Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 19, 1895, Image 12

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    Das seltsame Erbstück,
Hmuoirske vo Heinrich Schöner.
Tu kommst Dein Lcbtag auf teilten
grünen Zweig. Gtoffd", hatte mein
Better Kurt oftmals höhnend zu mit
gesagt, wenn wir Kinder beim Schüt
ietn frcmdcr verbotener Fruchte gestört
worden waren, die Anderen mit gefiill
ten Taschen erfolgreich Fersengeld ge
geben hatten, ich aber, weil ich nicht
flink genug gewesen war, zwar keinen
einzigen Apfel, dafür aber eine tüchtige
Tracht Prügel von den erzürnten Eigen
thüinern erhalten Halle.
Lange Zeit war ich im väterlichen
Hause meines werthen Better erzogen
worden, da meine Eltern ach, zu früh
für mich! das Zeitliche gesegnet hat
ten. Und welch' eine Erziehung war
mir da zu Theil geworden! Wurden wir
Buben bei einem Knabenstreich ertappt,
so wurde ich allein zur Warnung und
zum abschreckenden Beispiele" sür die
andere Uebelthäler mit exemplarischen
Strafen belegt. Bei Bertheilung von
Geschenken ging ich als der Unartigste
stets leer aus. Gab es hingegen Au -
träge und Bestellungen zu besorgen, so
war ich plötzlich der Artigste und Folg-
samste, und mir allein wurde die Vliis
führuua des ehrenvollen Auftrages,
zweifelsohne als Anerkennung meiner
guten Eigenschaften, übergeben. Der
fctortel kaun lauten, wie ein Viricy",
sagte dann zur Ermunterung mein gnä-
diger Onkel und Bormnnd, wenngleich
mich einen Augenblick zuvor langsam
und träge, wie eine Schnecke gescholten
hatte. Der Stosse! zieht wie eine
spanische Fliege", hieß es, wenn ich bei
Ausflügen und Landpartie? den Kin
derwagen fahren mußte, wozu die Kin
dcrma'gd sich nicht gerne hergab. Lang'
z, Stoffel, sei nicht blöde", sagte man
bei fremden Leuten! Stoffel, nimm
Dich zusammen, Dn verdirbst Dir den
Magen", hieß es im eigenen Hause.
So hiitle es denn kaum ausbleiben
können, daß ich endlich muthlos und
jeden bestimmten Charakters baar ge
worden wäre, da ich, ost wegen derscl
bcn That gelobt und getadelt, kaum das
Gute vom Bösen z unterscheiden er-
mochte, wäre nicht eines Tages mein
Großonkel, ein pensionirter Professor,
in meines Onkels Haus gekommen. Er
sah mich, und da er von meiner uinvür
digen Behandlung Wind bekam, so
brachte er es fertig, daß ich ihm mit
gegeben wurde. Wahlscheinlich sahen
meine theuren Verwandten mich mit
Freuden von dannen ziehen.
Der Großonkel war übrigens in der
letzten Zeit, weil er zusehends gcistes
und altersschwach wurde und seit lange
schon Hypochonder gewesen war, von
seinen Berwandten in unverantwort
liehet Weise vernachlässigt worden. Sie
glaubten eben, es sei von ihm doch we
nig zu holen", eine bettübende That
sache, die ich bei dem alten Manne, der
sich darübet sehr zu grämen schien, mög
liehst zu verwischen suchte, indem ich ihm
zu Liebe Alles that, was ich ihm an den
Augen absehen konnte.
Ich sührte den schwerhörigen Greis
aus die Promenade, sorgte für Reinlich
keit in einer kleinen Behausung, der
jede sonstige Bedienung mangelte, kochte
ihm den Kaffee und Thee und briet ihm
die Kartoffeln.
Als ich großjährig wurde und über
mein Vermögen disponiren konnte,
wurden sogar seine sämmtlichen Be
dursniffe von meinem Gelde bestrittcn;
denn von seiner Pension, die er jedtj
mal selbst liquidirte, bekam ich nie Et
was zu sehen, und er behauptete mit
dem starren Eigensinn eines kindischen
Greises, er sei arm, wie eine Kirchen
maus. Was sollte ich da thun? Uns
Beide hungern und darben lassen? Das
ging nicht wohl an. Wie sehr ich auch
von den Eigenheiten des alten Mannes
zu leiden hatte, so konnte ich e doch
nicht über mich gewinnen, den Hilflosen
zu verlassen, sondern hegte und pflegte
ihn auf eigene Kosten, ohne mich weiter
um den Verbleib seiner Geldmitteln zu
kümmern. Und wenn ich von der Fa
milie meines Onkels allen möglichen
Spott und Hohn zu erttagen hatte, und
Kurt mir wicdetholt schadenfroh grin
send zuflüsterte: Gieb Dir keine Mühe:
Stoffel, bei all' Deiner Gutmüthigkeit
und Uneigennützigkeit kommst Tu doch
nie aus einen grünen Zweig!" ich ließ
mich nicht beirre.
