, liebe Cousine, wir sehen
ns heut zum ersten Mal ! Wie finden
Sie denn Ihren Vetter?"
Dame: Genau so, ivie ich erwar
tcte !"
Geck: O! Sie Schmeichlerin!"
Doppelsinnig,
Junge Ehefrau (in Stößen von No
tenbüchern herumsuchend): Es ist doch
schrecklich mit Dir, lieber Mann. Alles
verlegst Du! Mozart habe ich gefun
den "
Ehemann: Und nun suchst Tu
Händel, nicht wahr?"
verlockend,
Achtzig Mark so der An
Student:
zq kosten?"
Schneider:
Keinen Pfennig wem
ger!"
Student: Aber, Meister, bedenken
Sie ich zahle Ihnen gleich bei der
Ablieferung drei Mark an!"
I Lrinangclnng,
Sag' 'mal. Liefe, hat unser Junge
nicht wegen irgend 'was Prügel ver
dient?"
Prügel? Wieso?"
Na, morgen ist doch sein Geburts
tag, da müssen wir ihm doch etwas
schenken."
Nun ja,"
Na, vielleicht hat er wegen irgend
etwas Prügel verdient, dann schenken
wir ihm die."
Zerstreut,
Friseur: Wie wünschen Sie das
Haar?"
Profeffor: Schneiden Sie's 'mal
erst ganz kurz, nachher können wir ja
immer noch etwas abnehmen!"
kzcrausgcxlatzt.
Wo habe Sie eigentlich Ihre Frau
kennen gelernt?"
Na, wenn ich sie kennen gelernt
hatte, wäre sie überhaupt nie meine
Frau geworden."
Unnötige Leforgniß,
Aeltercr Herr: Sie halten sich' a mit'
cincin Mal auffällig vom Verkehr mit
Ihrer Wirthstochtcr fern!?"
Jüngerer Herr: Ich fürchte mich
vor der Liebe. Nur zu oft läuft mit
der Liebe der Verstand davon."
Aeltercr Herr: O.das brauchen Sie
nicht zu befürchten."
Durch die LInme.
Lieutenant: Ah, Fräulein, meinen
herzlichsten Glückwunsch zu Ihrem Ge
burtstage ! Mögen Sie glückliche Braut
in diesem Jahre werden!"
Fräulein: Nun, da werde ich ja
sehen, ob Sie Wort halten."
verrathe.
Seit dem Tode meines Mannes
suche ich vergeblich nach einem Trost!"
.Ich wußte Ihnen einen...."
Wie alt ist er?"
fatale Situation.
Bedienter (zu einem Studiosus, der
nach einem Privatball in der Garderobe
seinen Hut nicht findet): .Hatte der
gnädige Herr nicht den Namen im
Hut?'"
Studiosus: Ganz richtia (für
sich) Donnerwetter, von wem hab ich
denn dieses Mal den Hut gepumpt?"
Medizinisches Vuanlnni.
Arzt: Was! Fünf leere Flaschen
seit gestern?! Und ich sagte Ihnen, Sie
dürften den Wein nur in medizinischen
Mengen zu sich nehmen!"
Herr Toktor, mein Neffe ist Medizi
ner, und Sie sollten 'mal sehen, was er
für Mengen zu sich nimmt!"
Allzu dankbar.
Herr (zum Bettler): Ich habe
Ihnen ja erst gestern Vormittag ein
Zmanzigpsennigstück gegeben, und jetzt
sind Sie schon wieder da?"
Bettler: O, zu guten Leuten
komme ich aus Tankbarkeit fast jeden
Tag wieder."
Eceigncter Vorschlag.
Mann: Unser Karo wird recht alt
und hinfällig. Ich möchte das treue
Thier gern vor einem langen T icchthum
bewahren und ihn erschießen, doch
dauert's mich, den verhängnißvollen
Schuß auf ihn ak zugeben. Wüßte ich
nur ein anderes Mittel."
Frau: So nimm ihn doch morgen
mit auf Eure Jagd. Ohne Zweifel
wird ihn dabei die mitleidige Kugel
eines unvorsichtigen Sonntagsjägers
treffen."
Loshaft.
Tante: Fällt den Herren gar nicht
ein. Euch naseweisen Tingern nachzu
laufen. Herr Dr. B. zum Beispiel
hat sich gestern den ganzen Abend aus
schließlich mit mir unterhalten."
Ella: .Tr. B. ? Was ist denn
der?"
Erna: Ich glaube Allcrlhum!
forscher."