Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 18, 1895, Image 9

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    Ctriae rcunvidurt l'.nd
Von Zlgu ll.bft'U-! f.'!' .'I, 'l l CU:"V
alle Start war reut), uner.d'.ui) l,ich,
NtcM an Geld oder iüü, ,;,-!'. irMiAen
Schilfen; fein 'Juvf haue g'.anndk
'Jlermel und friiie WaLltrectmiino.. Bu
i flcln rinberrichnet, itbert'.ira, nienials den
V bescheidenen Betrag, von zwei Kronen
und fünfundzwanzig Cere.
Wein, alle Start war reich, weil er
einen Freund beiaf, einen Freund, der
i!n treu ergeben ivar. der Im niemals
verrathen wurde, der für ihn, wenn
nicht durch s Feuer welchen Nupen
liatte alle wohl auch daraus baden
sollen? so doch mit feinern Winter
Überzieher zum Ptaiidleilier gegangen
war.
Und sodann war alle reich, masüos
reich, weil er eine Braut desast. die
nicht von der Sorte war, die lieiite einem
am HalS hangt und am Schnurrbart
zupft, um am Morgen darauf zu sagen:
Zlieurer freund, ich glaube doch, wir
zivei passen nicht zu einander !" Nein,
das war eine Braut deren kleine
Zehe halte noch ach dem Jode Polka
getanzt, wäre alle Stark zufällig in
die Rahe gekommen.
Wenn man einen solchen freund und
sine solche Braut sein eigen nennt, dann
ist man reich, selbst wenn einem keine
mit Gold gestillte Seidenbörse die Ho
sentaschen durchscheuert.
' Indessen, alle Stark hatte doch auch
seine Augenblicke, wo er tief die Ab
Wesenheit des modernen lauschmitlels
beklagte. Tenn alle's freund war
unglücklicherweise nicht derart situirt,
dast man von ihm hätte Weid, leihen
können, und die Braut ,ui versehet!, das
verboten alle's ethische Prinzipien.
Aber ich habe vergessen zu erwähnen,
das, alle'S freund sich Johann Blom
nannte und anzlist war. und dan das
geliebte Mädchen Jda (legren hieß,
daß Jda für sich wohnte und Toku
rnente abschrieb, und dasz alle selbst
sein Brod als Lehrer der edlen Buckfüh
rungskuust verdiente.
ta kam aber eine Zeit, wo die an
gehenden Grossisten sich nichts mehr dar
äuS machten, Buchführung zu lernen.
Sie meinten: Weht das Geschäft gut.
. dann geht eS Niemanden etwas an, wie
die Bücher geführt find, und ich behelfe
mich mit den, affabuch allein. Weht
kS aber schlecht und ich stehe in Gefahr,
wegen ungenauer Buchführung einge
spönnen zu werden, nun. dann lasse ich
einfach Julie Petterpn kommen; er
wird mir dann schon die erforderlichen
,r. r . " 5. VI. 1.1.1. u i..f... ... .
,')eni?asisvua)er inr oic iepieu ou'JLl ju
sammendichtcn."
Das war allerdings praktisch gedacht,
sehr praktisch, aber der Gedanke nahm
alle Stark das Brod.
Als nun eines rühlingsabends die
Heiden freunde auf Ida's Zimmer
. faßen und Punsch tranken, da legte
alle Stark feine Stirn in Falten, und
während eine nicht allzu große Thräne
aus einem feiner blauen Augen kollerte,
f sagte er mit Grabesstimme:
V 'Theuerstes Mädchen, geliebter Bru
der, ich muß euch verlassen I"
Selbstmord? w a a as? Gut.
wir thun mit ! Wollen wir vom Katha
rinenthurm hinunterspringen oder bist
du mehr für eine Portion Strychnin?"
Nein, liebe Freunde, ich gehe nach
Amerika! Tort werde ich mir den Weg
bahnen und meiner geliebten Jda ein
Heim bereiten."
Und in den acht Tagen, bis alle ver
reiste, wurde von den dreien mehr zu
fammengefchworen als bei einem Ge
richtshaf in zehn Jahren; sie schwuren
ewige Treue, ewige Liebe, ewige Freund
schaft. Blom schwur außerdem pri
vatim, daß er der Jda ein treuer Be
schirmer, ein Bater sein wolle; daß er
die Treue ihres jungen Herzens und die
Unschuld ihres Leben schützen und oft.
recht oft zu ihr gehen wolle, um sie zu
trösten und mit ihr zu sprechen von
alle, der draußen in der neuen Welt
für sie und für ihr Glück arbeite und
entbehre.