A h bonheur, Bellet Kurt, gerade
meine Gutmüthigkeit und Uneigcn
nützigkcil, der, wie Tu hinter meinem
Rücken sie nanntest, meine Dummheit,
war es, die mich endlich dennoch auf den
grünen Zweig brachle. Der Groß
onkel wurde eines Tages ernstlich krank,
und da seine besorgte Familie ahnte,
daß es mit ihm bedenklich zur steige
gehe, versammelten sich die Mitglieder
derselben, feiner regelmäßig eingenom
menen und nicht wieder verausgabten
Pension gedenkend, um fein Sterbe
lagcr, singen plötzlich an. ihn zu hat
schein lind zu pflegen und wichen nicht
von seinem Bette. Der Sterbende
dankte ihnen sür ihre Sorgsamkcit, in
r rtitjjrt, nr ftf ttt icxnsM T"Rrt '
niete auch an sie gedacht. i
Ich glaubte bei diesen Worten einen!
Zug des bittersten Sarkasmus um die j
Lippen des abgezehrten lijelchrten spie- j
len zu sehen, als die Heuchler unter j
wer Sturmflut!, von Krokodilsthränen,
betheuerten, nicht an seinem Vermögen,
nein, an ter Erhaltung seines theuern !
Taseins ?.i Ihnen Alles gelegen. X'
alte Herr aber starb wirklich und wurde
von feinen Verwandten Hals über Kopf
eingescharrt, gleich als ob sie froh seien
ihn endlich von der Etde verschwinden
zu sehen.
Wie der Verblichene es angeordnet, so
wurde das Testament in seiner Behau
snng geöffnet und verlesen. Es enthielt
nur einen einzigen Paragraphen, worin
der Verstorbene seinem Enkel Kurt
sämmtliches Besitzthum mit Einschluß
der Lündcreien vermachte. zn geheim
nißvollct Klammet hatte et jedoch süt
nöthig gehalten, den Univerlalerven
aam besonders aus ein eisernes mit
schrünkchkn ausmerksam zu machen, mel
ches an einem näher bezeichneten Orte
aufbewahrt werde. Zuletzt kam eine
unscheinbare Nachbemerkung, die mir
galt; denn in derselben modisizirte er
den ersten Paragraphen dahin, daß der
Christoph Colomby so mat mein Name
als Entschädigung für baare Ausla-
gen und für die sonstige unbezahlbare
Mühe, die er sich mit einem gebrechlichen
Greise gegeben habe, seinen, des Ver
storbenen, einzigenReisckoffer mit sammt
dem Inventar, den abgetragenen Ssazia
rock und die Nachtmütze nicht ausgcnom
mcn, von der Erbmasse erhalten solle ;
ingleichen jenen alten Globus und jene
beiden alte Kupferstiche, so bisher in
seinem Schlafzimmer gehangen und die
dem armen Junge stets so sehr gesal-
len hatten.
Als diese Klausel verlesen wurde,
brachen alle Anwesenden in ein schallen
des Gelächter aus, und ich selbst hatte
Mühe, die Schamröthe zu verbergen.
Eine Nachtmütze und einen abgetragenen
Schlafrock als Erbstück nein, das war
denn doch z stark ! Schadenfroh eilte
Kurt augenblicklich in das Nebengemach,
holte den in Rede stehenden R'eisekoffer,
den Globus und die beiden Bilder und
überreichte mir das dreifache Erbstück
mit einer komisch-feicrlichen Anrede.
Siehst Du nun, Vetter Stoffel", so
schloß er dieselbe, daß ich Recht hatte,
wenn ich immer prophezeite, Du kämest
nie auf einen grünen Zweig !"
Was ollte ich thun ? Ne ignirt etzlc
ich mich aus meinen Koffer, nahm den
Globus in die eine, die beiden Bilder
in die andere Hand und ließ geduldig
alle Spollreden über mein Haupt hin
wegziehen. istonel." aqte Kurt, Nun wir t
Tu aber auch Nachtmütze und Schlasrock
Probiren; ich bin überzeugt, sie sitzen
Dir beide ganz ausgezeichnet."
