Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 14, 1895, Image 9

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    Die Batterie der Todte,,.
S'on 0. Wfitr.
Es war vor Orleans. Seit Mittag
standen wir im heftigsten Feuergesecht
mit den tn starken Kolonnen aus dem
Walde von Orleans hervorbrechenden
Truppen der neugebildeten Loirearmee,
die coii der Rcaieruna in Tours be
stinsmt war, die Belagcrungslinie der
utjchen bei Paris zu durchbrechen und
sich mit General Ducrot, dem Pariser
Besehlsyader, die Hand zu reichen.
Einige kleine Erfolge acaen die Banern
des Generals von der Tann berauschten
die Franzosen; Gambctta erlieft eine
Proklamation, in der er den baldigen
Untergang der Deutschen prophezei.
Da langten die durch die Kapitulation
von Metz freigewordenen preußischen
Regimenter auf den bedrohten Punkten
der deutschen Heeresausstellung an und
Warfen sich der vordringenden Loire
arm des Grafen d'Aurclles entgegen,
i Freilich, wir waren in beträchtlicher
Minderzahl ! Die Brigaden trafen nicht
gleichzeitig ein, und ein weites Terrain
war zu decken, welches, fast an der
Pariser Einschließungsarmee beginnend,
bis Orleans reichte. Und von Süden
her drohte ein zweiter Feind angeblich
Bourbaki mit der bei Lyon gesammel-
tun I O.M..;. tTNt.,A;,
turnt i ouMliClWC JiAluutiumiiii
nutzten vorgenommen werden. Die
Kavallerie hatte weite Rekognoszierun
,gen zu unternehmen. Es war eine
Zeit der rastlosen Thätigkeit, der An
spannung aller Kräfte des Körpers und
des Geistes. Der letzte Hauch von Mann
und Rpß mußte daran gesetzt werden,
die lMte Patrone, die letzte Kartusche
mMe verfeuert werken, ehe man dem
uberißächtigen Feind eine Stallung
überließ, ehe man sich nur einen halben
Kilometer zurückzog, um sich etwas zu
rschnaufen, um Verstärkung abzu
varten und dann mit zähneknirschender
Jnergie anfs neue gegen den Feind
vorzugehen.
So klammerten sich auch an dem
heutigen trüben, dunstigen November
;age unsere dünnen Schützenlinien an
as Gelände sest, jede Furche, jeden
Jtrauch, jeden Baum benutzend als
ZtUßpunkt, als Deckung gegen das
rasende Schnellfeuer der Franzosen, die
n dichten Schwärmen aus dem gegen
iberliegendcn Walde hervorbrachen, sich
leich einer Meercsmoge heranwäljcnd,
maiifhaltsam, ununterbrochen.
Aus einer Anhöhe hinter uns hielt
ber Brigade - General mit seinen Adju
ranten und einigen Ordonnanzrcitcin.
Lieben ihm protzte eine reitende Batterie
ib und suchte das Feuer der französt-
chen Geschütze von unserer Jnrnntme
nbzulenken. Seitwärts im Grunde,
stcdeckt gegen dgs feindliche Artillerie'
euer, sammelte sich ein ulanenregl
nent, das von einer erfolgreichen Attacke
puf die vorstoßende feindliche Infanterie
kurllckkehrte.
Der General ritt einen derbknochiaen
Fuchs, der mit hocherhobenem Haupte
und xnJiAt Höhe gerichteten Ohren auf
merlslm in das Kamvfaetümmel bin-
einschllute. Unbeweglich stand das Pferd
im übrigen, unbeweglich saß der Gene-
ral im Sattel, in der linken Hand die
Zügel haltend, die rechte auf das Knie
gestützt und mit scharfem Blick den
Gang des Gefechts verfolgend. Keine
Miene feines gerötheten Gesichts zuckte.
nur zuweilen schien es, als sträubte sich
!zorniq fein eisgrauer Schnurrbart, wenn
eine neue feindliche Kolonne aus dem
Walde von Orleans hervorbrach.
