Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 07, 1895, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Doftcrsrub".
3' oh Rat! ZtxtSti.
Ttx Stab; 1. Kliffe Dr. Stab,
ist war eine der beliebtesten Persönlich
keilen in der kleinen Garnison. Cr war
auch ein prächtiger Mensch, an dem kein
Makel war, außer, daß er kein ge
sattelte Pferd echn gleit sehen konnU.
Die beunruhigende Phantasie: daß er
selbst etma von einem tückischen Schicksal
dazu bestimmt sei, den Platz tm Sattel
einzunehmin, konnte ihm jür 24 Stunden
die Gemülhiruhe rauben. Der Regi.
mentttommandeur und die Rittmeister
hatten von jeher aus diese Schmäche
liebenIsLrdigsie Rücksicht genommen, und
waren wohl Iah? vergangen, ohne
daß man den Doktor je auf dem Rücken
eine jener wilden Thire hatte talanctren
sehen.
Da brach eine? schönen Lenzmorgen
da Unglück über den Aermstea herein.
Der all Kommandeur der Division, zu
der tat Ulanenregiment gehörte, halte
seinen Platz wem jüngerin geräumt, und
dieser mvllte zu Beginn der bevolstehei.den
SchmadronSbestchligung sich da Ossi'
zierskorp!, und darunter auch die Herren
Aerzte vorstellen lassen.
Ohne eine Miene zu verziehen, la der
schnauzdZrtigt Wachtmeister der ersten
Eskadron am Samstag Mittag nach der
ParvleauSgabe au seinem dicken, ledernen
Notizbuch dem Stabsarzt solgenden er.
kckreckendea NaffuI vor: .Regiments,
befehl: Am Montag früh 7 Uhr stehen
die Eskadron in RendezoouSformation
nebeneinander an der Sädwestecke deS
grohen Crerzitiplahe Front nach dem
tesernwätüchkn, Anzug u. . w.; vazu
die Herren Aerzte....
Der Doktor erdleicbte. Aber noch ein
schwacher Hoffnungsstrahl dämmerte in
seiner Geel. .Bertilen,- fragn er
mit einer so ausgesucht gleichgiltigen
Miene, dasz Jevermann vaourq au,
Festtage erscbreckt werden mußte.
.Jawohl, Alle beritten erwiderte
der iMackt meist er: und ohne von seinem
Notizbuch auszusehen, la er dann in
seinem lauten, gletchsormigen n,onjau
wetter. Nicht hörte ver orior mea,
von der ganzen stolzen Folge der Gar
niknn.Rekeble. die st für einen so wich
tigen Tag al nöthig erweisen, erst al
der Wachtmetster rauspernv lnne tzitii
und da Buch zuklappte, erwachte Dr
Stabeisen au finsterem Brüten.
So. ko.... Danke, lieber Becker
also Montaa früh 7 Uhr. hm. Wollen
Sie nieM ein SchnZvSchtn trinken
Becker? Kommen Sie, kann nicht
schaden. '
Der Wacktmeiiier Becker antwortete
nur dadurch, daß er seinen Schnurrbart
ein wenig vewegte, was einem wom
mollenden i'Zckeln aleickkam und sich Oiii'l
Neue rZnsverte. Dr. Stabeisen trat in
da Nebenzimmer, wo seine am Fenster
sitzende Gattin an einem Gegenstand ar
beitete, der eine täuschende Ähnlichkeit
mit einem wouenen rrumps yarre
.Will Becker'n 'n SchnäpSchen ein
Sänken. kaate der Art entschuldigend
nabm vom Büffet wel Gläser und auS
dem Schrank die Coanacflische und
tiinnkltt wieder in die Worderiiube urück
.So, Becker sagte er, die Gläser
füllend, das wird uns gut thun. Prosit l
,P.rrost, Herr Stabsarzt," erwiderte
Becker, die Sporen zusammenschiagenv,
setzte dann da GlaS vorsichtig an die
Lippen und goß e mit plötzlichem Hin.
überkippen des HaupteS herunter, worauf
er sich nach alter Gewohnheit stark
rSusperte und den dicken Schnurrbart
mit dem Daumen nach recht und link
abwicht.
.Na, auf iaem Bei kann uiai, nicht
stehen, Becker philosophirte der joviale
Doktor und füllte die GiSer noch etn
mal. 5Sren Si 'mal." fuhr er.
kein GlaS rbedend. fort wie wird
da nun mit dem Pferd für mich? Ich
habe auch lange nicht aus solchem wa
gesessen Sie geben mir doch ein ruhi
ge Thier?'
