Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 31, 1895, Image 9

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    iladj zwanzig Izhren.
Vine ricgigeichichic vo (5atl l eu ch ert,
le Schlacht von (loielotte mir ge,
schlagen. Uasere fretiviige eimitäi
Kolonne, welche seit oei Tagen sehr
angestrengt gewesen war, kihielt am 19,
August den Austrag, sich nach Moniignn
ia Grange, einem nächst dem Schlacht
selbe gelegenen großen Bauernhöfe, zu
begeben.
Derselbe, von ausgedehnten Gcd!u
lichkeiten umgeben, lag voll von Ver
wundeten; eS mochten wohlan bis 350
Mann sein, ausschließlich grarzisen,
kein einziger Deutscher besand sich dar
unter.
Ein Feldlazarett) mar noch nicht ringe,
troffen, dasselbe, ich glaube ei oai tu
vierte hesstsche, unter Leitung von Stab,
arzt kam erst tn der Frühe des a ,de
ren Morgen; doch hatten sich bereits
zmei französische Aerzte der Verwundeten
angenommen.
Die beiden Herren waren so erschöpft,
daß sie sowohl, als ein Theil der oer,
vundeten Soldaten, welche sich noch auf
den Beinen zu halten vermochten, unsere
Ankunft mit Freuden begrüßten.
Wer nie den Verbandplatz eine Feld
lazarethl im Kriege geschaut, kann sich
keinen Begriff von dem auf solchem
herrschenden, das Herz zerreißenden
Elend machen. Doch genug hiervon,
denn der Vorhang ist ja schon längst ge
fallen!
Unter den damals meiner Pflege an
vertrauten Verwundeten befand sich ein
junger Soldat von höchstens zwanzig
Jahren; er schien bildhübsch gewesen zu
sein, da selbst der nahende Tod, der sich
auf seinem Antlitz schon bemerkbar
machte, die edlen Linien desselben noch
nicht ganz zu entstellen vermocht hatte.
Der arme Mensch schien furchtbar zu
leiden, er war durch die Brust geschossen
aber dennoch ertrug er seine Schmerzen
mit einer Engelsgeduld, die mir Thränen
in die Bugen trieb.
Die anderen Verwundeten waren ver
bunden, ich halte eine kurze Weile
Ruhe und kniet neben sein La
ger, schob einen Soldatenmantel unter
seinen Kopf und that Alle, um ihm das
Alhemholen und sein trauriges LooS
sonst zu erleichtern.
Ein dankbarer Blick belohnte mich;
leise, wie ein Hauch kam eS über seine
Lippen: De l'eaul'
Ich suhrte ihm die Feldflasche, mit
Milch und Wasser gefüllt, zum Munde,
er trank lange und gierig, der Trunk
schien ihn zu erquicken. Aber ein plöh?
licher Schauer durchrieselte seinen Kor
per, mit aller Anstrengung brachte er sei
nen rechten Arm bis herauf zur zerfchoffe
nen Brust und tastete an der linken Seite
herum, als wollte er dort etwas suchen;
damit war sein Blick mit einem unauS
. sprechlichen Ausdruck auf mich geheftet.
Ich bog mich zu seinem Ohr nieder und
fragte ihn in seiner Muttersprache, ob er
etwas wünsche.
Hatten die trauten Laute seiner Hei
maih den flackernden Lebensfunken nech
einmal zu Hellem Lichte angefschi? G
nug, eS gelang ihm, die rechte Hand in
die linke Tasche de WaffenrockeS zu schie.
ben; aber damit schien auch seine Krast
gebrochen.
Behutsam zog lst) seine ano zurua
und leerte selbst den Inhalt der Tasche
vor tbm auS.
Es war nicht viel, wag zum Vorschein
kam, einige bedruckte Zettel religiösen
Inhalt, wie sie auch heute noch an
die Jugend ausgetheilt werden, einige
vertrocknete Blumen und ein kleines
Gebetbuch, tn welchem eine Haarlocke
laa.
Bei dem Anblick der letzteren flackerte
noch einmal ein Strahl in seinem Auge
aus, eine ganze Welt von Glückseligkeit
lag darinnen. Ich brachte sie ihm an
die bleichen Lippen und flüsterte ihm in's
Ohr:
.Sei ruhig, Kamerad, vertraue mir,
ich erde Alles besorgen.'