Im Fenster hatte Jda eine Azalie,
und Sie wissen, daß das eine Pflanze
.ist. die Wasser verlangt; aber die ganze
Woche hindurch trat die Gießkanne außer
Funktion, denn Jda's Thränen lieferten
das nöthige Naß. Und als sie einmal
hinschaute, da fand sie eine ziemliche
Partie Salz abgelagert; so bittere Thra
ncn weinte sie.
AIS dann alle im Eoupee safi und
es zum zweiten TOale geläutet hatte, da
kletterte sie zu in Fenster empor und
sagte: Bleibe mir treu, alle, sonst ist
es' mein Tod," worauf er antwortete:
Mag der Himmel mich strafen, wenn
dein Bild auch nur ein Moment dem
Auge meiner Seele entschwindet. Bleibst
du mir nicht treu, so wird der Gram
mich todten. Jda."
Und Blom versprach neuerdings, daß
er über sie wachen würde, sie trösten
und mit ihr von ihrem Kalle reden
wolle.
Als aber der Inspektor das Signal
zur Abfahrt gab. da überkam sowohl
Jda wie alle ein Gefühl ungefähr wie
die siamesischen Zwillinge, als der eine
nach Ströinöborg zum Frühstück wollte,
während der andere gerade mit einem
pressanten Brief zum Briefkasten am
Grand Hotel springen wollte: so schmerz
lich empsanden die beiden vicrenden oav
Auseinanderreißen in der Trennung
heiligen Stunde.
Tie beiden Zurückgebliebenen wackel
ten nach Haufe: sie waren vor Schmerz
wie betäubt. Als sie die kleine Stube
der armen Jda erreicht hatten, warf
l
Jahrgang 1.
das Väschen sich auf das Sopha unD :
stöhnte: j
Herr Blom. ach ! ich sterbe, ich !
sterbe "
Nenne mich kurzweg Johann." bat
Blom.
Seither ging er jeden Abend zu ilir
mit bruderlich theilnebmendem Herzen
und zwei kleinen Blutorangen in einer
Papierdüre; und er saß dann aus dem
Stuhl neben dem Csen und sprach von
dem geliebten Freunde so zärtlich und so
innig, daß sie schließlich zu ihm ging,
seine Hand faßte und sagte:
Ach, Johann, setze dich doch lieber zu
mir auf das Soplia ; es ist mir dann,
wie wenn mein unvergeßlicher alle da
wäre !"
Jda ivar ein hübsches Äadchen ; es
war daher nicht fo sonderbar, wenn die
jungen Referendare ihr höchsteigenhän
dig die abzuschreibenden Papiere brach
ten und ivohl auch gerne einige Augen
blicke verweilten, um die kopierende
Jungfrau mit geistreichen Bemerkungen
betreffs der Witlerungsverhaltniffe zu
unterhalten und Bermuthiingen laut
werden zu lassen, daß es doch gar ein
fani fein müsse, in einem Mansarden
zimmer allein mit einem Tintenfaß zu
Hausen.
Aber weiter kamen sie nie, denn dann
kam so sicher wie das Amen in der
irche Freund Blom hereingerast und
frug, ob Jda Briefe von ihrem Bräu
tigam erhalten habe," wobei er dem
Besucher Blicke zuwarf, die denselben zu
einem sehr eiligen Rückzug veranlaßten.
Und Jda schrieb an alle :
Tie Sehnsucht nach dir zehrt an
mir. Tu bist meiner (bedanken Tag
und Nacht! O, alle, schreibe mir
doch, daß du mich noch ebenso warm
liebst wie je, sonst wäre mir lieber, ich
lüg.' in meinem Grab. . ."
Und alle schrieb an Jda :
Tu Sonne meines Lebens! In
meinem Herzen, in meiner ganzen Seele
ist nicht der Schatten einer Idee, eines
Gedankens an etwas Anderes Ivie dich !
Bleibe mir treu, innig geliebtes Mäd
chen, sonst hat das Leben für mich kei
nen Werth mehr.
