Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 23, 1895, Image 9

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    In der MSrderzrube.
tumoicSfe von ? a u l VI t i i r. 1 1.
Mit lsu'em Pfiff fährte lieLakrao.
tlve ten k-snelizug ü den kleben
Bahnet. Der &)anr brüllt den
Name der Station, und In kini'g?r
Passazier solqte der franiltifa Auf.
kordnunz. Dann 'der ein Ptzss, in
Puften, in Schnauben. ur,d der Dampf
koloß rollte aus dem isrn3 Weze wei
ter.
Richard Lecker, in junger Handlung,
kkisender, mit dem bekannten ,imxonl
rinden Schneid', der diesen Herren eior.
ist, betrachtet mit tnem Anflog ton
Melancholie U daoonrollenten :sen
bahn,ug, nahm dann seinen Hani.krflr,
in welchem die ReiZemuger und ein Ki
sten mit Ksurant u conto Zahlunzen
dr Kundin ftch beianten, und wrlteh
mit bedächtigen Schritten dn öden Bahn
steig.
Er war übelgelaunt. Wie hatte man
ihm auch zuumlhen können, diese ,Neft
zu besuchen, wo Einem schau aus dem
Bahrihose jede Hofsnurg schwand. Da
war wieder solch' eine Grille o dem
.Alten'. Wenn nur der Koffer nicht so
schwer wäre! Und weit und breit kein
dienstbarer Geist zu sehen.
vor ihm laz di stille Landstraße,
welche an beiden Seiten von alten Bau
men begrenzt wurde. Der Abend däm,
mert bereit langsam herauf, und die
Schatten der großen Bäume verfinsterten
den Weg. Wenn er hier angefallen
würde, fragte sicherlich 'ein Mensch nach
ihm. Unwillkürlich knöpfte er seinen
Rock fester ,u, in dem sich in der Seilen
lasche da 'Portefeuille befand, welche
da Papiergeld enthielt, und zog den
Riemen der Ledertasch enger zusammen,
die r an einer verborgenen Stelle seine
Körper trug, wobei die Goldstück in
derselbkn lustig klapperten.
Er verfolgte die Landstraße ta zehn
Minuten, bi er vor einem kleinen, ziem
Itch baufälligen Lause anlangte, da
durch die bunte Laterne und da über der
LauStbar bangende bedtld al Wirth?
hau bezeichnet war. Er öffnet die
altkröschmache Thür, welche sich kreischend
in den Angeln dreht. Ein gtrad nicht
angenehmer Geruch von altem Bratenfett
und abgestandenen Bterresten drang ihm
ntgeaen. vermischt mtt cem l,adaiZrauq,
der in dichten Wolken au der langen
Pfeif de Wtttb: emporstieg.
Dieser, in großer, kcöfltaer Mann
mit gedunsenem Gestcht, kam tym jchwer,
fällig entgegen und fragte in gleichgilti
gem Ton nach seinkn Wünschen.
.Geben S! mir ein GlaS Bier
sagt Becker. Er konnte babkt einen let
sen Schauder nicht verbannen, ei er da
schal Zeug bemerkt, welch: in Gast
vor sich stehen hatt.
.Wie weit ist noch bis
fragt r den Wirth, der beschäftigt war,
das bestellt Getränk au einer glasche
in ein bereitsteher.de Ela zu gieren.
,'Ne gut Stund, wenn Sie tüchtig
auLschreiten. Ich würde Jhnn aber vicht
rathen, den Weg in der Dunkelheit zu
machen. Nicht wahr, ibaier OSirald t'
,Jj, e ist feit einiger Zeit sehr g.
fährlich hier in der Gegend bestätigt
der (gefragte, indem r inn schnellen
Blick auf den Koffer warf, rse!ch: Becker
neben sich gestellt hatt.
Baier OSaald, der einzig anwesende
Gast, möcht ungefähr vieiziz Jahr alt
sein. Er war in kleiner, dicker Mann
mtt ausdrucksvollem, beinah verschmiy
tem Gesicht. Er trug dunklc Beinkleider
und in grün kloppe au grodem Stoffe,
welcher an etnzlnen Stellen Flehen aus
wie, die in gewissenhafter Kriniiialist
jedenfalls genauer betrachltt hatt.
.Können S mir für di Nacht ein
immer gibenk' tragt iLsiäer.
,Nin, wein werther Herr, bi zu
inem Fremdenzimmer hat ich es poch
nicht gebracht,- erwiderte der Wirth mit
breitem Lachen.
.Ist denn hier in der Nähe kein an
der Gasthaus?'
.Nein, liegt auch durchaus keinBe
dSrfniß vor."
