Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 17, 1895, Image 24

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    Der Wirthin TSchtcrlein.
Bn Rslier, Misch,
Ich war endlich angestellt worden,
und sogar in Berlin, wo ich an einem
der neueren Gymnasien die Jugend von
Sexta mit den erste Geheimnissen der
Sprache (siceros bekannt machen uns
der Quinta alte Geschichten einpauke
sollte. So hatte ich endlich das Ziel
meiner Sehnsucht erreicht, ich hatte eine
feste Anstellung.
Mit großem Eiscr lag ich den Pflich
ten meines neuen Amtes ob und suhlte
mich wohl dabei. Auch meine Privat
Verhältnisse gestalteten sich sehr age
nehm. th fand Anschluß bei einigen
vcrheirathctcn Kollegen, bei denen ich
das Inna verminte ,sam,Ie,cben wie
der schützen lernte, Ausicrdem hatte ich
ine hübsche, behagliche Stube mit
eine! kleinen Schlaflabinett bei einer
Postbcanitenwittme gemiethet, wo ich
mich bald wie zu Haus fühlte. Tie
ffra war äußerst liebenswürdig und
hzchft besorgt um meine Bcquemlichkcit
Wenn ich verärgert oder müde heim
kam, sad ich nlles so sauber und be
haglich hergerichtet, Pantoffel und
Schlasrack lagen bereit, meine Bücher
waren geordnet, jede Spur von Unart-
ung vertilgt. Man trieb die zarte
Aufmerksamkeit junieilen so weit, daß
man meine Basen mit Blumen schmückte,
da es gerade Frühling war. Kurz, das
Zimmer machte gar nicht den Eindruck
einer Junggesellcnbude."
Tie Fee, die hier so segensreich wal
tete, war meiner Wirthin Üöchtcrlcin,
eine zarte, schlanke Blondine, etwa l'J
Jahre alt, mit einem hübschen, feinen
Gesicht ud blauen Augen. Vom ersten
Tage an gefiel sie mir. Wir wurden
heim auch bald gute Freunde und ver
lebten manche vergnügte Stunde mit
inander. Des Abends ging ich oft zu
den Damen hinüber, nahm auf Auf
fordcrung der Mutter an ihrem Abend
brot theil, spielte mit der Tochter vier
händig Klavier oder Schach oder mit
alle beiden Sechsundsechzig.
Ich war allerdings etwas überrascht,
beinahe verstimmt, als ich in der ersten
MonntSrcchnung jede dieser Mahlzeiten,
die ich natürlich als Einladung betrach
tct hatte, gewissenhaft verzeichnet fand
und zwar ziemlich hoch, so daß ich
im Restaurant eigentlich billiger gespeist
hätte. Aber ich machte mir bald klar,
daß dies durchaus gcrcchtsertigt sei, da
die Damen ur von einer schmalen
Pension und dem Bermicthen des Zim
mcrs lebten. Ilebcrhaupt sand ich die
Rechnungen der guten Frau Bolt etwas
hoch; aber sie setzte mir auseinander,
daß ich Berlin nicht mit der Stelle der
Provinz messen dürfe. Hier sei eben
lles doppelt und dreifach so theuer, wie
in meiner Heimath. Ich solle Gott
danken, daß ich z ihr gckomnien sei, zu
einer seinen, gebildeter! Frau. Ware
ich in die Hände einer richtigen Berliner
Zimmcrvermictherin gerathen, dann
würde ich jeden Knopf, den nian mir
annähte, eztra bezahlen müssen.
Sicher verhielt sich das so. Außer
dem hätte ich den angenehmen Umgang
und das hübsche, gemüthliche Heim gar
nicht mehr entbehren können. Deshalb
blieb ich auch, als mich Frau Bolt stci
gcrte. Sie erzählte mir mit thränen
den Augen, daß ihr der Hauswirth
bensallS die Miethe hochgeschraubt
hätte; auch mehr Steuern verlangte
man ihr jetzt ab. Deshalb müsse sie
mich, wenn auch schweren Herzens, eben
falls steigern.
Sie werden doch deswegen nicht von
mir fortziehen, lieber Herr Doktor? Ich
Bekomme ja Miether genug, selbst wen
ich den Preis noch höher ansetze, als Sie
jetzt zahlen sollen. Aber wir haben uns
so sehr an Sie gewöhnt, wir betrachten
Sie wie zur Familie gehörig."