Und Freund Blom schrieb :
Lieber Freund und Bruder! Ge
wissenhaft wache ich über dein Kleinod ;
aber sie grämt sich und wird bleich und
mager vor Sehnsucht. O, du Glückli
cher, fo geliebt war wohl noch Niemand
auf Erden !"
Zuletzt verzweifelte Jda fo, daß sie
sich eines TageS unter strömenden Thrä
nen das öpfchkn fo heftig gegen die
Sophalehne schlug, daß es nur so knallte.
Ta aber dachte Blom: Schlecht würde
ich meine Pflichten als Freund erfüllen,
falls ich sie nicht vor Wahnsinn be
wahrte, und daher nahm er Platz neben
ihr, und als sie wieder auf die verrückte
Idee kam, den opf gegen die Lehne zu
schlagen, da traf sie anstatt dessen
Blom'S Gilet, was sie wunderbar be
ruhigtc. Aber die Thränen strömten weiter
über ihr nettes Gefichtcken, und als
Blom dies sah, wurde er von solch inni
ger Theilnahme ergriffen, daß er. ohne
sich darüber Rechenschaft zu geben, was
wohl alle hierzu sagen würde, auf ihre
bebenden Lippen zwei bis drei Küsse
drückte und er sagte :
Um Kalle's willen, Jda, bitte ich
dich, gräme dich nicht zu Tode."
Tank, Johann, Tank! Tein Bru
derkuß hat mich so wunderbar erquickt.
Run, es sei, um alle's willen will ich
leben nnd hoffen."
Und eS zog ein schmerzliches Lächeln
über ihre vergrämten Züge, während
ihre kleine Hand zerstreut über Johann's
Backenbart strich.
ES verging ein Monat, es vergingen
mehrere;, Blom kam wie bis dahin;
wenn sie aber fortan von alle sprachen,
ruhte Jda's Ohr immer auf Blom's
Rockauflchlag; sie war dann ruhiger.
Ta ereignete es sich, daß während
dreier Wochen von alle kein Brief ein
traf. Jda weinte den Tag über und Nachts
lag sie und küßte Kalle's Portrait, so
daß sie den Mund wund rieb und mit
Baselin einschmieren mußte.
O weh, weh, er hat mich vergessen,
treulos vergessen!" stöhnte sie, als Blom
kam.
Aber Blom nahm Partei für seinen
Freund und wusch Jda gründlich den
Kopf, daß sie so etwas sagen könnte.
Dagegen ja er mußte wohl sei
ner gräßlichen Ahnung Worte ver-
leihen dagegen glaube er. . . .daß
daß alle vielleicht gestorben
sei.---
liefe gräßliche Ahnung wurde zur
Gewißheit, als eine weitere Woche ver
ging ohne daß ein Brief eintraf.
Ta legte Blom schwarze Kleider an
und ging zur Jda und sagte, daß er
ebenso sorgfältig über die Braut seines
todten Freundes wachen würde, wie
über die Braut deS lebenden; immer
und immer würden sie gemeinsam den
Sornilagsnall
Beilage $tirn Nebraska Ttaats-Anzeiger.
geliebten Verblichenen beweinen : aber
der bösen Welt und dosen Zungen ive
gen wäre es bester, sie ließen sich trauen.
Tas wäre natürlich bloß eine Zeremonie;
er würde ihr auch fernerhin ein zärtlicher
Bruder fein,
Sie fiel an seine Brust, von konvul
sivischem Weinen geschüttelt.
Ja, Johann, so heirathen wir wohl.
Aber vergiß nicht, daß ich dir bloß eine
treue Sdnvelterliebe entgegenbringen
kann, daß ich dir nur Biuderrechte ein
räumen kann! Zwischen uns steht des
unvergeßlichenTahingegangenenBi
bi. . .'.bi,. . .ild, . .."
Und so hielten sie Hochzeit und sühr
ten ein Leben in unendlicher, schmerz
licher Sehnsucht nach dem unvergeßlichen
alle, wahrend sie. durch ein sonder
bares, widerspruchsvolles Walten der
Natur, wunderbar gediehen nnd mit
jedem Tag. wo der (kam an ihnen
nagte, ein besseres Aussehen gewannen.
Sie lebten vortrefflich, still und ruhig
mit einander, ganz wie Bruder und
Schwester, wenn man davon absieht,
daß nach dem ersten Jahr ein kleiner
Junge und ein Jahr darauf ein kleines
Mägdlein im Haufe erschien.
