Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 31, 1895, Image 9

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    s
Aus den sEviuucnmacii eines
Arztes.
O(ort) bcm Vi'btu. Erzählt 0011 W. ä Q l r c ,,
liage ,
ßr war i einer kleinen Abcndgcsell-
Ichast i einer tombt TetttschlaiidS,
Man surach im anicrüamschen 'Au
, ständen, ein Gegenstand, de umsimcl)r
fesselte, als einige der anwesenden Aian
ner selbst in der neuen Welt" gewesen
waren. Da nahm der alte würdige
Doktor I , . , , das Wort.
Ich war noch ein junger Arzt so er
zählte er, lcdig. uncingcschrttnkt in
meinen Bewegungen und dürstete nach
Thaten auf wissmlchaNllchen Gebiete.
Der Hang zur Nntnrsoischung und
ethnologischen Studien bestimmte meine
Entschlüsse, So segelte ich eines schönen
Tages von Hamburg aus über den
Ocean, m Amerika zu bereisen. Ich
durchzog sieben Jahre hindurch den gan
' zen Erdtheil und war so ziemlich über
all, an den großen Strömen, in den
Prairien und Pampas, auf den Ric
senbergen der Anden, Pflanzen und
Thiere beschäftigten, Sitten und Cultur
der Völker reizten mich, nicht minder
ihre Geschichte. Daß ich dabei in manche
außerordentliche Lagen gcrielh, darf
nicht wundcr nehmen. Auch Gefahren
bestand ich. Die nngcbändigtc Äatur
fiihrt sie mehr mit sich, als die befestigte
Ordnung des alten Europas. Dies
gilt nicht allcin vom Lande und Klima,
sondern vielmehr noch vondc Menschen
da draußen; denn ihre Gesellschaft war
damals man schrieb 181;) noch viel
.'lüget consoldirt, als es heule der
an in. lliwe eweiiiMiicii, j.xdk,
Haß.Gewaltthätigkeit, rücksichtsloses Be
gehren und roheste Selbstsucht bestimm
ten oft genug das Thun des (rbenbiloes
Gottes i jenen Ländern des Werdens,
Wer könnte gewifsc Dinge krgcffeu, die
uuser Lebe kreuzten? Manchmal trug
das, was mir begegnete, ein hochioinati
scheö Gewand, dein man in den Salons
des abgeschliffenen Europas ungläubig
f aeaenüberstebt. Bearpifliiti. Gilt, Revol
ver nd Messer sind gliicklichcrwcise nicht
heimisch in unserem stillen Tafein, das
sich in parfnmirtcr Luft und bei ästbcti
sehen Thees behaglich abspielt. Eine
Begebenheit dieser Gattung will ich er
zählen. Hören Sie: Gespräche mit
Freunden i Rio de Janeiro geben mir
den Gedanken ein, einige Zeit in
Cachueira in der Provinz Bahia zuzu
bringen. Nach dreitägiger Dampfschis
fahrt längs der Küste erreichte ich mein
Reiseziel, vachueira war damals eine
Stadt von ungefähr sechstausend Ein
wohnern. Sie liegt unsern der Küste
malerisch am Ufer des schiffbaren Flnf-
scs Paraqnassa. Eocnsualmen und
Banancnwäldcr verleihen dem Bilde
de tropischen Eharaltcr.
Es war im Monat Januar, der Zeit
des südlichen Hochsommers, als ich in
Eachueir eintraf. Um stände brachten
es mit sich, daß ich neben meinen bota-
chen und zoologiichen Studien auch
rniuciie vraris irieo, vie neis an um-
zunahm. Eingeborene und fremde
namen meine ,pisr iji nipniei). uno
da ich von den Arme, besonders von
den Farbigen, kein Honorar forderte,
ward ich sehr bald nicht allein ein sehr
gesuchter, sondern auch ein beliebter
Arzt, wie inancsda nennt. Nach einigen
Monaten brach in der Stadt das gelbe
Fieber aus, die Geißel der tropischen
amerikanischen Küste. Ich selbst erlitt
einen Anfall, der indeß glücklicher Weise
nur leicht war und vorüberging.
Das gelbe Fieber ist eine schreckliche
Krankheit. In 24 Stunden, oft in
noch viel kürzerer Zeit, ist man dahin.
Fünfzig Prozent der Kranken, manch
mal noch mehr, sterben. Das Fieber be
ginnt mit einem Druck in der Magen
gegcnd, Kopfschmerz und Müdigkeit
stellen sich ein, Krämpfe des Zmerch
fclls. im Unterleib und Rücken folgen,
Bluterbrechcn tritt hinzu, bis der Tod
der Oual ein Ende macht.
