Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 28, 1895, Image 2

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    NEBRASKA STAAi ANZEIGER. Lincoln, Ne
jDas lrb.tr fufc.
Von it. irubid).
Ucn ,m,M ?i'alNi! hab' ich stuft ge!een,
Ir irat sin winVr ä i: t ü und I ubvjfom,
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Drohne.
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Und blieb ihm ichis. aU nur sei Satten
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Und leine vvr;fn rul'fUi'f t;odifu.
Noch Irrt er lange, sonder 3 in und i-iiel
Ein IV mir saug er, nxiui er schied und
tarn:
SSU doch fern Müifoiimi stand, trie schnell er
fiel . . .
Und Jeden riiljrt es, der die l'tcb vernahm.
Der .VuiiQ.
Von X- jromm.
Er ging unruhig in dem Garten auf
und ad, der mit seinen hohen Bäumen
und seinem dichte Strauchwerk daö
Hauö von der Straße trennte und es
fast rerbarg, sah unruhig nach der
Hauöthür, horchte auf jedes Geräusch
und murmelte vor sich hin: Noch
immer nicht! Und sie ist doch sonst
immer so früh drsußen! (iS ist, als ob
sie wüßte, dasz ich auf sie warte!"
ör hätte eS nicht nöthig gehabt, zu
dieser ungewöhnlich frühen Morgen
stunde zu kommen und sich, wie er es
that, nur vorsichtig dem Hause zu
ähcrn, damit ihn kein unbefugte
Auge entdeckte. Er war ja der Berlobte
des jungen MächcnS, das er hier erwar
tete. Noch waren sie nicht in aller
Form öffentlich verlobt; LinaS Vor
mund wollte das erst zulassen, wenn der
Bräutigam seine Anstellung an einer
der höheren Lehranstalten des Ortes,
die ihm übrigens gewiß war, schwarz
auf weiß in der Tasche hatte. Der
überselige Liebhaber war mit dieser
Bestinimung mehr als zufrieden gcwc
sen: so konnte er sein Glück dock) einst
weilen ungestört genießen und brauchte
eS nicht auf Promenaden und Visiten
Hunderten von neugierigen Äugen zur
Schau zu stellen. Es war ein ungetrüb
teS Glück in der allerersten Zeit;
dann hatte sich ganz almälig ein Schat
ten darüber gelegt, und zwar durch die
Schuld seiner Braut. Teshalb war er
jetzt in aller Üliorgcnfrühe hier, um
sich ohne Zeugen ernstlich mit ihr aus
zusprechen. Tie gute Frau Berger, die
Anstandödame der verwaisten Schwe
slern, war zwar eine Null, aber sie war
doch da; und dann das jtind! Er biß
sich auf die Kippen, als er daran dachte.
Das Kind war es ja, was, durch Lina
Schuld, seinem Glück im Wege stand.
Die Kleine war zehn Jahre alt und
von Geburt an blind. Franz Römer
war ein gutherigcr Mensch, der nicht
tßer Acht ließ, was man dem Unglück
schuldig ist. Aber daß Lina immer
Zuerst an das &iufe dachte, daß sie selbst
in den wenigen Stunden, die sie bei
sammen sein konnten, niemals aus
schließlich für ihn da war, das konnte
und wollte er nicht länger so hingehen
lassen. Gestern Abend sogar, wo sie
so gut in der Fensternische hätten plau
der können, wo er ihr so viel zu sagen
hatte da hatte sie ihn schon nach den
ersten Worten unterbrochen: Gleich,
ich muß nur noch einmal zu Gleichen
hinaufgehen, ehe sie einschläft."
So will ich nicht stören," hatte er
kurz gesagt, hatte seinen Hut genom
men und war gegangen.
Jetzt ging die Hausthür sie war
eS. Er dachie daran, wie er am Mor
gen nach der Verlobung zur selben Zeit
hierher gekommen war, er sah noch das
8 lückliche Aufleuchten ihrer braunen
lugen, hörte noch den halb unterdrück
ten seligen Aufschrei. Aber heute kam
ft langsam heraus, blaß, mit verwein
ten Augen, und als sie ihn erblickte,
schreckte sie zusammen.
Du hier, Franz?"
Ja, wie Tu siehst. Ich mutz sehr
fern von Deinen Gedanken gewesen
sein, da Du so erschrickst."
Ich erwartete Dich nicht so früh."
Sie sprach langsam, in müdem Ton,
ihre Lippen lächelten nicht, und ihre
Augen senkten sich rasch, wie sie den
seinen begegneten. Er bot ihr den Arm,
aber sie bemerkte es nicht, oder sie that
doch so. Sie gingen einige Schritte
neben einander her ; endlich fing er mit
erzwungener Ruhe an :
Ich bin hergekommen, um mich mit
Dir auSzusprechcn. Wir haben uns
gestern in einer Verstimmung getrennt
das darf nicht mehr vorkommen."
.Nein, das darf nicht mehr vorkam
men," wiederholte sie leise.
Ich weiß nicht. l'ina," fuhr er
fort, ob Du Dir ganz klar gemacht
hast, was Du übernahmst, indem Du
Dich mit mir verlobtest?"
Ich habe die ganze Nacht hindurch
daran gedacht und an nichts Anderes,"
sagte sie. Ich hälte es gleich am An
fang thun sollen; aber ich war zu glück
lich, da denkt man nicht. Jetzt bin ich
mir klar geworden."
.Nun?" Er sah sie lächelnd an. Sie
hatte ihr Unrecht erkannt und gestand
es ein.