Und der Junge hieß alle, wie der
ewig Geliebte und Beweinte.
Eines schönen Tages, als Johann
Blom am Pult saß. kam alle Stark
herein, ganz lebendig und inunter, mit
goldenen Ringen an den Fingern und
dicker (oldketie über der Weste.
O Herrgott, großer Gott!" schrie
Blom und umfaßte krampfhaft die
Stuhllehne.
alle wollte ihn umarmen, aber Blom
schrie und geberdcte sich wie wahnsinnig.
Kalle wurde bleich und verlegen; da kam
der Junge herein, auf dem Regenschirm
seiner Mama reitend.
Tubist verheirathet?" sagte alle.
Ja nein ja das
heißt...."
Jda hatte die geliebte, unvergeßliche
Stiinme wiedererkannt; sie riß die
Thüre auf. stürzte herein, und sie und
Johann fielen auf die Knie nieder:
Berfluche uns! Tödte uns!"
C, was haben wir gethan!"
alle bedeckte das Gesicht mit den
Händen und seine kräftige Gestalt wurde
krampfhaft geschüttelt;" so zog er sich
langsam zurück und verlies das Zim
rner. Bon den Qualen der Reue sprangen
die Zwei auf, faßten seine Hände und
flehten ihn an, sein Leben doch nicht von
sich z werfen. Ihr ganzes ferneres
Tafein sollte eine einzige Bußübung
sein, wenn er nur von seinem furcht
baren Vorsätze abstehen wolle.
Er ließ sich erbitten, nahm die Hände
vom Gesicht und sagte:
Teilte ja gar nicht daran, wollte
blos fort zum Hotel, nm meine Frau
zu holen!"
Schuld oder Opfer ?
iliiä dcr Ä!appc cliics Polizei i'enrntcn.
i'on Joseph (kler.
In den hocheleganten Lokalitäten
deS Elubs Tiana" herrschte die größte
Aufregung. Ein livrirter Tiener hatte
mir mit verstörten Mienen die Thür ge
öffnet, nachdem ich ihn? meine Dienst
eigenschaft bekannt gegeben, und mich
durch die Lese- und Spielsalons, in wel
chen verschiedene Gruppen von Herren
im lebhaften Gespräche standen, nach
einem kleinen, orientalisch eingerichteten
Rauchcabinet geführt. Tort lag auf
einem Tivan ausgestreckt die Leiche eines
alten Herrn mit weißem Bollbarte.
EineHand desselben hing schlaff zuBoden,
wahrend die andere wie krampfhaft die
linke Brustseite des halbgeöffneten
schwarzen Gehrockes, dessen Knopfloch
eine Ordensrosette zierte, erfaßt hielt.
Kaum daß ich Zeit fand, daß erschütternde
Bild mit einemBlickc zu erfassen, trat ein
Herr in mittleren Jahren, mit einem
charakteristschen hoch intelligenten Kopfe
auf mich zu.
Sie kennen mich, Herr Eommissär?"
Gewiß, Herr Toctor."
Tann ersparen wir uns jede
weitere Borstellung. Bor ungefähr einer
halben Stunde wurde ich aus dem
Schlafe geklingelt und dringend hierher
in den Elub berufen wo sich ein Unglücks
fall ereignet haben sollte. Als ich ein
traf, konnte ich nur mehr den eingetre
tenen Tod deS Baron R. constatiren."
Und die Ursache desselben?"
Vergiftung durch Laudanum. Ba
ron R. hatte ein solches Onantum da
von zu sich genominen, daS dasselbe un
fehlbar zu einein letalen Ausgange füh
ren mußte."
Turch einen unglücklichen Zufall?"
Ter Arzt zuckte die Achseln. Darüber
dürften die näheren Umstände entschei
den. Nachdem ärztliche Hilfe ausge
schlössen war, habe ich den Leichnam so
zur Aufnahme des Thatbestandes be-
lassen, wie ich ihn gefunden. Meinerseits
kann ich nur bemerken, daß jeder Patient, i
welchem Laudanum verordnet wird, auch!
die genaue Tosis vorgeschrieben erkalt.
Wünschen Sie weitere Auskünfte?" j
Ich danke vorlaufig und werde Siej
nur bien. sich bis zur Fertigung beäj
Protokolls gedulden zu wollen. Wer
von den Herren," wendete ich mich an die
Umstehenden, wird die Freundlichkeit
haben, mir die Tetails des BvNalles
mitzutheilen?"