Er tastete nach mewer Hind, im letz
ten Todeökampf umschlossen seine erkai
teten Finger dieselbe noch ein Blick,
ein letzter ein leise hmgehauchle
.Baterl Mutter!' und er Halle auS
ektten!
Tief bewegt drückte ich ihm die Augen
zu und dachte an ein einsames Hausqen,
fern in Deutschland, wo auch für mich,
den einzigen Sohn, ein treue Mulier.
herz unter Sorgen. und Bangen schlug I
Al der Krieg beendet und die regeU
mäßigen Poflverbindungtn in Frankreich
wieder hergestellt waren, dachte ich an die
Erfüllung meine dem sterbenden gran
zoseu gegkdenen Versprecher..
Da Gebetbuch, in welchem auf dem
Titelblatt Name und Adresse de Gefkl.
lenen angegeben waren, sandte ich nebst
den übrigen Kleinigkeiten an dessen
Eltern, begleitet von einem Briefe, wo.
rtn ich denselben da Ende ihre Soh.ufc
meldete. , .
Zwischen mich und die Heimalh trat
dann da, Weltmeer, fremde Länder,
sttn.de Sitten und GediSuche nahmen
meinen Sinn gefangen und rerwtfchlen
nach und nach die blutigen Eindiücke des
Jahre 1870.
ES war im August de JahreS 1890.
Ich weilte seit vierzehn Tagen tn Paris,
als ich von meinem Geschästshause Auf.
trag erhielt, tn M., einem kleinen Flecken
de seineDtpartemenlS, ein größeres
Geschyt zum Abschluß zu bringen.
Von Paris aus benutzte ich die Eisen,
bahn bis R., woselbst ich Abend gegen
sechs Uhr ankam; von dort au bis M
mutzte ich mich eineS der kleinen leichten
Wagelchen, wie sie in Frankieich im Ge.
brauch sind, zur Weiterreise besienen,
Im WirthShau, zu .Diagon dV
fand ich. waS ich suchte; tn Äcecht, et
junger Bursche, schwing sich aus den
Der
Jahrgang 15.
Bock und wir fuhren in den warmen
Sommerabend hinein, M. zu, welche
wir aeeen 9 Uhr Abends erreichten.
Im Flecken war es noch recht lebendig,
überall wurde gehämmert, Fahnen wur
den auSgeiteckk und Maien ge etzt, denn
der andere Tag war in Sonnlag und
erster KirchweiKlag.
Mein Kutscher hielt vor einem g:o
ßern Hause, .dem besten Gasthau der
ganzen totaM", wie er wichtig bemerkte
In der Hoffnung, mein Geschäft den an,
kern Tag erledigen zu können, hatte ich
Kutscher und Wagen gleich sür zwei Tage
gem,elhet.
Ich betrat die Wirthsstube und ließ
mir ein Nachtessen und eine Flasche Wem
servlien.
Wohl eine Stunde möcht vergangen
sein und ich schickte mich an, zu Bette zu
gehen, a!S die Thüre plötzlich ausgerissen
und mein Kutscher, der allem Anschein
nach des Guten zu viel gethan, tn das
Zimmer trat und aus mich zutaumetle
.Monsieur est AllemancW fragt er
mir maliilosem Grtusen.
Ich würdigte ihn keiner Antwort und
wollte da Zimmer verlassen, als er sich
mit noch unverschämteren Lächeln vor
mich hinpflanzte.
.Monsieur est rrussien, sans
dorne", fuhr er fort, .et voas avez
qus. ...
Ich jchoo den belrunlenen Burschen vei
Seile und begab mich in mein Schlaf
zimmer, dem ganzen Vorkommniß keine
weitere Bedeutung beilegend; kannte ich
doch aus Erfahrung den Charakter des
französischen Landvolkes, ein Charakter,
der mit dem Pariser nicht zu vergleichen
ist. Ist jedrch daS Mißtrauen bet dem
französischen Campagnard einmal geweckt,
so ist ein ruhiges Beurtheilen nicht mehr
sein Sache, und handelt eS sich gar um
einen Deutschen, so wird er leicht unge
recht.
Glockengeläute und Böllerschüsse leite
ten am andern Morgen die Ktrchweih in
und trieben mich rasch au dem Bette,
Ich nahm mein Frühstück ein und schien
der! gemächlich nach der .Plac de
Mairie'.