Die Adjutanten flüsterten leise mit
Einander. Sie beobachteten die reitende
Batterie, deren Granaten mit unsehl-
barer Sicherheit in die feindliche Ar-
tillerieaufstcllung einschlugen. Auch die
französischen Batterien schössen nicht
schlecht; manche Granate prasselte in die
Zweige ,her die Ehaussce begrenzenden
Bäume, auf der der General hielt, und
schon mälzten sich einige Pferde der Be
spannung der Batterie in ihrem Blute.
tJm Allgemeinen aber richtete die fran
zöid)e Artillerie ihr Feuer mehr aus
unsere Schützenlinie und Infanterie
kolonnen, um deren Rückzug zu erzmin
gen der den Ansturm der eigenen In
fanterie vorzubereiten.
Wenn wir uur noch eine Batterie
hier hätten," flüsterte der eine Adjutant
dem andern zu, .dann würden wir die
da drüben bald zum Schweigen bringen
köiitaw"
Ach fürchte auch, daß sich unsere
eine Batterie verschießt," entgegnete der
andere sorgenvoll.
Aus dem Grunde ertönte lautes
Hurrah, dem ein rasendes Schnellfeuer
folgte. Dann sah man die deutschen
Schützenlinien langsam zurückweichen,
verfolgt von dem Schnellfeuer der Fran
zosen und den Schrapnels der feind
lichen Artillerie.
Zwei Adjutanten sprenzten zugleich
auf den General zu.
.Herr General, die Bataillone haben
sich verschossen es ist unmöglich, die
Stellung zu behaupten!"
,E4 muß möglich sein, Herr," knurrte
der General. .Werfen Sie die Fran
zosen mit dem Bajonett zurück."
.Herr General, unsere rechte Flanke
ist stark bedroht wir werden umgan
gen!" .Die Ulanen nach der rechten
Flanke "
.Herr General " Der Oberst der
Ulanen wollte etwas erwidern.
.Was giebt's. Herr Cherst?"
Wine Pserde find total erschöpft
JSm der Schnee, der glatte
.Zum Teufel, Herr, und wenn der
Jahrgang 16.
letzte Gaul liegen bleibt attackiren
sie!
Zu Befehl, Herr General."
Die Ulanen trabten davon. Die Ad-
jutanten flogen z ihren Truppentheilen
zurück.
Herr Hauptmann,'' rief der Ge-
nerat dem Chef der reitenden Batterie
zu.
Herr General?" Der Batteriechef
drängte fein Pferd an die Seite des
Generals. Der Hauptmann war eine
schlanke, fast noch ugendliche Soldaten
gestalt. In seinen blauen Augu, blitzte
ein hcldeninüthiges Feuer. Ein langer
blonder Schnurrbart umflatterte sein
energisches Gesicht. Beder Nerv seines
kräftigen, hochgewachsenen Korpers schien
angespannt.
Wie lange getrauen Sie sich mit
Ihrem Feuer die vordringenden Fran
zosen auszuhalten ?"
.Solange der Herr General befehlen
und meine Munition reicht."
,Das genügt. Ich werde die Trup-
pen nach und nach aus der vorgeschobe
nen Stellung zurücknehmen und dort
hinter uns das kleine Dorf besetzen.
Unter dem Schutze ihres Feuers will ich
den Rückzug bewerkstelligen. Die feind-
liehe Artillerie ist uns kaunl noch ge
fährlich, wenn wir diese Anhöhe über
schritten haben, richten Sie daher Ihr
Feuer hauptsächlich gegen die nachdrin
genden Jnfanteriekoionnen. Ich erwarte
Berftärkunq weiter bis zu dem Dorf
dort hinten dürfen wir nicht zurückgehen.
Wenn wir das Torf erreicht haben, kön
nen Sie auch abfahren. Haben Sie
mich verstanden ?"
Zu Befehl, Herr General."
Nun den, Gott befohlen. Von
Ihnen hängt es ab, ob wir uns der
Umfaffung des Feindes entziehen kön
nen." Der General tippte qrüßnd mit dem
Zeigefinger der rechten Hand an den
Helm, der Hauptmann senkte den Säbel
und sprengte zur Batterie zurück. Hell
und schmetternd erschallte sein Kom
mando, Einen Augenblick stockte das
Feuer der Geschütze. Die Zugführer
blickten gespannt auf ihren Chef.