Zu Befehl, Herr Stabsarzt sagte
der Wacktmeifjer. .da ist der alte Wel
lington, der ist so fromm wie ein Lamm,
den können Herr Stabsarzt bekommen."
.So, das tft seyr ,qsn, Becrer. Wttl
IM obne Unarten?'
.Wie ein Kind, Herr Stabsarzt, und
die Kommandos und Signale kennt er
besser wie jeder altgedtente isolvak. Aus
Kommando ,Tr ab!' trabt er ganz
alleine lo.
So so sagte der Stabsarzt, in
der heimlichen Hoffnung, die letztere
Eigenschaft de alten Wellington nicht
kennen zu lernen.
Mit lachendem Himmel und hellgolde
nem Sonnenschein war der Montags
morgen da, und die stille Hoffnung des
Doktor, daß die Vorstellung vielleicht
wegen eine starken Wolkenbruchs aus
fallen könnte, wie sich als höchst un
zuverlässig. Doch ging Alle besser, al
er geglaubt hatte. Nachdim er den. alten
Wellington an allen Körpertheilen
freundlich abgeklopft und ihn mit Zucker
stücken beinahe erstickt hatte, erklomm er
mit Hilfe eine hohen KüchenschemelS
da spitze Rückgrat, steckte die Fußspitzen
vorsichtig in di Steigbügel, und dem
Burschen gelang e ohne Schwierigkeit,
den Veteranen in Gang zu bringen.
Wellington fand den Weg zur Schma
bron ganz allein, sein träumerische
Pflkgma stach seltsam von der nervösen
Unruhe ab, die die ganze Garnison be
herrscht.
Aus dem RendezvouSplatze wurden
noch einmal Pferd und Mann einzeln
von Osstzieren und Unteroffizieren ge
mustert, dann begann die Aufstellung.
Der Siabsarzt war der einzige Jünger
AeökulzrpS, denn der Assistenzarzt war
im Lazare,h beschäftigt und der Ober,
stabSart zur ASheSungSkomuiission st
kommandirt.
Ver
Jahrgang 15.
Klopfenden Herien hielt der Doktor
beim Stäbe. Bisher war Alle gut ge
gangen wie aber, wenn er gar eine
Attacke
.Ercellenz kommt!' rief ein Unter,
olsizier, der als Vedetie auSgkflellt war
und richtig: süns Reiter trabten quer
über den Ererzierplctz ans da Regi
ment ju.
.Stillgesessen tönte da? Kom
mando und fuhr wie ein elektrischer
Schlag durch die Elider der Ulanen.
Der General setzte fein Pferd in Ga.
loxp, der Regimenlikommandeur sprengte
ihm entgegen und überreicht ihm die
Rapporte.
Seine Ercellenz wollte sich zuerst die
Offiziere oolstellen lassen, e kam da
Kommando .Rührt Euch die Offizier
sammklten sich und wurden der Ancienne
tät nach dem Oberst vorgestellt.
.El freut mich, meine Herren be
gann der General, mit scharfer Stimme
jede Wort einzeln betonend. ,e freut
mich, Sie kennen zu lernen und mit einem
s bewährten alten Regiment, ie daS
Ihre, in dienstliche Beziehungen zu treten.
Was ich heule sehen will, meine Her
ren, sind vor Allem Bewegungen. Zei
gen Sie mir, Herr Rittmeister sind
doch erste Eskadron, nicht wahr? zei
en Sie mir zuerst einfache Bewegungen
m Schritt, im Trabe, .apropos,
unterbrach er sich mit einem Blick auf den
Doktor, .dem Herrn Stabsarzt danke
ich. Sie werden zu Haufe im Lazareth
zu thun haben, danke sehr.'
Seit jenem Tage, da seine ölte Erb,
tant in sanfter Tod von ihren irdischen
Leiden erlost hatte, war dem Doktor nicht
so wohl um' Herz gewesen al in diesem
Augenblick. Seine Brust hob sich wie
in JünglingSzeiten. Mit energischem
Schenkeldruck steuerte er den alten Wel,
lington, der störrisch bei den Pferden
bleiben wollte, au dem Kreis heraus
und da fein Muth in dem Maße gewach,
sen war, wie di Erfahr abgenommen
hatte, nabm er da treue Roß fest an die
Zügel und dirigirte mit Entschlossen,
heit dem Kirchthurm zu, der jinseit de
Platze die Lage des Städtchen anzeigte.