Ich war ganz gerührt und beeilte
mich, ihr zu versichern, daß ich selbst
verständlich bliebe und diese Gefühle
ganz und gar theilte. Ich schmor ihr
zu, daß ich sie nieinals verlassen würde,
wenn ich mich nicht gerade verheirathctc
hier wurde ich roth, und sie lächelte
oder wir uns etwa, was ich für
gänzlich ausgeschlossen betrachtete, ver
üneinigtcn. Auf der nächsten Wochenrechnung
fand ich auch den Preis für das Früh-
stück erhöht. Frau Bolt war selbst ganz
verzweifelt darüber; aber der Milch
mann und der Bäcker hätten aufqcschla-
gen, schon seit mehreren Wochen. Sie
hatte es mir verheimlichen wollen, und
bisher aus ihrer eigenen Tasche juge
setzt. Aber das ginge doch nicht länger,
das sehe ich wohl selbst ein.
Ich versicherte ihr, daß ich mich fchä
men würde, ihr das Geld so aus der
Tasche zu stehlen, und selbstverständlich
auch den früheren Aufschlag nachzahlen
würde, was sie nach einigem Sträuben
denn auch annahm. Welch eine brave,
fein empsindcnde Frau ! Ich pries mich
glücklich, daß ich in dem großen Berlin
durch Zufall gerade hierher gekommen
war.
Und dann ich leugne es nicht war
ich verliebt, und das gründlich ! Sus
chens zarte, blonde Schönheit, die so
ganz meinem und Goethes Grethchen
Ideal entsprach, ihr sanfter, anschwieg
samer vharatler, ihre Liebenswürdig
reit, ihr kluges, holdes Geplauder, das
Jrtcreise, das sie an meinen Studien
nahm, ihre HauZsraueneigenfchaslen
fit lochte geradezu ideal alle diese ver
eint so seltenen Eigenschaften hatten
mich in einen wahren Taumel des Ent
zücken? verietzt.
Ick) würde mich schon langst erklärt
haben, wenn ich sicher gewesen wäre.
Erhörnng zu finden. Fräulein SS
chen machte mir zwar zuweilen süße
Augen"; aber die hatte sie eben von
Natur. Ich fürchtete auS dem Para
diese vertrieben zu werden, wen ich
mich entdeckte, ohne Gegenliebe zu sin
den. Denn natürlich wäre es für beide
Theile peinlich gewesen, nach einem
Korde den Verkehr fortsetzen und täglich
zusammenkomme zu müssen.
Ein älterer Kollege, dem ich mich an
vertraute, lachte mich zwar gehörig aus.
Er meinte, Mutter und Tochter würden
mit beiden Händen zugreisen.
Eine arme PostsekrctärSwittwe
ud Sie, ein begabter junger Gymna
siallehrer, der es noch einmal weit brin
ge kaiiii ! Lächerlich !
Ich sollte vorsichtig sein, und mich um
Gottes Willen nicht einsangen las en,
ehe ich nicht den Charakter des Mäd-
chens, ihre Herkun t und ihre crmanvt
schaft genau geprüst und erkundet hätte.
Als ob ich nicht ihren Charakter bei so
vertrautem Zusammenleben besser er
gründet hatte, als den irgend einer
iUiigcn Dame, die man nuchtig bei
einigen Gescllschastcn kennen lernt, wo
sie auch in geistiger Beziehung eine gest'
toilette anlegt.
Und ihre Herkunft kannte ich ja.
Die Leute waren zwar arin, der Batcr
wohl nur ein Subaltcrnbeamtcr ge
wesen, aber trotzdem hatte die Tochter
eine giite Erziehung erhalten. Und wie
ne sich sur meine stunden inlcre irte.
SuSchcn, dessen war ich sicher, würde
nur nach ihrem Herzen wählen. Ob dies
aber für mich sprach, war mir trotzdem
noch zweisclhast.
So kamen die großen Ferien heran,
und ich beschloß, die Schicksalsfrage bis
nach Beendigung derselben zu vertagen.
In diesen sechs Wochen, in der Entfcr
ung von der Geliebten, konnte ich mein
Herz noch einmal prüfen. Und dann
wollte ich mich erst meiner alten Mutter
anvertrauen. Brieflich ließ sich so etwas
nicht gut machen. Ich nahm gerührten
Abichicd von den beiden Damen und
segelte von bannen.
Bei meinem Mütterchen erlebte ich
einige glückliche Wochen. Sie hatte
natürlich nichts gegen meine Hciraths
Pläne einzuwenden, rieth mir aber, noch
ein Vierteljahr zu warten. Sie wolle
mich in Berlin beiuchcn und bei der Ge-
lcgenheit meine Auserkorene grundlich
in der Rähe ansehen.
