Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 25, 1895, Image 9

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    ttotljc pantfffclchcn.
9Fon Vto Hildkck,
' g e waren gar zu niedlich, die Pan
Knifit'ltit. Rother Saffian, mit dun
trnfuUem Pklz besetzt. Wahrscheinlich
.jjr(1Utettoeiit)ig Pelz, ich konnte das von
him 1 Platze ans nicht sehen, Sie
bc nttsehr zierlich und kokett vor dem
zeichnet Hacken hoch aus dem bronzir
rneM. Zcrchen des Ofenvorsatzes, die
l aiiflctoiU "ch unten, auswärts gekehrt
VvodurilVstcn Positisn, die Innenseite
an höV zugewandt, um die Wärme
M'eriGkn.
ich nun schon eine geschlagene
halbes, Junde in der Privatwohnung
des geskenaen Oberregisseurs und war
tete. Was dachte sich dieser Mann
eigentlich? Glaubte er, die jungen
Schriftsteller hätten die halben Stunden
nur so haufenweise zum Erwarten von
Oberregisseuren zu versenden? Halt,
nur nicht übellaunig werden nur
nicht das Wohlwollen des allgemein Ge
fürchteten uf's Spiel setzen ! Musite
ich nicht glücklich sein, dan er die An
nähme meines Stückes durchgesetzt hatte.
daß er sich sür den noch so deprimirend
unbekannten Autor zu interessire
schien? Fiir zwölf Uhr hatte er mich
herbestellt, um noch einige kleine Wende
nrngen mit mir zu berathen ; im Thea
terbureau wiirden wir so ost gestört,
hatte er gemeint, lind ich war so
Punktlich zur Stelle gewesen. a, über
pünktlich sogar, zehn Minuten zu früh,
wie na ja, wie ei sehr unbekannter
. Autor, ffritzner und Kappet halten
sich nicht schlecht gewundert, dass der Ge
strenge mir seine Wohnung erschloß, zu
der er sonst, aus Furcht sür seine
auperst zurückgezogeu gehaltenen Töchter,
jedem Manne den Eingang versagte.
Man mnnkklte, er habe mit seiner ge
schiedenen Frau schlimme Erfahrungen
gemacht. Tie armen Mädchen! Sie
dursten nie zum Ball gehen, selten in
kleine Gesellschaften, und im Theater
erschienen sie nur von Zeit zu Zeit an
der Seite ihres Vaters zu einem Bene
diz'schen Lustspiel oder einem klassischen
Drama, in dem er nicht auftrat; sie
hatten ihren berühmten Bater niemals
auf der Bühne gesehen. Kappel hatte
geineint, entweder hielte der Alte mich
für ein sehr ungefährliches Individuum,
der feine Töchter seien in diese Zeit
beim Schlittschuhlaufen, das sie im
überschwemmten Garten einer befreunde
ten Nachdarssamilie betreiben durften.
Schon waren allerlei phantastische Pläne
entworfen, die uns in diese Familie mit
dem zugefrorenen Garten Eingang er
f Aussen könnten Aür den Eislauf
sprachen auch die Pantöstelchen vor dem
Ofen. Offenbar gehörten sie Nelly,
der zierlichen; Alma war groß und
starkknochig, und ihre Fühe waren streng
,m Stil gehalten o wir wnten tt
scheid ! Und immer wieder kehrten
meine Augen von ihren Wanderungen
durch das 'Zimmer zu den Pantöstelchen
zurück. Ich wußte schon Alles auswen
big: die Möbel, die Meißener Figur
chen. die Portieren-, Tapeten und Tep
pichmustkl, die Hildebrandtlchen Aqua
relle und das Oelporträt des Haus
Herrn, ein scharfes, bartloses Profil
über einem subtil gemalten Pelzman-
tcl aber mein liebstes Stndinm
waren die Pantöstelchen.
i Hier hatte die Phantasie freien Spiel
räum. Ich sah ein schwarzbestrunipftes,
wunderniedliches Füßchen in das rothe,
warnigeflltterte Gehäuse schlüpfen, zivei
weiße Finger nachhelfend überm Hacken
hinfahren ein leichtes Aufstampfen
und die Pantöstelchen liefen davon und
verschwanden unter dem Kleide nnd
streckten nur von Zeit zu Zeit ein rothes
Züngelchen neckend hervor. Und die
ganze unmuthige Gestalt baute sich auf,
gekrönt von dem lieblichsten Köpfchen
der Welt der hellbraunen, kurzge
lockten Titnssrisur. dem blasten, eigen
artigen Gesichtchen mit den wunder
vollen, grauen, seidenbewimperten
Augen.