Dem Doktor yuptie da erz vor
Frude. Erst jetzt bemerkte er, daß e
ein wunderschöner Morgen war, daß der
Himmel im Sonnenschein ein prächtiges
Blau ausgespannt hatte, und daß die
Lieder von hundert unsichtbaren Lerchen
trillernd und jubilirenb herniederklangen,
leise begleitet von dem tiefen Summen
spielender Insekten, wie von fernen Har
sentönen. .Jetzt blos noch eine gute
Zigarre', schmunzelt der Doktor nur
hatt er leider heute den besten Waffen
rock angezogen und natürlich in der Err
gung vergessen, sein Etui einzustecken.
Doch schien das Glück ihm heute jeden
Wunsch erfüllen zu wollen, denn kaum
war ihm der Gedanke gekommen, da be
merkte er hundert Schritte seitwärts die
KasinviOrdonnanz, mit mächtigem Früh
ftückskorbe einem Verstecke zuschleichend.
Da nämlich die Besichtigung der Schwa
dronen inzeln nacheinander stattfand,
und da Ganze ziemlich bis Mitlag
dauert, so hatten die Osnziere sich grub
stück herauöbestellt. Die Ordonnanz
wird in solchen Füllen in ein kleine Ge
büsch postirt, und nach und nach drückt
sich ein jeder der Herren mal auf ein
Viertelstündchen, um bei einem Glase
Portwein und einem Brödchen neue Kräfte
zu sammeln.
.Pst! Ordonnanz!' rief der Stabsarzt
still haltend und sich vorsichtig nach dem
General umsehend. Der aber hielt hin
ter iner kleinen Bodenwelle und beob
achtet schars die Bewegungen der Schwa
dron. .Pftl kommen ie 'mal her!
Haben Sie auch Cigarren da drin?'
.Zu Befehl. Herr Stabsarzt.'
.Geben Sie doch 'mal ein her, mein
Sohn.
Die Ordonnanz kam herbei, stellte den
Korb hin und suchte zwischen Flaschen und
eingewickelten Brödchen eine kleine Kifle
hervor.
.Donnerwetter wa haben Sie da
Alles drin!' sagte der Doktor mit einem
lüstern funkelnden Blick auf die Flaschen.
Zeigen Sie doch mal den Korb.'
Der Mann hob den Kord empor, der
Doktor faßte ihn mit beiden Händen am
Henkel und setzte ihn vor sich auf den
Sattelknopf.
Ei. den Tkusel sagt er schmun,
zelnd, .vondem zwetundachtzigerSherro?
Donnerwetter, und LachSsemmel? Da
ist doch für mich aS übrig, wie?'
Jawohl, Herr Stabsarzt, ich habe
reichlich mitgenommen.
.Et, i, da ist samos sagte der
Stabsarzt. .Haben Sie 'n Korkzieher?
Ziehen Sie mir doch 'mal 'ne Flasche
auf." Und schmunzelnd reichte er eine
Flasch Sherru hinunter, wickelte dann
ein LachSbrödchen aus dem Papier und
biß herzhaft hinein.
Da plötzlich hörte er hinter sich ein
verdächtiges Geräusch, das noch verdäch
tiger dadurch wurde, daß der alte Wel,
lington den Kopf hob und die Ohren
spitzte. Der Doktor blickte sich um, und
o raus! Die ganze ererzlerenve
Schwadron kam in schnfem Trabe auf
die Stell zu, wo er hielt.
.Nehmen Sie den Korb! nehmen Sie'
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Ztaats-Slnzeiger.
rief der Arzt erblassend und ließ vor
Schrecken da LachSbrödchen fallen.
Die Ordonnanz aber Halle gerade die
Flasche zwischen die Beine geklemmt und
mühte sich mit dem Pfropfenziehea.
.Lassen Sie, um GotteSmill
wer! er kam Dr. Stabeisen nicht, denn In
diesem Augenblick ertönte dicht hinter ihm
daS hellschmetternde Trompeterstgnal:
.Schenkel ran! Schenkel ran!
Laßt ihn laufen, wa er kann!'
Kaum hatte der alte Wellington diese
Töne vernommen, da hob er den Schwanz,
galoxpirte vom Fleck weg lo und
fauste verirr a terre zur Schwadron
heran. Der Doktor stieß einen leisen
Schrei aus, faßte mit der einen Hand
krampfhaft in die Mähne, mit der anderen
hielt er immer noch den gewaltigen Früh
ftückskorb vor sich auf den Sattel
knöpf. . . . Wellington setzte sich an die
Tete der Schwadron und raste mit stolzer
Todesverachtung den Anderen weit vor
aus mit dem ganzen Frühstücke dahin.
.Zum Teufel! Wer ist da? fragt
der General, die Augen mit der Hand be
schattend, .wer jagt denn da wie besessen
vor der ESkadron her?'