Und trotz meines Sträubens drängte
er -mich von der Kiste weg, nahm die
Heiden Stücke heraus, und mit Hilfe der
Anderen wollte er mir die Mütze aus
zwingen und den Schlafrock umwerfen.
Da aber wurde ich ein wenig ernst ; ich
wehrte entrüstet die Zudringlichen ab
und entriß ihnen den kchlafrock; dabei
erhielt das morsche Kleidungsstück eine
jämmerlich langen Riß.
Betrübt schallte ich auf den Fetzen nie
der, wahrend die Anderen sich unbändig
freuten.
Plötzlich bemerlte ich zwischen dem
Füller und der Naht ein Stück Papier
und als ich es herauszog, zeigte sich, daß
es ein Hundertthalerschein war.
Als dies die Umstehenden sahen,
wollten sie mir das Kleidungsstück ent
reißen; aber min trat ich mit gewalti
ger Energie derartig auf, daß sie be
stürzt zurückwichen. Ich durchsuchte alle
Nähte und fand noch vier Hunderttha
lerscheine. Als ich aber gewahrte, wie die Zu
schauer vor Neid bersteten, mein Thun
beobachteten, gab ich, um allem Unheil
vorzubeugen, mein ferneres Suchen auf,
ließ den Fetzen wieder in meinen Koffer
verschwinden, setzte mich phlegmatisch
darauf und zündete in aller Ruhe eine
Cigarre an, währenddeß die Anderen
vor Ungeduld vergingen und mich
baten, auch die Nachtmütze zu durch
suchen. Jetzt eilte auf einmal mein lieber
Vetter Kurt, von einer neuen Idee be
seelt, auf den bewußten, als Erbgut
ihm zugeschriebenen Gcldschrank zu, um
deffen Inhalt zu prüscn. Neugierig
folgten Alle, gespannt steckten sie den
Schlüffel hinein und öffneten. Aber
ein Schrei bodenloser Entrüstung ent
fuhr ihren Lippen, denn in der Kiste
lagerten sorgfältig verpackt:
Elf Pfennige! ,
Anfangs glaubte man seinen Augen
nicht trauen zu dürfen. - Man durch
stöberte alle Ecken und Winkel, alle
Schränke und Laden, aber keine Thaler
scheine fanden sich. Vom Boden bis
zum Keller blieb kein Raum undurch
sucht, aber alle Mühe erwies sich als
fruchtlos, der Schatz zeigte sich nicht.
Als ich mir nun dieses ängstliche
Tuchen von meiner Kiste aus ansah und
mich selbst unbeachtet wußte, wandelte
mich die Lust an, auch einmal zu suchen,
ob sich nicht noch Etwas vorsande. Das
Erste, worauf ich stieß, war ein Schrei
den, welches in der Schlafmütze lag und
an mich adressirt war. Es hatte fol
gendcn Inhalt:
Mein lieber Christoph!
Wenn Tu dieses Schreiben in den
Handen hältst, werde ich nicht mehr am
Leven sein. Ich fühle, diese sind meine
letzten Federstriche. Ich bin ein alter,
weltei'ahrcner Mann, der die Menschen
kennt und zu beurtheilen weiß und habe
Euer Thun und Handeln seit langen
Jabrcn beobachtet. Tu haft von allen
meinen Verwandten ti am redlichsten
mit mir gemeint; deshalb will ich Dir
zum Tank iür die treuen Dienste, die
Tu ohne Murren einem gebrechlichen
Greise gewidmet, mein Vermögen ver
machen, welches, abgesehen von den
Pensionen, groxtentheils aus dem Er
trage wiffcnschaftlichkr Werke entstanden
ist.' Ten Anderen aber, die oftmals
den kindischen" GreiS verspotten zu
dürfen glaubten, will ich vorher och
mit gleicher Münze heimzahlen. Laß
Du Dich aber hierdurch nicht beirre,
sonder höre:
1) In den Nähten des Schlufrockes
befinden sich eingenäht: 5 Hunderttha
lcrscheinc.
2) Hinter dem Rahmen eines jeden
der beiden Bilder: 500, das ist zusam
men 1000 Thaler in Banknoten.
3) Im Inneren des Globus, deffen
Deckel, die östliche Halbkugel, sich mit
leichter Mühe öffnen läßt: ei Spar
kaffenbuch über 8000 Thaler.