Ich will gern alle Schuld auf mich
ehmen," sprach sie mit zitternder
Stimme weiter. Du kannst ja nicht
dafür, daß Du das Kind nicht lieb
hast." Er zuckte unwillig die Achseln.
Hattest Du eö lieb, so wäre Alles
andere. So aber kann ich die Pflichten,
welche ich Dir, und die, welche ich
Gretchen gegenüber habe, nicht vcr
einigen." Deine Pflichten gegen Deine kleine
Schwester würde Frau Bergcr selbst
verständlich und bereitwillig auf sich
nehmen," meinte Franz kühl.
Sie lächelte matt. Die körperliche
Pflege, gewiß. Aber, Franz, das Kind
hat nichts als mich und meine l'iebc,
von der ich ihr nicht den kleinsten Theil
eniiicden kann. Und Du rerlan't
mclzr als das."
.Wenn i u darunter vcrftcli't. rast
. !
ich den rn:cn Platz in Deinem Herzen
und in Deinen Gedanken beanj;ru.tr,
ja," tntgecir.ete er, .das ist nietn
gutes Reckt."
.dienst Du wohl ' Du würdest
jeden Liebestcn-ds, jeden Gedanken,
den ich i itr reichen habe, als eine
Verkalkung dieses RcclzleS ansehen, wie
Du es jetzt fd.cn thust. Es wäre eine
ewige Qual, unter der wir alle Drei
zu leiden halten. Und daher" Sie
jlockke.
Daher?" fragte er gespannt.
Sie sagte nichko. sie zog mit zitiern
der Hand einen Ring vom Finger,
einen kleinen Ring mit blauen Skci
ncn. die ein Vergißmeinnicht bildeten,
und reichte ihn ihm.
.Das kannst ?u thun!" rief er
empört.
Ich habe naikigcdacht, wie ich nur
konnte." gab sie zur Antwort. .Ich
weiß mir keinen anderen Auöweg."
Lina!" rief er drohend. .Bedenke,
wir treiben kein Kinderspiel. Gibst Du
mir den Ring zurück, so ist es sur
immer zwischen uns vorbei."
Sie war todtenblaß geworden, ihre
Augen starrten an ihm vorüber in'
Leere. .Nimm," sagte sie tonlos.
Er nahm den Ring und schleuderte
ihn fort. Sie sah, wie er im Sonnen
schein einen blitzenden Bogen beschrieb
und dann in das Gras des mit blühen
den Sträuchern besetzten Rasenplatzes
fiel.
Nimm!" sagte Franz kurz und
ging. Sie stand unbeweglich, bis sie
daö Gitterthor schließen hörte. Dann
drückte sie die Hände an die Schläfe
und sagte in leise jammerndem Ton:
Ich kann nicht anders, ich kann
nicht anders. Ich liebe ihn fo sehr
aber mein armes, kleines, blindes
Herz!"
.Lina, wo bleibst Du?" rief ihr
eine helle Kinderstimme entgegen, als
sie in das Haus zurückkehrte. Es war
Gretchen, ein schlankes, zierliches Kind
mit einem lieblichen Gesichtchen und
dem horchenden Ausdruck darin, den
man bei Blinden so oft sieht. Wie sie
auf die Schwester zukam, hälte ihr Nie
mand auf den ersten Blick ihr Gebre
chen angemerkt. In dem Hause, in
dem sie von ihrer Geburt an lebte,
ging sie fast fo sicher wie eine Sehende
umher.
Wo warst Du denn?" fragte sie.
Tante Bergcr und ich, wir warten
mit dem Frühstück."
Ich war im Garten."
Fehlt Dir etwaö?" sagte die
Blinde, Du sprichst so leise."
Ich habe arges Kopfweh. Früh
stückt nur ohne mich; ich will mich noch
ein Weilchen hinlegen."
Das Kind wollte mit ihr gehen, aber
Frau Bergcr hielt eö zurück und ging
allein zu Lina hinauf. Sie hatte die
Verlobten im Garten gesehen und
ahnte nichts Gutes. Dennoch war sie
fassungslos, als Lina sich bei ihrem
Eintreten vom Bett aufrichtete und zu
ihr sagte: Es ist vorbei, Frau Bcr
ger! das ist Alles!" ihr Gesicht in
das Kissen drückte und herzbrechend
weinte.
Als sie später zu der Kleinen zurück
kam, sah sie fast heiter aus, und ebenso
klang ihre Stimme, als sie sagte:
Jetzt komm, Gretchen, Du mußt
lesen."
Hast Tu auch gewiß kein Kopfweh
mehr?
Nein, nein."
Sie legte die Blätter mit der Blin
denschrist zurecht ; das Kind glitt mit
dem Fingerchen über die Zeilen und
las langsam und laut ; die Schwester
verbesserte sie hier und da.
Bist Du mir böse?" unterbrach sich
Gretchen mitten im Lesen.
Dir böse? Nein, mein Liebstes."
Dann bist Du traurig, Tu sprichst
anders, als sonst, Lina!" rief die
Kleine, als die Schwester ihr mit der
Hand über die Haare strich ; Du hast
ja nicht den Vergißmcinnichtring?"
Ich habe ihn verloren."
Ach, daher bist Du so traurig!
Aber Tu wirst ihn ja wiederfinden!"
Nein, mein Herz, ick) finde ihn
nicht wieder. Lies weiter"
Am folgenden Morgen früh, als es
eben hell geworden war, ging Lina
hinaus und suchte den Ring. Aber es
war vergebens, sie fand ihn nicht.