.Der Stabsarzt, Excellenz sagte der
Oberst, da Gesicht verziehend, röhrend
der Adjutant sich hinter dem Rücken der
Beiden vor Lachen krümmte.
,Wa hat er denn da für 'n riesiges
Ding vor sich aus dem Pferdes' fragt
der General weiter. Steht auS wie
großer Waschkorb. Wa? Hat doch
keinen Kranken drin, wie?'
Klirr, schmettert in diesem Augenblick
der Korb zu Boden.... die Schwadron
fetzte darüber hinweg. Wellington
macht eine Schwenkung vor dem Ge
büsch inen Augenblick sah man noch
den Stabsarzt wie ein Bündel am
Pferde hängen dann purzelte er dicht
vor dem Busch zur Erde und überkugelte
sich zwei Mal hinter einander. . . .
E hatte ihm nicht geschadet nur !e
fand er sich kurze Zeit darauf in einer
anderen Garnison.
.Unglaublich!' soll Ercellenz gesagt
haben, .mit solcher FrühstückSktep tm
Lande herumzureiten! Wo hat er die
nur so schnell hergekriegt?'
Der denkwürdige Platz aber, von jener
teile, wo der Korb über zerbrochenen
Hälfen im Sonnenschein gelegen, big zu
jenem Gebüsch, wo der Doktor glücklich
auf dem Boden anlangend, Ruhe vor
dem kriegerischen Wellington gesunden
hatte, heißt noch letzt tm ganzen Re
giment nicht anders als .DoktorSruh.'
llleiße kilien.
Novellette von A. B e l o t.
Die Kriege des ersten Kaiserreichs
hakten ihr nacheinander ihren Mann, der
Rittmeister gewesen war, und drei Kinder
getödtet.
Verzwkiselt, dem Wahnsinn nahe, ver
abscheute sie jetzt den Kaiser, wie sie ihn
ehedem geliebt und bewundert hatte. Sie
trug einen wüthenden Haß gegen diesen
Eroberer, diesen Mensch ensress er wie
sie ihn nannte diesen Kindermörder,
Sie betete um seinen Sturz, und da
dieser kam, dankte sie dem Himmel.
Ihr war noch ein Sohn geblieben, ein
einziger, an dem sie mit abgöttischer Zärt-
lichkeit hing, er war klein und schwach,
trotz seiner 20 Jahre, während die
anderen Söhne groß und stark gewesen
waren. Er war gut wie die Anderen,
liebevoll, zärtlich und auch tapfer, wie sie.
Von seiner Mutter hatte r die Anmuth
und Schwache, von seinem Vater die
Festigkeit und Kühnheit.
Aber was hatte sie zu fürchten? Jetzt
nicht. Europa, müde, entvölkert, wollte
keine Kriege mehr; alle Nationen ruhten
aus enoltch.
Ludwig XVIII. hatte bei seiner Thron.
befteigung den Frieden versprochen. Sie
glaubte, wie alle Mütter, an den ewigen
Frieden, so lange der König lebte, so
lange die BourbonS auf dem Throne
wären; und sie war eine glühende
orzaltsttn geworoen.
Da der Sohn an Alter und Intelligenz
zunahm, wollte sie ihm ihre Ideen, ihre
Mlinungen, wie sie irrthümlicher Weise
sagte, beibringen.
Achtungsvoll hörte er sie an, ohne zu
widersprechen. Aber leise, ganz leise
flüsterte ihm eine Stimme zu: Wenn
mein Vater, meine drei Brüder sür den
Kaiser gestorben sind, so geschah', weil
sie ihn liebten und bewunderten; ich muß
ihn lieben und bewundern, wie sie.'
Bann las er heimlich die Geschichte
der verflossenen Jahre; sie erschien ihm
herrlich, großartig. So wurde er all
mählich, tn Erinnerung an die Seinizen,
au Bewunderung sür ihren Feldherrn,
Imperialist, neben seiner Mutter, die
Reyalistin war aus Verzweiffang, aus
Furcht.
Wenn aber zu dieser Zeit Frankreich
mit den Nachbarvölkern friedlich lebte, so
haderten die Franzosen untereinander
desto unerbittlicher; niemals hatte da
Duell so schrecklich gewülhet als während
dieser ersten Jahre der Restauration. ES
war ein Fieber, ein Seuche, ein all
gemeine Bethörung. In der Provirz,
wie iu Paris schlug man sich für ein An
stoßen mit dem Ellenbogen, für einen
Blick, für ein Nicht, erst recht, wo e
eben war, in Feldern und Wäldern,
manchmal selbst Nacht in den Straßen
unter iner Laterne, mit oder ohne Zeu
gen, gleichviel; man hatte eS so eilig, sich
zu tödten. Nach 20 Jahre der Kämpfe,
nach Schaffst und Kanonen, nach hundert
Schlachten hatte sich Frankreich noch nicht
beruhigt und athmet noch Pulver und
Blutgeruch.