Eines Abends, bereits sehr spät saß
ich in meinet Easa, einem leichtgebauten
Fachwerlausc von Bananengebüsch um
geben, als draußen Pferdegetrampel
hörbar ward. Es hielt vor dem Hanse
an, und gleich darauf trat ein Mulatte
in mein Zimmer, der mir höflich einen
Brief überreichte. In dem Briefe bat
mich ein Eollcge, ein italienischer Arzt
. F., sttr ihn sofort nach der Facenda
der Donna Ermclindra I'ustodia zu rci
' ten, in einen Fall gelben Fiebers zu
behandeln. Er sei dort Hausarzt, fühle
sich aber selbst unwohl und bäte um
Vertretung. Natürlich nur ich sofort
bereit, denn der Arzt gehörte zu meinen
näheren Bekannten. Ich versah mir
mit Opiumtinktur. Tannin rtnft einigen
anderen Mitteln und trat vor das Hau?.
Drei Reiter warteten hier ans mich, ich
bestieg; ein bereit gehaltenes viertes
Pscrd und so setzte sich die Eavalcade so
fort in schneller Gangart in Bewegung.
Bon Zeit zu Zeit waren längs des
,?sln,n mit breniienien tackeln
iiflwBfllt. die den Wca erbrüte.
Zweimal wechselte ich unterwegs mein,
Pferd aus dereilgehaltenen Relais. Ich
erhielt durch alles das den Eindruck, ,
daß es sich um einen sehr vornchmcn !
Kranken handeln muffe. Endlich nach
zweistündigem Ritte trafen wir auf der
Facenda ein. Sie bildete ein langqe
ftreölcs einstöckiges Hans mit Hoch
hart, von aeräumiacn Berandas
umgeben. Zablreiche gackeln brannten
oz! dem Vorplätze, die innern Räume
' V.ren bell erleuchtet. Eine Anzakl feit-
?ch gekleideter Herren und Tarnen
wcgt.m sich im EmpsangS-Taale und
Der
Jahrgang 16.
auf den Berandas am Haufe. Es wun
dcrte mich nicht, denn ich glaubte an ein
Fcft, das durch einen Krankheitsfall
eine gewisse Störung erleide.
Eine prachtig aber etwas überladen
gekleidete altere Dame empfing mich
überaus arlig. Eavallero, sprach sie,
Sie kennen Ihre Jnstrultion. Eilen
Sie!
Auf einen Wink ihrer Hand führte
mich ein schivarzcr Diener durch einen
langen Eorridor an ein Zimmer, das
ich öffnete. In dem Zimmer lag ei
Mann von mittleren Jahre auf dem
Lager ausgestreckt. Er wand sich und
krümmte sich in schweren Schmerzen.
Er hatte das gelbe Fieber. Ich gab die
nöthige Mittel und tröstete den Kran-
ten, denn er lammerte und suhlte sich
dem Tode nahe. Ich bin'Dom Justin
von der Kaffeeplantage Santa Elara.
Helfen Sie mir, ich lohne es ihnen mit
Gold. So klagte und flehte er ei
über das andere Mal und immer von
!(,'! iem.
Ich that, was ein Arzt thun kann.
Besonders schwierig war es, den Kran
ke in fitzender Lage im Bette zu crhal
ten, denn das entsejiliche Glucksen s
dem Magen herauf ein charakteristi
sches Symptom beim gelben Fieber
ließ keine andere Stellung z. Ich
mußte den Patienten ununterbrochen in
den Armen halten und stützen. Dabei
ließ man uns ganz allem. Keine tecclc
erschien, um sich zu erkundigen oder
nach dem Kranken oder meinem edürs
nisse zu sragen. Draußen in den Sä
len weilte die geputzte Menge, um sich
zu amüsiren, hier rang ein sterbender
Mensch unter schmerzen ni,t dein Tode.