Was sie damit thun wollte, falls sie
ihn fand, daran hatte sie nicht gedacht,
die hätte es nicht sagen können, so
wenig, wie sie wußte, warum sie jedes
mal, wenn die Gartenthür ging, auf
horchte, ob Franz wohl käme. Sie
wußte nicht einmal, ob sie es wünsche;
denn wäre er gekommen, sie hätten doch
nur auseinander gehen können wie das
letzte Mal. Aber sie horchte tagelang.
Lina," sagte Gretchen einesÄbends,
als sie schon im Bctt lag und die
Schwester neben ihr stand, kommt
Herr Fmnz nicht mehr her?" Sie
hatte sich nie gewöhnen können, den
Verlobten der Schwester anders zu
nennen als so.
Nein, er kommt nicht mehr," gab
Lina nach eine? kleinen Pause zögernd
zur Antwort.
Nie mehr Lina?" rief die Kleine
und richtete sich hastig in ihrem Bctt
chen auf. Ist er böse, weil Du den
Ring verloren hast? O, Lina!" Sie
streckte die Arme nach der Schwester aus,
diese beugte sich über sie, und das
blinde Kind zog Linas Kopf an seine
Brust, drückte sein Köpfchen dagegen,
und die Beiden weinten zusammen. Es
waren die eiftcn wohlthucnocn Thrä
nen, die Lina vergoß.
Mitten im Sommer war es gewe
sen, als die Verlobten sich trennten.
Jetzt war es Winter, ein schöner klarer
Frosttag. In der Nacht vorher war
reichlicher Schnee gefallen, er lag wie
eine dicke Decke auf den Rasenplätzen
im Garten. Lina ging mit Gretchen
auf und ab. Die Kleine war lustig,
sie jauchzte, wenn ihre Füßchcn tief
einsanken, lachte, wenn sie auSglitt,
weil sie kühn vor der Schwester hcrge
laufen war. Jetzt kauerte sie auf den
Rasenplatz nieder, emsig beschäftigt,
den Schnee mit ihren geschickten Hand
chen m allerlei fonr.ni m ballen.
.li'ii f.:::::j i.'ül f.5:ri sie aus :
.Lina ? vum! cm'ne hex!" llrd v?ie
die 2-':vt;:cr, tic i.ene Siirutc ron
i'r.r cfiiaudin bans, eilig berankam,
rief sie frrr-f : itr Ring ? Ich bade
den :ing, vina ! Er lag unicr dem
2änc giin; dutt am ZtraucZi ! C,
Vina, jetzt kann Herr Franz doch zii x
mehr tote sein '."
Zie brach erstrecken od. Wie Lina
den Ring eidiilc. Kaäne der kaum be
fcbwu'Iirniie Schmerz ja!) in il r aus.
.Wirf lim fort!" rief sie. in tnttcr
lilt es Weinen aufleckend. Er lulit
mir nichts, ich mag ihn nit sehen!"
Das Kind senkte das Kepschen, aber
es warf den Ring r.ul t seit, es ließ
ihn in seine Taicke gleiten. Lina!'
sagte es leise und bittend Da fühlte
sie, wie die Zäiwesier den An um sie
legte. Sei null böse, daß ich Tiäi
erstreckt habe, mein armes Kleines.
Es ist sctien ror'.!b.'r, ganz vorüber."
Grck.iien streichelte Linas Gesicht,
ohne etwas zu sagen. Met in ihrem
kleinen Kopf sing es an zu arbeiten,
und ehe der Tag zu Ende war, hakte sie
einen Plan gemacht. Er kam ihr selber
gewagt vor, sie zitterte ein wenig vor
der ÄuSführung, aber ausführen mußte
sie ihn.
Am folgenden Tage, als Lina für
einige Sturzen auSge'.'.'.igen und Frau
B."ge? im H iiishalte beschäftigt war,
ie: ielte Grellen sich zu ihrem großen
Unternehmen an. Ganz leise ging sie
die Treppe hinauf, nahm aus dem
Schrank Mäntel chen und Hut und
machte sich zum Ausgehen fertig. Sie
wollte nichts weniger, als ganz allein
zu Herrn Franz gehen und ihm den
Ring wiederbringen. Er mußte ja
wieder gut werden !
Sie horchte, als sie fertig war, ob
sich Jemand im Hause regte. Nein,
Alles war still. Sie schlich hinunter,
öffnete sacht die Hausthür, ging die
Stufen hinab und den Weg, der
geradeaus zum Gitterthor führte, ent
lang. Ta blieb sie einen Augenblick
stehen, ihr kleines Herz klopfte bang,
als sie sich nun von den wohlbekannten
Wegen allein auf die fremde Straße
wagen sollte, die sie noch nie ohne die
Schwester betreten hatte. Aber sie
zögerte nicht lange, nun stand sie brau
ßen. Ter Schnee fiel dicht und ver
wischte die kleinen Fußspuren.
Sie wußte, sie mußte sich rechts
halten, um in .die Gegend zu kommen,
wo Herr Franz wohnte, und so ging
sie mukhig vorwärts. Tie Straße war
zu keiner Zeit sehr belebt, und jetzt, in
den späten Nachmittagstunden, fast
menschenleer. Tas wunderbar feine
Gefühl der Blinden, die Selbslstandig
keit, welche kluge Leitung und ihr
eigner Wille in ihr entwickelt hatten,
halfen ihr, und sie lachte vergnügt in
sich hinein, als sie fand, daß das Unter
nehmen gar nicht so schwierig war.