Die GardeS du CorpS, die das neue
Regime darstellten und die Offizier deS
Kaiserreich auf halbem Sold, waren die
eifrigsten, sich gegenseitig umzubringen.
Gab e kein regelrechte Duell, so such
ten sie mit irgend Jemand Streit, gleich
viel warum, nur um sich die Hand ge,
lenkig zu halten und ihre Heldenthaten
zu vermehren.
Damals durfte man feine Meinungen
nicht offen zur Schau tragen. Wer aus
sein Leben eima gab, mußte sich wohl
huien, zu sagen: Ich bin für den Kö
nig" oder .Mein Mann ist der Kaiser.'
Ein früherer Offizier Napoleons oder
ein junger Royalift hätte sogleich mit ihm
angebunden. Ganz besonder gefährlich
war S, gewisse Dinge an sich zu tragen,
die als sinnbildlich Zeichen galten; ge
wisse Blumen durft man nicht mehr lie
ben: die Lilie war das triumphirende
KSnigthnm, daS Veilchen war die be
siegte, aber noch ununterworfene, für die
Zukunst rüstende Kaiserreich
Wenn Madame Lefevr, die Frau dcö
Rittmeister, von all' diesen Geschichten
hörte, prte, sie sich glücklich, daß ihr lie:
der Robert so klein, blond, rostg auSge
fallen war, mit KinderhSnden und Füß
chen. Wer sollte so seig sein, sich mit
ihm schlagen zu wollen? Wer würde
seinen Ruhm darin finden, dieses Harm
lose und gute Kind zu tödten? Wo
sollte er übrigen diesen gefährlichen
Menschen, diesen Unholden begegnen?
Er hatte nicht mit ihnen zu thun,
kam nicht in Cafe, nicht in' Theater,
nicht tn öffentliche Gärten, wo eS Han
del gab, wo die Raufbolde von Pro
fession ihre Gegner, ihre Opser suchten
Er ging so wenig auS. Auch wenn sie
reich gewesen wäre, hätte sie ihn nie fort
gelassen oder hätte ihn begleitet. Da sie
aber arm war, hatte si ihn in Geschäft
ergreifen lassen; er war bei einem
Buchhändler in der Rue Dauphin und
schrieb dort Rechnungen und Briefe.
AbendS erst um 7 Uhr kam er zurück,
Sie wartete auf ihn mit dem Nachtessen,
Sie setzten sich zusammen an den Tisch
und erzählten sich von den kleinen Ereig
nissen deS Tage. Manchmal kamen
alte Freunde und die Gesellschaft dauerte
bis 11 Uhr. Andere Vergnügungen
rannten sie nicht.
Eines TageS sagt dr Buchhändler
zu Robert schon um sechs Uhr: .Sie
können gehen. Wir schließen heute
früher als fönst, wegen des großen gest
tage.
.So geben Sie doch Acht, Sie unge-
schwer Mensch!' rief ihm eine Blumen
Verkäuferin zu, an deren Korb er ge
stoßen war.
Robert blieb stehen: und erröthend.
wut er Hfl gar nicht genug zu entschul,
digen. Die Blumenoerkäuferin, ein hüb
sche Mädchen, wahrhaftig, sah ihn an
und fand ihn reizend tn seiner Verwir,
rung. Wie er nöthete und w! seine
großen, blauen Augen verschüchtert blick
tenl
Kaufen Sie mir nicht etwa ab?'
fuhr sie mit sanfterer Stimme fort,
.prächtige Lilien für morgen! Einem so
huvicyen Herrn verlaus' ich billig.
Vr zögerte noch immer verwirrt. Von
den Lilien wollte er nicht wissen; das
war feine Blume nicht. Die Verkäuferin
errieth ihn ohne wkifel, denn sie beugte
nq zu im uns iag,e ganz tei e:
.Ich habe auch andere Blumen. Wenn
ich ordentlich suche, sind' ich vielleicht auch
Veilchen.'
Veilchen!' wiederholte er und sein
Blick wurde lebhafter.