Der Geqensa war grau flg. Doch ich
nahm es nicht so schwer, weil nur der
Eharakter der Leute bekannt war. Man
ist in jenen heißen Ländern oft ebenso
genumüchtig nd leichtlebig als furcht
sam und herzlos. Nebenmenschen? Sie
dienen nur als ffolium zum Ich,
Unterdessen schritt das Fieber bei
Dom Justin rasch vor. Der Fall war
schwer, meine Kunst umsonst. Ich war
gegen zwölf Uhr angekommen, um ei
Uhr in der Nacht versaued der Kranke
Als ich das Zimmer verließ, stieß ich
draußen dicht vor der Thiire auf eine
dort stehenden Mann. Ein breitträm
piger Hut war tief in die Stirne ge
zogen und hüllte das Gesicht in Schat
ten; gleichwohl und trotz der unsicheren
Eorridorbeleuchtling sah ich finstere
Züge und stechende Augen, die starr ans
mich gerichtet waren.
Eavallero, wie steht es d'rinnen?
fragte er gedämpft. .
Todt. Soeben gestorben.
Lassen Sie mich sehen, sprach der
Mann weiter, schob mich kurzmeg bei
Seite und trat in das Zimmer, die
Thiire offen lassend. Er hob das weifte
Tuch, das ich dein Todten über das Ge-
licht gezogen empor, blickte einen
Augenblick ans die Leiche nieder, deckte
diese wieder zu und schritt langsam zu
mir heraus. Ruhig und kalt sprach
er: Es ist so. Er ist todt. Melden
Sie das im Salon dort. Man erwur
tet Sie. Gemessen sich verbeugend, ver
schwand er nhörbar über eine nahe
Treppe.
Das Allcs kam mir elwas sonderbar
vor; doch was ging es mich an. Ich
durchschritt den Eorridor und trat in
den Salon, wo die Gesellscha t och
völlig beisammen war, in Gruppen
saß, Kaffee trank und t nichte. Me
Erscheine unterbrach jede Beschäftigung i
erwartungsvoll schauten Aller Äuge
auf mich hin. Die prächtig gekleidete
alte Dame, die niich früher empsangen,
kam hastig auf mich zu.
Nun, Toctor? fragte sie fast athem
los. Tom Justin ist soeben gestorben, er
klärte ich feierlich.
Die Wirkung meiner Worke war ganz
anders, als ich nur immer erwarte
konnte. Das Gesicht der Donna vor
mir verzerrte sich zu einer haßersülltrn
Fratze, die Augen blitzten Gist. Pfeil
schnell sprang sie anf mich zu und griff
mit den gekrümmten zehn Fingern ihrer
Hände nach meinem Gesicht, dabei mit
gellender Stimme Bermünschungen
gegen mich ausstoßend. Sie haben mich
belogen und betrogen, Elender! Ich
Arme! Fluch Ihnen! kreischte sie, wie
außer sich. Tabei accompagnirte ein
Zheil der Gesellichan der Wüthenden
mit lauten Drohungen gegen mich.
während ein anderer Theil beschwich
tigende Gcberden machte. Es war eine
milddewegie
cene. Ich wei nicht.
was schließlich
geworden wäre, da
sprang zur rechten Zeit ein Eavuziner-
paler hinzu, riß das rasende Weid zu
ruck und rics wir zu. mich lchleumi.lt zu !
entfernen. Ein Diener nalun mist) heij
der Hand und in wenigen Auge 'licken :
j war ich aus dem ijiiic gezogn und ge- j
riff,n, ich weiß nicht mie. Eine duiiiiej
j (iifült, ich glaube, 3 wnr der Mann '
be-janf dem Eorridor vor der Tbnre de?
! Todten, flüsterte mir zu: Hier ist ihr!
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Pserd, Eavallcr. Eilen Sie fort, so
schnell wie Sie können! Sausend ritt ich
davon, denn der Fremde hatte meinem
Pscrde och eine hcstigen Schlag mit
dem Stock versetzt. Zwei Reiter beglei-
Kte mich Mit brennende Fackeln,
Ich wußte nicht, wie mir geschehen
war. Ich hatte alles über mich ergehen
laffcn müssen, denn Schlag aus Schlag
wechselten öie Scenen, Ohne daß ich zur
Besinnung kam. Erst jetzt während des
Rittes, athmete ich ans. Was bedeutet
das alle? Welchen Räthseln stand ich
gegenüber? Waren die Menschen dort
draußen verrückt geivorden? Oder was
sonst? Grübelnd ritt ich dahin. Die
Nacht war still und traumhast, die Luft
klar, und wunöerbar hell schimmerten
die Sterne voin tropischen Himmel her
nieder, vor allem das südliche Kreuz,
das geheimnitzvoU den Acthcr durch
leuchtete, Allmählig beruhigten, sich
meine aufgeregten Nerven, Ich hatte
das Gefühl, einer großen Ge fahr ent-
rönnen zu sein, und fast frühlich sah ich
meine Easa vor mir austauchcn. Ger
hälle ich och die mich begleitenden Rci
ter befragt, doch sie waren Sklaven.
