Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 14, 1895, Image 9

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)
i
Die armen GZnse.
Von Z,nrd Mahlmkntl.
Herr Ewald Feldmann, Rittergut
iesttzik aus Hllbrge, wollt kin Sladl
hluWin btiiaibea.
lief Thalsache Halle allgemeinkl
oxsschütteln sämmtlich allen, und in
allgkmeine Siasnümvsen sZmmIiicher
jungen Damen der ländlich BevLI
keiung auf zehn Meile in der Rund,,
zur Folge.
Die alt grau Feldmann. Herrn
Ewald Mutter jedoch, geriet!) darüber
geradezu außer sich.
.der Mama, Du kennst ja meine
Braut noch garnicht,' entgegnel Herr
Ewald auf eine länger Auseinander
setzung seiner Mutter, worin die alte
Dame ihm klargelegt halte, daß solch
ein Verlieben über Hal und Kops immer
ine Dummheit, die Verlieben oou ihm
in ein Stadlfröulein eter ein Verbrechen
sei, ein Verbrechen an Hallberge, daö
sein Ellern erst zu einer rechten echten
Musterwirthschast ausgebildet hallen.
.Wenn ich sie auch noch nicht mit die
sen meinen Augen gesehen habe saute
die alte Dame nun gereizt, ,so weis ich
doch gerade genug von solch einem Stadt
dämchen, um e mir nicht al Schmieg,
tochter zu wünschen, wenn ich nur HSre,
daß sie Felicita von Strahl heißt und
im gewöhnlichen Alltagsleben Fee ge.
nannt wird! Ja ja, mein Herr Sohn,
glaubt nur. Dein alle Mutter mit ihrem
bilchen nüchternen Verstand, kann sich
ganz gut vorstellen, mi 3 auf Hallberge
aussehen wird, wenn die Fee erst in die
Räume eingezogen ist, in denen bisher
ein höchst prosaische Frau, wie ich, ge
schaltet hat. An die Stelle des Dünger.
Haufen im Hofe draußen, wird sie einen
Rosenhügtl setzen lassen, und wenn sie sich
einmal in die Mhe de Kuhsiall verirrt,
wird sie sich die Nase zuhalten. Ihr legt
Euch dann zusammen auf den Rasen in
die Sonne, sie steckt Dir eine Blume to'i
Knopfloch und sagt ein lyrische Gedicht
her statt de Mittagessen. Feen leben
ja von Pvksie und Sonnenschein ma
dabei aber au Deiner stattlichen Gestalt
werden wird, da na da werden wir
ja leben! schloß sie erregt mit einem
sehr energischen Zurückwerfen ihre hau
bengeschmückten, weißen Kopfe.
Da fühlte sie sich plötzlich von den
kräftigen Armen ihre Sohne umschlun.
gen, emporgehoben und übermüthig im
Kreise herumgeschmenkt, biö sie halb
lachend, halb ärgerlich und ganz alhem
lo8 um Erbarmen flehte.
Herr Ewald sehte sie sorgsam auf einen
großen Lehnstuhl am offenen Fenster,
kniete vor Ihr nieder, legte beide Arme
auf ihren Schooß. schaute zu ihr empor,
wie einst al Knabe, wenn sie Märchen
erzShlle, und sagte mit einem übermüthig
glücklichen Lachen: ,O Mutterchen. Mut.
terchen, wie freue ich mich auf die Zeit,
in der neben Deinem lieben, weißen Kopf
noch ein blonder mich hier willkommen
heißen wird, wenn ich vom Feld heim
kehre, in der ich nicht mehr werd unter,
scheiden können, er mich mehr verrvöh'
nen möcht, d! Weiß oder die Blonde,
und in der Du, mein Mutterchen, nicht
mehr wissen wirft, wen Du eigentlich be
Vorzügen sollst, den Sohn oder die Toch
ter. E wird ein herrliche Leben fein,
wenn vier solch weihe, schlanke Hände sich
regen. S mir unter meinem Dache be
haglich zu machen. Nun und wo e dem
blonden Kopf einmal an Erfahrung ge
bricht da ist ja der weiß da um aus
zuhelfen.'
,Bh, Du meinst also zur Aushilfe fei
Deine alte Mutter noch gut genug,' ge.
lang e Frau Feldmann jetzt einznschte.
ben, die bisher nur durch Zeichen abzu
wehren vermocht. .Aber, wer sagt Dir
denn, daß sich die Frau SSwiegeitochler
herbeilassen würde, einen Rath von mir
anzunehmen immer vorausgesetzt, daß
die Fee sich überhaupt mit derlei prosai
sehen Dingen abgeben wollte, wie sie zu
wer HzuSmirthschast gehören.'