Äie fuhr mit der Hand in den Korb
und zog bald ein Veilchenfträußchen her
aus, das sie ihm reichte, nachdem sie sich
umgesehen hatte. Er nahm daS Sträuß
chen. athmete langsam seinen Duft und
verbarg e auf feiner Brust. Er wollte
schon beahlen. Da sagte er sich: .Ich
bin sür die Veilchen, meine Mutter sür
die Lilien. Warum sollt ich ihr nicht ein
paar mitbringen, damit sie auch ihr Ver
gnügen hat. So suchte er sich drei schöne
Lilien auS, wurde handelseins und ent
fernte sich. Die hübsch Verkäuferin sah
ihm seufzend nach.
.Hedal Kleiner! Komm' mal hier her,
an!'
Robert windete sich nm. An einen
Baumstamm gelehnt sah er zwei Männer,
owoor in ourgeriicyer eracht, verrie,
then sie doch durch Haltung und Beme,
gung, den Schnitt ihrer Urberzieher, die
Stocke, die sie unter dem Arm trugen,
:r st waren: Ofstziere auf halbem
old. Da man solchen überall, auf
Promenaden begegnete, kg erkannte si;
in Pariser der damalige Zeit leicht.
Hast DU denn nicht gehört? Willst
Du wobl sieben bleiben. Gamia?
sagte
No. L.
der Aeltere der Beiden. Robert richtete
sich hoch auf und sagte mit feiner sanften,
aber von Zorn bebenden Stimme.
.Gamin? Warum nennen Sie mich
Gamin?'
.Weil' in Büberei ist, so seit iner
Viertelstunde zwei alten Soldaten dei
Kaiserreich mit diesen verwünschten
Blumen in der Hand vor der Nase her
umzusxazieren!' Und zugleich berührt r
mit feinem Stock die Lilien de jungen
ManneS, und sagte in befehlendem Tone:
.AllonS? weg damit!'
.Ich will nicht.'
.Wirklich, Du willst nicht?' Ein Bube
will mir Trotz bieten, mir! Wirf die
Blumen hin oder ich krieg Dich bei den
Ohren!'
.Herr, mich kriegt man nicht bei den
Ohren.'
.Meinst Du? Nun, da ollen wir
gleich einmal sehen.' Und r schritt näher
auf ihn zu. Der junge Mann wich nicht
zurück, blickte ihn an mit seinen weißen
Lilien in den Händen. So hatte er kei
nen Arm frei und unversehens saßt ihn
der Offizier und riß ihm das Ohr, bi
S blutete. Da ließ Robert feine Lilien
fallen, sprang aus den Offizier loS und
ohrfeigte ihn. Dann blieb er mit ge
kreuzten Armen vor seinem Gegner stehen,
den die Ueberraschung und der Zorn er
stickten und sagt kurz:
.Nicht in Kind, nicht in Straßn
jung hat si geschlagen, Herr. Trotz
dem ich klein bin, bin ich 24 Jahre alt.
3ch bin volljährig, ein Mann. Ich heiße
Robert Lefevre, ich ohne Ru dS Mou
ltnS 14. Ich werde Ihnen Satisfaktion
geben, leder Zeit, wann Si wollen.
,Ah! Darauf rechne ich auchl' rief der
O ftzier, der endlich die Sprache wieder
gewonnen hatte. .Du bist kein Kind,
Du bist ein Mann und Du hast mich nt
ehrt, so wollen wir un sogleich schlagen,
hörst Du? Komm'! Komm'! Dort keine
hundert Schritte von hier, weiß ich ein
gute Platzchen, wo un Niemand stört.
Verfl kleiner Rovaltst I Du sollst
Deine König Tag morgen nicht mit
machen, da schwör ich Dir!'
Er ein Rovalist ! Aber er verschmähte
e, aus diesem Vorwurs zu erwidern und
geanügte sich nur zu sagen:
.Ich habe Sie beleidigt; ich bin bereit,
mich mit Ihnen auf der Stelle zu schla,
gen, aber Sie haben ja keine Waffen.'
.Da irrst Du Dich. Wir haben gute
Klingen tn unseren iStöcken. Du ntmmn
meinen und ich den meine Kameraden.
Haft wohl Furcht?'
.Nein ich habe kein Furcht sagte Ro
bert mit fester Stimme, .gehen Sie! Ich
romme mtl.
0 u HH (JtlUUU
1W Olfsi.l. inlUnl. C3&. f.! -...V.
wollte ihn beruhigen, ihm zureden, k sei
den, sie schlügen sich morgen mit Zeu
gen. Auch daS Alter feines Gegners
betonteer, feine Kleinheit, feine Mädchen-
hafle Erscheinung. .WaS liegt mir da
ran, wenn er kaum älter als 20 Jahre
ist. IN seinem Alter hatte ich schon meh
rere Felnzüge mitgemacht. Er hat mich
in'S Gesicht geschlagen, ich will mich rS
chen, ohne Aufschub.'