Ob die Pantöstelchen wirklich mit
Pelz gesüttert waren? Leise hob ich
mich und schlich zum Ösen, um die klei
nen Wunderwerke aus der Pogelper
spektive zu betrachten. Richtig, schwarz
araues Vel,futter. Wie mußte das
warm und weich sein! Ich horchte nach
dem Eorridor hinaus. Alles still. Flink
reist, ick, die kiandschuhe ab, bückte
miiK nd fuhr mit meinen kalten H
den denn trotz des sitzen Osens
fröstelte mich in dem großen Zimmer
in die Pantöstelchen hinein. A h! Wie
mollig, wie warm und lopg! insaa,
zum Entzücken. Beide Hände in den
Pantoffeln, setzte ich mich nahe dem
Ofen aus eine Stuhlecke. bereit, jeden
Augenblick emporzuspringen und die
corpora delicti" wieder an ihren
Platz zu stellen, und unterzog sie einer
gewisjenhasten Prüfung. Keinesfalls
mann sie schon sehr lange in Benutzung:
nur ganz vorn an den Spitzen war das
rothe Leder ein wenig zerstoßen. Tas
Pelzsutter zeigte sich nur etwas plattge
treten; unter Fußspitze. Ballen und
Hacken wies das Sohlleder einige Spu
ren der Berührung mit dem Erdboden
auf denn schließlich sind selbst Elfen
solchen Berührungen ausgesetzt ! aber
wo die märchenhaft schmale Sohle sich in
einer kleine Schweifung nach dem Ab
satz zu bod, strahlte das unberührte
Leder noch ganz neu in sammtenem
Blaßgeld. Tas Ganze nicht länger als
meine Hand. Ich versland plötzlich
Alles, was ich je vom Pantostellusien
gehört hatte, ja. ich
2o hier berein baden cie den
Herrn geführt' klang plötzlich die sonore
"Vier cn(nc(xm
9J I
Jahrgang 16. Beilage zum Nebraika Staats'Anzeiger. . 9t: 10.
Stimme des Oberregiffeurs, und ehe
ich mich besann, stand er auch schon im
Zimmer. Ich hatte gerade noch Zeit
gehabt, auszuspringen und nt beiden
Pantöstelchen in die weiten Taschen
meines Ueberrockes zu fuhren, aus denen
ich nun die unbeschuhten Hände zögernd
wieder herauszog, um die Rechte in die
dargebotene des Hausherrn z legen.
Na, das konnte nett werden! Würde es
mir möglich sein, die Pantöstelchen n
bemerkt wieder vor den Ofen zu stellen,
ehe Fräulein Nelly heimkehrte?
Ich habe Sie warten lassen, mein
Lieber Sie sind doch nicht böse?"
sagte mein Gönner mit seinem tiefen
Theaterton, der so gern leger und na-
turllch klingen möchte nd es doch nicht
mehr fertig bringt. Tie schönen Augen
und die Stirn hat Nelly entschieden vom
Bater Die feinen charakteristischen
Züge blickten mit sonnenhaft gnädiger
Freundlichkeit auf mich herab.
Gewiß nicht, Herr Oberregisieur
Ihre Zeit ich weiß a " stammelte
ich, Ich habe inzwischen knnstge
erbliche Studien in Ihrem Salon be
trieben , . , . "
Unwillkürlich glitt meine Linke über
die Unebenheit meiner Rocktasche. Him
mel, wenn Nelly käme! Ich wußte nicht,
ob ich es mehr fürchten oder mehr wün
schen sollte. Ich glaube, der Wunsch
war doch vorherrschend. Mein Gott
der Dramatiker braucht Sensationen . . .
Also setzen wir uns. Wiffen Sie,
lieber Berkom, die allzu umständliche
Motivirung im ersten Akt Ihres Schau
spiels könnte ermüdend wirken und da
mit von vornherein den Eindruck ver
derben, Ich habe da einige Anmer
klingen gemacht, wo gekürzt und geän
dert werden mußte. Sehen Sie hier
zum Beispiel."