.Ader ich kann doch nicht auf der Land
straß, übernachten?'
Da wär fhr unbcq itm.' Dr
Wirth fched in Prise in die Ras und
blinzelt zu OSwa.d hinüber.
,Wknn Si zu mir kommen wollten,'
sagte dieser, .so könnt ich Ihnen ein
Zimmer abtr!. Ich hab Plag genug
tm H,ruse, da meine iou verreist ist.'
.Ich nehm Ihren Vorschlag mit
Dank an. Ueber den Preis werden wir
uns i noa Dtiraaüoigtn.
.Ach, daoon ist gar keine Rede,' er?
leerte der Dlcke.
.Vater OSaiald Hat'S nicht nöthig,'
meli.te der Wirth, indem er in zweite
Prise in di großen Nafer.lccher schob.
.Also abgemacht, Si schlafen in mei
nem Hause. E ist nicht weit von hier.'
Er wie mit dem nassen Daumen über
di Schulter. .Seien Sie übrigen zu
frieden, daß Si mich hier trafen; denn,
i gesagt, ist in der letzte Zeit nicht
recht geheuer in der Umgegend.'
.Ja reit fern?' fragte Seck-r.
,9h, 3 kommen all Augenblicke
iUiderfälle vor. Ich bleibe dabei, S
muß eine ganze Horde fein. W'.sienSie
noch, Krüger,' sagte er zu dem Wirth,
.wie der alte Schumann fcra glauben
mußt? Solch' Geflndel!
Er stürzte da Vier him'.u'er.
.Was ist denn dem alten Schumann
pajstrt?' fragte Becker.
.Da ist eine dunkle Angelegenheit,'
cntwortete Oswald. .Eines Morgen?
fand man ihn in einem Gebüsch an der
zno;:raxe ermgrver.-
,Na. und der gall mit dem Landbrief
tr8g:l sagte dir Wirth.
.ja, richtig!' rief Oswald. .Den
habe sie bei hellem 3 überfallen.
Sein Gclktaschk sz?.d man rst nach
nZ&K
fk A
Ml
Jahrgang Iß
inigkn Tcn an inr entktrntkn Stell,
natürlich itzre, Inhalt beraubt.'
.Da i 1 j, eine qar.i geföbrl'ch
gknd!' bemerkte Becker kleinlaut und
dach! mi! i'.tkrn an da viele Geld, da
,r b,i sich sch te.
sehen tote, und daiei tooitin
Si tm Dunkeln altin ans di Lji
strack,' sag! 8alr Olwilt. .Jkven.
fall haoen Sie auch 'nr Men Eel?
isich!'
.Nein, iit nicht ich habe gar nicht!
bkl ini:!' Di hastige Anla'vil o:il!:h
gerade daS Geealdetl.
.Aber, ltkder Herr,' versetzte O
wald. ein Ha'.'.dlur,gSreisnker hat immr
Geld bet stch. le haven e voq nqn
verwahrt l'
.Ich habe mein ganze Geld, da la)
von den Kunden erhielt, bi auf ein un
bedeutende Summe gestern per Pest naq
Hause gesandt,' erwiderte Becker, dem
di Frag OZwaid'S sehr verdächtig
klang.
,ES wird Zeit,' sagte der Wirth gäh,
nend.
.Na. dann kommen Sie,' sagte OS,
wald. indem er sich erhob, sein Müh
aufstülpt und inen dicktn Knotenstock
ergriff, der tn einer E gestanven halle.
Becker zahlte, nahm feinen Koffer, und
die Beiden traten in' freie.
In wenigen Minuten sianien sie vor
einem Gehöft.
OSvald öffnete die Gitterthür in
vknig, bis fein ticker Körper t,i dem
Hofe sich befand, und lieg sie dann wie,
der in' Schloß fallen.
.Warten Sie einen Augenblick, id
will nur den Hund n die Kette legen,
die Bestie würde Ste ton t zerflet chen,
So, das wäre gemacht! Nun kommen
Sie,' sagte er nach zwei Miouten und
lieg Becker in den Lotraum.
Sie traten in das HauZ. Bollstän
big, Firsterniß umhüllt sie. Langsam
tasteten sie vorwärts. PlZtzlich trat
Becker auf einen weichen Gegenstand,
stolperte und wär gefallen, wenn ihm
der Koffer nicht eine ivluge gedsten halle.
.Einen Augenblick, ich mache schon
Licht l' rief Oswald. Da? Streichholz
oersante. ein zweite und in dritte eben,
falls, .bi Dr,ck-r müssen nntj geworden
sein.' brummt er vor sich hin. .Wir
finden den Weg auch im Dunkeln. Blei
ben Sie nur dicht hinter mir.'