In ben Straßen wogte trotz der frühen
Morgenstunde bereits eine Menschen
menge, die .Ploce de Mairie' war mit
Schau, und Verkaufsbuden bedeckt und
in der Mitte des Platze bildete der Wa
gen eines Charlatan den Hauplanzie
hunagpunkt für die gaffende Menge.
viachdm ich dem Treiben einige Zeit
zugejehin, schickte ich mich zum Gehen
an, fand aber, daß sich mittterweit eine
solche Masse Zuschauer um mich ange
sammelt hatte, daß eS schwer war, auS
dem MenichknknSuei hinausiukommen.
Langsam drängte ich mich durch die
Menge nach der Veite zu, wo sich das
RaihdauS besand, IS mir plötzlich Je
mand auf die Schulter klopfte und , Bon-
lour rrussien" zurief.
Ich drehte mich um und sah in das
artn ende Geftcht meines Kul cher. Die
seS Zusammentreffen mar mir unang.
nehm, zumal meine Umgebung bereits
auflliq, ausmerk am aus mich zu werden
Mein Bestreben, mir Bahn zu brechen,
war fruchtlos, und wenn mir hier und
da einige besonnene Männer behilflich
waren, Raum zu gewinnen, so wurden
ihre Bemühungen immer wieder durch
einige junge Burschen vereitelt, die, von
meinem Ku.scher angestachelt, regelmäßig
die g'bilde! Lücke schlössen und sich an
,A Das la rrusee! Vive 1a Jbrancej"
heiser schrieen.
Ich war weit entfernt, Furcht zu haben,
trotzdem athmete ich erleichtert auf, als
ich sah, wie zwei SergeanlS de oill sich
durch m Menge auf mich zudrangten,
mich in Empfang nahmen und nach der
Mairie geleiteten, deren großes Thor sie
der nachdiängenden johlenden Menge vor
der Nase zuschlössen.
Man sükrte mich in einen großen
Saal, und der eine der Polizisten dot
mir einen tuhi an mit dem Bemerken:
.Monsieur le Mai' werde gleich kom
men. Und so war es auch.
Kaum eine Viertelstunde mochte ver
gangen sein, als die Thüre geöffnet
wurde und der Maire de Flecken, ge
folgt von seinem Schreiber, im Saal
ersetz iea.
Mit einer höflichen Verbeugung gegen
mich nahm er an einem Tische Platz und
sorderte mich alsdann auf. näher zu
treten.
Seinem Wunsche ntsprechend erzählte
Ich tbm, daß ich von Paris komme, um
im Flecken ein Geschäft abschließen und
mir bi zu der für den Besuch festge.
setzten tun die Kirmes anschauen ge
wollt, dabei aber, gegen meinen Willen
und Dank der Aufhetzungen meines
Kutschers, die unschuldig Ursache eine
VolksauflaufS geworden fei.
Der Maire HSite mich ruhig an, nur
hier und da seinem Schreiber einige
Worte für da Protokoll zuflüsternd.
Als ich geendet hatte, sagt r:
,Za, mein Herr, Ihr Kutscher ist,
was man na mauvaia sujet" nennt,
ich habe h n 24 Stunden Zelt gegeben,
im Violon" (Poli,e!arrest) über seinen
Effiefirnch nachzudenken. Wir wollen
nicht habkn, daß eS von unserer Gemeinde
Helge, sie belästige friedliche Reisende, I
ZMntagsW.
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
seien e nun Deutsche oder Angehörige
einer anderen Nation. Jeder Fremde,
der in unserem Land reist und die Ge
setze achtet, ist im willkommen. Leider
giebt eS in jedem Lande Persönlichkeiten,
die sich ein Vergnügen daraus machen,
unschuldig Redend fremder iltationail
täten zu verdäch'igen und zu tnsultiren,
um sie in scheinbaren Konflikt mit den
Gesetzen zu brmzen, so daß die Jnsutttr
ten froh sind, dem Lande auf Nimmer
Wiederkehr den Rücken kebren zu können.
Der Haß der Gekränkten richtet sich dann
oft nicht gegen die Hauptschuldigen, son
dem meiftenkheilS gegen das ganze Land,
welches für die bubenhaft Aufführung
einzelner CJemaer leiden muß."
Die Worte dS alten Herrn hatten
mich lebhaft ergriffen und ich sprach ihm
meinen Dank au.