Neue Wmm von Infanterie brachen
aus dem Walde hervor.
.Mit Granaten geladen! Geradeaus
auf die vorgehende Infanterie! 1500
Meter!" erscholl das Kommando des
Batteriechefs, 1500 Meter!" komman
dirten die Zugführer nach.
Die Geschütze flogen herum. In ei-
nem Nu waren sie geladen und ge-
richtet.
Langsames Feuer! Schuß!" er
tönte das Konimando und dann kurz
darauf : Mit der Kurbel 1200 Meter !
Die geladenen Geschütze chnell-
feuet !"
Und Schuß aus Schuß donnerte hin-
ab in das Thal, daß die vorstoßende
feindliche Infanterie sich zurückstaute
und in den Wellen des Geländes, hin
tcr den Hecken und in den Gräben ver
schwand. Ein Lachein der Befriedigung zuckte
über das wctterharte Gesicht bis Ge
nerals. Er gab die Befehle zum Rück
zug der in erster Linie kämpfcnden
Truppen.
Und die zerrissenen, auf den Tod er-
schöpften Bataillone flutheten zurück;
seitwärts zogen sie sich an der unaushör
lich feuernden Batterie vorbei in lan
gen, dünnen Schützenlinien, um sich
hinter der Anhöhe zu sammeln und den
Marsch nach dem Torfe anzutreten. In
wilder Hast jagten die Ulanen zurück.
Die in der rechten Flanke auftauchende
ranzösilche Kavallerie war der Attacke
ausgewichen, und den wackeren Ulanen
Ichleudcrten plötzlich mehrere Batterien
ihre verderbenbringenden Fcuergrüße
entgegen.
Des Generals Stirn runzelte sich
zornig, r hielt noch immer neben der
feuernden Batterie, obgleich die feind
lichen Granaten jetzt rings um ihn in
unmittelbarer Nähe niederprasselten.
Die feindliche Artillerie konzentrirte ihr
Feuer allein auf die einsame Batterie,
die sie mit ihren Granaten überschüt
terten, als wollte sie dieselbe mit einem
chlage in den Erdboden hinelnschmet
tern.
Aber unbekümmert um die feind-
lichen Granaten feuerte die Batterie
auf die energisch nachdrängende Jnfan
terie. Die vorüberziehenden Schützen
begrüßten die braven Kameraden von
der Artillerie mit einem ermunternden
Hurrah. .Wir kommen zurück! Hal
tet aus! Wir kommen zurück!" riefen
die erschöpstkn Infanteristen.
.Hurrah!" klang es als Antwort
kraftvoll aus der Batterie zurück, und
weiter arbeiteten die Kanoniere in Blut
und Qualm, geschwärzt von dem auf
sprühenden Pulver, bespritzt von dem'
Blut der fallenden Kameraden.
In stolzer Ruhe hielt der Haupt.
mann auf seinem Braunen seitwärts
der Batterie und leitete das Feuer.
Sein Auge blitzte. In scinein Antlitz
äNnlagsgast.
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
arbeitete es gewaltig, er wußte, was
von ihm, von seiner Batterie adhing,
und er unterdrückte mit mächtiger An
strengung die Aufregung des Kampfes,
um jede Wendung desselben beobachten
und ausnutzen zu können.
Herr Hauptmann, der erste Zug hat
keine Granaten mehr."
Er soll mit Shrapnels feuern "
Ein furchtbarer Krach unterbrach
seine Worte: ein Protz-Kasten war hin
ter der Batterie in die Luft geflogen.
Das Gespann war zerrissen und wälzte
sich, ein blutiger Knäuel, im Schnee.
Ein Aufathmen, wie ein flüchtiges Er
schrecken, ging durch die Reihen der Ka
noniere. Kümmert Euch nicht d'rum, Kin
der," rief der Hauptmann. Mit
Shrapnels geladen die geladenen Ge
schütze Schnellfeuer!" Tausend Me
ter! Schuß! "
Und weiter ging die blutige Arbeit.
Herr Hauptmann, das werde ich Ihnen
nicht vergessen "
Bitte, Herr General...."
Nur noch eine Viertelstunde halten
Sie aus."