4) Im Zipscl der Nachtmütze: 500
Thaler in Siaatsschuldscheinen, in
Summa, 10,000 Thaler, welche ich
Dir hiermit ausdrücklich vermache; sie
gehören zum Inventar der Kiste, und
Niemand kann sie Dir streitig machen.
Mögest Du mit dem Gelde gut Haus
hallen und es für die Tage der Noth
als Zehrpfcnnig ausbewahren, die, wie
sie in meiner Jugend über mich gekom
men sind, auch Dich ohne dieses Geld
heimsuchen könnten. Und so gedenke
denn bisweilen des Verstorbenen, der
einst, wie Tu, mit Freuden in die Well
schaute, den aber die Menschen betrogen
und hintcrgangen haben. Lebe wohl
und bete zuweilen siir mich!"
Ich küßte das Schreiben, verbarg es
aus der Brust und durchsuchte die einzci
nen Erbstücke. Es war Alles so, wie
der Greis es beschrieben, und bald be
fand sich ein Vermögen von 10,000
Thalern in meiner Brieftasche. Kaum
war ich hiermit fertig, als Kurt mit
allen Zeichen völliger Abspannung aus
mich zukam.
Aber nun bilte ich Dich um hundert
Pfund Zwetschen, mein lieber Stoffel,"
sagte er, Du sitzest da, wie ein Land
junker aus Hinterpominern und küm-
mcrst Dich um die ganze Welt nicht!"
Nun, was willst Du denn, daß i,
thu soll?" fragte ich ihn.
chen bellen, elvlredend, mir
rathen sollst Du, wo ich Alles das sinde,
was der Großvater mir vermacht hat."
Ei, ich meine doch, das ist sehr deut-
lich; sämmtliche Ländereien "
Großer Gott, da ist eine lange
Haide, die der jedesmalige Besitzer sroh
war, sich vom Halse geschafft zu haben;
denn sie bringt keinen Pfifferling ein,
sondern kostet im Gegentheile dem Eigen
thünict noch Bedeutendes, da er für die
Erhaltung eines hindurchfühlenden
Weges zu sorgen verpflichtet ist. Fer
ncr ein Suinps, dessen aufsteigende
Dünste meilenweit die Gegend verpesten,
und,..."
Dieses Haus nebst Stallung und
Hintergebäuden," schaltete ich mit
schlecht verhehltem Höhne ein.
Ja, die ganze Räuberhöhle würde
allenfalls eine Rinderstallung abgeben,"
entgegnele er ingrimmig, oder für eine
Schmcinezüchtcrci sich eignen. Die will
ich auch darin anlegen."
Ich zuckte die Achseln; er beachtete es
nicht.
Du aber,"- fuhr er, sich traulich an
mich schmiegend, fort. Tu hast in
Wirklichkeit geerbt. Sage mir doch,
lieber Christoph, würdest Tu mir nicht
von Deinem Erbe irgend ein Thcilche
zum Andenken an den theuren Verstor
denen abgeben, vielleicht eins der beiden
Bilder, oder den Globus?"
Ja, lieber Christoph, ein Anden
Jen," riefen die übrigen im Chor, mir
auch ein kleines Andenken!"
Ich erhob mich im Vollbcwußtsein
meiner Ueberlegenheit.
Ten Globus und die beiden Bilder
gebe ich für kein Geld ab," entgcgnete
ich; denn sie haben einen hohen kllnst
lcrischen Werth, und Ihr wißt, wie sehr
ich für Alterthümer schwärme. Jedoch
gebe ich Euch gern die Erlaubniß, sie
Euch jederzeit nach Herzenslust zu be
sehen." Tann verlause uns wenigstens den
Hausrock und die Schlafmütze."
Man sah, es kostete Kurt große
Mühe, die beiden Worte auszusprcchen.
Wenn Dich darnach gelüstet," er
widerte ich lachend, die will ich beide
Dir schenken, denn Tu hast sie verdient.
Hier hast Tu sie."
Gierig griff die ganze Familie nach
den beiden verhängnißvollen Kleidungs
stücken und betastete sie nach allen Sei
ten. Endlich rissen und zerrten sie gar
daran, allein keine Banknote kam mehr
zum Vorschein.
Ich aber legte die beiden Bilder und
den Globus in die leer gewordene Reise
liste, hob sie aus die Schulter uud ent
scrnte mich lachend mit meinem Erb
theil. Stoffel," brummte ich im Weggehe
vergnügt vor mich hin, gieb Tir keine
Mühe. Tu kommst doch nie aus einen
grünen Zweig!"