.Und da er sich plötzlich umsah, be,
merkte er seinen Gegner nicht mehr. .Ah,
der Feigling, er ist davongelaufen.' Sie
gingen zurück und bemerkten ihn bald.
Er war stehen geblieben, um seine Lilier.
auszurasten und den Staub von ben
Blättern wegzublasen.
.So! Ich bin fertig und zu Ihrem
Beseht, meine Herren", tagte er lächelnd.
Er schritt hinter ihnen her, ein wenig
iraurig, venn er oacyl an skin U)tutlr,
aber den Kopf hoch, denn er gedachte auch
seines Vater und seiner drei Brüder.
sie waren zur stelle. Der Platz
war gut avgetegen. iocy war e Tag
Der O ftzier warf foglkich seinen Hut
yn, zog ren ueverrock aus und lud
Robert ein, daS Gleiche zu thun. Dieser
gehorchte ihm ruhig, legte selbst seinen
Anzug sorgfältig zusammen, seinen Hut
aus ven nzug uno aus oen Hut das
Büschel Lilien. Unterdessen hatte der
Jüngere von den Offlrieren die Stock,
degen hervorgezogen. Er gab Robert
Lefevre einen und sagte: .Das ist leichter
als ein gewöhnlicher Degen, um fo besser
für Sie.' Er sagte das recht traurig.
Dieser Mann, der sich so viele Male ae,
schlagen hatte, der alle Schrecken des
Schlachtfeldes gesehen hatte, war tief be
wegt, er zitierte. Der Kleine itterte
nicht, mit fester Hand halte er die Klinge
an dem hölzernen Griffe erfaßt.
LoS, meine Herren!' sagte der eimiae
Zeuge.
Kaum hatte der Offizier Stellung ge-
nommen, als er wuihend ausfiel und
Robert mitten in die Brust traf. Dieser
brach zusammen, und als der junge
Offizier vorstürzte. um ihn aufzufangen,
murmelte er: Rovalist bin icb nickt
Ihr findet auf meinem Herzen ein Sträuß
chen Veilchen. Die Lilien waren für
meine Mutter. Arme Mutter, lebe wohl!'
DaS Blut erstick ihn; er sagte nichts
mehr. Ei"' Augenblick später verschied
er in den Armen der beiden Osfiziere. . .
Und sie unterdessen, sie martele auf ihn,
um U',it ihm zu lachcn. um ihn zu küssen.
Sie ist nicht gestorbeu. Der Tod,
der ihr nacheinander den Ga!ten und aue
ihre ivöhne genzmmen h ille, wollte von
der Mutter ich: wissen, sie hat noch
lange gelebt, lange ging sie einher auf.
recht in ihrer Haltung, mit weiße
Haaren, bleich und vor KSlt zitternd.
Der Kummer halte si versteinert.
ßin tZiSarisches Zominsspiek.
Am NeujahrStage de Jahre 1791
zeigte sich König Ludwig der Sechzehnt
nebst feiner Familie während de zu
Ehren de Tage von der Musikkapelle
gebrachten Morgenständchens im Pavillon
d l'Hsrlog dm Volk. Ein groß
Menschenmenge füllte den Hos und gab
ihr mehr oder weniger feindliche Ge
ftnnung durch tumultuarifche Geschrei zu
kennen. Trotzdem gab der Monarch den
Befehl, die Deputationen, welche ihr
Huldigungen darzubringen beabsichtigten,
vorzulassen. Darunter befand sich auch
ein der .Sieger der Bastille', bestehend
etwa au vierzig Grenadieren der Na,
tionalgarde, welche, den Immortellen,
kränz am Hute, unter Vorantritt der
Musik an der königlichen Familie vorbei
desiltrtk. Einer der Deputirtkn hielt
vor dem damal sechsjährigen Dauphin
an und reichte ihm wortlos ein Domino
spiel, welche Geschenk der Prinz seiner
Mutter gab. Dies lag mit Beben die
dem Kästchen eingraoirte Widmung: ,Di
Steine der Bastillenmauer, welche inst
so vil unschuldig Opfer der Willkür um,
schlössen, sind für Sie, Monseigneur, tn
ein Spielzeug umgewandelt worden, da
Sie an die Macht des Volke erinnern
soll.'
In der That zeigte sich beim Oesinen
deS Kästchens, daß die Dominosteine au
solchen angefertigt waren, welche di
Maurn der zwei Jahre vorher zerstörten
Basttlle gebildet hatten. Di Königin
stellte das Geschenk einer ihrer Hofdamen
mit dem Befehl zu, eS aufzubewahren,
da e eine Tage in merkwürdige
Zeugniß für die Geschichte der Revolution
sein werde.