Eine Stunde noch, Herr General
wenn die Munition reicht."
Der Rückzug ist geglückt ich sende
Ihnen sofort Unterstützung."
Zu Befehl. Herr General."
Der General sprengte zurück. Das
erste Bataillon, welches er erreichte, ließ
er halten.
Haben Sie noch Munition, Herr
Major?"
Nein, Herr General."
Schadet nicht. Bleiben Sie halten
und wenn die Batterie angegriffen wird,
werfen Sie sich dem Gegner mit dem
Bayonett entgegen.
Zu Befehl, Herr General! Ba-
taillon Halt! Gewehr ab! "
In der rechten Flanke tauchte wieder
die feindliche Kavallerie auf. Ein fchö
nes, fast nur auf Schimmeln berittenes
Chasseurregiment. Es marschirte auf
und schien die Batterie attackiren zu
wollen.
Herr Hauptmann, Kavallerie in u-
serer rechten Flanke."
Ruhe, Ruhe! Abwarten noch nicht
schießen! Laßt sie näher kommen!
Noch näher! Noch näher!"
Das feindliche Reiterregiment setzte
sich in Galopp. Da ertönte das Kom
mando des Batteriechefs Mit Shrap
nels geladen! Geradeaus auf die Ka
vallerie 1000 Meter! Batterie
Feuer!"
Die Salve krachte der Erdboden
schien zu erbeben ein blutiger Knäuel
wälzte sich am Boden, das prächtige
Chasseur-Rcgiment wich zurück, erfolgt
von dem Schnellfeuer der Geschütze.
Im Dorfe sammelte der General die
zurückgegangenen Bataillone. Fast die
Hälste der Mannschasten bedeckte das
Schlachtfeld. Nur wenige Compagnien
hatten noch ausreichende Munition, um
das Gefecht erneuern zu können. Aber
der Feind schien auch keine Neigung zu
haben, die Zurückweichenden zu Versal
gen. Das Gemehrfeuer verstummte
nach und nach. Nur die Batterien
feuerten noch ab und zu einen Schuß.
Auch das Feuer unserer reitenden Bat
terie auf der Anhöhe war schwächer ge
worden. Als der Abend sich nieder
senkte, schmieg auch ihr Feuer. Eine
fast unheimliche Stille trat ein.
Weshalb kehrt die Batterie nicht zu
rück?" fragte der General den Adjutan
ten, den er mit einem Befehl fortgeschickt
hatte.
Herr General" über des Adju
tanten Antlitz zuckte eine tiefe Bewegung
das ist unmöglich "
Weshalb?"
Sämmtliche Pferde sind erschossen,
von den Mannschasten ist kaum ein
Viertel übrig...."
Der General gab seinem Fuchs die
Sporen und sprengte nach vorn, wäh
rend er den Befehl zurückließ, daß ein
frisch erschienenes Bataillon ihm folgen
sollte.
Auf der Anhöhe, welche die Batterie
so mannhaft vertheidigt hatte, lagerte
ein tiefes Schweigen. Die Pferde waren
zum größten Theil getödtet oder ver
mundet, die übrigen entflohen. Die
Kanoniere lagen neben den Geschützen,
wie die feindlichen Geschosse sie getrof
fen. Ein kleines Häuflein drängte sich
hinter den mehrfach getroffenen Ge
schützen zusammen, zum Tode erschöpft,
mit pulverqeschmärzten Gesichtern, keu-
chender Brust, aber mit in unheimlicher
Gluth blitzenden Augen.
.Wo ist der Hauptmann?"
Ein blutjunger Offizier trat heran
und meldete.
Sind Sie der älteste Offizier?"
Zu Befehl. Herr liZcneral."
.Wo ist der Hauptmann?"
Tort, Herr General." j
Neben seinem erschossenen Pferde ruht
auf einem Mantel die leblose Gestalt des
tapferen Batteriechcss. Ziele Bläffe be
deckt sein schönes, martialisches Antlitz,
die blitzenden blauen Augen waren ge
schlössen.
Ist er todt?"
Schmer verivundet, Herr General."
Dieser sprang aus dem Sattel und
beugte sich über den Verwundeten.