Sie fliegen txt ausgetretene Trepp
hinauf, bis Oswald stehen blieb, eine
Thüre öffnete und Beckrr zum Eintreten
auffocderte. Dann zündete er eine
Lampe an und wünschte gute Nicht.
Becker war allein. .Ich wünsche
Ihnen ein gute Nacht.' Da war
Hohn, offenbarer Hohn. Er öffnete sei
nen Koffer und sucht nach dem Reool
ver ; er war geladen. Lorsichtig schloß
er wieder den Koffer, legte die Waffe auf
den Tisch und unterzog ca? Zimmer einer
genauen Lestchtir,ung.
Er demrrkte zu feinem Erstaunen und
vchreckcn, da eine Tapetenthür die Ber,
bindung mtt einem anderen Raume ver
mitteile. Er öffnete sie mit aller Bor
sicht ein wenig. Dunkelheit herrschte in
dem Raume, und' ein igzntbümlicher
Geruch drang ihm entgegen. Geräusch
loS schloß er die Thür.
Da roar ti ihn, als schleich Jemand
die Trev?e hinunter. Er lauschte mit
angehaltenem Athem. Kein Zireifel
Die Schütte entfernten sich, jetzt hötte er
sie auf dem Hofe. Schnell schraubte er
den Docht der Lampe herunter, so baJ
nur ein ganz matter Schein von ihr aus
ging. Dann trat er. wieder nn da?
Fenster. Der Hund hatte ein leises,
freudige Gewinfel angestimmt, wie
wenn ein guter Bekannter sich ihm
näherte. Uad fs war e euch ; denn
gleich darauf vernahm er eine tiefe
Stimme: .Kusch dich, Pwto l' Man
hatte ihn von der Kette genommen, und
Becker hörte, wie da Thier mit wilden
Sätzen über dcu Hof sprang.
Daraus kamen die schleichenden Tritte
die Treppe wieder heraus. Eine Thur
si l krachend iu'S Schloß, dann wurde eS
still.
Becker lauschte noch ein paar Minuten;
doch nicht regte sich. Er schraubte den
Lampendocht wieder höher und setzte sich
an da offenstehende Fenster.
AS bald hatte sich ine große Unruh
seiner bemächtigt. Er schloß daS Fen
fler, denn die Lu!t ermüdete tön er
durfte ja nicht schlafen, er mußte wachen.
ES galt viel e galt sein Leben!
Da schien eS ihm, !S wenn eine ar,d
die weiße Decke bewegte, welche zur Schs
nunz über das Sopha gebreitet war.
Mir der Rechten ergriff er ben Ncool'
ver, während die Linke den Fuß der
Lampe hielt. Er ließ den schwachen
Ltchlschein uriter daS Bett fallen. Nicht!
Aber hier! Der Fußboden hatte lose
Fugen, ein Fallthür? Mit doppelter
Aufmerksamkeit untersuchte er die Nähe
de Sopha. Er leuchtete in jeden
jinkel.
Jz! Wa war da? Dies verdächtigen
rothen Flecke! Nein, jede Täuschung war
auSz:schlgfft. Blut! Ach, und hier
in we'ch'.r Mergel .Mörder! Räuber!'
wollte 8 schreien, laut, gellend in die
Nacht hinaus. Aber kein Laut kam
über seine trockenen Lippen. Die Zunge
war ihm wie gelähmt.
Beilage zum Nebraska Staats-Nnzeigcr.
Lrastlo sank er aus inen Stuhl.
Nun wurde ihm Alles klar. Er war
in ein MZrdkrhöhl grathen Per,
brchrn in di Hände gefallen!
Der alte Schumann und der Geld
lriefträger waren vo den Leiden rmor
dt wordkll. Jetzt kam die Reihe an
ihn!
Dies surchtdare Müvtgreill sr munre
die Augen immer mit Gewalt aufreißen.
Vergeblich! vine x Mische rast unter
lag den Gesetzen der Natur. Auf dem
Stuhle fitzend, die Wasse tn ver echlen,
erwartete er den Morgen.
Uad ndlich vkrkü?,dktt deslb:n ein
malker Schimmer im Osten.
Die kleine Lampe war erloschen. Erst
nach und nach gewöhnten seine Augen sich
an die Dunkelheit.
.SstlSft!'
Wieder diese seltsame Geräusch, daS
er tm Traume vkrnommc. ES kam aus
dem Nebenraum. Er wantt den Kopf
der Tapetenthür zu. Erschrecken fuhr r
in bi Höhe. Ein Lichtstrahl siel durch
die Ritze.