Was wußte sie von den Gchcimnisje
jener Facenda? So übergab ich ihnen
stillschweigend mein Pferd und schaute
ihnen ach, wie sie pfeilschnell n Nacht
dunkel verschwanden. Dann trat ich in
meine Easa es war beinahe vier Uhr
Morgens um nach trauinbeweglen
Schlummer am hellen Morgen zu er
wachen. Sonne und Licht verscheuchten die
Gespenster, frischer zieht durch ihrem
Einfluß der Lcbensstrom durch die
Ader. So war es mir. Niemals de
handelte ich meine Patienten freund-
licher und liebenswürdiger, als an je
nem Tage, Gegen Abend trieb es mich
hinaus; ich wollte meinen Stamm-Eafe
besuchen, wo ich Freunde und Bekannte
wußte. Unterwegs trat mir ei unbe
kannter, doch augenscheinlich vornehmer
Brasilianer entgegen. Er grüßte über
ans höflich, firjrte mich einen Augen
blick scharf und sprachr Eavallero, Sie
sind der Arzt, der gestern Abend anf der
Facenda der Donna Ermclindra Eusto
dia zu thun hatte. Ich freue mich, Sie
wohl ud munter z sehen.
Danke sehr für die Theilnahme, er
widerte ich mehr erstaunt als neugierig.
Der Fremde fuhr aber fort: Hätten
Sie ander gehandelt, als geschehen, so
läge Sie beute eben dem armen Dorn
Zustiuo todt unter dem Rasen. Ein
Dolchstoß wartete Ihrer.
Eavallero! rief ich und fuhr er
schrocken zurück.
Ruhigen Tones sprach der andere
weiter: Es ist so. Sie haben der Fn
milie des Toni Justino einen großen
Dienst geleistet. Sie werden ein ent
sprechendes Honorar in ihrer Easa
finden, wenn sie -dorthin zurückkehren.
Aodio!
Mit vornehmer Vcrbciigniig entfernte
er sich.
Das wird ja immer interessanter,
aber auch schrecklicher, dachte ich und trat
in das Enfe. Es war noch leer; mir
an einem Seitcntifche saßen zwei Herren,
zugleich zwei Schwäger, ein deutscher
und ei brasilianischer Kaufmann,
Beide waren tüchtige, charakterfeste
Männer und niir zugethan. Der Bra
silier kannte nebenbei Land nd Leute
nd wußte alle Familienverhältnisje
von Land und Umgegend. Mit Wärme
uns Freude reichte er rni, die Hand uns
sprach:
Sie flnd gestern Nacht einer großen
icsuhr entgangen. Ich grntnlire herz
lich. Wissen Sie das schon? sragte ich
staunend. Der Kaufmann lächelte über
legen, wie einer, der die Berwunderung
seines GegeuüberS naiv findet. Und
nun erfuhr ich folgendes: Donna Er
melindra Euftona war Wittwe und
Besitzerin einer große ffaffeeplanlage,
die indeß vollständig verschuldet war.
Jede Augcndlick konnte der Rnin her-
einbrechen. Daher galt es. dem vorzu-
beugen. TaS Mittel dazu bot ihre
nicht nscböne Tochter Elvira. Es e-
lang, einen ebenio reich n als einfälti
gen Plantagenbefitzer Dom Justins in
ihre Netze zu ziehen und gestern Nach-
mittag sollte die Trauung m der Fa
cenda der Tonna Euüodia vor sich
ge!n. Alles ,ar bereit. Priester nd
'laste fanden sich ein. Da erkrankte!
bfir ti,'i iii rtnln.tnh HWinlirtiim ti(.t. '
lich am gelben Fieber. Mai, war außer
sich, einigte sich aber dahin, daß Die
Zranuna am Bette des Erkranlten ae-
fchcbcn solle, sobal der Hausarzt eine '
Zustand genüg' nd klaren Bewiifein? ,
festste!?. Darauf kam es wegen der
rechtmäßigen Faltung der Zraumig an, j
?".t jungen Frau fiel mit voll sogener
Trauung im Zo!rsi,:!lk ihres i,itin !
das ganze große Bermozen des Doin '
Justins zu. Xana sonnte die Ebe von
reiten der ?. wandt,- des letzte j
nrbüich nicht an -griff -i; meiden.
Tr isarzt war Tr. H,,... en!