Kamerad ich bin es erkennen Sie
mich noch?
Der Hauptmann schlug die Augen
auf, ein stolzes Lächeln irrte über sein
bwNes Gesicht. Herr General...
Mein braver Kamerad lassen sie
sich zurückbringen. Verstärkung ist an
gekommen die Gefahr verüber Sie
haben mit Ihrer Batterie unser Detach
ment gerettet das soll Ihnen nicht ver-
gessen sein "
Zu spät, Herr General "
Nicht doch nicht doch !"
Zu spät, Herr General, eine Bitte
wollen Sie meiner Frau, meinen
Söhnen schreiben, wie ich gestorben ...
Mein Wort darauf, Kamerad."
Ich danke Ihnen . . . Kameraden , . .
lebt wohl mein Weib meine
Söhne "
Er sank zurück, ein tiefer Seufzer
ein Strecken des schlanken, kräftigen
Körpers es war vorbei.
Der General erhob sich, nachdem er
dem Braven die Augen zugedrückt.
Sie werden in der Stellung abgelöst
werden," wandte er sich an den einzigen
Offizier. Seine Stimme zitterte leicht,
der junge Offizier legte schweigend die
Hand an den Helm, der General grüßte
die wenigen übrig gebliebenen Kano
niere und ritt zurück. Schweigend
folgte ihm sein Adjutant.
Nach einer Weile hielt der General
sein Pferd an, richtete sich im Sattel
empor und schaute nach der Anhöhe zu
rück, über die sich jetzt der steinen besäete
Nachthimmel wölbte.
Ich bin auf vielen Schlachtfeldern
gewesen," sprach er leise zu dem Adju-
tantcn, kein Anblick hat mich o ergriff
fcn wie der dort oben in der Batterie
der Todten."
Angeschwärzt.
Sie war ein schmuckes Mädel, die
Lene des Horstclbauern in Oberrahm
stedt und hatte ein zärtliches Verhältniß
mit Nachbars Heiner. Das war aber
dem Horstclbauer nimmer recht denn die
Lene war sein einziges Kind und die
Erbin seines Hofes ; der Heiner dagegen
hatte von Hause nichts zu erwarten, weil
sein Vater selber nichts hatte, als sein
verschuldetes Häuschen mit dem Obstgar
ten dahinter und ein paar Morgen
mageren Landes, das die Aussaat kaum
brachte.
Der Horstelbauer kriegte seine Tochter
beim Kragen: Du die Geschichte laß
aus alleweile.
Welche Geschichte meint der Vater?"
Frag' noch lange! Mit dem Nach-bars-Heiner
die. - Hab' lange genug
zugeschaut, nun ists genug."
Wenn der Vater meint, daß es ge-
nug ist," antwortete die Lene schnippisch
nachher können wir ja zum End' konr
men."
Der Horstelbauer irrte sich aber, wenn
er meinte, die Kache fei nun aus vtov
sehen Beiden. Jungfer Lene hatte ihre
Worte ganz anders gemeint.
Du, der Vater hat gesagt, es wär'
nun genug scharmuzirt," schwätzte sie
am selbigen Abend zum Heiner, als der
wieder neben ihr auf der Stcinbank vor
der Horstelhofpfortc saß, mache also
ein End und red mit ihm."
..Meinst? Soll ich wirklich. Schatze!?
jubelte der Heiner, indem er Lene
umarmte.
Frag' lang' !" Unter seinen Küs
sen verging dem schmucken Mädel das
Weiterreden.
Da suhr der Horstelbauer plötzlich
zwischen Beide, wie der Bussard zwischen
ein schnäbelndes Taubenpaar fährt. Er
hatte sich im Gcmeindckruge gerade ein
bischen Courage angetrunken, riß den
Heiner beim Jackenkragen von der Lene
fort und rief : Tu haft hier vor dem
Horstelhofe nichts verloren, verstehst
Tu mich? !" Und zu Lene gewendet fuhr
er fort : Und Tu scherst Dich in das
Haus ! ich habe Tir gesagt, wie ich über
die Sache denke?"