Ein kleiner, mit gesuchter Eleganz
gekleideter alterer Herr trat aus mich zu.
Oiraf S. In meiner Eigenschaft als
Biee-Präsideut des Elubs dürfte ich wohl
am ehesten berufen sein, Ihnen die er
forderlichen Aufklärungen zu gebe.
Zu diesem Behufe bitte ich Sie mich in
die Elubkansiei, wo wir ungestört fein
werden, begleiten zu wollen."
Mit einer Verbeugung folgte ich dem
(käsen in das anstoßende einfache, aber
mit gediegenem Geschmacke eingerichtete
Bureau. Der Graf ließ sich in einem
Fautciiil nieder und lud mich mit einer
Handbewegung ein, feinem Beispiel zu
folgen.
Ach habe Sie hierher gebeten. Herr
Eommissär, weil ich Sie unter vier Au
gen zu sprechen wünschte. Die Angele
genheit. um welche es sich handelt, ist
delikatester Natur. Wir Mitglieder des
Elubs haben uns bereits das Wort gegc
ben, darüber tiefes Schweigen zu beinah
ren. Trotzdem ist im Hinblicke anf die
geringe Verläßlichkeit unseres Tienstper
fonals die Möglichkeit nicht ausgefchlof
frn, daß Gerüchte darüber in die Oeffent
lichkeit dringen könnten, die Sie zu
Nachforschungen veranlassen- müßten,
welche ich durch eine rückhaltlose Mit
thcilung des Sachvcrhalts vermieden
wissen möchte. Wenn Sie mich zu
Ende gehört, werden Sie meine Gründe
wohl zu würdigen verstehen."
Ter Graf hielt einen Augenblick inne.
Tie Mittheilungen, die er mir zu machen
hatte, schienen ihn nicht leicht zu fallen.
Nach kurzer Uebcrlcgung fuhr er fort:
Wie Ihnen vielleicht nicht unbekannt
ist, gehören die Mitglieder unseres Elubs
ausschließlich den ersten Kreisen der
Stadt an. Seit jeher war es unser
Prinzip, bei der Aufnahme derselben
mit größter Vorsicht vorzugchen. Spc
ciell unser vieljähriger Präsident Baron
R,, vor dessen Leiche Sie eben gestanden
sind, hielt mit solcher Strenge daran fest,
daß unser Elub geradezu in den Ruf der
Enlusivitat gelangt ist. Umso unbe
greiflicher muß der heutige Vorfall er
scheinen. Wie in allen derartigen
Elubswird auch bei uns gespielt. Wir
haben von jeher getrachtet, alle Hazard
spiele einzuschränken, sie vollständig zu
unterdrücken war uns selbstverständlich
nicht möglich. Unser Präsident Baron
R. hat sich früher nur feiten, in letzter
Zeit aber, seit sein einziger Sohn Erwin
nach erlangter Großjährigkeit Mitglied
des Elubs geworden, öfter nicht ohne
Interesse beiheilt. Wir Alle ivaren der
Ansicht, das; dies nur aus dem (Gründe
geschehe, um seinem Sohne, welcher eine
auffallende Leidenschaft für das Spiel
hegte, in der Nahe bleiben, ihn gewisser
maßen überwachen z können. Mit
dem Einkitte Baron Erwin's schien
überhaupt die Lust am Hazardspiele in
unserem Elub wieder geweckt worden zu
sein. Tie jüngeren Elemente schlössen
sich ihm mit einer gewissen Begeisterung
an und auch von uns älteren Mitglie
dern verschmähte es manchmal der Eine
oder Andere nicht, in Erinnerung an
frühere Zeiten sein Glück auf einer
Karte zu versuchen. Mit besonderer
Vorliebe wurde Maeao gespielt. Groß
waren dabei die Gewinnst? und Verluste
nicht, aber immerhin so, daß sie mit dem
Budget mancher beim Spiel Betheilig
ten nicht im Einklang stehen mschten.
Wir hatten bereits die Absicht, diesen
Gegenstand bei der nächsten Borstands
Versammlung eingehend zur Sprache zu
bringen, als uns die heutigen Ereignisse
leider überraschten.