Inzwischen war eS so spät geworden,
da ich daran den'ea mußte, mein Ge
schüft zum Abschluß zu bringe. ES
blieb sür mich aus der Mairie auch nichts
mehr zu thun, als das Protokoll zu unter,
zeichnen, .der Ordnung halber', wi der
Maire entschuldigend bemerkte.
Ich fetzt rasch meinen Namen mit
einem gewohnten eigenthümlichen Schnör
kel unter daS Aktenstück und reichte eS
ihm hin.
Er starrte auf meine Unterschrift und
stutzte. Lange sah er mich forschend an
und eS war, als ob r in Erinnerung
nachhänge. Ja, eS war mir sogar, al
wenn dem alten Herrn die Augen feucht
wSld:n.
Er muß wohl einen fragenden Blick in
meinem Gesicht gelesen haben, denn r
ersucht mich freundlich, noch ein Weil
chen Platz zu nehmen; dann zog er einen
Polizisten bei Seite und sagte ihm leise
einigt Wort. Der Polizist verließ rasch
den Saal.
Ich saß wie auf glühenden Kohlen;
was bedeutete dieser neue Aufenthalt
Nach einigen Minuten öffnete sich die
Saalthür wieder und auf der Schwell
erschien eine ältere Dame, hinter ihr
respektvoll der Polizist.
Die Dame näherte sich langsam dem
Tische, an welchem der Maire saß und
legte einen in ein Tuch gehüllten Gegen
stand vor ihn hin.
Mit zitternden Händen entfernte der
Greis die Hülle, ein Bild in Rahm
kam zum Vorschein, welche er lange
ernst betrachtete, abwechselnd einen Blick
tn das von mir unterschriebene Protokoll
werfend.
Was bedeutet dies? War es meine
Photographie, die auf irgend in Weise
hierher gekommen? Galt ich etwa als
Spion?
Indessen schlug mein Puls ruhig, ich
hatte mir nichts vorzuwerfen.
Da winkte mir der Maire, näher zu
treten. Auf dem Tische lag daS Proto,
koll und daneben, unter Glas und Rah
men, ein Schreiben von meiner Hand,
mit meiner Unterschrift.
.Sind Sie das?' fragte der Maire.
während er auf di beiden Unterschriften
zeigte, mit bebender Stimme.
Gewiß,' antwortete ich; .ich erkenne
meine Handschrift und Unterschrift.
Ader, ich....'
Ein Ausruf des Maire, dann zog er
mich an feine Brust und dann kam auch
die alte Dame herzu, sie wollte mich nicht
mehr aus den Armen lassen; mir wurde
ganz sonderbar zu Muthe, aber zuletzt
kam mir doch das Verständniß. Ich
hatte vor mir die Eltern de armen f ion
zöstschen Soldaten, der, wie viele Tau
sende, Deutsche und Franzosen, seine
Liebe zum Vaterland bet Graoelotte mit
dem Tode besiegeln mußte!
Wa soll ich noch hinzufügen?
FrangoiS B.'S Eltern besaßen bei
AuSbruch de Krieges 1870 ein hübsches
Gut in der Eironde, der Sohn mußte
ins Heer eintreten und starb den Tod
fürs Vaterland. Die armen Eltern
waren ohn: Nachricht über da Schicksal
ihre lsohneS geblieben, bi mein Brief,
der bis heute als Heiligthum in der Fa
milie aufbewahrt wurde, ihnen die erste
Kunde von dem Tode desselben brachte.
Ich hatte demselben keine genau Abrisse
beigefügt und die Ausrufe tn den Zutun
gen, welche die Eltern ergehen ließen,
trafen mich nicht mehr in Europa.
Einine Jahre nach dem Kriege über
siedelten die braven Leute nach dem
Seinedepartement, woselbst der Alte in
dem Flecken M. zum Maire gewählt
wurde.
Ich wurde nun im Orte der Favorit.
Alle wollten mich umarmen und mir ein
Aufmerksamkeit erweisen. An der Feier
der Kirmes mußte ich bis zum frühen
Morgen theilnehmen und dabei gab es
Viele, die dem .Prussten' ewige Freund
schaft schwuren.
Wollte Gott, daß bald ein ähnliches
Verhältniß zwischen allen Deutschen und
granzo en einträte, doch da mühten
Wunder geschehen.
Nicht mehr möglich.
.Wenn ich ine Fürstin wäre,' meint
eine zornige Frau, .ich ließe Dich sofort
frnlin "
,O,' entlskunete er. .ganz unnöchial
Ich fca5e meinen Kops schon verloren, als
ich Dich nahm!'