Heiner lachte : Jawohl, Vadder Hör
stclbauer, das war ja deutlich genug,
warum soll ich.das nicht verstehen? Hab'
übrigens nichts gesucht hier." Und
Lene lachte noch mehr: Gute Nacht,
Heiner ! Morgen Abend in der Garten-
lande, wenn Tu vor der Hospsorte nicht
bei mir sitzen sollst."
Von da ab trafen sich die Beiden im
Garten des Horstelhoses wo eine schöne
Jasminlaube zum Scharmuziren sörm
lich einlud. Ter Horstelbauer knurrte
vor Acrger. Tie Lene trieb es fast noch
schlimmer mit ihm, wie seine Selige.
Indexen allein konnte er nichts gegen
sie ausrichten, er mußte sich nach Hilfe
umthun. Da fiel ihm der Schulzenstos-
Ro. 2.
sel ein ; der war zu Allem fähig, wen
er ihm die Lene dafür versprach,
Höre, Stoffel, wenn Du die Beiden
auscinanderbringst, daß dem Heiner die
Geschichte vergeht, nachher wirft Du der
Bauer auf dem Horstelhofe !"
Wird gemacht, Vadder Horstel
bauer !"
Der Stoffel spintisirte, wie er die
Beiden auseinander brächte, daß dem
Heiner die Geschichte verginge. Spaß !
Das hätte er schon längst gern gemacht,
wenn er nur gewußt hätte, daß die
Sache dem Horstelbauer genehm gewesen
märe. Nun der ihn selbst darum ange
gangcn hotte, sollte er Nicht mehr lange
darauf warten müssen.
Er währte auch nicht lange, da bekam
der Horstelbauer von Schulzenstoffel
geheime Botschast : Heute Abend, sobald
es katzengrau wird, kriegt der Heiner
seinen Decem. Paßt nur hübsch auf
Eure Jasminlaube, Horstelbauer, damit
Euch nichts von dem Spaße entgeht!"
Eh hem !" grinste der Horstel
bauer den Boten an, hat denn Stoffel
gar nicht gesagt, wie oder was?"
Nein, Horstelbauer. Adieu !"
Eh hem, Adieu !"
Die Abenddämmerung trat kaum ein,
da lag der Horstelbauer schon in seiner
Scheune auf der Lauer, von wo er durch
ein Loch in der Mauer seinen Garten
bequem überschauen konnte. Er sah
auch verschiedene Gestalten um die Jas
minlaube hcrumhuschen und im Ergu
geschleicr des Abends verschwinden, aber
den Heiner und seine Lene gewahrte er
nicht darunter.
Werden noch kommen," flüsterte er,
ist ihnen bisher noch zu hell gewesen.
Nur im Dustern ist fein schmiistern."
Ganz dasselbe dachte auch der Schul
zenstoffel, der hinter der Jasminlaube
lang an der Erde verborgen lag. Er
hatte seine Vorbereitungen gut getroffen.
Oben in der Lsubc hing ein großer Sack
voll Kaminruß unmittelbar über der
Bank, auf welcher sich die Liebenden
niedersetzen mußten, wenn sie in der
Laube liebkosen wollten. Diesen Sack
konnte er mittelst eines Bindfadens, den
er in der Hand hielt, durch einen einzi
gen Ruck, derart öffnen, daß sich sein
unheimlicher Inhalt in demselben Au
genblick auf das Liebespaar ergießen
mußte. Und der Stoffel wollte schon
dafür sorgen, daß dies in einem Momente
geschah, in welchen. Beide an solche
ileberraschung am allerwenigsten dachten.
Dann aber, wenn Heiner und Lene sich
die Augen putzen würden, wollte er dem
Ersteren die Liebelei mit einem Prügel
gründlich austreiben. Zur möglichst
sicheren Erreichung dieses Zweckes hatte
er sogar noch ein paar handfeste Knechte
vom Schulzenhofe in der Nähe versteckt,
welche nöthigcnfalls zu feiner Hilfc
herbeieilen sollten. Er hatte seine Vor
bercitungen wirklich gut getroffen, indes
sen das Liebespärchen kam nicht.
Sind am Ende schon da," dachte
der Horstelbauer, und der Schulzenstos-
sei ist eingeschlafen, anstatt seine Sache
zu machen. Zuzutrauen ist das dem
Lotter !"