Aus den Sehenspitzen näherte er sich
der kleine Thür und blickte durch die
schmale Spalte.
Entsetzlicher Anblick! In Fieberfroft
schlugen seine Zähne auf einander. An
einem runden Schleifsteine stand der un,
heimliche Mann, der ihn in diese Hau
gelockt hatte, und ließ di blitzende
Schneide eine großen Messer über den
Stein gleiten.
Auch ihn wollt man also morden, wie
man die Anderen gemordet hatte!
O, warum sollt r sterben? Nur um
de Geldes willen, da man bei ihm ver
muthete!
O. r wollt ja Alle diesem Menschen
überlassen er wollte ewige Schweigen
geloben über das, was feine ugen er,
blickt hatten. Er wollte sie nicht ver
rathen, ihn nicht und seinen Spicßge
kellen vielleicht schonten sie sein Leben.
Mit uuhörbart Schritten trat er tn
den Nebenraum, schlich bann ganz leise
weiter und umkiammeri mit seiner Rech
ten in Todesangst di Hand d:S MannL,
wklche da Mcffr hielt, während seine
bleichen Lippen stotterten: .Schonen Si
mich yaom Vle mclileio mri m:ri
Zch will ja Alle thun, wa Sie von mir
vellangen ich werde Sie niemals ser
rathen!'
Erschrocken wandte Oswald sich um
und sah in da entstellte Gesicht deö
HzndlungSreisenden.
DaS Messer entfiel seiner Hand.
.O Gott, wie haben Sie mich er
schreckt! Was wollen Sie denn?' fragte
der Dicke mit ängstlichem Erstaunen.
.Tödten Sie mich nicht!'
.Menfchenttmd, find Sie denn über
Nacht verrückt geworden? Wie kommen
Sie denn auf die fixe Idee, daß ich Sie
tödten wollte?'
.ES schlich Jemand die Treppe hinun
ter und befreite den Hurid von der Kette.'
.Da war ich. Der Hund läuft de
Nacht immer frei hemm.'
.In dem Zimmer nebenan entdeckte ich
eine galllhür ?'
.Stimmt! Sie führt in meine Ge
müsekeller.'
.Auf der Treppe lagen leblose Körper,
mein Fuß berührte sie und unttr
Ihrem Bette entdeckte ich frische Blut,
spuren.'
Jetzt lachte Oswald hell auf.
.Ach. nun versteh: ich,' sagte er noch
immer lachend.
.Aber erklären Sie mir doch
.Warten Sie einen Augenblick!'
Er griff mit der blutigen Hand in die
Seitenlasche seiner grünen Joppe und
überreicht Becker ine Geschäftskart.
.Wilhelm Oswald, Wild und Geflügel.
Händler,' las Becker. Oswald mußte
schon wieder lachen. DaS erstaunte Ge
sicht Becker' sah aber auch zu komisch
auS. Dann warf r einen Hasen, dem
er das Fell erst zur Hülste abgezogen
hatte, bei Seite und sagte in einem Tone,
der ärgerlich klingen sollte:
.Na, einmal und nicht wieder! Ich
lade keinen Fremden mehr in mem
Hau!.'
Richard Becker fuhr zwei Stunden
später auf einem Wagen, den OZsald
kigenhändig lenkt, wohlbehalten nach
R. und rziclt dort in recht gutes
Geschäft.
So oft er später in die Gegend kam,
versäumte er nie, bei dem Geflägelhänd
ler vorzusprechen.
Daß ihm der Hasenbraten oder die
Rehkeule dort stets so vortrefflich mun
det, liegt daran, daß .Vater Oswald'
nur gute Waare führt, und .Mutter
OSwild' mit ganz besonderer BirtuostlSt
den Kochlöffel zu schwinge versteht.
Die erste Schwalbe.
Von L. v. S a ch e r - Ma s o ch.
Nach trüben Tagen, wo der Nebel im
Thale brodelte und sich zu sagenhaften
Gistaltcn zusammenballte, welche gleich
Erlkönigs Töchter um die alten Weiden
und Erlen tanzten, oder an die Hexen
Macbeth erinnernd am Waldrande
kauerten, der erste freundliche Sonnen,
schein, die ersten schüchternen Kaospcn an
den Büschen.
An dem Fenster, aus dem ein Paar
Blumentöpfe standen, saß tn dem alt
oälerischen Lehriftuhl au der Zeit, wo
der Großvater die Großmutter nahm,
ein kranke Mädchen, noch immer schön
trotz der bleichen Wange, die reine Stirn
von goldigen Flechten umrahmt, und
blickte mtt den blauen, geisterhäslen Au-
gen hinaus in den Garten, hinter dem
die Rauchsäng der Dorshäuser ihren
blauen Rauch zum wolkenlosen Himmel
errporsandlen. Ihr gegenüber saß eine
ältere Dame und las ihr au dem sur
na!, da eben angekommen war, die Fort
sehung de lausenden Roman vor.