Bor Kurzem hatte Baron Erwin einen
jungen Mann, Marchese R. aus Rom,
welcher hier vorübergehenden Aufenthalt
genommen, im Elub eingeführt. Ter
Marchese machte zwar allgemein keinen
besonders fvinpathischen Eindruck, wurde
aber mit Rücksicht auf die Persönlich
keit des Sohnes unseres Präsidenten als
Gastfreundlich aufgenommen. Terselbe
erschien gewöhnlich erst spät des Abends
und betheiligte sich ausschließlich am
Spiele. Die ersten Male verlor er
ohne irgendwelche Erregung bedeutende
Summen, dann aber trat ein plötzlicher
Umschwung des Glückes zu seinen Gun
sten ein und der junge Mann gewann
allabendlich mit so auffallender Eonse
quenz, daß die übrigen Mitglieder da
durch irritirt wurden.
Ohne daß wir Mitglieder der Elnb
vorstehung davon eine Ahnung hatten,
scheinen sich einige der beim Spiele be
ttieiligten Herren vereinbart zu haben,
den Vorgang bei demselben einer schar
sei: Beobachtung zu unterziehen. Als
No. 9.
beute Abends die Makaopartie im vollen
(lange ivar und Gras Z. auf eine höbe
arte einen bedeutenden Satz verloren
hatte, unterbrach er plötzlich den ?oxt
gang des Spieles mit der Bemerkung,
daß die arten inarkirt feien. Tiefe
Beschuldigung rief begreiflicherweise die
größte Aufregung hervor. Leider erwies
sie sich als begründet. Sämmtliche Kar
ten wurden allerdings nur für ein
scharfes und geübtes Auge erkennbar
inarkirt befunden.
Unser Präsident, welcher am Spiele
tbeilgenommen hatte, raffte die arten
zusammen und nahm allen Anwesenden
das Versprechen ab. die Elublokalitäten
nicht z verlasse, bevor sich der peinliche
rnill aufgeklart. Er selbst halte sich
fiir verpflichtet, sofort die Untersuchung
einzuleiten. Zu diesem Zwecke begab er
sich hierher in die Elubkauzlei und unter
zog das gesammte Tienstpersonal einem
strengen Verhöre. Am Schlüsse dessel
ben berief er seinen Sohn Erwin zu sich.
Was zwischen Vater und Sohn verhau
delt wurde, ist nicht zur Kenntniß gekom
inen. Ein Tiener erzäblte mir, daß nach
etwa einer Viertelstunde Baron Erwin
das Oieinach uud den Elub in höchster
Aufregung verlassen habe, Zurückgc
kehrt ist derselbe nicht mehr. Kurze
Zeit darauf wankte unser Präsident mit
bleichen, entstellten Zügen in den Spiel
so l on.
Wir umringt ihn, das Ergebniß
seiner Nachforschungen mit höchster
Spannung erwartend. Meine Her
ren." sprach er mit heiserer, tonloser
Stimme, ich habe ein schweres Gestand
niß zu machen. Tie Nothwendigkeit,
von der Person eines Schuldlosen anch
nur den Schein eines Verdachtes zu eilt
fernen, zwingt mich dazu. Tie arten,
mit denen gespielt wurde, waren that
sächlich inarkirt. Ich selbst war es, der
sie in den Elub gebracht und ausge
tauscht hatte."
Unmöglich!" entfuhr es den Lippen
Aller. Wir kannten Baron R. seit
Jahren als einen Ehrenmann.
Ich danke Ihnen, meine Herren, für
Ihr Bcrtranen, daß mir in dieser fchive
ren Stunde nicht zum geringen Troste
gereicht. Aber leider hab' ich wahr ge
sprochcn. Um des Unschuldigen willen
beschwöre ich Sie, keinen Zweifel in
meine Worte zu legen. Im Schranke
des Sekretariates werden Sie zum Be
weisenoch einigeSpiclc markirter Karten
vorfinden. Tie Leidenschaft hat man
cher Ehre schon das Grab gegraben, auch
der meinen. Alles was ich zur Sühne
thun konnte, war mein offenes Gcstünd
niß. Es hat mich einen schweren Kampf
gekostet. Mein altes Nervenübcl hat
mich dabei befallen. Ich habe zwar
dagegen Laudanum, das ich stets bei mir
führte, genommen, aber ich fürchte, . ."
Baron R. endete nicht mehr. Ein
Krampf erschütterte seine Gestalt, ächzend
stürzte er zu Boden. Als wir ihm im
Nebensalon auf das Sofa betteten, war
er bereits eine Leiche."