In der Klemme.
liiie Sludeiileiigkichichre von ;K. Auendorf.
.Und ist denn gar kein anderer Auk
weg möglich?' fragt dr cand. med.
Bergmann seinen Kouleurbruder und
Busenfreund Köxke.
.Ich wüßte keinen anderen!' erwiderte
Köpke ruhig. .Aus irgend einen anderen
Köder würde Dein Onkel nicht anbeißen.
Also, fort mit den Skrupeln wo ist
Papier und Tinte?'
.Ich kann eS nicht!' stöhnte Berg,
mann, indem er nach der Feder griff.
.Schreibe nur, ich werde Dir Alles
kikliren! ermunterte ihn der Versucher,
.nur Muth, die Sache ist nicht so gefähr
lich, als Du denkst!'
Und der Kandidat schrieb seufzend nie
der. wag ihm Köxke mit feierlicher
Stimme souffirte:
.Geliebter Onkel Karl!
Nur zögernd ergreife ich die Feder, um
Dir, meinem väterlichen Freunde und
Wohlthäter, ein Geständnis; zu machen,
zu dein mich mein Herz drängt. Du
weißt, daß mir das wüste Treiben der
Universitätsstadt längst überdrüssig ist
und daß ich mich nach einer stillen HZuS
lichkeit sehne. Nun habe ich endlich ge
funden, was ich suchte: ein Gefährtin
für'S Leben. Gestern hab ich mich or
lobtl Ich weiß, doß Dich diese Ent
deckung überraschen wird, aber ich hoffe
ebenso fest, daß Du meinen Entschluß
segnen wirst.
In drei Wochen schon soll die Hochzeit
sein. Die Zeit drängt also, wenn die
Ausstattung bis dahin fertig werden soll.
Zu diesem Zwecke bedarf ich aber ine
Summe von fünfzehnhundert Mark, die
ich als Anzahlung leisten muß. In mei
ner Verlegenheit wende ich mich an Dein
väterliches Herz, theurer Onkel, der Du
mir bisher immer al großmüthiger
Wohlthäter beigestanden hast.'
.Nun, knüpf noch eine rührende
Schlußbemcrkung an die Epistel,' lachte
Köpke, damit der Onkel pflaumenweich
wird!'
Der Kandidat siegelt seufzend den
Brief und Köpke ahm ihn zur weiteren
Beförderung mit.
Mit welcher Freude hatte der Kandidat
sonst jeden fünfmal gesiegelten Briefe
begrüßt, der postwendend au der Rest,
denz de guten Onkels eintraf! Aber
diesmal öffnete er daS inhaltsvolle
Schreiben mit zitternden Händen, und
seine Mienen erhellten sich auch nicht, als
auS dem Brief ein stattliches Päckchen
blauer Scheine heraussiel. Die großen,
steifen Buchstaben deS OnkelS flimmerten
ihm förmlich vor den Augen, als er den
gutgemeinten Glückwunsch laS:
.Mein lieber Emil!
Zunächst die besten Glückwünsche zu
Deiner Verlobung von mir und Deiner
Zatft, die ebenso erfreut über Deinen
Entschluß war, al ich. Der Himmel
bestärke Dich tn dem Vorsah, daS wüste
Leben aufzugeben und mit einer stillen
zufriedenen Häuslichkeit zu vertauschen.
Hoffentlich hast Du eine gute Wahl ge
troffen und wohl darauf gesehen, daß daS
Mädchen auS ehrbarer und anständiger
Familie ist. Sehr erstaunt waren wir
allerdings, daß Du die Sache so be
schleunigt hast, Tante hat dies jedoch
wegen Deiner Verliebtheit begreiflich ge
funden.
Beifolgende fünfzehnhundert Mark
sind für die Anschaffung der Ausstattung
bestimmt; fei nur recht vorsichtig bei der
Auswahl der Möbel und steh' auf trocke.
nes Holz. Tante stiftet Dir ein Wäsche,
spind mit Inhalt, und wenn Du sonst
noch etwas brauchst, so wird Dein alter
Onkel schon dafür sorgen. ES grgut!
Dich bestens auch von der Tante, Dein
O'ilel
Karl August Schmidtlein.