Nach etwa zwei Wochen traf ein Brief
aus Berlin ein, als Antwort aus eine
begeisterte Schilderung, die ich den Da
inen von meinen Fcriensreuden und
meinem Hcimathsglück entworfen hatte.
Die Alte schrieb mir geradezu, daß sie
sich nach unscrein gemüthlichen Bcisam
mcnsein sehne. Und Suschen wenn
ich kühn war, nannte ich sie Fräulein
wuschen theilte mir mit, daß sie Beide
viel von mir sprachen und daß sie oft in
meinem Zimmer säße und left und
meinen Kanariettvogel süttcre, und daß
sie sich sehr auf meine Rückkehr freue.
,zch war selig darüber, Fcrienlust und
Heimathsfreude singen an zu verblassen
und zu verschrumpsen gegen die kchn
sucht nach der Weltstadt oder vielmehr
offen gesagt, nach Suschen, die mir
meine Phantasie unaufhörlich vor Augen
zauberte. , Schließlich hielt ich es nicht
mehr aus und beschloß, meinen Aufent
halt um eine Woche abzukürzen.
Mein Mütterchen lächelte ver kohlen,
als ich stockend Geschäft" und Arbei
ten" in der Königlichen Bibliothek" vor
schützte, meine vcrsrühte Abreise zu
entschuldigen. Sie ahnte wohl, welcher
Magnet nur unwidcritchlich zurückzog,
ließ sich aber nichts merken und ver
sprach mir nochmals beim Abschied,
mich in einigen Monaten zu besuchen.
Da ich die Damen uderra chen wollte.
hatte ich ihnen meine Ankunft nicht an
gezeigt. Tie Droschke, die ich aus dem
Bahnhof nahm, fuhr mir nicht chnell
genug. Endlich war ich am Ziel meiner
Sehnsucht.
Ich eilte beflügelten Schrittes die drei
Treppen hinaus und konnte vor Herz
klopfen kaum öffnen. Wahrscheinlich
saß das liebe, sanfte, holde Mädchen
jetzt einsam in meinem Zimmer mit
ihrer Stickerei oder einem Buch, träumte
von mir oder scherzte mit meinem
Kanarier. Ganz leise schloß ich auf
und wollte behutsam über den Korridor
in meine Stube schleichen, um sie zu
überraschen. Aber ein wüstes Geschrei
schallte niir von dort her entgegen. Ich
trat erstaunt näher. Tie Thür meines
Zimmers war nur angelehnt. Anfangs
konnte ich aus dem Quodlibet zanken
der, keifender Stimmen nichts verstehen,
so laut und ungestüm schrieen sie durch
einander. Heißes Waffer drei Mari für die
zwei Wochen?!" brüllte eine mir gänz
lich fremde, wuthbebcndt Männer-
stimme. Dös ist stark !"
Und Petroleum für eine Lampe
sechs Mark, das ist die reine Geld-
schneidere! !" Ickundirte eine weibliche
Stimme, ebenfalls unbekannten Ur
sprungs. Ich lugte vorsichtig durch die Thür-
spalte. Ta standen ein fremder Herr
und eine fremde Taine, wie es schien,
zur Abreise gerüstet, neben einem Kof-
fer und anderem Reise Gepäck. Bor
ihnen meine Wirthin, aber so hatte ich
sie noch nie gesehen. Aus ihren Augen
loderte es gütig, um ihren Mund spielte
ein hobnisch-grimmiges Lächeln. Tas
ganze l'iesicht Halle einen Zug von Bos
heit und Gemeinheit angenommen, der
mir no,h nie an ihr ausgefallen war
und mich wabrhait erschreckte. Und jetzt
legte sie lo- wie eine Trompete':
Was unterstehe -ie sich?! Ich
schneide Sie?! Wenn Sie nicht Geld
genug haben, gehen Sie doch in eine
Herberge, nicht in ein feines gebildetes
Pensionat! Bei mir lvgircn nur die al
lcrfeinstcn Herrschaften ; vor Ihnen hat
ein Graf drei Monate dies Zimmer bc
wohnt. Und ehe Sie nicht alles bis auf
Heller und Pfennig bezahlt haben, wer
den die Sachen hier nicht fortgenommen
verstehen feie mich?!"
Ich war starr. Also vcrmiethct hatte
man das Zimmer! Und mir schrieben
sie. das Tuschen in meinem einsamen
Stübchen" säße, den Vogel siiltrrtc und
den Staub von jedem Buch und jeder
Photographie wischte. Und wie unfein
die Frau Bolt sich gcbärdete, und vor
allein wie sie log! Der Graf, der hier
drei Monate logirt hatte, war ich armes
Lcarerleili,
Schon wollte ich mich davonschleichen,
als plötzlich Tuschen in der Thür er-
schien, die mein Zimmer mit der
Wohnstube verband. Neugierig blieb
ich stehen. Gewiß wird sie die Mutter
beruhigen, die vielleicht schwer gereizt
worden ist, wenn mir auch sechs Mark
Petroleum sur eine Lampe m zwei Wfr
chen geradezu ungeheuerlich erschien.
