Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 19, 1895, Image 9

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    llur das Rätherle,
Bon rttrtntb Tricbcl,
Draupen auf der Wiese sah es, dos
Kathcrle, und HMete die Gänse. Das
war leine große Arbeit, den schon seit
sechs Jahre war das sein Amt, seit der
Vater und die Mutter schnell hinter em
ander am Typhus gestorben und das
Kiithcrle ein Gemcindctind geworden
war. Schon war's nicht gewesen all'
die Jahre, denn so ein unnütz Brod
esset ist nirgends gern gesehen, und
das Kätherte war zudem noch ein
schwarzes hässliches Ding! So gab s
denn nur magere Bissen und faden
scheinige Söckchen, dafür aber manchen
ungerechten Puff und manchen unver
dienten Streich. Es war ja nur das
Kiithcrle, da nahm nan's nicht so genau.
Das arme Dirnlein war durch das
viele Umherstoßen scheu und einsilbig
geworden; kein Wunder, daß es Keinen
aus dem Torse zum Freunde hatte
flviitrn. als den Kuhhirten, der meist
nicht weit von ihm seine Herde weidete
und ja, der Wahrheit die Ehre
noch Einen! Und eben an den Einen
dachte das Kiithcrle, als es jetzt, die
braunen yanve um oie mcc quiui,
ans dem Erdhaufen unter dem alten
Apfclbaum saß und gedankenvoll vor
sich hinsah.
- Das bunte Kopftuch hatte das Mäd
chen zum Schutz gegen die heißen Son
nenstrahlen tief in die Stirn gedruckt,
so daß nur die äußersten Spitzen der
schwarzen krausen Haare daraus hervor
guckten und auch das Gesicht fast ganz
bedeckt war. Und das war gut so, denn
mit den dunklen Augen und der brau
nen Haut schaute es wie eine leibhastige
iaeunerdirne aus. vor der man sich
hätte fiirchten können, hier draußen in
dieser schweigenden Einsamkeit.
Da durchbrach plötzlich ein fröhliches
Pfeifen die schwule Stille. Käthcrle's
Kopf flog in die Höhe, ihre Lippen öff
neten sich halb, und ihre Augen blitzten,
als sie spähend nach der Richtung
blickte, von woher die Töne herüber
drangen. Und nun sah sie auch schon
den Urheber derselben quer durch die
Wiese schreiten eine schöne, kraftvolle
Junglingsgestalt.
Schlank wie eine Tanne kam er da
her, im hellen Leinwandkittel, einen
großen weißen Filz auf dem Kopf, den
Knotenstock in den gebräunten Händen.
Um seine frischen Lippen flog ein gütiges
Lächeln, als er der kleinen Gänsehirtin
anMilrn wnrde. und seine blauen Au-
gen lachten ihr schon von Weitem
srxiindlick I.
Jetzt war er dicht vor ihr, und sich
auf den Stock stützend, fragte er: Na,
Kätberle, wie aeht's? Hast Du die
Stelle?"
..freilich woll. Herr Wlontör." ent-
aeanete sie stol,: .M Johanni, beim
Schulzen! Kleinmagd, weil ich erst sieb
zehn werde," setzte sie wie entschuldigend
hinzu. . . .
Sieh, sieh, Kätherle, das ging ,a
schnell: na. hatt' ich nicht Recht, daß
ich's noch durchsetzen wurde?"
Ja," bestätigte das Kätherle eifrig,
mit rothen Wangen, und ein warmer,
scheuer Blick strciste dabei sein Antlitz.
Und ich dank' auch schönstens, Herr
Wlontor."
Schon gut, Kätherle," unterbrach
er sie; es ist gern geschehen! Aber
sag' mal, hast Tu das Fräulein nicht
gesehen? Ist sie vielleicht hier vorbei
gekommen?" Ne, Herr Wloiitör!" Kätherle's
Stimme klang plötzlich rauh; der lichte
Freudenschimmer in den dunklen Augen
war erloschen, und ein seltsam harter
Zug grub sich um den rothen Mund.
So, so, Kätherle; na, dann hilst's
nichts, da muß ich selber znschen," sagte
der Volontair und ging mit großen
Schritten weiter, dem nahen Gehölz zu.