Kurze Zeit daraus ließ mein theurer
Vetter Kurt mit großem Kostenauf
wände und noch größerer Sorgsalt das
Wohnhaus des !!rftorbcncn mit sämmt
liehen kleinen Nebengebäuden unter
miniren, durchwühlen und endlich gar
abbrechen, den Sumpf entwöffern und
die Haide urbar machen; aber Schatze
fand er nicht.
Wenn dann die Nachbarn verwun
dert die köpfe schüttelteu und mich frag
ten, was das Alles bedeute, entgegnete
ich wohl:
D, der Vetter Kurt will, glaube ich,
eine Schweinezucht in großartigstem
Maße anlegen."
Hahaha!" lachten dann die Nach
barn schadenfroh. Glück zu!" Ader
unter uns gesagt, dabei kommt er nie
mals auf einen grünen Zweig.'
Mundu nlt doctpl!
i'o Hm,, Probvlsky,
Es war in der großen Soinmmoirih
schast einer deutschen Universität. Viel
Gäste wies das Etablissement freilich
nicht auf. An der Alma runter
herrschten Ferien; deßhalb fehlten auch
die Hauptbesuchcr die Studenten.
An einigen Tischen saßen Fremde
man sah es ihnen an der ganzen Reise
ausstattung an, und vor Allem an den
vor ihnen liegenden rothen Bädeker"
Büchern. Nicht weit von meinem Platze blätterte
ein stämmiger, untersetzter Man von
ellva dreißig Jahren lässig in einem
illustrirteii Blatte umher. Jetzt zog er
unruhig die Uhr nd blickte dann spä
hend den chaussirten Weg herunter.
Der Herr erwartete allem Anscheine
nach Jemand'. Das Antlitz des Gastes
trug die kantige Narbe einer Quart.
Er war also zweifellos früher auch Uni
versitätsbürger gewesen.
Nur aus der Kleidung des seltsamen
Menschen wurde ich nicht klug. Er
trug, soweit ich dies sehen konnte, eng
anliegende Beinkleider, lange dunkle
Striimpse und derbe Lederschuhe. Sein
Rock war namentlich in den Schößen
ungemein lang, ebenso die Weste. Statt
der Knöpfe befanden sich Silbermiinzen
an der letzteren. Auf dem Kopfe trug
der sonderbare Mann einen Filzhut mit
mächtiger Krempe.
Der Fremde war ausgestanden.
Plötzlich stürzte er unter dem Freuden
ausruf: Carl, da bist Tu ja!" einem
daherschrcitenden Herrn entgegen.
Die Männer umarmten und küßten
einander. Nach allerlei sich fast über-
stürzenden gegenseitigen Fragen nahmen
sie wieder in meiner Nähe Platz.
Der Kellner mußte Wein bringen.
Wie erinnert das hier Alles an alte,
glücklich verlebte Stunden!" rief beim
ersten Glase der sehnlichst Erwartete
dem Freunde zu: Hoch die Libortas
acadornica!"
Hoch, hoch!"
Nun sag' aber 'mal, lieber Bert
hold", lenkte der zweite Gast in ein ru-
higes izahrwajjer ein. Was für eine
seltsame Kleidung hast Du Tir denn
zugelegt? Du siehst ja aus wie
wie na, wie denn?"
Wie ein Schüfer aus der Lunebur
ger Haide!" erklärte der Gefragte.
Ja, ja!" nickte Carl. Gesehen
hab' ich diese Leute auch schon. Es war
auf der Reise nach Hamburg. Tu
hast doch aber nicht gar umgesattelt?
Der Standeswechsel wäre denn doch ein
zu merkwürdiger; erst Mediziner "
Wie man's nehmen will!" lachte der
Arzt. "Muniliis vult decipi!''
Ich verstehe Dich nicht!" erwiderte
kopsschüttelnd der Commililone. Sei
nur froh, daß keine Studenten hier sind.
Du würdest sicher in Deinem seltsamen
Kostüm angeulkt!"
Ich besitze kein anderes Zeug!" ver
setzte Berthold in größter Seelen-
ruhe. Gerade diese Klei
dung hat mir riesigen Ver
dienst nd großes Renommee
verschafft!
Das begreife ei Anderer!"
Ich will Dir die Geschichte erzählen!"
sprach der Mediziner nd nahm einen
Schluck des goldigen Weines. Sie ist
nicht sehr lang!"
Dann schieß' 'mal los!"