.Weißt Du.' sagte Ewald, .da Dir
die erst Silbe ihre Namen so wenig
gefällt obgleich dieselbe recht eigentlich
zu ihr paßt wollen wir sie mit den
beiden nächsten nennen: Lca Licv
Feldmann, gelt, da klingt schon Wer
trauen erweckender?'
Die alle Dame antwortet nicht darauf,
sondern beharrte bei ihren vorherigen
Gedanken. .Ich will mit Dir wetten,
Ewald, daß Deine Frau lieber die größ
ten Dummheiten begeht, ehe sh mich,
ihre Schwiegermutter, um Rath fragt.'
.Warten wir' ab I' sagte Ewald mit
einem glücklichen Lschcn.
.Gut. wsrten wir' ad I' wiederholte
die Mutter-
Seit vier Wochen war Hr Ewald
Feldmann verheiraihet und zu ihrer eige
nen großen Verwunderung lebte die alte
Frau Feldmann mit ihrer Gchuie?rtoch.
ter in recht gutem Einvernehmen. Frei
lich, wenn überhaupt einem Mann, so
mußte e ihrem Sohn ja gelingen, au
einem verschrobenen Fräulein nie leid
lich vernünftige Frau zu machen, so gut
kvt r au einer ffelici!aS von Strahl,
ine Fee, eine Licy Feldmann gemacht.
Fast gegen ihren Willen mußte sie die
jung Frau lieb haben, die mit ihrer
schlanken Gestalt und ihrem goldig schim
mernden Haar durch da Hau duschte,
recht eigentlich wie ein Sonnenstrahl und
dazu so hell lachte und jubelnd sang wie
in Lerche im Frühling. Sie war auch
merkwürdig gescheidt für ein Stadtfräu,
lein und wußte jede Ding beim rechten
Ende anzufassen. Wußt sie sich aber
einmal nicht zu helfen, so gestand sie e
ruhiq ein.
Bisweilen, wenn Licu ein besonder
schmackhafte Gericht, da man ihrer
Kochkunst verdankte, aus den Tisch
brachte, der wenn sie, da lustig klim
xernde Schlüsselbund am Gürtel, vor
den großen Wäscheschränken so eifrig und
Der ZNm!ag5gast.
Jahrgang
15.
fröhlich und verständig hantirte, schienen
Ewald glückliche Augen zu fragen :
Wa sagt meine kluge Mutter nun zu
dieser Fee?' Frau geldmann klepste
dann ihrem Sohn aus die Schulter und
sazte: ,9 ist noch nicht oller Tage
Abend I Sie wird ihre groß Dummheit
schon machen, verlaß Dich daraus!"
Da erhielt Herr Csa.o getvmann eine
Depesche, die thn sür einige Tage in die
süns Meilen enlsernte Kreisstadt berief.
.Die erste Trennung, sagte L'cy be
trübt, während sie schnell die vöihigen
achen sür die Nacht in eine Ta che
packle, und wischte dabei ganz heimlich
eine Thräne aus den Bugen.
.Willst Du mitkommen. liebe Herz?'
kragte Ewald, den Arm zärtlich um ihr
Schulter legend. Da lacht sie schon
wieder. .Wo denkst Du hin, jetzt, wo
auf dem Felde wi im Garten alle Hände
voll zu thun gibt. Im Gegentheil, ich
muß Dich ja vertreten! Ich sage Dir,
Du sollst mit metner Wirth cha lSsUyrung
zufrieden fein, wenn Du heimkehrst.'
&t rut n in, zwei., ortirnai, vann
fuhr er davon.
.Morgen kommt der err zurua,
Mine,' sagte Frau Licv zu einer blut,
jungen Magd, mit der und der Köchin sie
allein auf dem Hofe war. All Andtren
waren auf da Feld hinausgeschickt, denn
das Heu mußte herein, ehe noch da
Wetter, da sich im Westen drohend zu-
ainmenzog. zum usvruch kam.
Mine ,oa. ihrer Herrin zu Liebe, ein
recht vergnügte Gesicht und die junge
Frau fuhr fort: .Laus' jetzt schnell zum
Gärtner und sage ihm, daß er morgen in
aller Frühe sämmtliche Vasen mit frischen
Blumen füllen soll. Und dann sage der
Köchin, daß mir heut noch Kuchen backen
müssen. Sle soll alle vorbereiten.'
Während Min mit ihren klappernden
Holzpantoffeln davon lief, stieg LIco. die
Trepp hinaus, lauscht oden an einer
Thür, öffnete sie behutsam und schaute in
da Zimmer dahinter. Dort im Bett
lag Mama Feldmann und schlief.