Aber was war das?! Suschen
schimpfte noch lauter als die Mutter,
und in Ausdrucken, m Ausdrucken. .
Mir wurde heiß und kalt, und es war
mir, als ob ich plötzlich einen Schlag
in s Gesicht erhalten hatte.
Sie haben überhaupt eine solche
Schweinerei gemacht mir Ihrem Thee-
kochen. Wen der Gras zurückkommt,
wird er das Zimmer nicht wieder erken
nen," schrie sie, und die sonst so sanfte
Stimme klang schrill wie eine verstimmte
Trompete.
Schweinerei ?! Ich verbitte mir
solche Ausdrücke!" rief der Herr ein
pört. Ach was erst soll ich Ihnen den
Dreck wegfegen und dann wollen iie
nicht einmal blechen!" entgegncte das
holde, sanfte Tuschen schnell und stemmte
die Arme in die Hüften.
Ihre Augen funkelten, die Lippen
waren wuthbleich und messerscharf; auf
ihrem verzerrten Gesicht erschienen hoch-
rothe Flecken und derselbe böse Zug um
Nase und Mund, der mir schon bei der
Mutier aufaesallen war. Mir sank es
wie eine Binde von den Augen. Die
hatte ich angebetet und gar heirathcn
wollen, diesen kleinen Drachen! Brr, ich
schüttelte mich, ' Fort, nur schnell fort!
Vorläufig schlich ich auf den Zehen in
die Küche, setzte mich auf einen Stuhl,
stellte niein Roffcrchcn daneben und über
legte. Eine Weile hörte ich noch den
Lärm, dann mochten sie sich wohl gcci
nigt haben. Plötzlich trat Suschen her
ein. Bei meinem Anblick schrie sie ver
legen auf.
Smd Sie schon schon lange liier?
Ein Weilchen! Ich wollte nicht stö-
reu, weil Sie mit den neuen ivtte
thern "
O, das ist das sind w,r ha
ben die Leute nur drei Tage lang im
Quartier gehabt mehr aus Gefällig
keit, . . es sind nämlich Verwandte
von Mamas Freundin. Aber sie haben
sich so schlecht benommen und wollten
uns schneiden "
Nachdem ich auch die verlegene Be-
qrllkung der Mutter über mich hatte
ergchen lassen, theilte ich ihnen mit, ich
sei nur nach Berlin gekommen, um
leine machen zu packen und wieder ab
zureiscn. Abreisp, Herr Doktor ?"
Mutter und Tochter sahen sich in
grenzenloser Bestürzung a.
Ja ich ich bin ich habe
nämlich eine eine Berusung oder viel-
mehr Versetzung nach auswärts erhalten
in meine Heimath,"
Und das hat sich so schnell ge
macht ?"
Ja, ganz plötzlich !"
Sie mochten mir wohl ansehen, daß
ich log, daß aber hier nichts mehr zu
machen sei. Einen Moment flüsterten
sie miteinander, dann sagte meine brave
Wirthin in einem ganz veränderten
schnippischen Ton :
Sie können erst zum 15. kündigen!"
Gewiß ich weiß! Ich werde den
ganzen Monat bezahlen! Toch jetzt bin
ich müde und will mich ausruhen,"
fügte ich energisch hinzu und zog mich
zurück.
Am anderen Tage suchte ich eine neue
Wohnung, bezahlte meine Rechnung und
zog aus.
Beinahe hätte es noch Streit gege
den, so unverschämt war die Rechnung,
da sie sich jetzt mir gegenüber keinen
Zang mehr anzuthun brauchten. Sie
wollten die ganze Ferienzeit bezahlt ha
den. Aber ich zog ihnen drei Tage ab
mehr aus Trotz. Mutter und Tochter
nahmen bereits eine Kampfstellung ein,
wurden aber sehr kleinlaut und verlc
gen, als ich sagte :
Ware ich ein Graf, so hätte ich Ih
nen 14 Tage abgezogen; aber so wollen
wir es bei den drei Tagen bewenden
laffcn !"
Als ich hinter dein Packträger die
Wohnung verließ, lachtcmirdcr Wirthin
holdes Töchterlein spöttisch nach: Glück
liche Reise, Herr Doltor!"