Kätberle sab ihm nach, so lange noch
ei Zipselchen von seinem hellen Rock
durch die grünen Wiesen schimmerte, und
unzusammenhängcnde Worte fielen von
ihren Lippen. Dabei riß sie ungeberdig
an ihrem Schürzenbande, hieb mit der
langen Gerte durch die Luft, daß es
nur so sauste und die Gänse flügelschla
gend auseinanderstoben, und stöhnte
dabei herzbrechend. Das Fräulein
und immer nur das Fräulein' dachte
sie. Seit die da war. hatte er nur noch
in paar flüchtige Worte für sie und
hatte doch erst so lange und freundlich
mit ihr geredet.
Das Kätherle hatte es gewußt von
Anfang an. der würde gut zu ihr sein!
Es lag in seiner Stimme und in seinen
Augen etwas, an das sie glaubte wie an
das Evangelium. Und gleich am ersten
Abend schon, als der Vogt sie selbst ge
prügelt hatte, weil sie ein junges Gäns
lein zu wenig heimgebracht, da war er
dem Rohen in die Arme gefallen und
hatte mitleidig über ihr zerschlagenes
Gesicht gestrichen. .Armes Ding. Tu
blutest ja," hatte er dabei gesagt und
mit seinem eigenen Tuch die rotben
Tropfen von ihrer Stirn gewischt. Oh,
wie es ihr da zu Wuth geworden war;
ganz still halte sie gelegen, um nur seine
weichen Hände recht lange an ihren
22 zu kühlen und seine Augen
recht lange über sich zu sehen. Und von
da an hatte n täglich eine Weile bei ihr
gestanden, bis ja, bis das ,sraule,n
vor etwa drei Wochen ins Schloß ge-
kommen war: seitdem hatte er nur noch
Sinn sür die. und das Kätherle saß
wieder den lieben langen Tag allein
draußen bei ihren Gänsen und ihrem
Strickftrumpf.
Langsam zog sie das grodk. bäum-
wollene Ungethüm aus dn Tasche und
Jahrgang l.
begann zu stricken; aber die Sonne
mußte sie ivohl blenden, denn sie wischte
ein Paar Mal verstohlen mit dem Hand
rüden über die Augen uid prcßtc die
Lidcr fest auf einander.
Wie lange sie so gesessen haben mochte,
hätte sie wohl selbst kaum sagen können;
plötzlich aber hielt sie iniic. Ein lautes
Holla tönte von der Landstraße zu ihr
herüber; es kam näher und näher, dazu
Gestampfe und eintöniges Gebrüll und
das scharfe Glockenzeichen der Leitkuh.
Kätherle wußte wohl, das war der
Schorschel, der junge Kuhhirt, der seine
Herde aus die Bachwiese tncv; avcr ne
blickte nicht auf. Hatte man ihr weh
gethan, so sah sie nicht ein, weshalb sie
einem Anderen Freude machen sollte.
Der Schorschel konnte sich justement ge
rade so kränken, wie sie es that.
Jetzt war der schmucke Bursche dicht
an die zusammengekauerte Gestalt des
Mädchens herangekommen; die Rinder
schnupperten, behaglich brummend, am
Wegrande entlang, der Hirt that einen
schönen Knaller mit semer Peitiqe, mik
dem er seither immer Glück gehabt hatte
bei dem Kätherle. Na?" sagte er des
halb höchst verwundert und bestürzt,
als das braune Gesicht sich nicht wie ge
wöhnlich hob. Ist Dir die Petersilie
verhagelt?"
,.m!" machte oas iiatherte veracht-
lich und zog die Schultern in die Höhe.
Dabei strickte sie so einsig an dem blauen
Strumpfe, als sollte der;etve heule noch
fertig werden.
Kommst' auf'n Abend in'n Krug?"
freute der Bursche wieder.
Das Mädchen schüttelte stumm und
sehr energisch den Kopf.
Schorschel, das Vergebliche seiner Vfr
mükunaen einsehend, kratzte sich ver-
legen in seinem dichten Flachshaar,
stülpte den verbogenen Strohhut wieder
aus die Locken, that einen Pfiff, knallte
den Rindern mit der Peitsche um die
Ohren und sagte bedächtig: Na, denn
nick, und aviüs och. Kätherle!"
Djüs!" war die gemurmelte Ant
wort, und weiter und weiter entfernte
sich das Läuten und Stampfen.