.Gott sei Dank ," dacht di lunge
grau, .da wird st doch bi morgen ihre
Mizrain auSgeschlasen haben, damit
Ewald der Empfang nicht verdorben
wird.' Leis trat st an da Lager,
rück: die herabgefallen Decke wieder
zurecht, wehrte eine Fliege ab und that
ein frische Stück Ei in die Limonade
auf dm Nachtttschchen.
All sie das immer geräuschlos wieder
verlassen hatte, hörte sie unten Mine's
mit Schluchzen vermischte Stimme. Au
Furcht, die Leidende könnte von dem Ge.
räusch geweckt werden, eilte Lico die
Treppe hinab. Kaum wurde Min lim
ansichtig, al sie ihre Anstrengungen ver.
doppelte und mit wahrhaft herzbrechen
Dem Schluchzen rief: .O Gott, gna
Frau, o Gott, e ist zu schrecklich l Aber
ich Hab'S gleich gesagt o Gott der
Vogt, der ist allein Schuld daran '
Lieg hielt dem jungen Ding den Mund
zu und zog es mit sich in die Küche. Hier
ließ sie S lo und fragte: .Nun sag' ein,
mal ordentlich und verständlich, was Du
eigenllich haft.'
,U lsolt, gna' mau. ttyme Mine
altx weiter, .sehen Sie's nur selbst an!'
Damit lies sie ihr voran in den Hos und
Licy folgte. Seitroärt des Hühner
hose blieben sie flehen. Die junge Frau
chlug die Hand zusammen und wurde
ganz blaß. .Um GotteSwilleal' war
alles, ws sie hervorbringen konnte.
.Der Vogt hat gestern Gijt gelegt
gegen die Ratlen,' meinte Min schluch
znd, .und da und da o Gott, S
in zu schrecklich!'
Die junge grau hörte nicht mehr aus
das Mädchen. Mit großen verstörten
Augen blickt ji vor sich rntDcr, wo rhr
Gänse lagen, stumm und unbeweglich
codll
.Alle.' saate fiten, nachdem sie sie
überzählt, .all zweiunddreiUg. Nicht
eine ist übrig gedliebe,.! Sie waren
meine Lieblinge! Wenn ich sie nur
anslih, dachte ich an schöne Herbsttage und
oergnüqle Mittagessen, BorSdorferAepsel
und Maronen, Weißsauer und Leber,
pustete, SpickaanS und viele weiche,
warme Daunenbetten!' Nun brach
auch sie in Thränen au.
Ganz plötzlich aber nahm sie da Tuch
wieder von den Augen, bück! sich, hob
ein der Gänse an den Pfoten empor,
strich prüfend, fast zärtlich über daS
dichte, weiche, schneeweiße Gesieder und
fugte: .Wenn schon au der Leberpaftele
und dem Weißsauer nichts werden kann,
die Daunenbetten wollen wir wenigsten
retten!' Schnell, Mine, greis' zu, wir
wollen die armen Thiere dort in die
Scheune tragen und sie rupfen, so lange
sie noch warm sind. O Gott o
Mine warum mußten sie einen so
frühen Tod sterben!'
Mine stand da, aas jedem Arm drei
der leblosen Thiere und fragte schluch
zend: .Sollten wir nicht rft die alte gr.ä'
grau rufen?'
.Weshalb sollten wir die arm Mama
in ihrkmSchlas stören?' entgcgne'e fiiev.
.Wir würden nur ihr Schrrierzen oer
schlimmern. Todt lebendig machen
kann sie so wenig wie wir! Nein, laus'
lieber in' Dors und hole die AnvLise
und die Rosine; sie sollen un helfen.'
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Zehn Miauten später saß die junge
Frau mit Mine und zwei halbwüchsigen
Bauerndirnen in der Scheune um einen
großen Korb, jede ein Gan auf dem
Schooß.
.Mit den Schwanzfedern und Flügeln
halten wir uns jetzt nicht auf,' fagle
Frau Licv, .da kommt morgen zurccht.
Jetzt nur die Daunen und die Betlsedern.
Man muß doch ketten, wa zu retten ist!'
Und dann denkt sie mit einem schweren
Seufier: .Wa wird Ewald nur zu der
unglückseligen Geschichle sagen!?'