P. S. Eigenllich sollte S eine Ueber.
raschung für Dich sein, aber eS ist viel
leicht besser, wenn ich Dich daraus vor
bereite. Uebermorgen kommen ich und
die Tante zu Dir nach H , ich habe dort
geschäftlich zu thun. Tante will durch
au Deine liebe Braut kennen lernen
und auch ich bin auf Deine Wahl neu
gierig. Der Kandidat siel wie betäubt in den
Sessel zurück. Es dauerte längere Zeit,
ehe er sich von dem Schreck erholte, dann
machte sein Schmelz einem ungeheuren
WuthauSbruch Platz.
In diesem Zustande traf ihn Köpke.
Der Kandidat wäre ihm am liebsten an
die Kehle gesprungen. Er begnügte sich
jedoch damit, den zerknitterten Brief sei
nem treuen Rathgeber in' Gesicht zu
werfen.
.Da lieg, Elender,' schrie er.
Köpke las mit sichtlichem Wohlge
fallen. ÄlS er an die Nachschrift kam,
brach er ia ein unbändiges Gelächter
auS.
.Heiliger Perkeo. da hrben wir uns
ja schön hereingeritten! Wer hätte auch
obncn können, daß der alte Krautphi
lister auf einen so infnnali.chen naz
kkN ÜS!N!Nt I
.A5e.'. Scherz bei Seite, das ein.!s:
Mittel ist, daß Deirie Verlobung rück
gängig gemacht wird!'
No. 31
.Eine Verlobung ohn Braut?'
.Da ist ja gerade da Gute dabei
Lass' mich nur dafür sorgen, ich habe
schon mein PISnchen fertig.'
Am nächsten Tag kamen Onkel und
Tank Schmidtlkin pünktlich an. der
dankbare Neffe mxsing si am Bahnhof,
Er fah nicht aus, wir in glücklicher
Bräutigam und ehrte alle Gralulatio
nen mit ernster und vielsagender
Miene ab.
,5z ist noch nicht so weit, lieber On
kell'. erklärte r mit gesenktem Blicke,
.Aber trotzdem freut eS mich, daß Ihr
gekommen seid, mich zu sehen. Viel
leicht ist S daS letzt Mal tn meinem
Leben!'
Onkel und Tante bekamen einen furcht,
baren Schreck.
.Du wirft doch nicht etwa ? jam
melt der Onkel, obgleich er von dem
Zusammenhang der Dinge keine Ahnung
hatte.
.Natürlich werde Ich 81 widerte
der Kandidat bestimmt. .Die Ehr vr
langt S al Geforderter habe ich
allerdings den ersten Schuß!'
Tante Schmidtlein fiel beinahe in
Obnmacht.
,Er will sich schießen!' rief sie nk
setzt.
Der Onkel würd schon ungemüthlich
.Um deö Himmels willen!' drängte
r, ,fo thu' doch dn Mund auf. Junge,
und erzähle, wa geschehen ist. Wir
hofften Dich als glücklichen Bräutigam
zu finden wo ist denn eigentlich Deine
Braut?'
.Verloren für mich, wig vrlorn!'
seufzte Bergmann. .Gestern erfuhr ich
das Entsetzliche! Ein Eomtlttone, der
glaubte, ältere Ansprüche an meine Julia
zu haben, suchte mich auf und stellte mir
die Wahl: zu entsagen oder ihm Genug
thuung zu geben.
.Du hast wirklich, entsagt?'
.Nein, Onkel, denn ich liebte sie zu
sehr!'
.Unsinn I' rief Tante Schmidtlein.
.Du läßt sie laufen! Wir dulden es
auf keinen Fall ! Nicht wahr, Karl. Du
leidest eS nicht?'
.Sei vernünftig, Emil,' rieth der
Alle, .laß das Mädchen Deinem Vor
gänger, wer zuerst kommt, mahlt zu
erst.'
.Viel scheint an ihr überhaupt nicht zu
fein!' setzte die Tante hinzu.
.Nein, ich kann nicht mehr zurück!'
erklärte der trostlose Bräutigam. .Die
Bedingungen des Duell sind schon fest,
gesetzt, der Sekundant erwartet mich tn
meiner Wohnung.'
.Wir gehen zusammen!' entschied der
Onkel und faßte seinen Reiseftock fester.
.Ich werde mit dem Herrn Sekundanten
schon reden!'