Ein paar hundert Schritte entfernt
war die Bachmiese. Tarauf zu trieb
Schorschel seine Pflegebefohlenen und
hatte seine liebe Roll, mit ihnen; na-
nientlich der totier hatte einen Tag,
Wild schlug er mit dem Schwänze um
sich und peitschte erbarmnngslos au
die Fliegen ein, die sich auf seinem glän-
zenden braunen Fell niedergelassen hat
ten und an tausend stellen zugleich a
ihn einstachen.
Auch auf der Wiese angelangt, kam
Schorschel anfangs zu keiner rechten
Ruhe. Trotzdem konnte er nicht unter
lassen, einen lauten Jauchzer hinüber
zusenden nach dem Apfelbaum, unter
dem das schweigsame Kätherle inmitten
der schnatternden Gänseschaar saß.
Die Mittagsstuiide nahte. Brütende
Schwüle lag über den Feldern; kein
Laut regte sich, nur das Kauen der Rin
der unterbrach die Stille. Schorschel
hatte sich's inzwischen bequem gemacht,
die Jacke aus der Wiese ausgebreitet,
und nun lag er da, die Arme unterm
Kops verschränlt, und sah gradewegs in
den tiefblauen Himmel hinein. Dabei
spielte ein breites Lächeln um seinen
Mund, und mitunter schielte er seit
wärts hinüber nach der Richtung, von
der Flügelschlagen und Geschnatter un
deutlich zu ihm herüberdrangen. Tann
schloß er, immer fröhlich schmunzelnd,
die Augen und dachte an Die, welche
ihn vorher so schnöde behandelt hatte.
Na. wart' man. Krabaut," sagte er
halblaut vor sich hin; laß mich man
erst kommen Tu nimmst mich ja
doch!"
Und nun vertiefte er sich in die aller
schönsten Zukunftsbilder, denn seit er
das Kätherle kannte, hatte er nur noch
den einen Gedanken, daß aus ihr und
ihm dereinst ein Paar werden müsse.
Recht herrlich paßte es zu seiner Stim
mung. daß sich eben jetzt herrlicher, fröh
lichcr Gesang in der Ferne hören ließ.
Wird's Fröl n sein," murmelte er vor
sich hin und that seine Augen einen
Moment lang auf; aber noch war nichts
z sehen.
Da hatte es das Kätherle besser; das
hob auch den Kopf, als die glockenklarcn
Töne über das Feld daher schwebten,
und sah das Fräulein langsam zwischen
den Wiesen entlang wandeln wie eine
rosige Mohnblume wollte e! dem Kä
therle scheinen. Ein rothes Kleid um
hüllte die schlanke Gestalt, auf den nnß
braunen Locken saß ein großer weißer
Strohhut, über dessen nickenden Rand
mächtige Mohnblumenbüschcl wippten,
und über dem Allen schwebte ein blut
rother Sonnenschirm.
Das war die von Kätherle fo glühend
Gehaßte! Mehr und mehr näherte sie sich
dem Weideplatz; nun stand sie mit ih
rem holdseligsten Lächeln vor dem erbit
taten Mädchen und jragte: Ei, Lö
theile, s fleißig ?"
.Muß wohl," gab die Hirtin mtlr
lisch zurück.
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Armcs Ding, wer Dir doch helsen
könnte !" sprach das Fräulein, und
dann, ach einer Pause, fügte sie hinzu:
Ist ist der junge Herr Volontär viel
leicht hicr vorbei gegangen ?"
Etwas Schlimmeres hätte sie gar
nicht sagen können, und um Käthcrle's
Ruhe war es jetzt vollends geschehen.
Mit funkelnden Augen sprang sie in die
Höhe und griff in blinder Wuth nach
ihrer Gerte. Ne nischt is hicr vorbci
gekommen," stieß sie dabei mit heiserer
Stimme hervor; vcrd Gänse-
Volk, wollt Ihr wohl!" Und erbat
niunqslos hieb sie in die laut schnattern-
dcn Thiere hinein.
Das Fräulein schüttelte dcn Kops und
wanderte weiter, erst schweigsam ; dann
aber erhob sich ein leiser Triller,, und
nicht lange, so drangen die jauchzcndcn
Töne von Neuem in Kätherle's Ohr.
N!it weit voraebeuqlei Oberkörper
verfolgte die Eänfehirtin die gemächlich
Dahinschlendernde, bis dieicive in der
Nähe der Bachwiese war.