Aber nun blieb sie stehen, sie war an
einem Uebergang angelangt, sie hörte
Schlitten vorüberfahren, Wagenräder
knirschen sie konnte allein nicht wei
ter. Sie wandte den Kopf hin und her;
da fühlte sie, wie ein grober Frauenrock
ihre Hand streifte.
Liebe Frau," sagte sie mit schüch
ternem Stimmchen: Wollen Sie so
gut sein, mich hinüberzuführen? Ich
bin blind."
Die Frau, der Kleidung nach eine
Tagelöhnerin, bückte sich hastig über
das Gesichtchen, das zu ihr erhoben
war. Wahrhaftig! Barmherziger
Gott! Und da läßt man Dich allein
auf der Straße umhergehen?"
Ich muß ; und es hat auch nichts zu
sagen. Wenn Sie mich nur hinüber
führen und mir sagen wollen, wie ich
in die Hochstraße komme."
Nun, viel Zeit hübe ich nicht, aber
bis zur Hochstraße will ich mit Dir
gehen," sagte die Frau. Sie gingen
Hand in Hand, ohne zu sprechen; von
Zeit zu Zeit warf die Führerin nur
einen fast scheuen Blick auf das kleine
Geschöpf neben ihr, das blinde Kind,
das es wagte, allein umherzugehen,
kam ihr so seltsam vor.
Nun blieb sie stehen. Hier sind
wir , in der Hochstraße, ich ginge gern
weiter mit Dir, aber meine kleinen
Kinder sind allein zv Hause."
Ich danke Ihnen,' liebe Frau, ich
danke Ihnen recht sehr. Ich werde
meinen Weg schon finden."
Sie trennten sich; nach wenigen
Schritten wandte die Frau sich um und
sah, wie das Kind weiter ging. Dann
ging auch sie kopfschüttelnd ihres
Wege.
Gretchen fand es hier nicht leicht,
vorwärts zu kommen. Die Straße war
belebt, es gingen Leute hastig an ihr
vorüber, kamen rhr entgegen, sie fühlte
sich bald hier, bald dort gestoßen und
geschoben und hörte mehr als ein
unwilliges Wort.' Sie fürchtete sich,
die Vorübergehenden anzureden, und
doch mußte sie sich zurcci'ragcn. End
licl, faßte sie sich ein Herz: Bitte,
wo ist Nummer sechSundzwanzig?';
Tas weiße Haus an der zweiten Ecke
von hier." Die Slntwort, die rasch im
Vorbeigehen gegeben wurde, half ihr
wenig, sie sagte ihr nur, daß sie noch
weiterzugehen hatte. Tas Geräusch
der Stadt, in die sie selten kam, ver
wirrte sie, immer häufiger wurde sie
angestoßen, fortgcschobcn; sie war
nahe daran zu weinen. Aber sie drückte
die Augen fest zu, um die Thränen
nicht hcrabrollen zu lassen. Sie mußte
ja um jeden Preis vorwärts! Ta be
kam sie einen heftigen Stoß in die
Seite, sie wankte und fiel von dem
Trottoir anf den Straßendamm. Im
selben Augenblick fühlte sie sich von
zwei Männerarmcn aufgehoben und auf
die Füße gestellt, eine große Hand
klopfte den Schnee von ihrem Mnptcl
chen, und eine gutmüthig scheltende
Stimme sagte: Kind, wo hast Tu
denn die.Augen, daß Tu den Leuten so
in den Weg läufst?"
Sie war halb betäubt von dem Fall,
aber ihre erste Bewegung war, in ihrer
Tasche nachzufühlcx. Gottlob, der Ring
war noch da!
Ich danke Ihnen, lieber Herr,"
sagte sie dann und setzte entschuldigend
hinzu: Ich kann nichts dafür, ich bin
blind."
Dieselbe Verwunderung und dieselbe
, aae wie vorhin, dieselbe Antwort.
.Mi r.r.d Ne icttt linvl:
Wenn iüi nur dj Hau Nurnuier
seieandztraiizia, fände.
,Jck trinke Tich hin, arme Ding."
sagte der Herr und nahm sie bei der
Hand.
.Da sind wir." sagte er nach einer
kleinen Weile. .Zu wem willst Tu
gehen?"
.Zum Herrn Tokkcr Römer. Er
wobnt im ersten Stock. Bitte, be
müden Sie sich nicht, ich finde mich
wobl allein hinauf."
Ter Herr antwortete nicht, sondern
stieg mit ihr die Treppe hinan, den
läutete er. fragte, als Jemand die
Thür öffnete: .Ist Herr Toller
Römer zu Hause?" und auf die be
jahende Antwort schob er daö Kind
hinein.
Ter Toklrr Römer saß an seinem
Sckireibkisch und arbeitete. Er war
mißmuthig, wie leider oft seit dem
Sommer, die Arbeit wollte niclit reckt
vorwärts gehen. Taß nian doch Tinae,
die längst vorüber und abgethan sind,
nickt vergessen kann. Scklimmcr noch,
daß, wenn man sie endlich überwunden
zu haben glaubt, sie so deutlich und
klar iu'S Licht treten, als wenn sie
eben erst geschehen waren.
Er war nicht wenig erstaunt, als
ihm gemeldet wurde, ein kleines Äad
chen wünsche ihn zu sprechen. Er
wandte sich der Thür zu; aber was sich
auf seinen Zügen spiegelte, war weit
mehr als Erstaunen. Gretchen!"
wollte er rufen. Ter Name blieb ihm
halb in der Kehle stecken. Taö Kind
halte seine Stimme doch erkannt und
kam tastend auf ihn zu.