.W,e schön sich da Leben in den Ro
manen auSnimmt,' sagte die Kranke, al
die Mutter mit ihrer Lectüre zu Ende
war. aber die Wirklichkett ist doch ganz
anders. Da reiht sich Täuschung an
Täuichung und Qual an Qual.'
.Muth Marianne!' sprach die Mutter.
.laß nicht wieder die trübe Gedanken
Macht über Dich gewinnen. Die jit
heilt alle Wunden. Bald wird e wie,
der Frühling sein, dann wirst Du gen
sn, und bald wird auch Dein Herz wi,
der gesund sein.'
Ich hoffe eS auchl Ach, wie sehne
ich mich hinaus, wie sehne ich mich nach
Licht und Dust, nach dem Grün der
Wiesen, nach Blumen, nach dem mur
melnden Bach und dem Rauschen de
Walde.'
.Noch ist e zu kalt, mein Kind.
Wmn erst die Schwalben wieder da sind,
dann wirst auch Du Dich wohl wieder
hinauswagen können."
.Ja dann ' murmelte die Kranke
mit einem let a Seufzer.
Al die Mutter hinausgegangen war,
lehnte sich da bleiche Mädchen gegen das
Fenster und ihr Blick schweifte hinau
über rothe Ziegeldächer und kahle Baum,
mipfel, hinüber zu den fernen, blauenden
Bergen, wo Burg Hohenstein auf ragen,
den Felsen in da Thil hinaussprang
und ihre dunklen gothischen Linien auf
de Goldgrund deö Abenddimmel zetq
nett. ES war wi ine ernste Mahnung
für die Kranke; wehmüthige, schmerzliche
Erinnerungen wurden ihr aus' Neue
erweckt, und die HerzenSwunde begann
I:d:r zu bluteci. Vom Frühling hoffte
v r. .rr,. rt . Cirr .
tt GkvksUpg, yorsie ne rrozunz.
Konnie, durste sie überhaupt noch hos.
fen?'
Mit einem Male stand jener Sommer
abend vor ihrer Seele, an dem sie ihm
da erste Mal begegnet war. Ihr
Bater, den sie auch seither begraben
hatten, hatte damals in Amt tn der
Stadt bekleidei. Sie hatten mit anderen
befreundeten Familien an einem Sonn
tagnachmittag einen Ausflug uuternom
men. Nachdem sie Wald und Flur durch,
streift und einen mit Wein umrankten,
mit den Trümmern eine alte Raub,
rittermste gekrönten Hügel erstiegen
hatten, waren st in einem ländlichen
Wirthshaus ingckehrt. Htr saßen si
an einem langen Tisch von rohem Holz
und sprachen mit dem besten Appetit
den derben, ländlichen Gerichten, dem
Schwirzbrod ur.d dem quickendcn Apfel
wein zu.
Ja dem großen Saale de Wirth.'
hauftS wurde getanzt. Burschen und
Mädchen aus dem Dorfe drehten sich im
Kreise, nur hier und da mischte sich ein
Städter unter sie, Marianne und ihre
Freundinnen, von Neugierde getrieben,
standen endlich auf uud beobachteten von
der Thür au da heitere Treiben der
Tanzenden. Plötzlich näherte sich ein
junger Mann, den das farbige Band auf
der Brust als Studenten kennzeichnete,
überflog mit einem kecken Blick di
hübschen Mädchen und näherte sich dann
in sicherer, elimär,tscher Haltung Ma
rtanne, um sie um einen Tanz zu bitten.
Sie sah ihn im ersten Augenblick über
rascht an, dann nahm sie aber erröthead
feinen Arm, und folgte ihm auf den
Tanzboden. ES ar ihr ganz seltsam
zu Muth, während sie sich det den Klän
gen eines Walzer ia seineu Arm wiegte;
als der Tanz zu Ende war, wollt sie mit
einem scheuen, raschen Gcuß iftiehen,
aber der Fremde folgte ihr, geleitete sie
zu ihren Eltern zurück und stellte sich den
letzteren vor. Durch ihn kam die Unter
Haltung von Ncuem in Fluß. Er zeigte
sich zugleich bescheiden, geistvoll und vtel
fach unterrichtet, so deß Jang und Alt
an ihm Gefalle fand, und Marianne?.?