Damit kroch er aus seinen Versteck in
der Scheune hervor und schlich durch den
Schatten der Ställe und Nachbarhäuser
nach der Jasminlaube hinab.
Pst, jetzt kommen sie," grinste der
Schulzenstoffcl in sich hinein, als er die
schleichenden Schritte hörte, jetzt nur
mäuSchenftiü, damit sie nichts merken.
Der Horstclbauer schlich an die Laube
heran. Nichts regte sich. Im tiefsten
Tuniei lag die clbe da.
Drinnen sind sie noch nicht," flüsterte
der Bauer, sonst würde man ein Ke
räusch vernehmen. Aber kommen wer-
oen sie. Es ist nirgends etwas los im
Torf, wo sie sonst sein könnten. Na,
schauen wir uns die Sache aus der Nähe
an, da wir gerad dahier sind.
Vorsichtig drang er in die Laube hin
ein. Tastend suchte er nach der Bank.
Jetzt aufgepaßt," murmelte der
Stoffel hinter dem Jasmingesträuch,
bald ist's fo weit !" Eine Weile lauerte
er und dachte ; Ganz still sind sie, die
haben es höllisch heiß mit der Himmels
lieb', daß sie nit mal ein Wort reden
mögen. Na, da ziehen wir nur den
Sack auf !"
.Hup puh oh ha !" Ter
Horstclbauer sprang entsetzt auf. Eine
Wolke Kammruß umgab ihn. In die
Augen drang ihm das schwarze Pul-
er, dieNase verstopfte es ihm. dcn gan
zen Mund bekam er voll davon.
Man s Blitz !" tuhr der -chulzenstof-
sei von der Erde hinter dem Jasmin
empor, das ist ja meiner Serien, der!
Horstclbauer selber ! Ta hast Tu schön j
was angerichtet ! Jetzt nur flink sort,
sonst könntest Tu noch selber Keile krie
gen." In demselben Augenblick aber rief es
auch aus den Garteiisteigen ber : j
Nanu? Ist denn da der Vater? Was;
hat denn der Heiner? Und dort hinter)
der Laube, schau ! dort bockt Jemand, -
Flink, flink, dem Vater ist ein Unglück i
zugestoßen, der geht sonst ie spät in den
Garten."
Wahrhaftig, hier hockt Jemand!"
rief Heiner und rannte hinter die
Laube. Gleich darauf vernahm man
ei so lustiges Gcbalze und ei so er
bärmlichcs Gestöhn zugleich, wie man
es nur zu höre bekommt, wenn Jcman
dem die Jacke auf dem Rücken ein bischen
derb ausgestäubt wird.
Auf der Lene Geschrei kamen endlich
vom Horstclhofc Knechte und Mägde
herbei. Die Letzteren brachten ihre
Stalllatcrncn und Knüppel mit. Die
Knüppel waren nicht nöthig, denn
dem Horstclbauer war, wie sie beini
aterncnlicht bald bemerkten, nichts wei
ter passirt, als daß er vom Kopse bis zu
den Schlappen wie ein Moorbienner so
schwarz aussah. Der Mann hinter der
Laube hatte aber vom Nachbar Heiner
seine Tracht Prügel schon fortbckonimen.
Herrgott, Schulzeustoffel, bist Du
denn das?" staunte der Heiner, als er
den Geprügelten jetzt bei Licht besah.
Ja, Mensch, was hast Du denn bei
nachtschlasener Zeit hier hinter der Jas
minlaube des Horstelgartens zu hocken.
Ich hab' wirklich gedacht, wir hätten
einen Spitzbuben erwischt !"
Und Jungfer Lene, indem sie ihrem
VaterRnßvon demGcsicht stäubte, meint:
Meiner Seelen, der Pater schaut aus,
als ob er aus dem Rauchfang gestiegen
wäre. Hat am End' Jemand bei den
Würsten geseffcn, oder beim Schinken
speck?"
Auf diese Reden haben weder der
Schulzenstosfel noch der Horstclbauer
etwas erwidert. Der erstere hat sich
blos den Buckel gerieben, dem Heiner in
der Tasche eine Faust gemacht, und ist
dann nach Hause gehumpelt, wohin ihm
die versteckt gewesenen Schulzenhosknechte
schon angeschlichen waren.