.V, Herr Franz!" rief es, die Hand
erfassend, die sich ihm entgegenstreckte.
Ich bringe Ihnen den Ring, den
Lina verloren hat. Ich habe ihn im
Garten unter dem Schnee gefunden.
Nicht wahr? Jetzt sind Sie riicht mehr
böse auf sie. Sie konnte ja nichts
dafür, daß sie ihn verlor, und sie ist
seitdem so traurig!"
Er sah verwirrt auf den Ring, den
sie ihm entgegenhielt, und dann auf
die Thür. Sollte es Wahrheit werden,
was er eben noch vor sich hingeträumt
hatte daß 'ina zu ihm kam uns
sagte: Vergiß, was zwischen uns gc
treten war, ich gchöre Tir, und Tir
ganz allein!"
Wer ist mit Tir hergekommen?"
fragte er hastig.
Niemand," sagte Gretchen. Ich
bin ganz allein von Hause fortgegan
gen. Lina würde es niemals wagen,
Ihnen den Ring zu bringen, sie wcinle
so sehr, als ich ihn fand. O feien Sie
nicht mehr bose ! Wenn Sie wüßten,
wie still und wie traurig sie geworden
ist!"
Er sah die Kleine, während sie
sprach, mit weit offenen Augen an.
Kind," rief er dann und zog sie an
sich : Ganz allein bist Tu gekommen?
Tu hast den Weg gemacht, den ich zu
gehen zu feige war?"
Ganz allein bin ich doch nicht gekom
men," berichtigte Gretchen. Einmal
hat mich eine Frau geführt und dann
:in Herr. Ich bin auch einmal hinge
fallen, aber es hat mir nichts geschadet.
Sind Sie nun wirklich nicht mehr böse,
Herr Franz?"
Er ging unruhig hin und her. Lina
ist so traurig," fuhr Gretchen fort.
Sie will es mich nicht merken lassen,
ober ich weiß eö doch. Und ihr Gesicht
ist so schmal geworden, ich fühle es,
wenn ich es streichle."
Er blieb stehen und sah auf das Kind
herab; seine ehemalige Verlobte, er
selber, ihr Zcrwürfniß, Alles erschien
ihm mit einem Male in einem ganz
anderen Licht. Und auch das blinde
kleine Mädchen sah er mit anderen
Augen an. Tas war nicht etwas, was
man so ohne Weiteres bei Seite schie
ben konnte. Er sann ein wenig nach,
dann setzte er sich, zog das Kind an be'
den Händen zu sich heran und sagte :
Tu meinst, daß Lina nicht böse anf
mich ist, daß, wenn ich zu ihr zurück
komme und ihr selber den Ring wieder-
bringe, zwischen ihr und mir Alles
wieder sein wird wie früher."
Aber sie ist ja gar nicht böse gewe
sen!" rief Gretchen.
Nun höre wohl auf das, was ich
Tir sage. Wenn wir uns verheirathen,
Teine Schwester und ich, so nehme ich
sie mit mir, das weißt Du doch? Sie
wird Dich dann noch besuchen ; aber sie
gehört dann nicht mehr zu Dir. Sie
gehört vo da an ganz und gar mir."
TaS Kind hatte mit gesenktem Kopf
zugehört und auf seine Frage genickt.
Seine kleine Brust hob sich zittern,
es drückte die Augen zu, wie es zu thun
pflegte, wenn es eine Erregung be
kämpfte dann kam es schüchtern, kind
lich rührend heraus!
..Ich darf sie aber doch noch lieb
haben, auch wenn sie mir nicht mehr
gehört?"
Er hob die Kleine auf, drückte sie an
sich und küßte sie. Kind! Liebes
Kind !" rief er heftig bewegt. So viel
klüger und besser als ich, der ich so hell
zu sehen glaubte ! LicbcS, liebes klei
nes Grekchcn!"
Ihr wurde bei seinem Ungestüm
bange, sie versuchte sich loszumachen.
Lassen Sie mich jetzt gehen, Herr
Franz; Lina ist vielleicht schon nach
Hause gekommen und ängstigt sich um
mich."
Tas ganze Haus war in Aufregung
und Angst. Als Lina zurückkam, trat
ihr Frau Borger mit der Frage ent
gegen: Wissen Sie, wo Gretchen
ist?" Und nun begann das suchen.
Im Hause keine Spur von ihr; ihr
Hut, ihr Mäntclchcn fehlten. Man
ging hinaus auf den Stufen waren,
soweit das Vordach sie bedeckte, die
Fußstapfen erkennbar, das war Alles.
Man rief, man suchte, umsonst. Wohin
konnte sie gegangen sein und mit wem?
Es war ein Räthsel, deren Lösung man
ebenso suchte, wie man sie fürchtete.
Wie Lina wohl zum zehnten Male
aus der Hausthür trat, hörte sie einen
Schlitten hcra.'.rommen und halten.
TaS Gitterthor wurde geöffnet. Lina !
Lina! bist Tu da?" rief eine helle
Kinderstimme.
Sie stürzte die Stufen hinab; unten
kam Gretchen ihr entgegengelaufen.
Sie brachte kein Wort heraus: auk den
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Knien siegend preßte sie das Kind a
sich und bedeckte sein Gesicht mit Küs
sen. Sei l.icht bise. daß ich fortging.
Ich bin jc: wieder da," sagte das Kind
schmeichelnd, 'lber Tu siehst wohl
gar nicht, wer mich hergebracht hat?"