Er zog mein Manuskript aus feiner
Brusttasche und schlug es auf, dann
wies er mir mit einem silbernen Blei
stift mehrere Stellen, Ich sing an,
aufmerksam zu werden; wahrhaftig, die
Sacht ging mich nahe genug an! Ge-
meinsam blickten wir in das Ncanuscript
und traten in Diskussion er lang
sam, überlegt, feurig, in jede Phrase,
die gestrichen werden sollte, hoffnungslos
verliebt
Wir waren im besten Zuge, als plötz-
lich die Thiir etwas stürmisch geöffnet
wurde; ein entzückender Aiädchenkopf,
die Wangen von der Kälte geröthet, ein
Pelzbarel! auf dem kurzen, hellbraunen
Gclock, guckte herein und zog sich sofort
wieder zurück. Die TIr schloß sich.
Mein Herz sing an zu klopfen. Nelly!
Kurz ist das Glück!
Der Oberregisseur hatte nur einen
Moment stirnrunzelnd aufgeblickt, um
gleich darauf in seinen Auseinander-
sctzungen fortzufahren. Aber mit mei
ner Aufmerksamkeit war es vorbei. Der
reizende Mädchcnkopf hatte in meinen
Gedankenreihen, die ich so kriegerisch zur
Vertheidigung meiner Positionen auf
gestellt, die unheilvollste Verwirrung
angerichtet. Ja und dan die
Pantöstelchen! Nelly würde sie ohne
Zweifel anziehen wollen Himmel, was
sollte das geben!
Sehen Sie, wenn Sie die Ordon
nanz direkt nach der Unterhaltung niit
dem Lieutenant abgehen lassen
zum Kuckuck, was ist den los? Herein!"
Es hatte leise angeklopst. Aeußerst
gespannt blickte ich nach der Thür und
war aufrichtig enttäuscht, die Dienst
magd eintreten zu sehen. Sie warf ei
nen raschen, um Entschuldigung bitten-
den Blick auf ihren Herrn und schlich
auf den Zehenspitzen zum Ofen.
Nun geht es los! dachte ich und aty
niete tief auf.
Sie brauchen nicht zu sefzen
seien Sie froh, wenn Sie die über
flüssige Episode mit Vrinkmann loS
werden," sagte der Oberregisieur.
Also abgemacht?"
Ja !" sagte ich niechanisch und
schielte nach dem Dienstmädchen. Es
schlich suchend um den Ofen herum
blieb dann kopfschüttelnd stehen und
blickte nachdenklich im Zimmer unihcr,
Was wollen Sie denn?" fragte der
Hausherr unwirsch. Sie stören uns
hier!"
Das Dienstmädchen warf noch einen
zweiselnden Blick nach dem Ofenvorsatz.
zuckte mit den Achseln und verschwand
mit möglichst großer Eile und möglichst
geringem Geräusch. Ja sie lebten
alle in Furcht vor ihm. vor dem großen
Künstler, dem tyrannischen, nervösen
Mann. Und ich, besten Zukunft viel
leicht von seiner Stimmung abhing
ich hätte ihn nicht sürchten sollen? Und
ich saß, die Pantöstelchen seiner änqft
lich gehüteten Tochter in meinen Taschen,
wie ein armer Sünder vor ihm
Er ging zur nächsten Position über.
Gott weiß, was er mir vordiltirte.
Den Angstschweiß auf der Stirn, suchte
ich mich auf meinem Stuhl ruhig zu
halten, fühlte von Zeit zu Zeit nach
den unglückseligen Pantönelche und
sagte zu Allem ja. Ein paarmal blickte
KX VlllUWUUliPU
er mich
staunt,
wollen.
an,
aber
forschend, ein wenig et
mit wachsendem Wohl
Nur nicht so schüchtern! Wenn Sie
etwas einzuwenden haben Sehen
Sie, was die wie heißt sie doch?
Elisabeth da sagt, ist ja sehr hübsch und
geistreich, aber solch ein junges Madchen
drückt sich gcivöhnlich weniger gewählt
aus na, was gibt es denn da
schon wieder?"
Langsam, zögernd onnete sich von
Ncuein die Thür, und diesmal ja,
diesmal trat wirklich Nelly ein, wirklich
und wahrhaftig. Und wie sie aussah !