Der nächste Morgen war, nachdem das
Wetter in der Nacht ausgetobt hatte, so
sonnig und klar und staubfrei, wie nur
ein Morgen nach einer Gewitternacht
sein kann. Auf der Veranda hinter dem
Haus stand der Kasseetifch zierlich gedeckt
und mit einem großen Rosenstrauch ge
schmückt, dieEtngangSthür war von einer
großen Guirlande umgeben, und über
den Hof, dem Thor zu, schritt die junge
Herrin in lichtblauem Morgenkleid, daS
sonnige ltichtgklockte Haar von einem
gleichfarbigen Bande zusammengehalten.
Sie sah frisch und schön und blühend
au, al habe die Phantasie eines Künst
ler sie ganz besonder sür diesen Morgen
geschaffen. Da Lächeln froher Erwar
tung, da ihr liebliche Gesicht noch ver.
schönte, verschwand aber plötzlich, al ihr
Blick auf die Scheune siel und machte
einem recht niedergeschlagenen Ausdrucke
Platz.
Da ließ sich da Rollen eine Wagen
vernehmen und schon huschte da glück
licht Lächeln ihr wieder um Mund und
Augen. .Ewald! Liebster!' flüsterte sie
und da stand sie auch schon vor dem Thor
und lief, ihr Taschentuch schwenkend, die
Alle hinab, dem Wagen entgegen.
Jetzt hielt er und gleich darauf lag sie an
Ewald Brust, der ihr Gesicht mit Küssen
bedeckte.
Der Wagen fuhr langsam vorauf, die
Beiden folgten glückselig hinterdrein.
.Und ist in der Wirthschaft alle gut
gegangen?' fragte Ewald endlich.
Selbstverständlich, wenn man einen sol
chen Vertreter hat, gelt? Aber machst
Du denn für ei Geficht, Kleine?'
,O, e ist nur, weil weil eil die
Mama gestern Migräne gehabt hat!'
Sie wurde sehr roth.
.Und weiter nicht?' fragte er und sah
ihr forschend in da Gesicht.
Da hing sie wieder an seinem Halse.
,0h, sei mir nicht böse, sei mir nicht
böse!' Und dann erzählt sie ihm die
ganze traurige Geschichte von dem Ratten,
gift und den Gänsen. .Ich habe gethan,
wa ich konnte. Ich habe gerettet, was
noch zu retten war: die Federn,' fügte sie
endlich zu ihrer Vertheidigung bei.
.Dich, liebe Herz, trifft j, keine
Schuld,' sagt Ewald, indem sein Ge.
ficht sich verfinsterte, .aber mit dem Vogt
werde ich ein ernste Wort sprechen.
Solche Unvorsichtigkeit! E ist kaum zu
glauben! Zwetunddreißig Gänse.'
Da waren sie am Thor angelangt.
.Wag ist denn das?' unterbrach sich
Emald. Dort standen die Knechte und
Mägde, der Vogt mitten unter ihnen,
und lachten, daß sie sich die Seiten halten
mußten, und drüben in der Hausthür
stand Mama Feldmann und wischte sich
di Lach thränen au den Augen.
Au irgend einem Grunde hatte man
da große Scheunenthor geöffnet und nun
spazierten im hellsten Sonnenschein eine
nach der anderen die gerupften Gänse
darau hervor, versuchten mit den Flü
geln zu schlagen und brachen dann, wahr,
jcheinlich durch da ungewohnte Gefühl
der Nacktheit und ihr wunderliche Aus.
sehen beunruhigt, in ein ohrenzerreißen.
des Geschnatter au.
.Die Todten stehen auf!' sagt Licv
und zog Ewald mit sich fort näher zu dem
qaupray.
.Wa soll denn da bedeuten?' wandte
flch dieser an den Vogt, der mit al'gezo
aener Mütze herantrat.
.Da, hm, sagte der Mann, flch müh,
(am zum Ernst zwingend, ,daS bedeut't.
daß das Luderzeug wiedermal an die
Brennerei g'rathen ist, und sich da vvll
öcsosstn und gefressen hat, und daß die
,ung' gnä' Frau da 'glaubthat, sie wär.'
todt, wi sie so stkif dag'legen haben, und
daß sie die Gänj' da g'cupst hat
mi: der Mine und der AnnLij'.' Da
mit wandt er flch schnell wieder ab, um
in da Gelächter der Anderen mit einzu
stimmen.
Da legte Frau Feldmann die Hand
auf ihres SohneS Schulter. .Grüß
Golt. mein Junge! Nun und was sagst
Du zu der Geschichte? Ist da nicht die
herrlichste Dummheit, die si irgend nur
begehen konnte, um meine Worte zu recht,
fertig:?'
.Ja, eZ war furchtbar dumm von
mir,' sagte Licv ehrlich. .Aber woher
sollte ich denn wissen, daß auch Gänse sich
so sinnlos betrinken!'