In der Wohnung Bergmann'S wartete
schon der Herr Sekundant; zufällig war
es der Stud. med. Johannes Köpke, ge
nannt .Höllenfpieh'. Nach flüchtiger
Verstellung und Begrüßung begaben sich
Onkel Schmidtlein, Emil und der Se
kundant in das Nebenzimmer, di Tante
sank weinend auf das Kanapee.
Nach einer kleinen Pause traten die
Herren wieder heraus; der Onkel schmun
zelnd, der Neffe zerknirscht, der Sekun
dant feierlich.
.Somit ist die Affair in einer beide
Theile befriedigenden Weise beigelegt
worden.' erklärt Köpke, .Herr cand.
med. Bergmann hat offiziell entsagt.
Sie, Herr Rentier Schmidtlein, haben
sich gleichfalls durch Ehrenwort verxflich
tet. nie nach dem Namen der Dame zu
forschen, die in den Ehrenhandel ver
wickelt ist, ebenso hat sich Herr cand. med.
Bergmann aus Ehrenwort verpflichtet,
dritten Personen keinerlei Ausschlüsse
über die Entstehung des RenkontreS zu
geven,'
Onkel und Neffe drückten dem Skkun
danken bestätigend die Hand, die Tante
fiel dem aus zwiefacher Gefahr geretteten
Scenen um den Hals.
Der gute Onkel aber vergaß in seiner
Herzensfreude ganz die fünfzehnhundert
Mark, und da Emil durch Ehrenwort
zum Stillschweigen über die rerunglückte
Braulfahrt verpflichtet war, so trium
phirte am Ende doch die Schlauheit deö
genialen Anstifters.
Huten Wgrgc, Kerr Fischer!"
Als Entstehungöort der Grußformel
.Guten Morgen, Herr Fischer!' bezeich
liet Büchmann Königsberg. Dort lebte
in den dreißiger Jahren in einem Spital
ein alter, sonderbarer Candidat Namens
Fischer, den die traßenjugend ironisch
mit .Guten Morgen, Herr Fischer!' be
grüßte, wa er so Übel ausnahm, daß er
die Polizei um Hüls anging. Von
inem Kenner der württembergischen Ge
schichte wird indeß die nachfolgende Deu
kung mitgetheilt, die im Gegensatz zu
Büchmann den UrsprungZort in's Schwa
benlano verlegt. Durch die Rhiinbund
acte wurde das Reichßfürsterlhum
Hoh:nlvhe mediatistrt und z.rm Theil
ucirl Wüntemberg in Bcstg yiwrarnn,
König Friedrich schrie nun im J,h
1S07 nach 0.,h:Siig:n, b?r H'nle'.
schcn Residenz, den Obermntuillun F
scher, der die Hshenloher auf gut schaff,
bisch zufammeniegieren soll!. Ober
amtmann Fischn besorg! da auch s,
gründlich, daß er bald im ganzen Land
verhaßt war. Vielleicht dem Eirflufs
de uikdiatisiiten Fürsten am Stulkgarker
Hose gelang , den gefürchtetea Beam
ten zu stürzen. Am gleichen Tage, all
Fischer die Nachricht von seiner Amt,
nihebung erhielt, drang auch schon bi,
Kunde davon in seine Umgebung. Zu
dieser gehörte in aller Diener, der u.
A. di Ausgab hatt, den Gestrengen
allmorgentlich zu wecke und ihm die ge,
putzten Stiefel mit dem Gruße vor da
Bett zu stellen : .Wünsche allerunter
thänigst inkn guten Morgen, Herr
Oberamtmann!' Am Morgen nach der
Amtsenthebung erschien auch der Diener
wieder, diesmal aber warf er di Stiefel
polternd in da Zimmer und rief einfach:
.Guten Morgen, Herr Fischer!'
$i origineller Kvikvnöenareich.
AuS Wien wird berichtet: Zu in
braven Fischhändler!, die ihren Stand
auf dem Lerchenseldermarkt hatt, kam
neulich ein junger Mann und fragte die
Frau, ob sie ihm nicht ein winzige
gischlein in da Genick flecken wolle.
Sie möge ob diese Liebesdienste nicht
böse sein, denn er dürft sie weder darum
bitten noch dafür danken, denn da Mit
tel wirke nur dann, wenn er mit dem
Fifchlein im Genick sofort zu laufen be,
ginne. Al ihr der jung Mann och
weiter erzählte, daß er bruflleidend sei,
war die Fischhändler! vollkommen über
zeugt, daß es sich hier um ein Sympathie
Mittel handele, und auch sofort bereit.
da gute Werk zu thun. Der junge
Mann bücki sich, und di Frau steckt
ihm in Fifchlein in da Genick. .So
ist'S nicht gut', sagt dr Kranke, ,di
Fisch g'hört zwischen Hemd und Genick.