In ihrem einfachen, dunkelgrünen
Blousenklcide, das ihren lelichtendcn
Teint so glücklich hob, stand sie mit
eiiiem schüchternen liebenswürdigen Lö
cheln an der Thür und erwiderte meine
tiefe Perbeugung mit einem freund'
lichcn Kopfneigen, feie errötyete so
qar
Daß ich nur so verzagt gewesen war !
Ihr Anblick gab mir die Haltung zu
rück, ich fing plötzlich an. mich der
Situation zu freuen. Ein seliger
Ucbermuth packte nuch, ich muhte an
mich Halten, um nicht eine TummHeit
zu begehen, die Pantöstelchen aus den
Taschen zu holen und sie ihr knieend zu
überreichen Aber die Gewißheit,
daß ich im nächsten Augenblicke auf der
fetraße stehen und mein armes Drama
als todt beweinen würde, hielt mich von
jeder übereilten Handlung zurück.
Herr Bcrkow meine Tochter Eor
nelie," stellte der glückliche Vater äugen
scheinlich etwas widerwillig vor. Aber
malige Verbeugung. Nun hast
Du ein Anliegen?" fragte er kurz und
ungeduldig.
Bitte, entschuldige, Papa," sagte sie
mit einem Schmeichelblick unter dem
jeder normale Mann geschmolzen wäre,
in den weichsten Mezzosoprantönen, ich
suche hier etwas "
Was denn? Beeil' Dich, Tu störst
uns!"
Nelly trat vor den Ofen.'
Hier hatte ich meine Pantoffel hin-
gestellt," sagte sie und wies auf den
Oscnvorsatz. und Lenchen sagt, vor
einer halben Stunde hätten sie noch da
gestanden, und nun sind sie fort !"
Der Vater brurnnite etwas von lln-
ordnunq und daß Pantoffeln nicht in
den Salon gehören. Dann geruhte er
selber aufzustehen und hinter den Ofen
zu, blicken.
Diesen Augenblick benutzte ich. Eilig
fuhr ich niit der Hand in die Tasche,
Sie entschuldigen doch?" fragte
Nelly mich freundlich und unbefangen.
Aber selbstverständlich, gnädiges
Fräulein," versetzte ich und ließ die
Spitze eines Pantöffelchens vorwitzig
aus meiner Tasche emportauchen.
Nclly's Augen öffneten sich weit; sie
blieb starr stehen und stieß einen kurzen,
schwachen Laut der Ueberraschung aus,
während ihre Wangen sich mit dunkler
Gluth bedeckten.
Was giebt es hast Tu sie?" fragte
ihr Vater, sich zu ihr wendend.
Nein ich glaubte eben ",
stotterte sie. Und dann hastig: Ich
ich will nicht weiter stören; vielleicht sind
sie sind sie "
Und damit ging sie zur Thiir. Um
Gott war sie böse? Angstvoll blickte
ich ihr nach. Aber nein, an der Thiir
wandte sie sich noch einmal zurück und
sah mich an verwirrt, flehend, fra
gend was weiß ich! Ich fühlte diesen
Blick wie einen elektrischen Strom de
lebend mein ganzes Wesen durchdringen
ich war wie berauscht, selig, toll, . ."
Ter Cbcrregiffeur hatte gewonnenes
Spiel. Er hätte niein ganzes Trama
bis auf das Perfonenverzeichniß zufam-
menstrcicken können ich wäre entzückt
gewesen. Er bekannte mir, noch nie
einen so bescheidenen Autor kennen ge
lernt zu haben er fand mich bezau
bernd. So sehr gefiel ich ibm. das; er
niich beim Abschied persönlich hinausbe-
gleitete und somit meine Hoffnung, die
Pantöstelchen dem Tienftmädchcn einzu
händigen, grausam zerstörte.
Ich schickte sie noch am gleichen Tage
durch den Schufter. Im linken Pan
töffelchen steckte ein kleiner Bries nicht
etwa eine Schusterrechnung. Ob
Nelly den Brief gelesen hat ? Es scheint
doch so, denn sie antwortete darauf
was? Tas geht Niemand etwas an.
Aber daß mein Stück so glänzende
Erfolge aufwies trotz der unbarmherzi
gen Streichungen, an denen ich den
Oberregiffeur in Folge bet Pautöffel
chen nicht gehindert hatte dies war
doch das größte Wunder, das mir in
meiner Schriftftcllercarriere begegnet ist.