Graf S. hatte tief bewegt geendet.
Und was halten Sie von seinem
Geständnisse?"
Ich habe Baron R. von jeher nur
als eine Eavalier im vollsten Sinne
des Wortes gekannt. Aber der letzte
Wunsch des Sterbenden muß uns heilig
sein. Auch Ihnen, nicht wahr, Herr
Eommissär'? Ich darf darauf rechnen,
daß Sie mich verstanden haben?"
Er reichte mir die Hand. Ich erwi-derte-seinen
Truck. Leicht mit dein
ergrauten Haupte nickend, dankte er mir
für die Antwort, die ich ihm gege
ben. Tas Leichcnbcgängniß des Barons R.
fand mit großer Feierlichkeit unter Be
theiligung aller Elubmitqlieder statt.
Nur Baron Erwin, der Sohn des Ver
storbenen, und Marchese R. fehlten da
bei. Sie hatten Beide gemeinsam die
Stadt verlassen und man hat von ihnen
nichts mehr gehört. Es war auch besser
so vielleicht ein Zeichen, daß das
höchste Opfer eines Vaters, wenn es ein
solches gewesen nicht umsonst dargebracht
worden war.
Aus dem Leben eines Malers.
Aus dem Leben des französischen
Malers Eorot. dessen Gemälde fast voll
zahlig gegenwärtig im Palais Galliera
in Paris ausgestellt sind, erzählt Henri
Rochefort eine amüsante kleine Ge
schichte. Rochefort, dessen Interesse für
Kunst und Kunstauktionen säst so groß
ist wie seine Leidenschaft für streitbare
Politik, war fo überzeugt, so sagt er,
daß man eines Tages dem bescheidenen
Künstler noch gerecht werden würde,
daß er allen kunstliebenden Bekannten
rieth, Eorot's zu kaufen. Eines Tages
begegnete er auf dem Boulevard dem
Erzfpielcr Albert Wolff, der zu ihm
sagte: Ich habe letzte Nacht 30)
nrs, gewonnen, aber da ich sicher bin,
daß ich sie schon diesen Abend wieder
verlieren würde, so will ich sie lieber
gleich ausgeben. Rathen Sie mir doch
zu dem Ai.k.n: v?:; tret ??er drei guten
Bildern!" :.'che'iU r.'.lnu Wo'.n zu
einem iro?!er der Ri:e La'':üe. der irnt
Eoro! ('üittu::e i.uiu'te. ur.5 !:eß ihn
seine dreitausend ,min in etwa einem
Dutzend Bilder i::id Studie Eorot's
anlegen, mit der Propbezeihung, die
uneingerabmlkii Stucke Leinwand wur
den eines 2a;es so viel we:tb sein, daß
man die'elbkii mit Gold überdecken
konnle. Das hat sie!, erfüllt. Einige
der Bilder, die Wolfs damals taufte,
sind gegenwartig im Palais Galliera
ausgestellt. Im Jabre 18f.:, oder l
hatte Rockes ort als Salonnier des Fi
garo" einen Morgen in Bills Anrät)"
von Eorot nach Verdienst gelobt. Die
ser stieg die vier Treppen zu dem jungen
Journalisten hinauf, um ihm für seine
freundlichen Worte zu danken. Man
ches Aiilir Ivater beaeanete der Maler
seinem Bewunderer und sagte zu ihm :
Die BerbaltrniK liaben ,ch sur ncy
nun Guten aewendet. Deuten Sie
doch nur, für den Morgen in Bille
d'Avrap" habe ich viertausend rancs
erhalten!" Rochefort weiß nicht, wo
dieses Bild sich jetzt befindet: aber er
meint, wer l."i,000 Franks dafür be
zablte. würde ein gutes Geschäft machen.
Nach lchcbükr gedient.
Der General von Wahl, der Eom
Mandant der St. Petersburger Polizei,
erhielt einst, als er noch (iouvcrneur
von Kiew war. den Besuch einer armen
Frau, der Wittwe eines als Opfer fei
ncs Berufs verstorbenen Polizisten.
Diese hatte seit langer Zeit vergeblich
um die ihr rechtmäßig zustehende Pen
sion nachgesucht, denn der Polizeichef
hatte bisher alle ihre Eingaben unbe
rücksichligt gelassen. In ihrer Noth
wendete sich die Wittwe nun an den
(Gouverneur und trug diesem ihre Ge
schichte vor. Schön! Will sehen, was
sich in der Sache thun läßt." sagte Ge
ncral Wahl. Setzen Sie sich" er
wies dabei nach einem Pulte dorthin
und schreiben Sie. was ich Ihnen sage."