Schorschel lag noch immer woylge-
muth auf dem Rasen und hob kaum die
schweren Lider, bis ihn ein Schnauben
und Stampfen plötzlich ah auffahren
ließ. Jcsses, der Stier!" schrie er mit
schrillem Ton und war im Nu auf bei
den Beinen an dessen Seite.
Das Thier stand mit geftnitein Kops
und zitternden Nüstern zum Angriff be
reit. Das Fräulein aber, die Gefahr nicht
ahnend, in die ihr rothes Gewand und
schmetternder Gesang es bei dem ohne
hin schon unruhigen Wütherich ge
bracht hatten, blieb sorglos stehen und
sah, dem sonderbaren Treiben mit großen
Auaen m.
Fort, machen's fort!" schrie Schor-
schel in höchster Angst hinüber.
Nun erst begriff sie und flog, w,e ge-
hetzt, den Weg zurück, dem Torf zu
Doch auch der Stier hatte sich von
Schorschel's kräftigen Fäusten mit ge
waltigem Ruck befreit und stürmte in
wilder Jagd hinter dem leuchtenden Ge-
wände her.
Zu Hüls', zu HUl-fe!" gellte
Schorschel's Stimme über das Feld, um
die weiter ab arbeitenden Tagelöhner
herbeizurufen, und er selbst jagte mit
der Peitsche dem rasenden Thiere nach.
Kätherlc hattc mit anhaltendem Athem
dem Vorgang zugesehen ; ein kurzer
Knall trieb die Gänse zur Seite, sie selbst
sprang hinter dcn Baum. Ha, das
ist ihr schon recht," murmelte sie, und
ihre Augen funkelten; nun wird sie
nimmer nach dem jungen Herrn fragen
können, und der wird wieder mit dem
armen, verachteten Kiithcrle reden wie
ehedem."
Mit Blitzesschnelle aber folgte ein
zweiler Gedanke : Was wird er sagen,
wenn das Fröl'n verletzt und blutig viel
leicht vor ihm liegt?" Und ohne sich zu
besinnen, ohne an die Gefahr zu denken,
in welche sie sich stürzen wollte, nur von
dem heißen Wunsch beseelt, ihm dcn
furchtbaren Schmerz fernzuhalten, jagte
das Kätherle mit hoch erhobenen Hiin
den vorwärts. Ihre flinken Füße be
rührten kaum den Boden; an dem Frau
lein vorüber keuchte sie, dem w'üthenden
Verfolger entgegen. Nur ein heiserer
Schrei drang aus ihrem bebenden
Munde: Fort! Mgchen's fort!" Dann
ließ sie die Gerte um dcn Schädel des
Thieres sausen und suhlte in demselben
Moment einen surchtbaren Stoß vor die
Brust, so daß sie blutend zu Boden
sank. Wieder und wieder bohrten die
Hörner in das weiche Fleisch, und zit
ternd, wie ein Todcsseufzer, entglitt es
Käthcrle's Lippen: Ah-Schorschel
zu-Hülf'".
Als hätte der leise Ruf sein Ohr er
reicht, stand er plözlich mit gewaltigem
Sprung neben ihr, und von allen Sei
ten stürzten nun auch die Arbeiter mit
Spaten und Hacken herbei, die mit un
säglicher Mühe das muthschäumende
Thier banden und fortsllhrten.
Kätherle's Wimpern lagen tief auf
den braunen Wangen; leises Wimmern
nur entrang sich ihrem fest zusammen
gepreßten Munde, dann blieb sie still.
Kätherle!" schrie der Schorschel
angstvoll auf, sieh mich doch an!
Stirbst Tu mir etwa gar ?" Die dicken
Thränen schössen ihm dabei in seine ehr-
llchen Augen.
.Ne, Schorschel," flüsterte das Kä -
theile, das mühsam den Kopf nach ihm
umwandte und zu lächeln versuchte;
nur so arg weh thut's hier." Und sie
lastete nach der Brust.
.Ich lauf' zum Bader; bleib' nur
ganz still." stotterte der Bursche,
und
wie ein Pseil flog er davon.
Regungslos lag die kleine Hirtin in
mitten ihrer Gänseschaar, die unbeküm-
inert weiter schnatterte. Tie Gedanken
begannen sich ihr zu verwirren, die
Sinne allmählich zu schwinden.