Tu weißt, ich hatte bei'm Abgange
von der Universität in brillantes
Staats-Cxamen gemacht. Mit ma
gischer Gewalt -zog es mich nach dem
lebendigen Berlin, und dort ließ ich
mich auch bald darauf als praktischer
Arzt nieder. Aber niit der Praxis war
es in der großen Stadt sür mich ein
heikel Ding: ich kannte Niemand und
war auch von Keinem gekannt. Ein
paar Btal empfahl ich mich in den gro
ßen Zeitungen der Residenzstadt. ' Es
fanden sich ja auch infolgedeffen einige
Patienten bei mir ein, die aber schließ
lich selber nichts hatten, und für die ich
noch aus purem Mitleid die Medizin
bezahlte. Schließlich war der Rest mei
nes kleinen Vermögens aufgezehrt, und
nun trat die Sorge um meine weitere
Existenz bitter und ernst an mich heran.
So viel sah ich ei, daß in Berlin mei
es Bleibens nicht war.
Ich verließ nach Ablauf eines Jahres
die deutsche Ättetropole und liebelte nach
einem norddeutschen Landstädtchen über.
Etwas beffer ging's ja dort; aber die
Medizinalpfufcherei grassirte, namenl
lich in den Dörfern, in einer geradezu
tollen Weise. Schäfer, Imker, sogar
Schmiede curirten fest daiaus los,
mochte es sich um eine Krankheit han
diln, welche es wolle: Der Polizei siel
es nicht ein, gegen diesen offenbaren Un-
sug vorzugehen.
Da saate mir der Avotbcker des Oert-
chens eines Taaes. ich müsse die Sacke
anders anfangen. Ziehen Sie ausglich schläfrig!..,. Was soll ich
das nächste Torf!" rieth der erfahrene mit dem Jungen ansangen?"
Mann. Hüngen Sie den Tottor ganz ! Vater des Lehrlings: Können Sie
an den Nagel und nennen Sie sich ein-! ihn denn nicht in der Abtheilung sür
sach Schäfer". Sie sollen 'malN achthemden beschäftigen?!"
sehen: das zieht!" Vergeblich sträubte j
ich mich gegen ein solch Verfahren;
mein Ralhgebcr aber sagte: Sie kön
nen ja 'mal den Versuch machen!
Gefällt Ihnen die Ciefchichle nickt, so
ziehen Sie einfach wieder in die Stadt
zurück!"
Nach vielem Hin nd Hcrreden ging
ich aus diesen Streich ein. Schon
nach einigen Tagen halte ich einen Zu
lauf, wie ich ihn mir nie erträumte.
Natürlich schrieb ich nur fachgemäße
Rezepte und brachte auch glückliehe Ku
ren zuwege. Um mir noch mehr Per-
trauen bei meinen Patienten zu ver
schaffen, legte ich mir diesen Schäfer
Anzug zu!"
Und Tu erfreust Tich einer großen
Praxis?" fragte Carl nach geraumer
Pause des Schweigens.
Kaum Rath zu schaffen weiß ich!"
versetzte der Toctor. Hätte ich es Tir
nicht fest versprochen, heute nach so lnn
ger Trennung hier zu erscheinen, ich
wäre nicht gekommen!"
Und was sagt die Polizei zu Deinem
merkwürdigen Gebahrcn?" sprach der
Freund, außer sich vor Erstaunen.
O, ich wurde sogar zur Vernehmung
vorgeladen, weil ich wegen Medizinal
Pfuscherei angezeigt war. Das kam in
folge meines Rezeptschrcibens !"
Und was wurde daraus ?"
Ich Zcigte dem Commissar einfach
mein Approbations Zenani vor.
Sie sind ja wirklich Arzt!" sagte dieser
nach Musterung meiner Papiere,
Allerdings bin ich das!" erwiderte
ich.
Und warum treten Sie denn nicht
offen als solcher aus?" meinte
der Beamte.
Es geht so besser!" gab ich Bescheid.
Und wollen Sie mir einen Gefallen
thun, Herr Kommissar, so sagen Sie
Niemandem, daß ich wirklich Arzt
bin! Das könnte m ich in
meiner Praxis s ch ü d i g e n !"
Ballonfahrten aus dem belagerten
Paris.