Erst jetzt bemerkte Lina den Mann,
der hinter Gretchen stand. Sie erhob
sich rasch. Sie haben sie gefunden?"
sagte sie befangen.
Nein, Lina," antwortete er. .Sie
hat mich gefunden. Ganz allein ist sie
zu mir getommen und hat mir gchol
sen. mich selber wiederzufinden und
Tich. Willst Tuben Ring noch einmal
annehmen und niich dazu? Tenke,
daß unsere kleine Schwester für mich
bittet."
Lina verstand nicht Alles, was er
sagte, aber die Hauptsache begriff sie
doch, und ihre Augen gaben ihin die
Antwort.
Jetzt habe ich Tich erst recht, da
ich Euch Beide habe!'" rief er glück
selig aus und zog sie an sich. Wie sie
sich einen Augenblick später über das
Kind beugte, u.n eö zu küssen, strich
Gretchen ihm zutraulich über die
Wange.
Jetzt wirst Tu mich auch ein bis
chen lieb haben, nicht wahr?" sagte sie.
Ich habe ja doch den Ring gefunden."
K.lrnrvals-Abrntcurr.
Humoreske Max Lraulil.
Tie junge Frau Toktor" war schon
drei Jahre verheirathct und hat so gut
wie nichts mitgemacht. Ihr Gemahl,
der Rechlsanwalt, hatte so viel mit
böswilligen Leuten zu thun, die ihre
Wechsel nicht bezahlen oder sonstige
Unthaten begehen, daß er nur feiten
einen freien Abend dem Vergnügen
widmen konnte. Wenn seine Gallin
darauf anspielle, daß ihr der interessan
teste Klagefall äußerst langweilig vor
komme, dann lächelte der Herr Toktor
nur mit den Worten : Klagen, überall
Klagen," und zog eine Anklageschrift
hervor, um sie wahrend der Mahlzeit zu
lesen.
Kein Wunder, daß die lebenslustige
Gattin ein immer heftigeres Verlangen
nach heilerer Abwechselung empfand
und endlich die günstige Gelegenheit
benutzte, um den Wunsch zur That wer
den zu lassen, alö ihr Mann eine
Geschäftsreise nach Berlin antreten
mußte.
Zur selben Zeit empfing die junge
Strohwillwc den Besuch ihrer Frcu'i
bin Jda, einer sehr unternehmenden
Tame. Gerade als sie sich bitter über
die Eintönigkeit ihres Tascins be
klagte, überkam sie die unübcrwindbare
Sehnsucht nach einer außcrgewöhn
lichen Unterhaltung. Sie wollte, sie
mußte etwas unternehmen, eine
Tummhcit, einen tollen Streich, was
immer, aber eine Unterhaltung wollte
sie haben.
.Klärcken." meinte Frau Jda, Tu
hast kein Talent zu so 'was, Tu wirst
)cn Muth verlieren."
Stelle mich auf die Probe, Jda."
Wie ivare es mit einem Masken
!all? weißt Tu ich meine einen
jener, die nicht gerade von Gräfinnen
irnd Baroninnen besucht werden, wenn
nich eine Fürstin Pignatelli dort den
Lorsitz führt."
Also im Kristallpalast? Warum
zcnn nicht?"
Gut, ich gehe mit Dir. Aber wir
zehen allcine, das heißt ohne mann-
iiche Begleitung. Kannst Tu bis heute
:in Maskenkostüm bereit haben?"
Gewiß."
Tann abgemacht. Um neun Uhr
hole ich Tich ab."
Kurz vor zehn Uhr betraten die bei
den Freundinnen den Partcrrc-Saal
des KrislallpalasicS. Frau Klara war
entsetzlich ausgeregt, so sehr, daß sie
einen Augenblick vermeinte, umsinken
zu müssen, und rasch die Larve abnahm,
um ein bischen freier athmen zu können.
Bald aber Halle sie sich erholt und
schritt wieder masiirt in den Saal.
Ehe sie sich 'S nur versah, war sie von
ihrer Freundin getrennt und von zahl
reichen Herren umgeben, denen ihre
elegante Erscheinung sofort aufgefallen
war. Einer derselben, ein junger Mann
benahm sich bald derart ungenirt,
daß sich Frau Klara seine Huldigun
gen" fast nicht mehr zu verwehren
wußte. Ta, in ihrer höchsten Bedräng
niß sie war schon nahe daran, in
Thränen auszubrccken trat ein alte
rer, ziemlich dislinguirt aussehender
Herr auf sie zu und reichte ihr den
Arm und sagte höflich :
Bitte, gnädige Frau, begeben Sie
sich unter meinen Schutz."
Zitternd folgte die Tame der Aui
forderung und ließ sich willenlos fort
führen. Beruhigen Sie sich dock, meine
Gnädige." tröstete sie ihr Retter, von
mir haben Sie nichts zu furchten. Aber,
mein Gott, Sie sind ja ganz erschöpft,
Sie müssen etwas genießen. Sie
haben vielleicht noch gar nicht soupirt?"
Frau Klara verneinte.
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Fleisch-! Wurst-
Handlung
von
IYI. Wagner & Co
145 südl.w. trabe.
53?" Die feinsten sclbstzemichtcn Bcat,
Leber, Knack und Äiener-Würste stets vsr
räthig. Fleisch zu den niedrigsten Preisen.
ommt uad üderztUtt ach selbst.
R -
k !
, eaiui hilf,! eo das Veiiminue
nachholen."