Ob die sich ebenso geärgert hat, wie
ich froh war?! Meine Mutier wünschte
mir Glück, als ich ihr genauen Bericht
abgestattet und warnte mich für die Zu
kiinft vor den Wirlhstochtcrn in Berlin.
Ich konnte sie beruhigen, ich wohnte jetzt ,
bei einem Sckmcider. der eine Tochter j
von drei Jahren hat. j
Tretender Lcs,dcid, I
Tarne: Also -ie sind immer noch
lcdig, Hi.a Inipeltor?" ,
Inspektor: oiUmM. ich bin so frei."
Der Siinitcnant und fein Bursche.
Humoreske au der jncmdmlkgwn.
So oft ich meines Aufenthaltes in
Afrika gedenke, erinnere ich mich gern
einer Episode, welche im Casino lange
Zeit unseren Gesprächsstoff bildete, mid
deren Erwähnung jedesmal eine hei
lere, gemüthliche Stimmung hervor
brachte..
Ein erst vor wenigen Wochen j.i nse
rem Regimcnte vcrsctztcrKamerad, Lieu
tenant Petit, dcr vordein bei den Chas
sirnrs d'Afrique in Algier gestanden,
hatte sich in die junge nd schöne und,
wenn man den mlausenden Gerüchte
Glauben schenken durfte, auch reiche
Wittwe Marie Pons sterblich verliebt,
Lieutenant Petit, der, ei geborener
Franzose, nicht weit von der elfässichen
Grenze zuhaust war, radebrechte ei
wenig Deutsch und hatte sich hier unse
rein Kegdelub, welcher aus dem Kapi
tan und den beiden Lieutenants der
ersten Compagnie nd meiner Person
bestand, angeschlossen. Er war ein
liebenswürdiger Gesellschafter und trotz
seines leichtlebigen, französischen Charak-
terö bei uns allen beliebt.
Eines TageS waren wir in unserem
Stammlocal zu einer gemüthlichen
Kegclpartie versammelt; denn unser
Wirth, ein geborener Brandenburger,
hatte es sich nicht nehmen lassen, für
seine Gäste zur trauten Erinnerung
an die Heimath eine Kegelbahn zu
errichten, die von uns vielfach benutzt
wurde.
Lieutenant Petit war noch nicht zu
gegen und wir erwarteten, von allem
möglichen plandernd, dessen Ankunft,
als dieser plötzlich herangesprengt kam
und bald darauf aufgeregt und erhitzt
zu uns in die Laube rnt. Nachdem er
sich gesetzt und ein Glas Wein getrunken,
erzählte er uns ans unsere erstaunten
prägen seine neueste Entdeckung, die er
soeben gemacht.
Nach dem Bilde, welches uns der
Lieutenant mit begeisterten Worten von
der Dame, deren Bekanntschaft er soeben
zusüllig gemacht, entwarf, mußte die-
selbe ein Bild von Schönheit sein. Der
herbeigerufene Wirth bestätigt die Anga
den unseres Freundes, und da er noch
hinzufügte, daß die schöne Frau Pons,
die erst zmeiundzmanzig Jahre alt nd
schon seit zwei Jadren Wittwe sei, anchsür
reich gelte, so konnten wir weiter nichts,
als iinscrein Petit zu seiner Eroberung
Glück zu wünschen.
Er ist sterblich in die innae Wittwe
verliebt und ist jeden Sonntag und
zuweilen auch in der Woche, Gast in der
herrlichen Villa, welche von derselben
bewohnt ivurde. Trotzdem der Lieute-
nant von seiner Angebeteten noch keine
belonderen Beweise ihrer Zuneigung em
psangen hatte, glaubte er doch zu bcmer
ken, daß er der schonen Frau nicht gleich-
giltig geblieben sei, und so cursiren
denn schon die verschiedensten Gerüchte
liber die nahe bevorstehende Verlobung
des eleganten Lieutenant Petit mit dcr
schöncn und reichen Spanierin, wozu
wir selbstverständlich schon im voraus
herzlich gratnllrten.
Die Hinge Wittwe war eine große
Blumcnfrcundin und hatte ihre beson
dere Vorliebe sür Blumen dem Lieute
ant gegenüber erwähnt und so mußte
denn jeden Morgen Karl Eckart, der ge
wandte und schneidige Bursche des Lieu
tenants mit einen köstlichen Blumen-
strauße zur Villa hinaus.