Kind, Kätherle, was Hag Tu ge -
Ivan ?" sagte da plötzlich eine raube
(Stimm n,hrn ihr nnli in hihle slanll
strich über die feuchte Stim.
Wie magnetisch gezogen, öffneten sich
die dunklen Augen, mit stolzem, seligem
Ausdruck. Für Sie!" hauchte sie
kaum hörbar.
Eine unsägliche Rührung zog über
das junge, gebräunte Gesicht des Vo
lontairs; er beugte sich nieder, und leise
hob er den krausen Mädchenkopf auf
seine Kniee, während er sein Tuch auf
den rinnenden Blutstrom drückte. Ar
mes Ding, sagte er leise.
Kätherle's Augen aber waren jetzt
weit geöffnet und sahe unverwandt
hinein in die blauen Sterne, welche
über ihnen leuchteten; auf der Stirn
lag kühlend die weiche Männerhand wie
damals. Ach, was für ein seliges
Sterben das war für das arme, tleine,
novrtitcfn sUi'ittlpmnhpf I
Ganz, ganz still war es ringsumher.
Und mitten in dem Schweigen senkten
sich die Lider tiefer und tiefer, der Kopf
fiel schwer zur Seite, leiser und leiser
ging der Athem nun ein Aechzen
noch, dann stockte er ganz.
Da kam über das Feld her der
Schorschel zurückgestürzt, hinter ihm
drein der Bader und ein Haufen Wei
ber und Kinder.
Der Volontair hob abwehrend die
Sand. Sie schläft!" sagte er tiefern'
und ließ den jungen Körper sanft zu
ruckunlen.
Verständnißlos sah ihn der Schorschel
an. Todt?!" schrie er dann auf und
warf sich über die starre tzcsairlln,
während ein mühsam unterdrückte'
Schluck, seine breite Brust hob.
Kopfschüttelnd und schwatzend slan
den die Weiber von fern; theilnahms
los begafften die Kinder das todte Mäd
chen. ' Nur Zweien war's schwer um's
gm das war der sunge Botontair,
dem jetzt in dieser Stunde erst eine
Ahnung gekommen war von der stillen
Liebe des braunen Kindes, und der
Schorschel. dessen ZukunstStraum in
dem verachteten Kiithcrle verkörpert ge-
wcfcn war. Die Anderen aber waren
Alle darin einig: Gut, daß es nur
das Kätherle ist!"
Ehrenbreitstein im Kerbst 1J95.
In der Köln. Ztg." sinden wir fol
gende Erinnerung an längslvergangcne
Zeiten. Das Blatt schreibt :
Das Jahr 1895, gibt, wie allen Ein
wohncrn unseres Vaterlandes, so auch
besonders uns Rheinländern, Anlaß,
in dankbarer Erinnerung der großen
Thaten zu gedenken, die vor 25 Jahren
das deutsche Volk, geführt und be
geistert von preiSmerthen Recken", kühn
und herrlich vollbracht hat; zugleich
aber bietet es auch Anlaß, den Blick
rückwärts zu lenken in vergangene Zei
ten, um durch einen Vergleich mit
ihnen zu erkennen und zu Ivürdigen,
was wir errungen und wiedergewonnen
haben.
Versctzeu wir uns im Geiste um hun
dert Jahre zurück, in den Oktober
1705. Schlimm sah er damals an den
Ufern unseres schönen Flusses aus.
Nicht mehr freies Land grüßte seine
Wogen; trübe wie seine Wasser in
herbstlicher Zeit erschien damals die
Lage unseres engeren Heimathlandes.
Deutschlands Strom war Teutschlands
Grenze geworden. Aus den traurigen
Ereignissen jener Jahre möge an dieser
Stelle ein Abschnitt dargestellt werden:
Tie Belagerung des Ehrenbreitsteins,
jener stolzen Feste, welche die Mündung
der Bcoscl zu schützen von jeher bestimmt
gewesen ist, den Feinden mit ihren
Fcuerschlündcn, Zinnen und Schieß-
scharten Furcht einflößen soll.