Und rasch Halle der Fremde einen
Tisch in den oberen Kolonnaden in
Besitz genommen und ein feines Abend
essen bestellt. Er aß für Zwei und
trank Eliampugner für Vier, die Tame
nippte nur an ihrem Glase und sendete
verzweifelte Blicke durch den Raum,
um ihre Freundin zu entdecken.
Sie suchen wohl Jemanden?" fragte
sie ihr Kavalier.
Nein, mei meine Freundin," stot
terte Klara, sie hat denselben Domino
wie ich."
.Ich schaffe sie Ihnen zur Stelle,"
versicherte der galante Fremde, ver
tilgte den Rest der zweiten Flasche
Champagner und verschwand.
Eine Stunde verstrich, zwei Stunden
waren um weder Jda, noch der
Fremde erschien. Klara, die wie ange
wurzelt an ihrem Tische gesessen hatte,
hielt es nicht länger aus und wollte
selbst auf die Tuche gehen. Als sie
Miene machte, sich zu entfernen, trat
ihr der Zählkellner entgegen mit den
Worten :
Entschuldigen Sie. Tie Rech
nung!"
Entsetzlich. Ter Fremde hat nicht
bezahlt und Frau Klara trug nicht eine
Mark in der Tasche, da ihre Freundin
als Zahlmcisterin funktioniren sollte.
Was sollte sie thun? Verlegen streifte
sie einen werthvollcn Ring vom Fin
ger und stammelte:
Nehmen Sie indeß dieses Pfand,
ich werde es auslosen."
Ter Kellner prüfte mit einem flüch
tigen Blick den funkelnden Diamant
und die augenscheinlich verzweifelte
Dame, verstand sofort die Situation
und sagte höflich: Bitte."
Frau Klara stürinke fort, durcheilte
die Riesenraume des Kristallpalasics
und cntschloß sich endlich, da sie Jda
nirgends fand, allein nach Hause zu
fahren. Da an dem MittelauSgang
stoßen die beiden Freundinnen aufein
ander. Gott sei Dank! Jda!"
Klara, wo steckst Du denn? Ich
suche Dich fortwährend!"
Und ich Dich! Ach. Jda, ich bin
außer mir, ein Abenteuer"
.Lustig?"
Fürchterlich! Aber vor Allem mei
ncn Ring,"
- Tu hast ihn verloren?"
Rein verpfändet ! Aber komm,
Tu wirst Alles erfahren."
Tie Damen eilten in die oberen
Kolonnaden zurück. Wie Klara ihren
Kellner entdeckt, bemerkt sie auch den
galanten Fremden, der eifrig mit ihm
spricht. Wie aber der bewußte Herr fi
erblickt, enteilt cr.
Tcr Herr hat ihren Ring auslöst..
wollen," berichtet der Kellner.
Um Gokkcö willen, Sie haben es
doch nicht?"
Keine Spur. So dumm sind wii
nickt. Ta ist cr. Aber die Rechnung ist
nicht bezahlt."
Wie viel betragt sie?"
Zwciundzwanzig Mark mit den
Cigarren."
Hier."
Ich danke."
Frau Klara hat ein echtes und rechtes
Abenteuer erlebt. Sie hat sogar mit
einem Herrn soupirt und das ist
originell das Souper für ihn bezahlt.
Heute denkt sie nicht mehr daran, eine'
unternehmende Frau zu spielen. TaS
eine Auftreten in dieser Rolle war zu
aufregend. Aber wissen mochte sie,
wer der alte Herr war, der ihren Gat
ten so gut kennt. Sie sagt: ein Son
derling, Frau Jda behauptet: ein Gau
ncr, und die Letztere dürfte Recht be
halten. (Acihinltfnsplittrr.
mitn'bnicst Mancher sein Ehrgefühl, m
seine Ehrgeiz zu befriedigen.
Mancher erhll dir seine Geheimnisse Mo,
nni deine ebenen i cwahreii.
.'iiiü ven "ji n 11 geht ant,
Zausend con Tan send auch.
tnte vVhn n weiden ersi durch den Kommen
kr der Erfahrungen verscandiich.
Tcs Indianers Pfcil und Bogen.
Eö besteht vielfach die Annahme, daß
tie Indianer mit der mehr und mehr
unter ihnen Platz greifenden Kultur
auch ihre alten Waffen, wie Pfcil und
Bogen, bei Seite gelegt haben und
sich der modernen Feuerwaffen bcdic
ncn. Diese Annahme ist nach einem
Berichte der Jndianerkommission
falsch. Tie Rothhüute im Weiten
benutzen noch allgemein Pfeile und
Bogen, und auch die Indianer an der
Rordivesiküste, die sich ihren Lebens
unterhalt ausschließlich durch Jagd und
Fischsang verschaffen, verwenden noch
diese angestammten Waffen. Im
klebrigen befinden sich bei ihnen noch
Mesier, die Kricgskcule und der Speer
im Gcln'iiiich. Zu den Bewohnern des
Oiccii EHarlollc- und Prinz of Wales
Archipels gehört der Haida-Jndianer-stamm.
TieseRothhäute erlernen Hand
wcrkc und eignen sich die von Missio
närcn und Handwerkern ihnen gelehrten
ttenntnis'e ".;:d Fettigkeiten schnell und
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mit Eifer an. Nichtsdestoweniger han
gen sie an ihren ererbten, primitiven
Waffen. Wahrend der langen Winter
abendc sitzen die alten Haida-Jndianer
vor dem Herdfeucr und schnitzen Bogen
und spitzen Pfeile.
Ter Bogen der Indianer hat ge
wohnlich eine Länge von 3$ bis 4 Fuß.