Und Ncllv's Pantöstelchen?' '
cie wuroen mein -aami. avmette er ist adlig
stehe jetzt darunter. Unter beiden so! Z je mein Herr!"
gar! Aber es sind ja keine Pantoncln.
es nnd ,a Pantvnelcyen. uns diel.
Timinuti ist mein Tron ... .
-4- Dänemarck plant die Anlegung 1
eines KriegSdaiens auf Bornbolm.
Der einträgliche lUofs.
Moderne Zragikomödle frei nach dem fran
zösischen von S, Parpin.
Karl Otto August, Graf von Vcnais
sain, Baron von Argill, Edler Herr zu
Pantin und anderer Orte, dessen
Stammbauin die edelsten Namen auf
wies, der mit Fürsten und Hcrzogsge
schlechter verwandt war. wäre sicherlich
der erste Edelmann in Europa gewesen,
hätte sein Verniögen seinem Namen eut
sprochen. Leider hatten ihn seine Eltern,
die selbst nur kümmerlich ihr Leben
gefristet, im größten Elend zuriickgelasien
und er nannte nichts sein eigen als ein
ganzes Bündel sauber bemalter Fa-lilien-Urklinde
lind Pergamente
nd auf die borgt Einem heutzutage be
kanntlich kein Mensch etwas.
Bis z seinem zwanzigsten Jahre
da nährte er noch schöne Träume von
irgend einer plötzlichen Wendung seines
Schicksals zum Guten, Glänzenden, aber
dann gab er die Hoffnung auf, nachdem
er eine Enttäuschung nach der anderen
erlebt.
Abgemagert, blaß, hungrig, strich er
eines Tages er war mittlerweile drei
ßig Jahre alt geworden durch die
Straßen da fiel fein Blick auf ein In
serat in einer Zeitung, die er von der
Erde aufgelesen: Junge Dame, drei
Millionen, später mehr, wünscht sich mit
einein gänzlich vermögenslosen Edelmann
von altem, authentischem Adel zu erhei
rathen. Gest. Offerten unter A. 836
postlagernd Postamt 4."
Karl Otto August, Graf von Venais
sain, überkam es wie eine Offenbarung.
er fühlte, daß der Augenblick in feinem
Leben gekommen war, wo man, wie der
Dichter sagt, dem Schicksal näher ist
als sonst."
Er ging i die nächste Kneipe, lies; sich
für seine letzten zwanzig Pfennig ein
Glas Schnaps und außerdem Tinte und
Feder geben und schrieb:
Mein Fräulein! Ich bin der. den !s,e
suchend Ich besitze keinen Groschen.
Mein Name ist Kar! Otto August, Graf
von Penaissain. Baron von Argill,
EdlerHerr zu Pantin und anderer Orte.
Meine Ahnen waren schon, als die Bour-
bons noch einfach bürgerlich waren, adlig.
Ich besitze einen ganzen Schrank voll
authentischer Urkunden darüber.
Unser Ge chlecht hat sich z sedcr Zeit
ausgezeichnet. Ich zähle sieben Feld
marschälle, achtzehn Generäle, fünf Bi
fchöfe z meinen Vorfahren. Tie Graf-
schaft Vcnaissain und neunzehn Schlös
ser waren unser eigen aber die Revo
lution ! Wenn ich Ihnen konvenire,
so antworten Sie mir bitte sofort
Hotel zu allen vier Winden," Ich
habenoch vergessen hinzuzufügen, daß ich
M Jahre alt bin, und wenn ich sechs
Monate täglich z essen haben werde.
wieder gesund und kräftig sein nd in
jeder Beziehung das Zeug zu einem
tüchtigen Ehemann haben werde, "
Tann unterschrieb er: Karl Otto
XXIII."."
Tie Antwort ließ nicht lange ans sich
warten:
Herr Graf! Mehr wie Ihre Adels
Prädikate, die mich einfach blenden, hat
niir das Zartgefühl iniponirt, mit dem
Sie über alle nedcnfächlichcn Tinge hin
wegsehen. Sie haben mich weder ach
meinem Alter, noch nach der Farbe mei
er Haare oder meiner Augen gefragt.