Karl Eckart, ein geborener Tciitlcher,
dcr in seiner Heimath als Student ein
flotter Eorpsbrudcr gcwcscn sein mußte,
war hier, trotz seines einfachen Solda-
tenanzugcs, eine nicht zu verachtende
Persönlichkeit. In Hannover geboren,
hatte er das dortige Gymnasium absol
virt und war dann nach Berlin gegan
gen, um hier Jura zu studiren. Da er
aber während fünf Jahre vor Früh-
und Abendschoppen nicht zum Studium
kam, und er sich zur Ablegiing eines
Examens nicht entschließen konnte, so
kam es mit seinem Bater zu
scharfen Auseinandersetzungen, infolge
dessen er Deutschland verließ. Nach
dem er sich in Belgien und Frank
reich eine Zeitlang vergebens nach
einem paffenden Engagement umgesehen
hatte, ließ er sich, da seine Mittel zu
Ende, und er zu stolz war, an seinen
Vater zu schreiben, um dessen Hilft in
Anspruch zu nehmen, in seiner Ver-
zweiflung für die remdenleaion in
Algier anwerben. Durch feinenTiensleifer!
wußte er sich bald das Vertrauen seiner i
Vorgesetzten zu erwerben, und nachdem I
er auf unseren Vorschlag Bursche des!
Lieutenant Petit geworden, ging es ihm j
ganz leidlich.
Durch die täglichen Aufträge des
Lieutenants hatte Eckart Gelegenheit,
mit der jungen Wittwe bekannt zu wer-
den. Sein gewandtes Benehmen, seine
elegante Tprache waren ihr ausgefallen
und da sie schon Gelegenheit gehabt,
viele von der Legion kennen zu lernen
und Eckart leicht als ein Deutscher zu
erkennen war. so ließ sich die schöne
rau Pons mit Eckart in ein Gespräch
ein, wobei sie denn erfuhr, daß Eckart
ein Deutscher und ehemaliger Eorpsstu
dcnt.
Tie mochte Gefallen an dem Wesen
des Teutschen gesunden haben, und so
erfährt denn auch Eckart, daß sie eine
Landsmännin von ihm ist. Auch sie ist
ans Hannover gebürtig, wo ibre Eltern, j
die ein nickit unbedeutendes Vermögen
besaßen. Übten. Als sie kaum dreien'
Jahre all war. wurden ihr beide Eltern;
in wenigen Wochen durch eine Krank-!
heil eu!ri"cn und ein in Luremburg
wohnender Onkel nabm sich liebcroll der,
Ellcrnloseii an und ließ sie in seine!
Hause ausS beste erziehe. Gelegentlich
einer Reise nach Italien lernte sie den
Spanier PoiiS kennen, der sich in sie ver
liebte. Ta auch ihr Onkel gegen diese
Hcirath nichts ei!Uwendcn halte, schenkt
sie seinen Werbungen Gehör d so
sand denn wenige Wochen darauf in
Neapel die Hochzeit statt. Von Italicn
waren sie nach Sidi Bei AbbS gekommen,
um hier die Flittcrwoche zu verleben.
Sechs Monate nach ihrer Hochzeit war
sie Wittwe. Ihr Gatte, dcr die Ivildc-
sten und unbändigsten Pferde bestieg,
wurde eines Tages todt nach Hause ge
bracht. Durch diese gegenseitigen Erzählungen
von der geliebte Heimath, dem lieben
deutschen Vatcrlandc, wurden sie bekannt
und es währte garnicht lange, so hatte
die oberflächliche Bekanntschaft einer tie-
fcren, ernsteren Rcigiing Platz gemacht.
Wohl hatte die schöne Wittwe zuivci-
len Vergleiche angestellt zwischen dein
leichtlebigen französischen Lieutenant
und seinem deutschen Biirschen, doch
waren dieselben stets zu Gunsten des
letzteren ausgefallen nd Frau Pons
war nur noch darauf bedacht, wie sie die
Bckanntschast des Lieutenant, dcr auch
nicht die geringste Ahnung hatte, welch,
Rolle er in dcr Herzensangelegenheit
seiner Aiigcbktetcn zu spiclcn berufen
ivar, dazu benutzen könne, um ihren
deutschen Landsmann zu helfen.
Eines Tages bringt sie geschickt das
Gespräch auf die Fremdenlegion und
fragt ob es nicht möglich wäre, den
einen oder andern dcr Soldaten vom
Dienste zu befreien.
Er ist entzückt, eine Gelegenheit zu
haben, der Dame feines Herzens einen
Gefallen zu thun und so nimmt er denn
mit vielem Danke die tausend Francs
welche ihm Frau Pons mit der Bitte
übergicbt dieselben zur Befreiung sciiics
Biirschen z vcrwendcn.