Frau Feldmann aber nahm den blon.
den Kopf ihrer Schwiegertochter zwischen
beide Hände, drückte einen herzlichen Kuß
auf ihren Mund und sagte: .Laß gut
sein, Lira, wer ein Meister werden wlll,
muß Lehrgeld zahlen.'
Plciswcilcr. Lehrer Sutter feierte
sein jähriges DlenftjubilZum.
Lriedhofsrosen.
Skizze von Mar ZZollicmeano.
Der alte Inspektor de städtischen
FriedhosS war außer sich vor Zorn; er
stand vor einem Grabe und fluchte so
derb, wie einstmals in seinen jungen
Tagen, al er noch Unterossizier gewelen
war.
..Kreuzdonnerwetterl Muß da ein
erbärmlicher Kerl sein, der ver...
Lump !"
Wa den alten Mann in zornige Auf
regung versetzt, war in der That noch
nicht dagewesen, überstieg all Begrifft.
Seit nahezu 30 Jahren machte der alt
Inspektor feine Runde auf dem wohlge
pflegten Kirchhofe. Nachdem er al In
valide den Militärdienst qrittirt halte,
wurde ihm die Inspektoren übertragen.
Er stand einsam in der Welt, ohne
Freunde und Verwandte, und freudlos
flcss:n seine Tag im ewigen Einerlei
dahin.
Allmählich hatte er die Grabstätten
IU5 gewonnen, er betrachtete sie sozusa
gen al sein Eigenthum, kannte alle In.
schritten auf den Kreuzen auswendig und
fühlte sich glücklich in seiner Einsamkeit.
Nun war aber fein Glück vernichtet
worden; seine genügsame Zufriedenheit
war verschwunden, denn er hatt di be
trübende Entdeckung gemacht, daß seine
Gräber bestohlen wurden. Die kunft.
voll gemeißelten oder geschmiedeten Denk
mäler blieben wohl unberührt, allein so.
bild auf einem Grabe in Pflanze ihre
Blüthen entfaltet, riß sie eine grabschän.
derische Hand au und ließ die trostloseste
Zerstörung zurück, wo die Farbenpracht
ver Blumen einen heiteren Ton de!
Leben in die düstere Umgebung gebracht
hatte.
Mit geballten Fäusten stand der I.
spector vor so einem geplünderten Grabe
und vermochte nicht den Blick davon ab
zuwenden. Gestern noch prangte eS im
Schmucke, in wahres Gärtchcn, das
durch seine heiteren Farben vergessen
machte, daß man sich auf einer Ruhestätte
der Verblichenen befand. Aber welche
trostlose Veränderung war seitdem einge
treten l Eine verbrecherische Hand hatte
die schönsten Rofenftöcke herausgerissen,
das Grab nlweiht und da Gärtchen
verheert.
Die ZornkSad schwoll dem Jnspecior
auf der Stirne, k war anßerordentlich
enkgt und über sein gebräunte Antlitz
rannen zwei schwere Thränen. Dann
aber ermannte er sich wie beschämt wegen
der Rührung, die ihn ergriff ; er schlug
sich mit der Faust auf die Brust und be
gann wieder zu fluchen. Die Gemein
heit diese infamen Diebstahls überstieg
die Begriffe diese einfachen alten Man.
ne, und nur ein Gedanke beschäftigte
ihn. den er i folgenden Worten aus
drückte :
Wenn ich den Uebellhäter erwische,
dann "
Er beendigte den Satz nicht, aber sein
Arm streckte sich und die Faust schlug in
die Luft; eS war eine bered! Drohung an
den Unbekannten., Mit seinem Stocke
traf er heftig die kleinen Steinchen auf
der Allee, daß sie nur so umherflogen;
dann nahm er feinen Rundgang wieder
auf und murmelte zuweilen, al seien die
Worte der Refrain seine Zornes :
.Kreuzdonverwetter, muß da ein er
bärmllcher Kerl fein!'
Bei einer Biegung der Allee sah der
Inspektor ein kleines Mädchen dahintrip
peln. Das Kind war äußerst dürftig
bekleidet; ihr Kleidchen war ein Fetzen,
durch dessen LZcher die Beinchen hervor
lugten, und war mit angetrocknetem
Schmutz bedeckt, fo daß der Saum bei
jedem Schritt gegen die Waden schlug.
Die nackten Füßchen stießen an einem
steine an und der Schmerz ertleckte dem
Mädchen einen Schrei. Einen vnruhi
gcn Blick um sich werfend, nahm eö seinen
Gang wieder aus.
Der Inspektor folgte auS der Ferne.