So hören Sie denn: Ich bin jung, hübsch
nd Sie gefallen mir. Kommen Sie
heute Abend zu meinem Pater zu Tisch:
Anton Buzon. Fabrik von Servietten
ringen und Zahnstochern, Re St.
Tenis 312. Sagen Sie, Sie hätten
mich beim Herausgehen aus der Kirche
bemerkt und wären mir nachgegangen.
Tas Uebrige werde ich schon besorgen.
Eleonore Buzon."
Um 7 Uhr trat Karl Otto August.
Graf von Penaissain, Baron von Argill,
bei den Bnzons an. Er war doch etwa?
aufgeregt ndsurqtcteeineunangcneyme
Ueberraschung, denn der Brief feiner !
Zukünftigen war denn doch etwas zu
laronifch. Er wurde wie ein alter Be
kannter aufgenommen.
Eleonore stand bei seinem Eintritt .
auf, überftog prüfend seine Gestalt, und
anicheinend zutrieden. sagte sie zu inrem j
Vater, einem dicken, behäbigen Alten,
der aus einer kurzen Pinie rauchte:
Pava. das ist der Herr, den ich bei
er Meise gesehen habe und der mir
inimer auf der Straße nachgeht. Er ,
gefällt mir. wenn er auch äusserlich ein!
fach aussieht. Ader er hat etwas Vor
nebmcs in seiner ganzen Haltung. Ich
Bitte, antworte
Sari Cito Auani, aewann bei diesen !
Worten sein, Suderbeit wieder. Er
faezte seine delstiiel der.
Der alte Bnzon erdob sich und zog
respektvoll seine Mütze ob.
Herr Gras, seien Sie in unserem j
Hause willkommen. Wir haben heute
Abend Huhn mit Reis und Rehbraten
Ich achte den Adel und seine Tra-
ditionen. Heutzutage, wo die meisten
Menschen nicht einmal ihren eigenen
Pater kennen, kann sich nicht Jeder
mann rühmen, einen beglaubigten, edlen
Stammbauin sein eigen zu nennen. Ich
bewundere nnd beneide Sie um den
Ihrigen. Z Tisch, zu Tisch! Nach den
zärttichen Blicken zu urtheilen, welche
Ihnen Eleonore zuwirft, gefallt Ihr
euch Beide und in drei Aconaten, wenn
Sie sich etwas heransgeniacht haben,
werden Sie mein Schwiegersohn sein
ich werde Karl Otto z Ihnen
und Sie werden Papa z mir
sagen. Ich werde stolz sein, einen Edel
man zum Sohn z haben, denn ich bin
ein alter Plebejer und bekenne mich frei
als solcher. Meine Devise war immer:
Einfachheit und Seelenaröße "
Nun fühlte sich der Gras heimisch,
er vergaß seinen schäbigenAnziig, an dem
die Ellenbogen ebenso wie die Beinkleider
ganzdiirchaescheuert waren, Und er nayi
an dein patriarchalisch gedeckten Tische
wie ein Kind das Hauscs Platz, Nach
der kuppe, der er alle Ehre anthat,
trank er ein Glas Wein, das ihn vollends
in die beste Stimmung ersetzte. Die
Sache reizte ihn, um so mehr, als Eleo
nore wirklich sehr hübsch war, nd er
beschloß, um jeden Preis vollständig ihre
Eroberung zu machen und zu dem
Zwecke seine Adelstitel auszukramen.
Er zog aus der weiten Tasche seines
hinteren Rockschooßes eine dicke Rolle ver
gilbter Urkunden, an denen halb ver
schimmelte Siegel herabhingen, und sagte
das einzige Wort:
Bitte".
Und Eleonore ließ sich nicht lange
bitten. Gierig durchblätterte sie das
dicke Packet, während Papa Buzon behag
lich lächelte und das Huhn mit Reis
tranchirte.
Nach einigen Minuten rief Eleonore
ganz verzückt:
Es stimmt Alles. Ich weiß in
Gotha Bescheid. Tas ist alles echt nd
richtig. Kein Talmi. Graf, wenn
Sie wolle werde ich Gräfin sein vor
ausgesetzt, daß Papa damit einverstanden
Ter alte Buzon antwortete:
Papa ist einverstanden. Du wirst
Gräsin sein." ,
Galant und höflich erhob Venaiffain
sein Glas. Papa soll leben! Prosit!