Diese Domino erlebte manchen Wech
sel ia den Tuilerien. ES würd von den
höchsten Persönlichkeiten, sogar von Sou
veränen, die unter dem Konsulat, dem
Kaiserreich und während der Reftau
ration im alten Palaste abstiegen, de,
nutzt. Sehr oft bediente sich Napoleon
der Erst dieses Spieles zu Parthien mit
feinen Flügeladjutanten. Leider ging
das merkwürdige Spiel durch ben Brand
des Schlosses im Jahre 1871 nebst vielen
anderen historischen Gegenständen zu
Grunde.
ZSälZrtnd dr Vekagerung der Züx
xekr Schanzen
so rzählt in dm jüngst r.schienenen
Buche .Vor dreißig Jahren' General,
major z. D. R. Will sollt am ö.
April Abends ia der Dunkelheit ein Theil
der preußischen Vorpoftenketle bi zu den
dänischen Schützengräben vorgeschoben
werden, um die zweite Parallel aus
heben zu können. Dementsprechend
fetzten sich gegen 10 Uhr Abend di
Schützenzüge be zweiten Bataillon
vierten Garde.Regiment zu Fuß zum
Angriff in Bewegung. Bet der siebenten
Kompagnie (Hauptmann Freiherr von
Ledebur) stand der Sergeant Kirsch,
welcher, sonst brav und tüchtig, nur mit
dem Fehler einer übermäßigen Vorliebe
für seinen flüssigen Namensvetter be
hastet war. Durch diese unselige Leiden
schaft hatte er sich da rnst Mißfall
dS Komxagniechef zugezogen und war
darüber ganz trübsinnig geworden. Vor .
Beginn des Angriff rief ihn deshalb
sein Vorgesetzter zu sich und sagte wohl,
wollend: .Nun, Sergeant Kirsch, nehmen
Si sich heute gehörig zusammen und
machen Sie Alle wieder gut!' .Zu
Befehl, Herr Hauxtmann.' Dem
Vorgehen feine von dem schneidigen
Lieutenant v. Dewitz, gen. von Krebs,
geführten Schützenzüge schloß sich Haupt
mann von Ledebur selbst an. Al di
dänischen Vorposten nach kurzem Feuer
gefecht in der Front zurückgedrängt find,
hört er plötzlich von link her den wieder
holten lauten Ruf .Hierher hierher!'
ohne in der herrschenden Finsterniß da
Mindeste sehen zu können. Er rafft des
halb sofort die gerade in der Nähe be
findlichen Leute zusammen, eilt dem Schall
nach und kommt bald an eine geräumig
Grube, die einer feindlichen Feldmache
als schützender Aufenthalt gedient hat.
In der Grube steht Sergeant Kirsch
er hat zwei dänische Gewehre umgehängt,
mit den Fäusten die bemitleidenöwerthen
bisherigen Besitzer dieser Waffen an der
Gurgel gepackt und brüllt wie besessen
mit dröhnender Stimme: .Kerl, wenn
Ihr muckst, ich fresse Euch bei lebendigem
Leibe!' Im Hintergrunde hatten sich
noch acht bi zehn Dänen eng und
ängstlich zu einem dichten Knäuel zu
sammengedrängt, ohr e auch nur entfernt
an Widerstand gegen den wüthenden er
serker von Sergeanten zu denken (der,
nebenher bemerkt, zwar ein martialisches
Aussehen besaß, aber keineswegs mit
einer Hünengestalt begabt war). Trotz,
dem will einer der heranftürmenden Gre
nadiere in einmal entfachter Kampflust
noch mit dem Kolben auf die .sehr er
gebenen' Dänen einhauen; er versieht S
aber und fein wuchtiger Hieb trifft den
Rücken deS armen Sergeanten. Na,
turlich wurden alle Dänen tn der Grube
zu Gefangenen gemacht und zurück
geschickt. Kirsch erhielt da Militär
Ehrenzeichen und der Kronprinz ließ sich
den .lebendige Dänen fressenden Ser,
geanten' vorstellen.
Recht schmeichelhaft,
fievr: Mfier Sie könnten dock menl.
stcns Ihren Hut abnehmen, wenn Sie
betteln.'
Bettler: .DaS thäte ich ja auch ganz
gern, aber da drüben steht der Schutz,
mann, wenn der sieht, daß ich den Hut
abnehme, glaubt er, ich bettle, so aber
hält er unö für zwei gute Freunde.'