.Wahrscheinlich ist eS ein jener früh,
reifen Bettlerinnen, die auf den Kirch,
Höfen umherftrolchen,' dachte er. .Eine
jener kleinen Vagadundinnen, die von
ihren Ellern abgerichtet werden, den
milde gestimmten FriedhofSbcsuchern ein
Ä!mosn abzulocken.'
Doch plötzlich blitzten seine Anger: auf
und vor Ausregung fast erstickend, blieb
er auf seinem Plahe wie angenagelt
stehen.
Er hatte mit feinen eigenen Augen ge.
sehen, wie dos Kind mit beiden Händen
einen Roser.stock ergriffen hatte und auS
Leibeskräften daran zog. Mit einer
Kraft, die man dem kleinen Wesen nicht
zugemuthet hätte, rüttelte e an dem
Strauche und eine besondere Gewaltan
flrengung machend, entwurzelte es ihn.
Sodann erhob sich da Kind, ergriff
den Rosenstrauch, drückte ihn an die Brust
und lief mit ihm so schnell, al die jun
gm Beinchen e traaen wollten. Wie sie
dahinrannte. merkte sie nicht, daß ihr der
alte Inspektor keuchend folgte und hörte
natürlich auch nicht, wie er zwischen sei
nen Zähnen hervorstieß:
.Na warte, kleine Spitzbübin, wenn
ich Dich erwische, kannst Du Dich
freuen.'
No. 43.
I der all Mann di Kleine im Hin.
tergrunde de Friedhofe im Armenmtn
kel erreicht hatte, kniete sie vor einem
Grabe, da einen seltsamen Gegensatz zu
den übrigen Gräbern der Umgebung btl.
dete. Wohl war nur ein einfache,
schlecht angebrachte Kreuz auf dem Hü,
gel zu sehen, allein der Hügel war auf
da, Prächtigste mit Blumen geschmückt.
Der erstaunte Inspektor blieb stehen und
beobachtete da Treiben de Kinde, da
sich auf den Boden hingekauert hatte.
Die Klkin sprach laut einige unverständ
liche Worte, ihr magere Köiperchen er
zitterte unter einem konvulsivischen
Schluchzen; st stöhnte klagend und groß
Thränen perlten über ihr mager Wan
gen. Sie erhob da Köpfchen, faltete
die Hände und sprach ein kindliche Ge
bet. Dann ergriff sie den Rosenftock,
den sie neben sich hingelegt hatte, drückte
auf eine der Rosen inen Kuß, grub mit
ihren Fingern in Loch und setzte denRo
senftock ein.
Der alte Inspektor, der hinter ihr
stand, hatte instinktiv die Mütze abge.
uommen, aber mit einer mürrischen Ge
berd drückte er sie wieder auf fein graue
Haupt, indkm r sich inen alten Narreu
schalt. Um der Sache in Ende zu
machen, ließ er seine Hand schwer auf die
Schulter de Kinde sinken, das sich ent.
fetzt umwandte.
.Habe ich Dich endlich erwischt, Du
Diebin!' schrie er die Kleine an.
Sie hob ihr abgemagerte Gesichtchen
zu dem wüthenden alten Manne empor,
stieß einen Schrei au und versuchte zu
fliehen. Der Schreck lähmte ihr jedoch
die Glieder, in Schauder durchlief ihren
Körper, und ihr erstaunten und furchter,
füllten Blick hingen an dem Inspektor.
Dieser redete nun in einem sanfter
Tone zu dem armen Kinde. ES schien
ihm, nachdem sich der erste Zorn gelegt,
unmöglich, daß dieses Gestchtchen einer
Spitzbübin gehöre, und nun sprach r
betnahe schmeichelnd und sucht nach t'.n
Worten, die der Kleinen Vertrauen ein.
flößen sollten. Das Kind blieb aber
stumm. Da übermannte thn wieder der
Zorn und die Hand erhebend schrie er:
.Sprich, oder I'
Er vollendete den Satz nicht, denn das
Kind beugte das Köpfchen in der Erwar,
tung, daß sie die Hand deS Inspektor
treffen würde. Da hielt er inne und er
röthete, al ob er eine böse That began
gen hätte.
Endlich bewegte die Kleine die Lippen,
sie wollte sprechen, aber die Thränen er,
stickten ihre Stimme; nur unverständliche
Laute brachte sie hervor. Vor Schrecken
und Aufregung ermattet, sank sie in die
Kni und deutete mit einem Finger auf
den mit Blumen geschmückten Grab,
Hügel.