Italiener. Eil-,g jagte n Pnlraukr i
der Donna Eustodia nach der Stadt, um
den Hausarzt zu holen und ihn in die
Sache einzuweihen. Aber die Familie
des Dom Justin war noch eiliger gewe-
sen. Mit Hülse bestochener Diener der
Donna erfuhr ste icden chritt der Ge.
genvnrtei. Mehrere Verwandte des
Bräutigams waren als Gäste ebensalls
anwesend, und leiteten die Intrigue.
Einige Minute vor dein Eintreffen des
Pertrauten der Donna erließ schon der
Abgesandte der andere Partei das Haus
des DoctorS F mit der TodcSdro
hung siir de Fall, daß dieser auf der
Facenda erscheine. Der Doktor kannte
den Ernst der Lage und wnßtc sich in
seiner Angst nicht anders zu helfen, als
sich krank zu stellen und mich mit seiner
Vtcllvertretniiq Z beauftrage. Wie
eS zuging, daß ich von dem einzig wich-
tigen ltnistandc bei der ganze Sache,
nämlich dem Heirathsplane imd der
Trauung auf dem Krankenbette die
geschehen konnte, denn der Kranke war
lange völlig klar im Geiste und dispo-sitionSfähig-
daß ich, wir gesagt, davon
keine Kenntniß erhielt, ist mir unbe
greiflich geblieben. Wahrscheinlich
glaubte man. ich fei vollständig belehrt
oder dic überstürzte Hast ließ es verges
sen. i-o erschien ich ahnungslos auf
der Facenda der Donna Ermelindra
Eustodia, um die gefährliche Rolle eines
vom Tode umlauerten stellvertretenden
Hausarztes zu spielen, Eine kleine
Wendung und ich wäre verloren gewe
sen. Aber, mein Gott, rief ich entsetzt, wa
für Geschichten sind das? Woher wisse
Sie das alles?
Von meinem Bruder Rodrigo, der es
erlauschte, flüsterte der Kaufmann mehr
als er sprach. Er ist Sekretär bei einem
erbbetyeiligten Verwandten Dom Ju
stinos. Wäre übrigens das gelbe
Fieber nicht gekommen, so erwartete
den Perstobeiie ein Dolchstoß vor der
Trauung,
Bon den eigenen Verwandte Eaval
leros?. fragte ich.
Von den eigenen Verwandten, nickte
der Erzähler.
Mir ward bei diesen Enthüllungen
sehr eigenthümlich. Welche Leidcnschas
ten entfesseln Geld und Habsucht! sprach
ich erschiitiert. Da muß man sich auch
wohl noch vor der Nachsucht der Donna
Eustodia, deren Pläne mein ikcrhaltcn
vereitelte, Huten?
Ja, wenn sie hier wohnen geblieben
wäre, bestätigte der Brasilianer. Sie
übergab aber heute Nachmittag ihre
Plantage den Gläubigern, um morgen
iruh mit dem Damp Ich, nach Rio de
Janeiro, ivo Verwandte wohnen, ltber-
zu ikdem.
.rotz dieser beruhigenden Erklärung
wnr mir der fernere Aufenthatt derlei-
det worden. Um eine ernste Erfahrung
reicher, verließ ich bald daraus den Ort
und schiffte mich nach Buenos Ayres ein,
?ic Eroberung von ötraßburg.
(28. September 1H70.)
Am 150. September 1081 hatten dic
französischen' Generale LouvoiS und
WontclaS anf ein Machtwort Loiiis
XIV. die alte ehrwürdige Hauptstadt
von Elsaß mitten im Frieden und ohne
Schwertstreich dem deutschen Reiche ent-
rissen. I seiner Wchrlosigtcit fügte
sich Straßburg der Gewalt, und der
Bürgerschaft waren die Vortheile uiid
die Ehre, einem großen Slaale anzuge
hören und von den Jämmerlichkeiten
eines in Politische Ohnmacht und Unbe
hililichleit versunkenen Gemeinwesens
erlöst zu fein, das Schmerzensgeld sür
die hart geschädigte und gesährdcte Na
tionalität. An demselben Tage des
Jahres hielt General von Werder
in den VornuIIagsstundcn in Beglei
tnng von aller Waffen seinen feierliche
Einzug in die Stadt, dic während der
18; Jahre der Fremdherrschaft nienials
ibren deutschen Eharntter verloren halte
ud nun auch äußerlich wieder das
wurde, was sie in'ihrem tieisten Innern
nie z sein aufgehört hatte. Die Biir
g, rschast bekundete eine durchaus fricd
lichc Haltung. Die Tchreckenstage aber,
die diesem weltgeschichtlichen Ereignis!
vorangingen, Mrden den Straßdurger
Nie aus dein Gedächtniß schwinden.