Pater ihn beim Abschied einlud, si: zu
besuchen. Er kam nun öfter in daZ
HauS ihrer Eltern.
Nur selten hatten sie Glegenhiit, ein
paar vertrauliche Worte zu wechseln.
Wenn sie ihm die Treppe hmableuchtete,
'eim Kirchgang oder nach dem Theater,
wenn er Mutter und Tochter am Aus,
gang erwartete. Dar. kam sie noch
warm vom Eindruck der Dichtung mit
gerölheten Wangen hinab und freute sich
der verständigen Bemerkungen, die sie
auS seinen Munde zu hören be?am, der
Begeisterung, mit der er jede Gchönh:it,
jede poetische Stimmung de eben czezebc
nen Stücke? vachzukisinde verstand.
So kam der Sommer wieder. Sie
mußten 8 längst, daß sie sich liebten,
als st wieder inmal in FeKjchzZt von
No. 1.
Freunden einen Ausflug unternehme.
Diesmal kehrte man tn keiner Wirttz'
schast ein. Auf de Vorschlag einiger
junger Schwärmer wurde aus einer
Waidwiese ine Art Zigeunerlager auf.
geschlagen. Wahrend die Bater aus dem
grünsammetnen Rasen lagerten, die
Mütter den Proviant auspackten und an
einem lustig brennenden Feuer den
Kaffee kschtev, zerstreut sich daS junge
Polk im Walde.
ES gab ein lustiges Jaen uid Haschen,
in da sich bald ein heller Schrei, bald
melodischer Gesang mischte. Marianne
hatte sich von ihren Freundinnen entfernt.
und er, der sie liebte, und dem ihr junges
Herz mit unschuldiger Lärtlichkeit enk
geqenschlug, enilt sie an einem Plätz
chcn, das dem Boudoir einer Fee glich.
Sie hatte keinen Athem mehr, um ihm
nochmals zu entfliehen. Erhitzt ließ sie
sich auf einer kleinen Erhöhung nieder
und wözrend ne den losgegangenea vion
den Zopf aufsteckte, lag er zu ihren Füßen
und schaute sie an.
Wa sie damal gesprochen? Sie
wußte eS kaum mehr, aber sie empfand
noch einmal i diesem Augenblick di
gani Seligkeit dieser Stunde, wo sie sich
mit Blicken, mit Küsse sagte, wa aus
zudrücken die Sprache zu arm war.
Am folgende Tage bat er ihre Eltern
um ihre Hand. Gegen feine Familie,
gegen ihn selbst war nichts einzuwenden,
auch besaß er einiges Vermögen und hatte
bei seinen Kenntnissen und Verbindungen
die besten Aussichten, in nicht zu langer
Zeit eine ehrenvolle Stellung zu erringen.
Vater und Mutter gaben unter tiefen
Verhältnissen gern ihre Einwilligung.
E galt nun vor Allem den Doctor,
titel zu erwerb, welcher den Weg zu
allem Uebrigen bahnen sollte. Um
rascher ans Ziel zu gelange, entschloß
er sich für einige Zeit die Stelle ine
Hauslehrer bei dem Grafen Hohenstein
anzunehmen. Dieser Entschluß schien
zwei Vortheile auf einmal zu bieten; die
Trennung von der Geliebten sollte es
ihm leichter machen sich zu sammeln, uud
der Aufenthalt aus dem einsamen Berg
schlösse forderte gleichsam von selbst zum
Studium auf. In der ersten Zeit gab
er sich denn auch mit großem Eifer den
Vorbereitungen zu seinem Eramen hin.
Doch bald griff eine klein energische
Hand keck in fem Leben ein.
T!k junge Comtesse von Hohenstein
war so recht der TypuS eines modernen
Mädchens auS der vornehmen Welt
nervös, rerspünnt. eitel uud ruckstchlS
lo. Gewohnt, alle Männer, die ihr
nahten, zu reizen und zu quälen, verletzte
eS ihr Selb tgefühl, da der zunge Hau
lehrer sich darauf beschränkte, sie mit
kubler Höflichkeit zu behandeln und nicht
einmal einen Versuch machte, sich ihr zu
näh?rn. Mehr als einmal ging sie in
tauigen Wanner tit eln, kurz ge chürzt.
die Hundepeitsche In dtr Hand, ihr große
Dogge zur Sit, an ihm vorüber, wenn
er an einem einsamen Plätzchen des Psr
kcS faß, in fein Buch vertieft. Sie war
es, die zuerst bei solcher Begegnung daS
Wort an ihn richtete, und nun begann ein
sreoelhafteS LiebeSfpiel, di bald zwei
tapfer foroern foule.