Am nächsten Morgen meldet sich Karl
Eckart krank. Der Arzt constatirt eine
Angenkrailkhcit und veranlaßt die Ueber
führung ins Laznreth, worauf Karl
Eckart nach acht Tagen nach stattgehab
ter Untersuchung durch den General
arzt wegen Myopie als dienstuntauglich
entlassen wird,
Frau Pons, die von allem untcrrich
let ist, erwartet den Geliebten in Algier,
von wo aus sie den nächsten Dampfer
nach Italien benutzen, Wenige Wochen
später findet in Rom die Training statt.
Nach einerHochzeitSreisc durch die Schweiz
und Tirol langen sie in Hannover an,
wo die Aussöhnung mit Eckart's Eltern
stattfand.
Bald darauf siedelte das junge Ehe
paar nach Berlin über wo Eckart mit
erneuiein Eiscr sein Studium wie
der aufnimmt und dann auch bald dar
auf eine angesehene Stellung im Staats
dienst errang.
Und unser Freund Petit?
Er ist erstaunt, als er von dcr plötz
lichcn Abreise der so heiß Angebeteten
erfährt. Seine Verwunderung steigt
aber anf's höchste, als er nach einigen
Wochen aus Rom einen Brief erhielt,
worin ihm die schöne Wittwe von ihrer
soeben stattgehabten Trauung mit Karl
Eckart seinem früheren Bursche,
dem er so großmüthig zur Frei
heit verholsen, mittheilt nd sich zugleich
sür seine thatkräftige Hilfe, wodurch ihr
Glück begründet wurde, bedankt.
Lieutenant Petit hat seitdem keine
deutsche Burschen mehr, soll sich auch ge
schworen haben, nie mehr junge, schöne,
reiche Wittwen j lieben.
Ob er seinen Schwur halten wird?
Ter Berliner im Reifte.
Generaloberst von Loe rühmte neulich
beim Festmahle im Berliner Rathhanse
den erfrischenden Humor der Berliner
im französischen Fcldzuge. Hier einige
Blüthen dieses Humors:
Als man die Transporteure der ersten
bei Wörth gefangenen Franzosen fragte,
welchen Eindruck die Turcos auf die
deutschen Soldaten gemacht hätten, ant
wortete ein alter Unteroffizier und ge
borener Berliner schnell und treffend:
Sie uff uns? Iar keenc! Aber wir
uff ihnen!" Es war bei Le Bourgct.
Tas Franzregimcnt hatte neue Lor
beeren errungen, aber Biete waren nie
dcrgcstreckt bei der Erstürmung dcr Bar
rikadcn der Wachstuchfabrik. Um un
nöthigcS Blutvergießen zu vermeide,
ließ der TivifionScommandeur Gewehr
in Ruh" blasen. Stillschweigend nahm
man Gewehr bei Fuß und harrte der
weiteren Tinge. Ta rief Eircnadicr
Pengcl, ein echter Berliner, seinen Ka
meradcn zu: Paßt aus, Iungcns. nu
kommt das Ganze sammeln" und dann
die Herren Oftiziere zur Kritik", Ate
scr Kalauer brach den Bann und eine
schallende Lachsalve heiterte die Ge
müther auf.
lEin verwundeter Berliner und ein
Franzose lagen dicht bei einander und
kamen alsbald in, Gespräch. Ter
Franzose, dcr etwas Teutsch radebrecht,
sagt pathetisch: Und nir kaput sein
unsre Gloire! Revanche! Tas beißen
uns Victoria. Revanche! Ta zeig Prus
siens fein Courage!" Berliner: Man
uelen, dct jiebt 'ne neue Blamage!"
Franzole: La France in neue Glanz
partout !" Berliner: Ja Glanz, und
wir liefern die Wichse dazu!"
Zwei Soldaten standen Nach!? ans
Posten. Ter eine sctzlc sich nieder und1
war bald vor Müdigkeit eingeschlii'en. ;
als eine Kanonenkugel ihm den Kops
wegriß. Na." rief der Andere aus,
der wird sied wiindcrn, wenn er an'
walkik und il'in der opf Killt !"
Silnß t:nes Ztidpon vom
Gefreiten Lehmann: Eh' ick bissen lan
gen Brief schließe, will ick Dich noch
ccncn VcrS aus unserem Lirdeibnch ab
schreibe, der apart sor Dir, meine ge
liebte Karoline, jemacht iS:
Nn adjes, Karolinc, wisch ab drt Je
sich', Eine jegliche Kugel die trifft ja nicht;
Tenn träs jede Kugel apart ihren
Mann
Von wo kriegt dcr König Soldatcn
dann?"
Halte nur die Kinder hübsch orntlich.