Im September 1795 war es dem bei
Reuß und verdingen stehenden franzö-
sischen Armeekorps gelungen, unterhalb
Düsseldorf dcn Rhein zu überschreiten.
ebenso hatte ein anderer Theil dieses
Korps dcn Ucbergang bei Reu bemerk
stelligt. Der österreichische Feldmar-schall-Lieutenant
Graf von Erbach sah
sich dadurch genöthigt, um nicht von
seiner Armee abgeschnitten zu werden,
seine Stellung bei verdingen zu verlas
sen und sich gegen die Siege zurückzu
ziehen. Auch die übrigen Truppen,
die unter dem Befehle des Prinzen von
Württemberg bei Mülheim standen,
. . ... - V . ...l'.M
i gingen 015 oaoin juruu. .u vu lun
j tere Vordringen des Feindes auch diese
lcuung gesayroei ericocinen neu,
brach dann der ganze rechte Flügel auf,
um sich bis hinter die Lahn zurückzu
ziehen. Richt lange danach befanden
sich die französischen Truppen schon in
! der Mttid von Reuwied, wo eine
Schiffbrücke über den Rhein geschlagen
' wurde, und eine Jagerpatrouille drang
I bereits bis Vallendar. etwa dreiviertel
! Stunden von Ehrendreitftein gelegen.
vor. Am l. September rückten hier
j ungefähr dreitausend Mann ein. nach
'und nach solgten andere Gruppen,
darunter sechshundert Mann leichte Ka-
tuiflm. Am AbkN rückte feindliche?
i Fuhrwerk auf der Andernacher-Straße
No. 31.
gegen Koblenz vor. Am nächsten Tage
zeigten sich einige Chassciirs bei Nieder-
berg in unmittelbarer Nahe des Ehren
breitstcins. wo auch Jnqcilieiire das
Gelände besichtigten, um eine günstige
Stellung auszuwählen.
Die Bcvöltcrung dcr Umgegend er
griff natürlich Mirchl und tocnrecteii,
eine Anzahl Bewohner des Thals",
wie Ehrenbreitstei damals gewöhnlich
genannt wurde, hatten sich gefluchtet
und überall standen trostlose Gruppen
klagend umher. Inzwischen war der
Feind in großer Menge bis Neudörfchen
am Fuße der Festung gczogen. Er griff
es von allen Seiten an und zwang die
Besatzung, cS zu verlassen; doch wurde
er in kurzer Zeit wieder vertrieben und
der aus wenigen Häusern bestehende
Ort wurde in Brand gesteckt, um es
dem Feinde unmöglich zu machen, sich
darin festzusetzen. Dieser besetzte nun
die Anhöhen um Arenberg, Arzheim
und Pfaffendorf, wo er sämmtliche Vor-
Posten auf einmal angriff. Diese leiste
ten jedoch so tapfer Widerstand, daß der
Feind mehrmals unter beträchtlichem
Verluste zurückgedrängt und zuletzt ge
zwungen wurde, sich auf seine Vor
postenlinie zu beschränken. Während
der Nacht sing er hier an zu arbeiten
und eine Umwallung herzustellen, doch
wurde er bei Anbruch des Tages mit
solcher Wirksamkeit beschossen, daß eine
Batterie nicht zu Staude kam. Aus
dem Ehrcnbrcitstein trug man un
terdessen sämmtliche Dächer der nicht
bombenfreien Gebäude ab und verlegte
die Mannschaften in die unterirdischen
und bombensicheren Gewölbe. In den
nächsten Tagen waren die Arbeiten der
Belagerer ziemlich vorgeschritten, und es
erschien, wie schon vorher einmal, ei
feindlicher Offizier mit einem Schreiben,
worin die Uebergabc des Thals und der
Festung gefordert wurde. Dem wurde
natürlich nicht entsprochen, und die zca
nonen, Haubitzen und Böller spielten in
verstärktem Maße weiter. Die Befesti-
gungs- und Atinenardeiten gingen mren
Gang fort. Auf den obengenannten
umliegenden Höhen waren inzwischen
schon einige Batterien errichtet, die von
der Festung aus, theilweisc mit Erfolg
heftig beschossen wurden. Um den
Ehrcnbreitstein auch von der anderen
Seite anzugreifen, hatten die Franzosen
nun auch jenseits dcs Rheins auf dem
Petersberge vor der Moseldrücke eine
Batterie errichtet, die jedoch ebenfalls
unter Feuer genommen wurde. So
ging es eine Zeit lang fort, während die
Angreifer und die Belagerten die erfor
deriichcn Arbeiten, so gut es möglich
war, auszusühren suchten. Da der
General Marceau die Absicht zu haben
schien oder sich wenigstens gerühmt
hatte, die Festung durch Sturm zu
nehmen, so wurden zur Vereitelung die-
ses Unternehmens alle zweckmässigen
Vorkehrungen getroffen, u. a. vor den
ausspringenden Winkeln der Wege zu
und auf der Festung gefüllte Ypfündige
Bomben eingegraben und die nöthigen
Fcuerleitungen angelegt.