Die Comtesse war so recht dam er,
schaffen, einen Mann wahnsinnig zu
machen, indem sie ihn reizte, sich wie ein
Kind vertrauend in feine Arm legt und
tyn kann wieder von sich stieß und ver
höhnte. Ja demselben Maße, in dem
die Leidenschaft deS junge Hauslehrers
für sie wuchs, verblaßte d,rs Bild der
fernen Geliebten, ein Briefe au sie
wurden immer seliener, und endlich
kamen in paar Zeile mit inem kurzen,
offenen Gefländniß, daS ihr das Herz
zerrig.
Doch er sollte sein Untreue nur ,u
rasch und schwr büß. Kaum hatte
vie L,omtese den höchsten Triumph über
ihn gefeint, änderte sich auch ihr ganzes
Betragen ihm gegenüber. Nicht mehr
als Geliebten behandelte sie ihn, nicht
einmal als Freund, nur als den Spiel,
ball ihrer Launen, als thun Knecht, als
ihre zeitt Dogg', doch auch die währte
nur kürzt Zeit, sie halte eö ndlich auch
fatt, mit ihm zu spielen und ihn zu miß,
handeln. Und als eine Tage ein vor,
nehnier Herr aus der Nachbarschaft um
sie zu werben begann, stieß sie da Opfer
ihrer Coprice, gleich einem Stein, der ihr
den Weg versperrte,' hohnlach :nd mit dem
Fuße von sich. In derselben Nicht ver.
ließ der Unglückliche da Schloß. Am
nächsten Morgen fand man auf seinem
Tische zwei Briefe, der eine war m Ma
rianne gerichtet, cr andere an seine
Malter. Er selbst lag zu dieser Stunde
todt im nahen Forst, di Pistole, mit der
er siin Leben pcenfcet, roch krarvpfhaft in
der erstarrten Hand haltend.
So zog Bild auf Bild vor dem geisti,
g,n Auge der Kcariken vorüber, bi sich
ein Schleier von Thränen vor dasselbe
legte.
Und wieder an einem Morgen voll
Sonnenschein saß da! arme, bleiche
Mädchen an dem offcr.ev Fenster, durch
da der Duft de, Frühling, eindrang,
während die ersten Schmetterlinge um die
grünen Büsche gaukelten. Die Mutter
irat he.ein, sie brachte ihr die eisten )Uu
inen. Die Kranke sog lächilnd llur.
Duft ei. .Ich weiß nicht, mir ist s.
seltsam wrhl heut,' murmelt si. Die
Mutter sah si an und trat dann !Z
hin!r ihren Stuhl, um ihre ThrZven zu
verbergen. Ja tiefern Augenblick ftzg
die rst Schialb vorüber. Wicr
lZchelt di Krar.?. dann lehnte sie sich
tn den Stuhl zurück und schloß ti Au
gen. Langsam schlummert sie ein
um nicht mehr zu erwachen.
?ie Mrttat,nsaml,r.
Ja dm 17. und zu Anfang de 13.
Jahrhundert war ti Sucht, Raritiltea
und allerlei Kuriositäten zu stehen und
anzuhäufen, in vollster Blüihe, und
selbst geistvolle Fürsten und Prioatper.
sonea widerstanden dem Zeitgtschmecke
nicht, der sich un noch ia den wunder
lichen und reichen Sammlungen vieler
deutschen Residenzen offenbart.
Landgraf Karl von Hessen war einer
der eifrigsten und glücklichsten Sammler.
Er stand an der Spitze der Männer,
welche miu damals .curieuf Herren'
nannte, und ging zu sause und im Au
land seiner Neigung nach. .Er sammelte
überall,' wie Dr. Eduard Vehse bertch.
tet, .schon während der Rheinseldzüg
xegen die Franzosen in den 00er Jahwn,
aus den Reisen tn Holland und 1ö auf
der Reise in Italien. Im Jahre 1114
treffen wir den reise und sammellusttgen
Herrn auf der Leipziger Ostermesse bei
dem damaligen ersten Fischerftechen in
Leipzig zu Besuch bei dem galanten Au
gust dem Starken. Kaum konnt irgend
eine Stadt in Deutschland damals so viel
Bbsonderhciten und SehenSwüldigkeitkn
ausweisen al Kassel unter der lngn
Regierung de Landgrafen Karl. Er
selbst war von der Natur mit einem emi.