Dein Wohl, Papa! Auf unser Beider
Wohl, Eleonore!"
Sie heiratheten und waren die ersten
drei Monate sehr glücklich miteinander.
Während dieser Flitterwochcn überließ
Eleonore ihrem Manne den Schlüsse!
zur Kasse, die Papa Bnzon jeden Abend
neu füllte und dir Morgens regelmäßig
leer Ivar. Eleonore hatte drei Millio-
nen als vliitgift bekomme.
Karl Otto Anglist wurde sehr bald
seit und dick und ebenso schnell erwachte
seine so lange verhalten gewesene ?!atur.
Er cnipsaild den Drang, sich an allen
Genüssen zu betäube die ihm bisher
versagt gewesen waren. Sehr licbens
würdig und nett zu seiner Gattin, be
nierkte er doch, daß es außer ihr auch
noch andere Frauen gab, die auch hübsch
waren, die ihm auch gefielen und da er
Geld hatte ....
Mit einem Worte, er lebte herrlich
lind in Freuden, bis Eleonore ihm eines
schönen Tages energisch erklärte, daß sie
in zmeiJahren ruinirt sein würden, wenn
sie so weiter lebten, und daß sie ihm
daher künftighin 100 Frcs. Taschengeld
monatlich geben und selbst den Kassen
schlüssel führen würde.
Karl Otto August war dabei sehr
traurig. Aber er machte gute Miene zu
bösem Spiele, lächelte und erwiderte
kein Wort und dachte bei sich: !
Es giebt auch noch andere Wege."
Und er fand andere Wege! Oh! alle
möglichen. Zum Beispiel:
Eleonore besaß seit Langem einen klei-
nen Mops, der izisi hieß und der ein
siiücs yier war. ile nannte lyn nie
anders als mein Znckerfchnutchen" und
liebte ihn mehr als ihren Mann und
ihren Vater zusammengenommen,
Eines Morgens ar Fifi verschmun
den. Eleonore ranste sich die Haare
aus. Karl Otto August zuckte die
Achseln und sagte:
.s'ieliebtes Weid! Du bist unvernünf
tig. Fifi hat sich sicher nur verlausen,
ei so unschuldiges Thier. Tu weißt
ja so gut mit Interim, Besait., setz' ihn:
in die Zeitungen, versprich an allen An
schlagssäulen dem Wiederbringe! eine
riesige Belohnung, Und da er biffig,
taub, räudig, blind und schmutzig ist,'
kannst Tu sicher sein, daß man ihn Tir
wiederbringen wird.
Du hast Recht." antworteteEleonore
.Jch werde dem Wiederbringn 500j
ranken versprechen.
Der Graf zuckte nochmals die Achseln.
.Man muß immer den richtigen
Maßstab innehalten. Fünfhundert j
Franke bei unserem Vermöge das.
ist fchali'g Versprich fünftausend,
lim so schneller und sicherer bekommst Dil
ihn wieder."
Gut. Also fünftausend Franken
sür Fifi. Ich würde mein Vermögen
nd nsere Grafcnkrone fiir ihn herge
den. Geh', lauf', setz' es in alle Zei
tungcn, laß es an allen Säulen anschla
gen: Fünftausend Franken Dem, der
Fisi, mein süßes Zuckcrschnutche, wie
verbringt "
Am nächsten Morgen war Fifi wieder
gefunden und der Liebe feiner Herrin
wiedergegeben.
Wer hat ihn wiedergebracht?" fragte
sie.
Der Graf antwortete: Ein Unglück
licher Familienvater von sechzehn in
dcrn. ohne Schlasstelle, die Ehrlichkeit
selbst. Er ist nten nnd wartet auf die
Belohnung,"
Ach, richtig." sagte Eleonore. Ich
hätte beinahe vergeffen, ich Undankbare."
Sie öffnete ihren Schreibtisch und
entnahm demselben fünfTansendfranken
scheine.
Hier. Bring' das dem armen
Mann nd sag' ihm nicincn tiefgefühlten
Dank."
Der Graf ging hinaus, steckte die
fünf Banknote i seine Tnsclie und
trank im nächsten Kaffee ein Glas Bier.