Für die Besatzung des Ehrcnbrcit
sieins trat damals ein Ucbelstand ein,
der leicht hätte verhängnißvoll werden
können: ein Mangel an Wasser in den
tiescn Ziehbrunnen der Festung. Doch
konnte man sich glücklicherweise durch
Graben eines neuen Brunnens, das
nalürlich viel Zeit und Mühe erforderte,
helfen.
Mittlerweile hatte dcr Feind doch
wohl eingcfehen, daß es keine leichte
Arbeit, ja daß es unmöglich sei, eine so
starke und in jeder Beziehung günstig
angelkgte Festung einzunehmen. , Man
war deshalb nicht sonderlich überrascht,
als man eines Tages, es war der 15.
Oktober, eine starke Kolonne Wagen
übcr die Höhen hinter Simmern gegen
Neuwicd abziehen sah, ebenso nicht, als
der Feind alle auf der Insel Nieder
werth errichteten Werke wieder abtragen
ließ. Ueberhaupt bemerlte man bei
ihm allerlei ungewöhnliche und etwas
ängstlich scheinende Bewegungen; auch
erhielt man die Nachricht, daß er in der
folgenden Nacht um zwei Uhr das Thal
verlassen werde. Da man aber nicht
wissen konnte, ob er nicht irgend ein
kühnes Unternehmen wagen würde, so
hielt der Feftungs-Kommandant die
ganze Besatzung nach Mitternacht unter
Gewehr. Tie feindlichen Gepäckwagen
fuhren ununterbrochen über die Höhen
von Grenzhauscn und Wcitersburg gegen
Bcndorf ab. Ta auch ein Theil der
Truppen auf der Landstraße wegmar
schirte, bewarf man diese unaushörlich
mit Bomben und Granaten. Tie
Mannschaften der Berschanzungen ober
halb Psaffendors und Horchbeim setzten
oberhalb Eoblenz über den Rhein. Es
kam nur noch zu einem erfechte bei
Arenberg und in den Waldungen, die
sich links und rechts der Emser-Straße
hinzogen. Ten Franzosen gelang es
durch ihre Uedermacht aus einige Augen
I blicke
d Oberhand zu haben: allein
' die tapfere Gegenwehr der Vorhut, die
durch den größten Theil der nunmehr
auch ausgerückten Festlingsbesntzung
uiiterstützl ivurdc, erreichte es bald, daß
sie immer mehr zurückgedrängt wurden,
womit dann die cigcnllichc Belagerung
ihr Ende fand. Dcr eingetretene
Nebel verhinderte es, den Feind zu er
folgen. Der vor der Festung erlittene
Verlust dcr Franzosen soll nach allge
meinen Nachricht! 2000, nach ihren
eigenen Angaben 1400 Mann betragen
haben. Während dcr vierwöchentlichen
Belagerung sind von Ehrenbrcitstein
ans im Ganzen 10,649 Kugel-, Kar
tätschen, Haubitz-Grauaten- und Bom
benschüffe abgegeben worden. Der
Feind hatte eine Anzahl 00 und 30
pfllndiger Bomben, lOpfüudiger Hau
bitzen und viel Holz z Geschützuntcr
lagen zurückgklaffen. In Thätigkeit
war dagegen kein Geschütz getreten.
Die Befreiung der Festung wurde
von der Ehreubreitstkiner Bürqerschast
i würdiger Form begangen. Dein
tapsercn Vertheidiger Sechter wurde ein
Lorbcerkranz überreicht, und jubelnd
feierte die Bevölkerung den Tag, an
welchem sich die Sonne glänzend und
strahlend über dem freien Burgberge
erhob.
lic encralstochter.
Aus Aqram wird dcr Pcster Lloud
geschrieben: Eine wenig bemerkte und
wohl nur von den Wenigsten erstan
dene Episode aus den Agramer Königs-
tagen verdient der Vergessenheit entrissen
zu werden. Auf dem Festballe näherte
sich König Franz Joseph einigen Damen
und richtete einige Worte an dieselben.