nenten Talent für Mechaniker bedacht
worden: da .Perpetuum Mobil', da
fast da ganze 18. Jahrhundert hindurch
eine Menge geschäftige und müßig, Köpf
In Bewegung setzte, beschäftigte ihn leb
haft. E gelang ihm, eine Art von
durch Wasser getriebenen .Perpetuum
Mobile' zu isinden und einen Stuhl,
der mit durch Luft erfüllt Blasebälge
ein Stockwerk hoch in die Höh getrieben
werden konnt. In Kassel ließ r in
igene Modellhau einrichten: man sah
dort daS schöne künstlerische Modell de
Weißenflein (daS jetzt WilhclmShöhe
heißt) von Wachter, eine Menge Modelle
von römischen Gebäuden au Korkholz
u. f. m. Solche und so mannigfach
Tausendkünfllereien, wie die Kunftkaou
mer in Kassel auszuweisen hatte, gab eS
schwerlich irgendwo beisammen: da ar
die kostbare Sammlung von Jnftrumeu
ten zur Geometrie, Astronomie, Civil
und Kriegsbaukunst; ferner ein kopirleS
optisches Kabinet, Fernrohre, Mikroskope
und dergleichen bis herab zu den Zauber
latenten; sodann eine Schnellmaage, die
hunderiundsünfzig Centner auf einmal
abwog; (8 gab da künstliche Uhren mit
Männchen, die mit dem Kopfe wackelten
und mit einem Stab beim Umherrsan
dein d!e Stunden anzeigten, Uhnu mit
Gsockensplel; ferner Brennspiegel, Vkrir
spiegel und Hohlspiegel. Al besondere
Kunststück befand sich daselbst ein Pferd
von Leder mit Sattel und Zeug; es war
mit Wind gefüllt, und der Erfinder, eiu
hessischer Landspritzenmeister, ritt auf
demselben in der Fulda herum, mittelst
vier Gewichten a den Beinkn erhielt er
sich im Gleichgewicht. Die Kunftksmmu
enthielt noch unter anderen Kuriostläten
eine Sammlung Brustbilder de Land
grasen und fetner Gemahlin in Alabaster,
tn GlaS gegossen, ja man sah sogar Karl
in Stahl geschnitten, etwa eine uß
hoch, geharnischt und mit feinen Mau
schelten, al wären e Spitzen. Dann
gab e inen ganzen Saal mit einem
Wachskabinet aller Landgrafen seit dem
großmüthigen Philipp. Sogar die mu
ftkalischen Instrument dr Alten, ch
der Angade thanasiu Kircher, ließ der
kuriose Herr nachahmen; ja auch da
vielerwähnte Ketzenklaoier mit sein
Katzensymphoni fehlte nicht.
Zwei Vrofessoreu.
Bekanntlich war Robert Bunsen i sei.
ner Lehrtätigkeit von großer Liebens
würdigkeit und Jovialität. Ueberflüssige
Deootionbezeugungen mochte er durch,
aus nicht leiden. Sobald e einem fei
ner Studenten beisiel, den Gelkbrtea
mit .Excellenz' anzusprechen, rcridkrt
unien lromjcy: .EuecHochwohlgkdork
befehlen?' Eine ergötzlichen Gegn
satz ,u der Bescheidenbeit deS weltberübm.
ten Chemikers bildet die Eigenart weS
namyaslen Vkrtreter der .Geisteswissen
schaften' an der .Ruperto Carola'.
Kommt da ein Amertkaver über orotii
Wasser herüber und geht schnurstracks in
vte Wohnung bc gelehrten Manne.
Ich wünsche Ihre Vorlesung zu hören,
Herr Professor." .SckiSn. aber mer.
ten Sie sich, ich bin Geheimrath ub
Erzellenz!' lautet die Antwort. Einst
wurde der selbigen Ercellenz die Schufter.
rechnung xräsentirt, welche die Aufschrift
trug: für Herrn Professor Dr. X.
.Hören Sie mal. läßt sird die Leucbt
vernehmen, .da muß ein Irrthum vor
walten. Meine Wissen ,r,irt ta
Heidelberg tdn- Professor Dr. X. Wohl
aoer t,t mir bekannt, daß Seine Erxellenz
der Herr Echetmrath Professor Dr, 1
bei Hjncn seine Sckube ma&tn IZKt.
Also schreiben Sie eine neue Rechnung.
ie jou vezahlt werden.'
Immer Sesch!fi5mann.
B.äutiqam l,um Bater der Braut am
Tage der Hochzeit): .Sie versprachen
mit doö, Ihrer Tochter 60,003 Mark
mitzug.b'n; ich habe aber blo 53,80!,
Mark erhalten!'
Barauier: Nu! B:i Baanafi
l u n g kann ich mer doch abziehen S
Prozent Seontol'
r:.mfirr0 ws?kiv?.lr :
1