Die Botsch'ist von Wör'.h war schon
am Tage nach vieler Schlacht in Straß
dnrg bekannt geworden. Die Deut
schcn standen vor de Thoren: eine
aiforderung an den Kommandanten
tlbrich zur Ucbergabe wurde am 10.
August mit der Erklärung zurückge
wiesen, die Stadt werde sich auf s
Äeußerste vertiieidigen. Das am l.i.
August gebildete Belagerng?lorps!itcr
!neral Wrder bestehend aus der
b abiichcn Division, derpri!ßilcdcu!ardc
.'andwehidiviston, der 1. Riservedivi
licrn. einer Reserve - Zkavallcriebrigade.
,uß irtillerie-KoinPaziiien und ÜXH
chw?ren GeschüM z seine Kicisc
immer enger. Die erneute Weigerung
Ro. 24.
Uhrich's führte zum Bombardement,
das am 2:!. August begann und drei
Tage dauerte; die Mcnschlichleit miißtc
vor der unerbittlichen Kricgsstrcnge zu
rücktrctcu. Der Wille Uhrich's war
eisern. Aber auch Werder war s
Die förmliche Belagerung ivard be-
schloffen; am !ZU. August war die erst,
am 2. September dic zweite, am I:.
eptember die dritte Parallele scrtig.
Das Feuer der Belagcrungsartilleric
war verheerend gctvcscii; die Werke der
Angriffssront Oteinthm-) waren in un
sörmlichc Erdhauscn verwandelt, das
Innere der Zitadelle, die Vorstadt am
Striiithore lagen fast vollständig in
Trümmern; das Muscui und die Ge-
läldcsaninilunq. das Stadthaus, das
Theater, die große Finkmattkaferne, wo
einst Louis Bonripartc bei seinem eisten
Staatsstreich festgenommen worden, die
Bibliothek mit 20U,ttM Bänden, dic
Neutirche, das Ghiiinasium, die Koni-
maildautiir am Klebcrplatz nd andeil
öffentliche Gebäude wäre ein Raub der
Flammen geworden, 41$ Häuser im
Innern der Stadt vollständig zerstört,
das Münster an mehreren Stellen bc
schädigt. Aber auch jetzt erwiderte
Uhrich auf den Vorschlag des Großher
zogs von Baden, bei der Aussichtslosig
seit eines längeren Widerstandes mit
Werder in Unterhandlung elnziitrcte,
daß er gezwungen sei, seinen persön
lichen Neigungen und der von Menschen
liebe eingegebenen Absicht, dein schreck-
lichen Drama ei Ende zu mache, zu
widerstehe." Dieser Man tvurde von
sranzösischen Tagesblättcrn anfangs in
die sterne erhoben, dann als Ber
räihcr" gelästert, gcbrandinarkt und
verstoßen.
Endlich am 27. Scptcrnber ließ er,
der Roth gehorchend und nicht dem inne
reu Triebe, in der fünften Nachmittags
stunde auf dem Münster und den beiden
Bastionen I I und 12 dic weiße Flagge
hissen. Noch in der Aacht zum 28. sriih
2 Uhr kamen die vom Ehef dcö Gcneral
stabes Oberstlieutenant von Lcszczhnski
deutscher- und vom Obersten Ducaffe
französischcrseits gcsührten Kapitula
tioiisverhandlungen bei Königshoffen
znm Abschluß und wurden in Mundols
heim von Werder vollzogen. Dic Be
dingungcn sind den nach Eedan gcstcll
ten gleich. In der Mittagsstunde des
selben Tages öffnete die große fran
Lösifche Aheinfcstiing dem Bctngcrcr ihre
Tliorc. Der Borbeimarsch der kricgs
gefangencn Besatzung fand am Glacis
vor dem Nationalthore statt, anfangs
in ziemlicher Ordnung; bald aber ent
fernten sich US den Reihen zahlreiche
Berauschte, verweigerten in buntem Ge
wirr den Offizieren den Gehorsam, zcr
schlngcn ihre Waffcn und marscn sie in
die Festnugsgräben. An der Spitze
der Truppen schritt der Gcncral Uhrich,
zu dessen Ehren der Großhcrzog von
Bade und Gcncral von Wcrdcr vom
Pfcrde sticgc, um ihm entgegenzu
gehen. So war denn Straßburg Teutsch
land wiedergewonnen; als fester Bau
stein ist es dem mächtigen Teutschen
Reiche eingefügt; es hat aufgehört, wie
es Guethe och zu seiner Zeit bezeichnete,
halbfranzösisch" .zu sein, und mit fren
diger Genugthuung können wir heute
nach fünfundzwanzig Jahren sage, daß
es dein Dcntschthum zum guten Theil
wiedergewonnen ist.