Als die Reihe an eine in der Gcsellschast
hochverehrte Dame kam, deren ungarisch
deutscher Accent die Aufmerksamkeit des
Monarchen erregte, fragte der König:
Sind Sie Ungarin?"
Jawohl Majestät," lautete die Ant
wart, ich bin die Tochter des Generals
Hrabovsky."
Der König blickte eine Weile ernst
und nachdenklich vor sich hin und schritt
dann mit grüßender Verneigung welter.
Das genannte Blatt bemerkt erläuternd
zu diesem orsail: General Joyann
Freiherr v. Hrabovsky, l. k. Feldmar
schall-Lieutenant, war im Jahre 1848
Kommandirender in Kroatien - Slavo
nien und wurde in dieser Eigenschaft
von Seite des ungarischen Kriegsmini
steriums mit dem Oberbefehl über die
gegen Jelacsics operirenden Truppen
betraut. Außerdem hatte er die ge nun
gen Peterwardein und Temesvar an die
ungarischen Truppen übergeben. In
folge dessen wurde Hrabovsky vom
Kriegsgericht im Jahre 185 in erster
Instanz zum Tode, in zweiter zu zehn
jähriger Festlingsstrafe verurtheilt.
welche er in Olmütz abbüßte, wohin
ihm zu folgen seiner Gemahlin (Jsa
bella v. Klobusitzky) gestattet worden
war und wo er am 18. September 1852
starb. Kurz vor seinem Tode war er
begnadigt worden.
Tie nördlichste Zeitung dcr Welt.
Unter den grönländischen Eskimos er
scheint eine Zeitung, welche von einem
Eingeborenen Namens Möller redigirt,
gesetzt und gedruckt, ja sogar von ihm
selbst kolportirt wird. Er hat seine pri
mitive Druckerei in Godthaab (Gute
Hoffnung) eingerichtet und von hier aus
unternimmt er zwei Mal monatlich eine
Reise auf Schneeschuhen durch das Land,
um als Vorkämpfer der Eivilisation
unter seinen Landsleuten zu wirken.
Zu Anfang enthielt das Blatt, welches
sich Läsestos" nennt, nur grobe Zeich
nungen, welche die Neugierde erregten
und die Einbildungskraft schärften;
später folgten Buchstaben, Silben und
Worte nnd zuletzt Sätze, welche zu kur
zen Berichten über Tagesneuigkciten zu
sammengefügt waren. Möller hat sv'
mit durch sein Blatt buchstäblich seine
Landsleute Lesen gelehrt. Sie haben
deshalb das größte Zutrauen zu ihm,
betrachten ihn als einen Apostel und find
ihm besonders deshalb zugethan, weil
er oft seinen Aufenthaltsort wechselt.
Eine literarische Gesellschaft in Düne
mark hat neuerdings eine gute Hand
presse, Papier und neue Typen nach
Grönland gesandt, damit College"
Möller seine Druckerei erweitern kann.
Wie viel Schüsse sind im Jahr
1B70-.I abgefeuert worden?
Bei Gelegenheit der Jubelfeier des
glorreichen Krieges von 1870 1871,
dürfte es interessant sein, zu erfahren,
wie viel Schüsse auf deutscher Seite
während dieses Krieges gefallen sind.
Aus dem Munitionsverbrauch erqicbt
sich, daß von der Feldartillerie 3:W.31
und von dcr Fcstungs-Artillerie 520,
500 Kanonenschüsse abgefeuert wurden.
Ter Munitionsverbrauch der Jnfan
terie stellt sich auf 20 Will. Infanterie
Patronen. Wie groß diese Zahlen sind,
erhellt am besten daraus, daß, wenn
Jemand diese Patronen allein ab
schießen wollte und, indem er jede
Minute eine Patrone abfeuerte, unaus
gesetzt Tag und Nacht sich hiermit be
schästigle. er 40 Jahre notbwcndig
haben würde, um sämmtliche Patronen
zu verschießen.
praktisch.
A: Herr Stadtrath, wie machen Sie
es denn, daß Ihre Anträge in dcr Per
sammlnng alle angenommen werden?"
Stadtrath: O, sehr einfach ich
lasse abstimmen. Wenn ich dann
sage: Wer dagegen ist, dcr erbebe
sich." so bleiben fast Alle sipn, denn
zum Aufstehen sind die Welslen zu
bequem!"