Tic Veiten Bogen verfertigen fie aus
dem Holze des Hickorhbanmcs, der
Ecdcr, der Esche, der Ulme, dem
Pflaumen- odcr dem Kirschbaumc.
Mancke der Bogen werden noch beson
dcrs durch Thicrsehncn und Leim halt
bar und widerstandsfähig gemacht. Fast
jeder Stamm besitzt Bogen voirdrcicrlci
verschiedenen Großem Ten größten
Bogen benutzen die RotHHäute im
Kriege, und kein Indianer wird ale
Krieger angesehen, so lange cr nicht
diesen Bogen zu handhaben versteht.
Tie Erow-Jndianer stellen oft au
dem Hörne des ElcnnthicrcS Bogen
her, die sie niit schönen Schnitzereien
verschen, wahrend die Schwarzfuß'
Rothhaute Knochen und andere Stäinme
das Horn des Bcrgfchafeö alSMnterial
für ihre Bogen verwenden. Tic aus
Knochen gefertigten Bugen find die
werthoollfien, und es ist schon vorgc
kommen, daß ein solcher Bogen für
zwei Ponies und fünf Pfund Butter
verlauft wurde.
Beinahe jeder Jndiancrstamm fabri
zirt sich auch noch seine eigenen Pfeil
spitzen. Als solche verwenden sie gc
mciniglich Feuerstein. Stahl zu Pfeil
spitzen ivird den Rothhüuten durch die
Pclzhändlcr im Felsengebirgc gclie
fcrt, während eiserne Pfeilspitzen oft
aus alten Faßreifen gefertigt und mit
einem Stück Sandstein hergerichtet
werden. Tie Speere der Indianer be
sitzen eine Länge von 12 bis 15 Fuß.
Sie sind modern und haben eine
Klinge aus polirtcm Stahl. Tie
Schilde bestehen aus Thierhäutcn. Für
die früheren Schilde verwandte man
die Haut voin Halse des Büffels.
Tie zu Schilden benutzte Thierhaut,
wird mit einem Leim getränkt mid
gchärtet, den man aus Hufen gewinnt.
Tie Schilde find vollständig pfcilsichcr
und werden auch eine Flintenkugcl
abprallen lassen, sobald der Schild
schief gehalten wird. Seildcm die
Gelegenheit zum Kncgführcn für die
Roihhaulc immer seltener geworden ist,
haben viele der letzteren ihre besten
Schilde für einige Flaschen Feuer
wasscr" verkauft. Sie finden sich jetzt
über das ganze Land verstreut und
werden als Kuriositäten aufbewahrt.
CiHile Steine, die an ihrem größten
Umfange gerieft sind und deren Hand
habe aus Weide oder einem Leder
riemcn besteht, bilden die gefährlichen
Kricgeteulcn. Tomahawks, die von
Weißen gefertigt werden, haben diese
Kricgskeulen bei den Indianern in
dem Maßslabe verdrängt, den man für
die Flinte gegenüber Pfeil und Bogen
annimmt. Neuere Tomahawks tragen
eine englische Handelsmarke. Sie
kosteten ursprünglich pro Stück etwa
15 Ecnto, wurden aber an die Roth
häute für nichts weniger als ein, viel
leicht auch zwei Pferde abgelassen.
Manche andere Gegenstände und Gc
bräuche aus vergangenen Zeiten haben
sich die Indianer bewahrt. So dienen
ihnen rohe Messer aus einer Art Quarz
noch zum großen Theil zum Abhäuten
X v flv(st,vti t -fi iitiA nf so .iXirtst
t'H Willl.llllt'llIUjl., lltUUlllxUUIUl.ll
ziehen es heute noch ver. Bäume in
der Weise zu fällen, daß sie die Wur-
zcln anbrennen und daö Feuer so lange
unterhalten, bis sie durch einige Hiebe
mit einer Steinaxt den Baum zum
Stürzen bringen können. Bei ihren
festlichen Veranstaltungen ist es für die
Indianer noch ein Hauptvcrgnügen,
sich ihrer Kleider zu entledigen, den
Korper mit allen Farben deö Regen
bogcns zu bemalen und auf ihre Köpfe
Hörner zu seyen. Ter zu den Palouse
Snnke-Jndiancrn im Staate Washing
ton gehörige Häuptling Wolf ist der
Vanderbilt unter den Rothhäutcn.
Sein Vermögen wird auf K5u,,lu
geschätzt. Er fährt in einer eleganten
Kutsche und besitzt ein bequem einge
richtetes Haus. Nie aber schläft cr in
diesem Hause, sondern stets verfügt
er sich, gleichviel wie schleckt das
Wetter in, zu dem Zwecke nach seinem
Jndiancrzelte. Auch sonst zeigt cr in
seinen Handlungen, daß er einen Theil
seines Lebens als Wilder verbrachte.
Mit Stolz erzählt er noch, daß cr ein-
mal 3(i 0 Bisons über einen steilen
Abhänge in der Nähe des SnnleflusieS
getrieben habe, so daß die Thiere durch
den Sturz alle umgekommen seien.
Tic Erzählung mag auf Wahrheit be
ruhen, denn in der That fand man
später an jener Stelle große Mengen
von Knochen.
Außerordentlich reiche
Jagdbeute wurde während der
Jagdsaiion des Vorjahres auf der von
Rothschild 'schcn Herrschaft Schiller"
dorf, Oesterreich, gemacht. Man erleg
nämlich an Nutzwild nicht weniger a,
20,i::j Stück, cm Raubzeug
Siück.