In Paris stiegen zur Zeit des Krieges
187071 65 Ballons aus mit 1U4 Per
sonen, 381 Tauben, 5 Hunden und
10,(575 Kilogramm Tcpeschen. ' Die bei
Weitem wcrthvollste Ladung von allen
führte der Ballon La Bretagne" mit
sich, der am 27. Oktober 1870 steige
lassen wurde. Außer dem Führer be
fanden sich noch drei Personen an Bord,
unter ihnen ein Bevollmächtigter des
Picard, Namens Manceau, der in sei-
nein Portefeuille die gewaltige Summe
von 7 Millionen Fres. theils in Bank
notcn, theils in Tratten bei sich trug;
das Geld war zum Ankaufe von Waffen
und Munition in Belgien bestimmt.
I Die Fahrt verlief sür die Insassen n-
i ,,;;n;., Mus c; ;., !,,
14111111114. i( 111 un jiui;t uuu -n-
dun landen wollten, bemerkten sie, daß
sie mitten unter die Feinde gerathen
waren ; zwei von ihnen sprangen freilich
rechtzeitig auf die Erde und konnten sich
in einem Walde verstecken, als aber
Manceau ihrem Beispiele folgen wollte,
verletzte er sich beim Absprang ziemlich
schwer. Bon Bauern ausgesunden,
wurde er von ihnen zum Pfarrer des
nächsten Torfes getragen, dein er in der
Befürchtung, den feindlichen Truppen
in die Hände zu fallen, nicht allein das
Geheimniß seiner Sendung, sondern
auch die Banknoten und Wechsel des Fi
nanzministcriums anvertraute. Kaum
hatte der Geistliche die werlhvollcn Pa-
piere verborgen, als sein Haus auch
schon von deutschen Soldaten umstellt
war, die den verwundeten Luftschiffer
gefangen nahmen, ohne natürlich zu
ahnen, welche reiche Beute ihnen ent
gangen war. Einige Zeit später begab
sich der Pfarrer nach Brüffel und über
gab die sieben Millionen dem dortige
französischen Gesandte, der da ihrer
Bestimmung gemäß über sie versügle.
Auch in Frankreich wurde die Einzel
heilen dieser inteieffanten Begebenheit
aus der Geschichte der Pariser Lustschiff
fahrt während der Belagerung erst vor
wenigen Jahren allgemein bekannt, als
der Pfarrer, der dem Staate sieden
Millionen gerettet halte, am National
festläge (14. Juli) 1893 zum Ritter der
Ehrenlegion ernannl wiirdc für außer
ordentliche, während des deiitsch-fran-zösischen
Krieges geleistete Dienste".
Gefräsiigkeit der Spinne.
Ein englischer Nalurforscher hat
jüngst die Tischgewohnheitcn" der
Spinne studirt. Er wog die Spinne
vor und nach der Mahlzeit und hat Ion
statirt. daß ein Mensch, wenn er eine
entsprechende Menge Nahrung aufnch
men würde, täglich etwa zwei ganze
Ochsen, dreizehn Schafe, zwölf Kälber
und vier Scheffel Fische verschlingen
müßte.
Der grobe Wirth.
A: Höre, Schwager, ich bin ganz
paff über Dein Riescnglück: den ganzen
Tag bis Mitternacht sind Deine Gast
stuben überfüllt und doch bist Tu boh
nenstrohgrob gegen Teine Gäste!"
B.: Ällcs'Gcschästspolitik. mein Lie
der! Eben weil ich so grob gegen meine
Gaste bin, bilden sie sich ein, meine
Speisen und (ietränte mllßlen viel bc'ser
sein, als anderswo!'
Snfcr Kalb.
avnranl: yren -ohn kann,,
absolut nicht brauchen er ist fürchter
vorgebkugt.
Brautwerber: Ist Ihre Fräulein
Tochter musikalisch?"
Vater: Allerdings aber Sie brau ;
chcn deshalb noch nicht gleich schlecht von j
ihr zu denken!" !
-
jm kveinkcllcr.
Wirth: Sehen Sie dieses riesige, j
gefüllte Weinfaß wenn sie dort;
hineinfielen, würden Sie ertrinken." '
Gast: Keineswegs. kann Was 5
sertreten." I
(ijsciiot lvibmung.
A. : Wir wollen unserm Bureau
Vorsteher ZU seinem silbernen Jubiläum
einen neuen Arbeitstisch verehren: D
kannst uns die entsprechende Widmung
dazu machen!"
B. : Sehr einfach; laßt doch sofort
auf dem Tisch cingraviren: ,Hicr ruht
unser lieber Bureauvorsteher'."
Fahrlässiger Einbruch,
Richter: Angeklagter, was
haben
rit darauf zu sage?
Angeklagter: Ich bin unversehens
eingelirocheu."