Lude jcht ja nu ins 4. Jahr, da muß
er schaust lernen sor Vater im Felde
beten. Nu adjes Karline und ick bleibe
inimer Dein ewig jctrcuer Lude Lei)
mann, Gefreiter,"
Feldpostbrief des Gefreiten Lehman:
Cleisberg, uff dem Schlachtfeld? von
Weißenburg, 4. Angust 1870. Also
wir haben die Franzosen heut dct erste
Mal vcrhaucn und ick bin janz gcsuud.
Um mir hcriiin liejcn eene Maffe
schwarze DeibclS. die Turkcn, die wir
jefangcn jcnoinincn habe. Et sind
aber janze jnte Leute; nr mit ihre
braune Jesichtcr und die weiße Plu
dcrhoscn und den bunten Beutel um
den Kopp scheu sie schaurig ans. Wen
ick erst mehr Zeit habe, beschreibe ick
'mal Allens jcnauer. Et grüßt Dir
und die Kinder Dein Lude Lehmann."
Vit gefühlvolle Kugel.
Lieutenant: Wenn ich eine Kugel in
die Lust schieße, was bringt sie dann zu
rück, Hubcr? (Soldat schweigt.) Nun,
die An"
Soldat: Die An die An die
Anhänglichkeit!"
2ii in Verlegenheit.
A: , Ihren Herrn Vater, den
alten Seifensieder, hab' ich gilt gekannt!"
Parvenü: Ja, das Scifensicdcn war
so eine Passion von ihm!"
vertheilte Rollen.
Neffe sdcr seinen Onkel vom Lande
in ein feines Restaurant führt): Sich',
Onkcl, ich drücke hicr auf den Knopf
und bestelle!"
Onkel: Na und dann?"
Neffe: Tann drückst Du aiif den
Knopf und bezahl st!"
Zarter wink,
Gestern hab' ich Ihretwegen ein
Orakklblüinchcn gefragt, Fräulein
Elifc!"
Ist's gut hinausgegangen?"
Nein, schlecht!"
Seh'n Sie, warum fragen Sie
mich nicht selb st!"
Auch eine Abhaltung,
Herr (im Bureau): Könnte ich Herrn
Frank sprechend
Beamter: Jetzt nicht; er ist beim
Herrn Direktor drin er avancirt
g ' r a d !"
Z gewissenhaft.
Bei der Berufszählnng führte sich ein
höchst gewissenhaslcr. aber auch sehr
zerstreuter Professor in seinen
Zahlbogen unter dcr Rubrik: Vor
übergehend abwesende Per'
s o n e n" auf.
Ein kleiner Egoist.
Mutter: Karl, gib doch Deinem
Schwesterchen auch ein Stück Wurst!
licthcilte Freude ist doppelte Freude!"
Karl: Das schon! Aber getheilte
Wurst ist nur halbe Wurst!"
Rädchen und Rad.
Einst saß das sittige Mädchen
Beim schnurrenden Rüdchen
Und spann.
Es ist der Fortschritt zu loben!
Heut' sitzt aus den Rade sie oben
lind hnt iSnl'pn nti
jtiiilj ein Zcitbcslimmcr.
Radkalirer : Wie weit habt irfi inlil
noch bis zur nächsten Kneipe, Lands
mann?"
!5iißaäiiaer (der ihn lanne bcobaclitet
hat): O, nicht weit mehr drei,
vier Mal Werdens noch bis dahin her
abpurzcln!" Zli dem peiinweg,
A,: Wenn ich jetzt nach Haus
komm', liest mir meine Frau noch erst
die Zeitung vor!"
B.: Meine liest mir auch aber
die Leviten!"
Ausrede.
Richter: Sie haben in dem betrcs
i fcndcn Restaurant gegessen, getrunken
j und sich dann heimlich entsernt, wie ka-
men Sie dazu?"
Angeklagter: Ich wellte ball nur
j mal hören, ob der Wirth wirklich so
saumäßig grob werden konnte, wie man
j mir erzahlt hatte!"
?klbn bewußt.
Lieutenant: Gnädige Fräulein
sehe heut angegriffen ans!"
Fräulein: Ja dcr Arzt meinte,
ich soll mich elcltrisircn laiien!"
Lieulenant: ,,Al brauchen gnädi
ges Fräulein nur mich anzusehen!"
i5eniilM;t'.
Haussiert: Hoffentlich können Sie
per,!! lochen iel niacbe große An
Milche!"
Ne.:e:i','.ktr,l!Ns TicnilmaScken :
Ji?.. veewo! liier als uuin Schätz
'.iv.v.r:. 2' auch n I fein!"