(stlinesischc Schwiegermutter.
Aus einem Buche, das Herr von
Brandt, dcr frühere langjährige Per
treter des Deutschen Reiches in Ehina,
soeben unter dem Titel Sittenbilder
aus Ehina" veröffentlicht hat, entneh
men wir solginde Betrachtung über die
chinesische Schivicgermutier Schwie
germütter verdienen in Ehinn den
schlechten Ruf, den sie in europäischen
Ländern so nnverdientcrmaßcn genießen:
indessen liegt die Schuld dahir wohl
auch in Ehina nicht ausschließlich an
ibne. In keiner den niederen Klaen
der Bevölkerung angehörenden Familie
wird siir die Erziehung der Töchter,
nicht in unserem Sinne, sonoern in Be-
treff ihrer Ausbildung in den häus-
lichen Obliegenheiten, auch nur das
Geringste gethan, da Vater und Mutter
a doch wiffcn. da sie den Lohn ur die
auigeivandte Muhe nie ernten werden.
Die Ausgabe, das m dic'cr e'ehunq ;
Versäumte nachzuholen, fällt also ans-1
schlußlich dcr Schwiegermutter zu, ndj Die Wittwe antwortete, sie habe ei
es mag derselben ot genug nicht zu ver- nen Sohn, einen sehr auigeweckten
denlen sei, wenn ihr die Geduld dabei Ilcincn Buben, dem sie eine bessere Er
reißt. Im Allgemeinen wird man aber! Ziehung geben möchte, als ihre Mittel
nicht fehl gehen, nn man das Loos
einer iiiugcn ,,rau als Ichtimmcr. wie
das der niedrigsten Dienerin bezeichnet, j
lioch tra'.iriger freilich gestaltet fit, das '
-chickial des Mädchens, das cii Kind. ;
l,,!, vm wenigen Jabrcn. i das !
Ha.i- ihrer zukuni'.igin SchmiegenUem
aulgcnommn wird, um do,t d:.' . ',".,
bis zur Ho.bieit juznbringcn. Es ist,
dies eine nur unter den ärinftc;, lagen !
herrschende Sitte, da für ein solche
Mädchen mir ein sehr geringer Kauf
preis entrichtet zu werden braucht. In
beiden Fälle giebt es für die Braut
wie für die Frau keinen gesetzlichen
Schutz, sie kann freilich in ihre Familie
zurückkehren, aber ihr Uutcchalt würd
den Mitgliedern derselben zur Last
fallen, und sie Ivürde schon deßwcge
sehr wenig willkommen sei; ihr bleibt,
m Mißhandinngen zn entgehen, fast
nur ein Mittel, Selbstmord, nd die
Zahl der jnngen Frauen, die z dem
selben greisen, ist jährlich keine geringe
in Ehiiia. In der Furcht vor einem
solchen Entschluß des Opfers liegt zu
gleich thatsächlich der einzige Grund, der
einer Schwiegermutter ihrer Schwicger
tochtcr gegenüber eine gcwiffc Rücksicht
anscrlegt. Im Falle eines Selbst
niordeS ist dic Familic, wclchcr die Ver
storbene als Mädchen angehörte, ge-
zmungc, um nicht, wie der Ehinese
sagt, das Gesicht z verlieren", die
Sache auszunehmen, nd es kommt
dann zu Zwistigkcitcn, dic oft den Eha
rnktcr Ivahrcr Kämpfe eines Geschlechts,
gegen das andere annehmen, oder zu
gerichtlichen Perhandliiiigen, die stet
sehr kostspielig zu sei pflegen. Die
Furcht vor diese Eventualitäten" legt
vielen bösen icbcn eine Zurückhaltung
auf, die sie sonst sicher nicht besitzen
würden. Für eine junge Frau giebt
es freilich ei Mittel, das ihr aus
reichenden Schutz und mehr als das ge
währt; wenn sie nämlich die Fähigkeit
besitzt, zu jeder Zeit und bei dcr gering-,
ste Veranlassung einen solchen Lärm
zu erheben, daß, wie der Ehinese sagt,
Riemaiid mehr weiß, wo Osten oder
Westen sei, Menschen nd Pferde um
fallen. Berge zittern und die Erde bebt.