Der Invalide verstand diese Geberde
nicht, doch war er sehr bewegt. Sein
Zorn war längst verraucht, und nun hob
er da Kind behutsam auf, drückte e an
seine Brust und fragte so sanst, al e
ihm nur möglich war:
.Ich thue Dir nicht, mein Kind.
Sieh mich doch an, ich bin kein böser
Mann. Wein nicht, sag' mir, warum
Du di Blumen von den anderen Grä
bern wegnimmst und hierherbringst.'
.Mein Mama hat di Blumen gern.'
rief da Kind unter Thränen und
Schluchten. .Meine Mama ist todt, sie
ist da begraben, da. Und ich bringe ihr
Blumen.
.Und Din Vater.' fragte der alte
Mann, in dessen Stimme sich ein ganz
verdächtige Zittern demerivar machte.
Da Kind sah ihn erstaunt und fast
vtrsiändnmle an.
.Ich hab nur eine Mama,' sagte e
mit Bestimmtheit, dann fügte e bittend
hinzu: .Darf ich meiner Mama Blumen
bringen?'
Der Inspektor hob die Klein auf,
drückt st an sich und küßt si.
.Warum sagtest Du daS nicht gleich,
Du Schelm? Wenn Dein Mama die
Blumen gern hat, müssen mir ihr welche
dringen. Ader Du darfst rein stehlen.
In meinem Garten blühen viel Blu.
men, di wollen wir Deiner Mama alle
schenken '
.Wirklich?' ries daS Kind freudig.
Mit ihre mageren Aermchen umschlang
die Kleine den Hals deS Inspektor und
sagte voll kindlicher Zärtlichkeit: ,O, ich
habe Dich so gern.'
Dann ließ sie sich hcrabgleiten, eilte zu
dem Grabe ihrer Mutter hin, vor dem
sie in die Kniee sank und betete.
Der Inspektor sah ihr zu und mur,
melle: .Arme kleine Diebin! Da Du
keinen Vater hast, will ich Dein Vater
sein.'
Italienische ?liversttSten.
In Italien giebt es 23 Universitäten,
von denen mehrere nicht leben und nicht
sterben können nnd dem Staat viel Geld
kosten. Der UnterrichtSminister des Ca
binetS Giolttti, Ferdinand Martini,
h,!te die sehr verständige Absicht, mit
einigen MiniaturUntvtrsttä!rr: oufzurLn
men; sein Plan war seiner Zeit schon völ
Itg ausgearbeitet, aber da sich dagegen
das Geläute sämmtlicher betroffenen
KirchthSrm erhob, so blieb der Gesetz,
entwurf in seinem Schreibtisch liegen.
Die jüngste Statistik de Besuche der
italienischen Universitäten bietet mit Rück,
ftcht aus jene Absichten Martini in
besondere Interesse. Sieben Unioer
sitäten haben mehr al 1000 Zuhörn,
während in Deutschland 11 Hochschule
diese Ziffer überschreiten. Hinter der
Besuchenahl der kleinsten deutschen Uvi.
versität Münster (431) bleiben in Italien
11 Hochschulen zurück, darunter 4, die
nicht einmal auf 100 Zuhörer kommen.
Die Gesammtzahl der Studtrevden t
Italien leläuft sich auf 19,048 und ftektt
zur Einwohnerzahl de Lande genau tu
dem gleichen Verhältniß wie di Besuch,
ziffer der deutschen Universitäten. Da
aber da alrthfchastliche Vermögen Ita
lien hinter demjenigen Deutschland weit
zurücksteht, so ist in Italien gewiß in
unverhältntßmäßige Ueberproducttoa on
Ttudirten vorhanden. Der gegenwär
lige UnterrichtSminister Baccelli hatte der
jüngst geschlossenen Kammersesflon eine
Gesetzentwurf vorgelegt, welcher dies
Uebcrproduction einzuschränken bestimmt
war und zugleich die nicht lebenösähigen
Universitäten allmählich auf den Au,
sterbe.Etat zu setzen geeignet ist, ohn
daß die Negierung da Odium ihr?
unmittelbaren Aushebung auf flch zu neh
men braucht. Durch die plötzlich Unter
brechung der parlamentarischen Arbeit
ist aber anch dieser Plan einstweilen to
Ungewisse hinausgeschoben.
Dicke Iran.
In verschiedenen Theilen Afrika'
haben die Eingeborenen mancherlei wun
derliche Sitten und Aberglauben, und zu
den ersteren gehört die Gewohnheit, nur
recht fette Frauen zu wählen. Bei der
Gattin ine mächtigen Häuptling ein
geführt, entwarf Speke von dieser sol
gende Schilderung: .Ich war höchst n
staunt über den außerordentlichen Umfang
der einen Schönen, die doch keinen eigent
lich anwidernden Eindruck macht.