Tann kam er, ein Licdchen trällernd,
wieder.
llnd ein merkwürdiger, böser Zufall
wollte es, daß Fifi in demselben Jahre
sechs Mal verloren ging und sechs Mal
wiedergefunden wurde.
Karl Otto August aber lebte weiter
herrlich und i Freuden.
Talentprove.
Eines Tages rief der Gyninasialdirek
tor Pierson in Paris den kleinen Ehar
les Gounod i sein Arbeitszimmer und
machte ihm Vorivllrfe, daß er sich nur
mit Musik beschäftige und seine Schul
aufgaben vernachlässige. Auch Deine
Eltern," fügte der Direktor hinzu, sind
darüber betrübt, und wünschen dringend,
daß Tu ein vernünftiges Brodstudium
ergreifst."
Nienials," versetzte der künftige
Komponist der Margarethe", ich werde
Musiker nnd nichts Anderes."
Aber Junge!" fuhr der Direktor
fort; das ist leicht gesagt; es wird doch
nicht gleich Jeder ein Beethoven oder
Rossini!"
Nun, ich werde Ihnen beweisen, daß
ich auch etwas leisten kann!" rief der
hitzige Eharles und entfernte sich.
Drei Tage .später erschien er dann
wieder vor dem Direktor, ein Notenblatt
in der Hand, seine erste Komposition.
Ohne ein Wort zu sprechen, setzte er sich
an das Klavier und spielte das Stück
mit so rührender Hingabe, daß der Di
rektor nach der Beendigung äußerte:
Junge, in Dir steckt Talent! Wenn
Tu vielleicht auch nicht gerade ein Ros
sini wirst." ,
Das will ich auch gar nicht!" versetzte
der Junge stolz, ich will nichts als
Eharles Gounod werden!"
(sin Vxamenschtxz.
Ein liebenswürdiger Examinator war
der frühere Superintendent Lohmann
zu Wechsel, Einst hatte sich ein Eandi
dat zur Prüfung gemeldet, welcher aber
im Hebräischen ziemlich schlecht beschla
gen war. Dieser klagte nun einem
Freunde, der gleichfalls in das Examen
ging, aber ein großer Hebräer war,
seine Noth, Derselbe beruhigte ihn je
doch mit den Worten: Mach Dir keine
Sorgen, ich werde schon veranlassen,
daß Du durchkommst!"
Halb zweifelnd hörte dcrAengstlichezu.
Setz Dich nur eben mich; dann
wird schon alles gut gehen!" Die Prü
fung beginnt. Der Freund kommt zu
erst an die Reihe und besteht sie so glän
zcnd, daß Lohmann staunend fragt:
Aber woher haben Sie diese ausgezeich
neten Kenntnisse?"
Hier, von meinem Freund nebeil
mir," antwortet dieser.
So? Nun, dann brauche ich ja den
Herrn gar nicht mehr zu fragen," ermi
derteder Examinator, entläßt die beiden,
und das Examen war bestanden.
idsSmpfindunge.
Prof. Drummond giebt in seinem
kürzlich erschienenen Buche Tie Ent
Wickelung des Menschen" folgende Stu
scn des Hervortretcns gewisser Empfin
düngen beim Kinde an. Furcht ein
P findet das kleine Kind schon im Alter
von drei Wochen. Mit , Wochen er
wacht die Zuneigung zu seiner Umge
bung, niit 12 Wochen die Eifersucht
nebst ihrem Begleiter, der Reue. Theil
nähme erscheint nach ' 5 Monaten.
Stolz, Groll und Liebe für Schmuck
zeigen sich nach 8, Scham, Gewissens
biffe und Sinn für das Scherzhaste
nach 15 Monaten. Tiefe Taten be
zeichnen natürlich nicht ganz bestimmte
Geburtstage von Empfindungen im
Kinde; sie stellen nur Stufen vor in der
ganz allmählichen seelischen und geistigen
(Cnfrnirf.litn. Ki.(. , ,-,... C
irt 'LTrnMnr ' 'Tj ;7m
und sie als Landmarke in der Seelen'
entfaltung betrachten könnte.
Schlau.
Die Jungen sind ungezogen genxsen.
Der Vater erscheint mit dem Stocke und
nimmt zuerst den kleinen Fritz vor.
Vater, Vater !" schreit dieser unter den
Hieben, schone Dich doch ! Franz
und Heinrich kommen ja auch noch
d'ran