Richter: Versehens! Wie können
Sie einen Einbruch unversehens begatt
gen haben! Reden Sie doch nicht solchen
Unsinn!"
Angeklagter: Unsinn gar nicht. Ich
wollte nebenan einbrechen."
Al,al
A, : Glauben Sie wirklich, daß da
Kliffen so ungesund ist, wie im heutigen
Morgenblatt'ftcht?"
B, : Gewiß. Neulich lüßte ich auch
ei Mädchen und wurde von ihre,
Vater dabei überrascht, die Geschichte
bekam mir so schlecht, daß ich acht Tage
lang das Bett hüten mußte."
Stolz.
Dichter (zum Bekannten): Ich sage
Dir, für dieses Blatt arbeite ich so viel,
daß ans der Redaktion ein besonderer
Papierkorb für mich aufgestellt ist!"
Mit Vorbehalt.
Baron (der nur .Nichtraucher" als
Ticner um sich duldet, zu einem Be
werber in diese Stelle): Rauchen
Sie?"
Diener (greift in den vor dem Herrn
stehende offenen Cigarrenkasten): Es
kommt ganz aus die Sorte an, gnädiger
Herr!" '
Boshaft,
Neffe: Hcnte habe ich eine Maschine
gesehen, die die Arbeit von dreihundert
Männern leistete
Onkel:
Das will nicht viel heißen..
wenn die
Männer alle so viel thun.
wie Du!"
mehl
Ehemann (der soeben eine enorme
Rechnung bei Schneiderin bezahlt hat):
so geht das nicht weiter, niein Kind,
so darfst Tu Tich nicht kleiden!"
Nein, nein, das sehe ich ja auch
ein !"
Na, also!"
Deswegen hab' ich mir ja auch scho
wieder ein neues Kleid bestellt."
Gleichnisse,
Sie standen auf der Brücke und sahe
zu, wie ein kchlcppdampfer eine schwer
beladene Barke pustend und pfeifend
flußaufwärts zog. Siehst Du, meine
Liebe," sagte Herr Schwarz, hier hast
Tu ein Lebensbild von Dir." Der
Schleppdampfer gleicht dem Manne,
det sich abguält und abmüht, währende.
die Barke der Frau gleicht, welche '
Jawohl, unterbrach ihn seine Gat
tin, der Schleppdampfer macht einen
Mordslärm, wahrend die Barke die
ganze Last zu tragen hat."
5xmch,
Wer Freunden gern die Wahrheit sagt
Und Damen nach dem Aller fragt.
Der kommt, wie sehr er auch sich neig',
Gewiß aus keinen grünen Zweig.
Unbewußter lzumor,
Karlchcn: Warum weinst Tu denn?"
Fritz: Ich bin unangeklopft zu Papa
hineingegangen und ausgeklopft her
ausgekommen."
Aufrichtig.
A: Leihen Sie mir doch drei Mark!"
B: Wie sollte ich dazu kommen, wo
wir uns heute zum ersten Mahl sehen , .
gehen Sie doch zu Leuten, die Sie bester
kennen!"
A: Tie geben mir erst recht nichts.'
Zweifelhaft versprechen.
Chef (zu dem neuen Kassirer): Ihr
Vorgänger ist mir mit tausend Mark
durchgegangen, ich hoffe, daß ich mich
auf Sie verlassen kann!"
Kassirer: Mit tausend Mark gehe ich
Ihnen nicht dnrch!"
Zhr Maßstab.
Tochter: Mutter, sage, was Tu
willst, der Theodor liebt mich nicht
mehr."
Mutter: Aber, Kind, weshalb denn
nicht?"
Tochter: Ja, wenn er mich jetzt nach
Hause begleitet, wählt er stets den Iür
zelten Weg."
Doppelsinnig.
Schwiegersohn (am Hochzeitstage):
Sagen Sie, Herr Schwiegervater,
haben wir nicht früher einmal zusam
men Karten gespielt?"
Schwiegervater: Ja, ich entsinne
mich jetzt aber damals war i ch der
Tlimmc!"
?m Klci&rarfchäfi.
Kunde: .Tiefer Anzug paßt wohl?"
Chef: Hm, ich würde Ihnen schon
rathen, ihn etwas weiter zu nehmen. . .
es regnet gerade!"
Ekradc rnbt.
Radfahrer (der kopfüber in den M
f
rast stürzt): Thut nichts.. . Schlamm
bader bat mir der Arzt ja obnedin ver.
ordnet'.
-vi