Sie konnte sich gar nicht allein erhebe,
und ihre Arm waren so dick, daß da
Fleisch neben den Gelenken wie groß ge
füllte Pudding herunter hing. Aus
sein Weib zeigend, sagte der Häuptling :
.Da ist da Produkt unserer Milchkrüge.
Von Kindheit an halten mir diese an ihr
Lippen, da eS bei Hofe (?) Sitte ist,
recht fette Fraue zu haben.' Eine
Schwägerin de Häuptling bildete ein
wahre Wunder on Hypertrophie. Sie
konnte sich nur noch auf allen Bieren
erhalten. Ich bat um die Erlaubniß, sie
messen zu dürfen. Da Resultat war
folgendes: Um den Arm SS3 Millimeter;
über bi Brust 1S94, Schenkel 786;
Wade 5U7 Millimeter; Höhe fast 1Z
Meter. Alle Angaben sind ganz genau.
bis auf die der Höhe, die ich nur hätt,
ordentlich messen können, wenn ich si
auSgkstrtkt auf die Erde legen konnt.
Ohn zu ahnen, welche Schwierigkeiten
mir ine solche Jngenieurarbeit bereiten
sollte, versucht ich si zum Zweck der
Höhemessung aufzurichten. Als un da
mit vereinter Bemühung kaum gelungen
war, sank si leider bewußtlos wieder zu
sammen. Inzwischen saß ihre Tochter bei
uvS und schlürfte auS einem Milchkrüge,
wozu sie ihr Vater, mit einer Ruthe i der
Hand, uniuSgesetzt anhielt, denn da da
Fetlerwerden hier zu den ersten Bedtn
gungen vornehmer Lebensart gehört, muß
dasselbe oft durch Zwangsmittel herbeige,
tührt werden, an denen S di schwarz
Selbstherrscher denn auch keineswegs seh,
len lassen.'
'Ferfisch
Die Perserinnen sind im Allgemeinen
ebenso geistig geweckt, wie von hoher kör
perlicher Schönheit. DaS Klima de
Landes, das ein so reiche und herrliche
Vegetation hervorzaubert, ist auch vo
Einfluß auf die Bewohner und Bewoh
nertnnen desselben, und die typische per
flsche Frau mit ihrem zarten Gesicht, dem
blummengleichen Teint und den dunkel
glühtndcn, intelligenten Augen darf vor
Allem als ein Produkt jene Klima
gelten, wie die Unmassen von Blumen, die
sedeS persische Heim umduften. Die
wahre Rose Persien ist aber doch da
persische Weib selbst. Sie unterscheidet
sich wesentlich von der Türkin, der Acgyp
teiln und von den Frauen von Tang.
Von Natur lebhafte Geistes, ist sie von
poetischem Temperament, liebt Künste und
Wissenschaften und widmet sich auch,
soweit daS angeht, sogar der Politik.
Von großem Einfluß auf die Männer,
ist ihr Finger bei vielen öffentlichen An
geleze:,hetten sichbar. Trotz de im
Lande herrschenden Haremsleben mit
all seinen Thorheiten und Beschränkungen,
hat sich die persische Frau doch eine, die
alle ihrer moSlemhischen Schwestern
überragende Stillung zu krringtn gewußt,
eine Stellung, die in mancher Hinsicht
sogar die der europäischen Frau übertrifft,
So ist ihr z. B. schon längst gestattet,
für tignk Rechnung ein Geschäft zu be,
treiben, Prioateigenthum zu besitzen, als
Zeugin vor Gericht aufzutreten, Schrift,
stücke zu attesttren u. f. w. Dafür ist sie
!ür ihre Schulden aber auch persönlich
verantwortlich und hat bei einer Schei
dung das Recht, ihre Kinder für sich zu
beanspruchen.
Hegenseitig.
EineS der ersten Stücke, welcbe
Scribe im OdonTbeater in Pari auk
iübren lien. wurde in Kolae der fin&trft
schlechten Darstellung der beiden männ
lichen Hauptrollen auSgepsissen und oben,
drein gerielhen di beiden Künstler noch
in einen Streit, der sogar in Thätlichkei.
ten ausartetk. Eirl etzt kiltt d R
psseur zu Scrib und bat ihn, r möcht
"och dik Künftltr berubiaen. die Bkiden
brächten sich noch um. .Aber lassen
sie doch den Herrschasten da kleine Ver
inüaen ' versetzte Scrib mit Galaen
umor. .mein Stück baden kie in an
umgebracht.'