In dem Falle ivird sich selbst dic böseste
Schwiegermutter besinnen, den Sturm
zu entscffcln, nd die junge Fra wird
bald unumschränltc Hcrrschcri in der
Familie sei.
ZZ-gendcr originellcl- Vorfall
aS dem Kriege 187071 wird vo
einem Veteranen als verbürgt mitge
theilt: Eine deutsche Feldwache hatte
gegen den Fein) zwei Mann auf Bor
postc zu schicken. Bald darauf sahen
diese Soldaten sich von dreißig Franzo
sen umringt, tvelche sich in einem nahe
gcligenen Gebüsche herangeschlichen
hatte. Von Seiten der Franzosen
wurden die Teutschen zur Kapitulation
anfgcsordcrt, die aber gar nicht nach
dem Sinn der Teutschen war, und einer
derselben ersann in diesem Moment eine
Kriegslist, welche einzig in ihrer Art
dasteht. Unter den Franzosen befand
sich ein Eisässcr, welcher dcr deutschen.
Sprache kundig war und deshalb Toi
inetschcr siir die betreffende Untcrhal--tnng
spielen mußte. Der Teutsche
machte nun den Franzosen folgenden
Vorschlag: Welchen Nutzen habt Ihr
als Franzosen von unserer Gesängen
nchniung, denn Ihr habt für Euch
nichts zn eilen, viel weniger für zwei
deutsche Gefangene mehr ich schlage
Euch deshalb vor, mit uns zu kommen
und will dafür sorgen, daß die Bedürf--.
issc Eures Magens beim Uebertritt zu
unserer Fcldwachc einmal voll und ganz
bcsricdigt werden sollen. (Deutlich ttu
gen die französischen Gesichter den tem
Pcl des HuiigcrlcidcnS). Ter Elfäffer
übersetzte darauf dcr französischen Truppe
das cbcn gemachte Ancrbictcn und nach
kurzer Berathung von weiten der ran
zoscn Willi .itcn diese ein, daß sie unter
de gestellten Bedingungen zur Haupt
wachc mitgehen würde. Gesagt ge
than! Welches ktauncu und Gelächter
von Seiten der deutschen Soldaten der
Feldwache! Zwei Soldaten cskortntcn
30 bewaffnete Franzosen; diese müssen
dic Waffen niederlegen und bekommen
satt zu essen." Der Großhcrzog von
Mccklenburg-chwerin soll dein Eriinner
dcr Kriegslist späicr eine goldene Uhr
geschenkt habcn.
Lchicksalswege.
Zu Ende dcS vorige Jahrhunderts
lebte in Forfarshire in Schottland eine
arme Witime, welche sich und ihre
Sohn mühsam von dem Ertrag eines
kleinen Töpserflandcs ans dem Markt
ernährte. Es war eine Zeit, wo die
vornehmen Herren noch wilder lebten
als heutzutage und das Städtchen war
an j)ie tollen Streiche und Späße eines
benachbarten Edelmannes, des Lord
Paninure, gewöhnt, welcher noch scbr
jung zur Pairsivürde und einem unqe
heuren Vermögen gelangt war. Man
wunderte sich daher nicht eben sehr, als
eines Abends der bescheidene Kram der
armen Wittwe in überiiiülhigcr Wein
laiine umgeworfen und in tausend
Stücke zerschmettert wurde. Der Frevler
war Lord Paumure.
Am nächste Morgen machte die
Wittwe Seiner Herrlichkeit ihre Auf
Wartung, und die Schadcnrechnung
ward sehr bald zu beiderseitiger Zusrie
denbeit kcstgcstellt.
Und nun, meine gute Frau," sagte
der Zerstörer der Töpferwaare, kann
ich sonst noch etwas für Euch tbun
es erlaubten. Lord Panniure versprach
togieiq me krioroertioze 4,'iiie. i
I leine Joe tvurde geholt, seine Zntelli
genz ward bald anerkannt und er ward
in eine ausgezeichnete osientliche schule
qeichick!. .,es war der ntang einer
langen Laufbalm voll Thätigkeit und
t'-ti.cn. .cr kleine Bude, der ohn
der aiinen . Zopiersimtiive war Hume,
der bekannte Arzt und Politiker.
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