Die Wittwe that nach Geheiß nnd schrieb
ein ziemlich langes Gesuch. Nun
setzen Sie noch die Adresse darauf und
warten ein wenig im Vorzimmer."
Wenige Minuten darauf wurde die
Wittivc wieder gerufen und dcr Generak'
übergab ihr noch cincn versiegelten Brief
mit den Worten: Ucbcrgcbcn Sie die
sen Brief dem Polizeichef; öffnen Sie
ihn aber nicht und verschweigen Sie
auch, daß ich selbst Sie damit schicke.
Dagegen kommen Sie nach Empfang
einer Antwort wieder zu mir." Eine
Woche darauf erschien die Wittwe wieder
im Gonvcrnenrspalaste; ihre Pension
war genehmigt worden und sie dankte
dem Gouverneur freudigen Herzens.
Mir branchen'Sie nicht zu danken; ich
habe die Pension ja nicht erwirkt," ant
wartete der General, erließ aber sofort
den Befehl: Der Polizeichef von Kiew
ist seines Amtes entsetzt und wird in die
Verbannung geschickt. Begründung:
Weil er ein berechtigtes Gesuch erst ge
nchmigtc. nachdem ihm dafür eine Gcld-
summe als Bestechung eingehändigt
worden war," General Wahl hatte
ohne Vorwissen dcr Wittwe eine 25 Ru-
bclnote in dcn Brief gesteckt, die es nun
bewirkte, daß ihr Anspruch genehmigt
wurde.
?m klassisches utachte.
Die erste deutsche Eisenbahn Nürnberg
Fürth wurde bekanntlich am 7. Dezember
18.1.1 dem Betrieb übergeben. Aber
welche Vorurtheilc und Hindernisse,
über welche das jetzige Geschlecht lächelt,
hatte sie zu überwinden. Die bayerische
Regierung ersuchte unter Anderem auch
das Obcrmedizinalkollcgium um ein
Gutachten übcr Schädlichkeit des Betrie
des für die Gesundheit, und dieses lau
tete ungefähr so: Der Fährbetrieb mit
Dampfwagen sei im Interesse der öffent
lichen (Gesundheit unbedingt zu untersa
gen. Die schnelle Bewegung erzeuge
sicher eine Gehirnkrankheit bei den Paffa
gieren, welche eine besondere Art des
(ieliriurn furiosum darstelle. Woll
ten die Fahrenden dieser Gefahr trotzen,
so müsse der Staat wenigstens die Zu
schauer schützen. Der bloße Anblick eines
rasch dahinfahrcndcn Tainpfwagens
erzeuge genau dieselbe Gehirnkrankheit,
und deshalb sei zu verlangen, daß jeder
Bahnkörper zu beiden Seiten mit einem
dichten, mindestens fünf Ellen hohen
Bretterzaun umgeben werde u. f. w.
Tas amtliche Schriftstück, in welchem sich
dieses Gutachten befindet, wird heute
noch im Archiv dcr Nürnberg -Fürther
Bahn aufbcwahrt, die bayerische Regie
runo war aber so gescheut, , es nicht zu
veröffentlichen.
seiner Wink.
Eines TageS bat dcr Gcncral Rapp
dcn Kaiser Napoleon um das Avance
mcnt für zwei Offiziere. Ich will nicht
mehr so frcigcbig sein," antwortete
Bonapartc, dcr verd Berthier
hat schon so Viele avancircn lassen.
Nicht wahr," fuhr er fort, sich zu
Lauriston wendend, zu unserer Zeit
avancirtcn wir nicht so schnell? Ich
selbst blieb mehrere Jahre hindurch
Lieutenant," Tas mag wohl fein,
Sire," antwortete Rapp, allein Sie
haben die verlorene Zeit nachher einge
bracht." Napoleon lachte übcr diese
Erwiderung und gewährte die ange
suchtc Gnade.
Im Theater.
Sie: Tu hast doch das Opernglas
nicht vergessen? Bitte, gieb es mir."
Er: Wenn ich es nicht versetzt hätte,
würden wir jetzt nicht hier sitzen!"