DerHorstelbauer aber ist in sich gegan
gen. Mit der Anschmärzung, die der
Stoffel seiner schmucken Lene zugedacht
hatte, hatte sich dieser selber bei ihm
angeschwärzt. So einen Nichtsnutz
mochte er denn doch dermaleinst nicht als
Schmiegersohn auf dem Horstelhofe
haben, da war ihm der Heiner lieber,
wenn er auch nichts hatte. ,
Wie man billig zu einem Paar neuer
Stiesel kommt.
Der Wallercr Franzl, vulgo Nobel
fchani hat eS kürzlich entdeckt und ist
nicht wenig stolz auf feinen prächtigen
Einfall.
Neulich geht er in der Residenzstadt zu
einem Schuster und verlangt ein Paar
Stiefel. Von den elegantesten, die ihm
auch gut paffen, sucht er sich welche aus
und giebt den Auftrag, sie ihm Abends
sechs Uhr in sein Hotel zu schicken. Dar
auf geht er zu einem andcoen Schuster
und macht es dort ebenso, bestellt diese
aber auf sieben Uhr. Als der Abend
kommt, werden ihm die zuerst ausge
wählten Stiefeln richtig eingeliefert.
Der Nobelscdani probirt sie, giebt aber
den linken Stiesel dem Lehrbuben mit
dem Bemerken zurück, daß er ihm aus
dem Spann drücke: er soll ihn über
Nacht über den Leisten schlagen lasten
nd am andern Morgen wieder bringen.
Mit dem zweiten Paar machte der No
belschani es gerade so, nur mit dem Un
terschied, daß er hier den rechten Stiefel
zurückschickt, um ihn austreiben zu las
sen. Als am andern Morgen die zwei
ausgeweiteten Stiefel ins Hotel gebracht
werden, ist der Nobelschani aber mit den
zwei einzelnen Stiefeln, die zusammen
ein Paar machen, abgereist, und nie
mand weiß, wohin.
Das Lache nd die Bokale.
Damasceni hat die Behauptung auf
gestellt, daß er die Temperamente an
den Endvokalen ihres Lachens erkennen
wollte und die Hahaha-Lacher in Chole
riker, die Hehehe-Lachcr in Phlegmati
ker, die Hihihi-Lacher in Melancholiker
und die Hohoho-Lacher in Sanguiniker
abtheilte. Professor Abweilcr und
Dr. Stores kommen zu folgendem
Resultat: In der Regel drückt sich das
olle laute Lachen durch A aus, das
spöttische, grinsende nähert sich dem E,
das Kichern und verhaltene Lachen der
Jugend und des weiblichen Geschlechts
gleicht dem I, das frohe Lachen der
überraschenden Freude dem O, und das
U scheint für das Weinen gemacht zu
sein, oder für das Lachen bis zum Er
sticken, wo man roth und blau nd das
Lachen theuer wird. Meist lachen Män
ner in A und O, Frauen in E und I,
und überall geht der Konsonant H den
Pokalen voraus, ein Beweis weiter, daß
unsere deutschen Tprachdrcchsler, die
wohl nur selten lachten, Unrecht hatten.
das H verbannen zu wollen.
ut gegeben.
An den beräumten Cellisten Servals
schrieb einst eine vornehme belgische
Dame: Mein perr! Wir geben am
nächsten Tonnerstag eine große Soiree
mit vorhergehenden Bankct und nachsol
gcndem Ball. M. de Z. und ich wür
den uns glücklich schätzen, Sie bei uns
zu sehen. Baronne de Z. I'. S. Ver
gessen Sie nicht, Ihr Violoncello zu
schicken !"
Tie Antwort des Künstlers ließ nicht
auf sich märten: .Gnädige Frau! Eine
dringende Angclcgenbcit fordert meine
schleunige Abreise von Brüssel, wcsbalb
ich zu meinem großen Bedauern niet
.',!rei Einladung zam nächsten Toniier
I!,ig olge leisten kann. Scrvais.
1. S. Ihrem Wunsche gemäß schicke
ich Ihnen hier mein Violoncello."