Wenn's auch a bil kalt iS, das schad't
nir.' Mit einem Handgriff war der
Platzwechsel vollzogen und jetzt begann
der brustleidend Mensch zu laufen, al
hab er eine Lunge von Eisen. Ueber
diese Kraftäußerung wunderte sich di
Frau gewaltig; was aber machte st erst
ür Augen, als sie zufällig tn die an
ihrer blauen Schürze außen angebrachte
großen Geldtaschen griff und entdeckte,
daß ihr fast die ganze Tageseinnahme
ehle. Jetzt begriff sie Alle, und al
sie ihre BerufSgenofsinnen mit der seit
famen Wirkung diese Svmpalhiemittel
bekannt machte, erhielt sie von diesen
noch den Spitznamen .Wunderdoktorin'.
Aatak.
Herr Professor Brindhagel geht am
Ufer des Flusses entlang und ist tn tiefes
Nachdenken versunken, auS dem er plötz
lich durch den Ruf: .Hilfe. Hilfe, ich
ertrinke!' aufgeschreckt wird. Er blickt
aus daS Wasser und fleht dort inen
Mann mit den Wellen kämpfen. Dieser
wollte in Bad nehmen, vermuthet aber
nicht, daß an dieser Stelle da Wasser
ehr lies sei. AIs er ein paar schritte
auf dem Grund desselben gemacht verlor
er ihn plötzlich unler seinen Füßen und
wurde von dem Strom fortgerissen.
Brindhagel entledigt sich schnell seiner
Stiefel, seines Rockes und seiner West
und stürzt sich sofort in das Wasser, um
dem Ertrinkenden Hilf zu bringen.
Doch wag ist das? Kaum taucht r mit
dm Kopfe aus dem Wasser wieder auf,
als auch er aus vollen Leibeskräften um
Hilfe ruft, und S war di höchst Zit,
daß in Nachen, in welchem Fischer saßen,
aus sie zusteuerte; denn einige (Sekunden
pater waren sie unter der Oberfläche de
Wassers verschwunden.
Die Insassen des NachenS zogen di
Beiden tn diesen hinein und bracht sie
dann an daS Ufer. Einer der Fischer
kannte den Professor, und IS dieser die
Augen, welche er bisher geschloffen hatte,
wilder aufschlug, fragt ihn jener: .Ader,
Herr Professor, wi kommt S, daß Ei
mit diesem Manne zusammen im Wasser
lagen? Haben Sie ihn denn retten ol
len?'
Freilich. ' seufzte dec Gefragte, .habe
ch daS thun wollen, aber tn metner Zer
ftreutheit dachl ich leider nicht daran,
daß ich ja gar nicht schwimmen kann!'
ßine bedeutende Schenkung
hat der kürzlich in Dresden in seinem 82.
LebenSjah.e verstorbene Kommerztenrath
Bienert seiner Vaterstadt vecmacht. Der
Verstorbene hat als Besther der Hofmühl
in Plauen bei Dresden sehr viel sür die
Entwicklung der sächsischen Mühlen.Ja.
vuslrie geiyan. iveme stete Sorg ix
das Wohl seiner Angestellten und tx
beiter bethätigt er vor mehreren Jahren
durch die Stiftung von 150,000 Mark
zu einer Penstonö und Unkerstützungs,
lasse. Jetzt hat er der Stadt Dresden
eine Million Mark mit der Bestimmung
vermacht, daß dieses Kapital sicher ange
legt weroe, und zur Begründung iaer
vom Rathe verwalteten Stiftung diene,
deren Zinsen zu drei Vierlheiten ver
schiedenen WohllhättgkeilSzwecken zu
Gute kommen sollen, während die Zinsen
von einem Vierlhetl drS Stiftung?,
mögen so lange zum Kapital geschlagen
werben, bis s auf zwei Millionen an.
gewachsen ist. Dann tritt in neuer
ZinsenoertheilungSplan zu Gunsten von
Waisenkindern, Armen und Kranken, so
wie von unoerschuldet in Noth gerathenen
Personen in Kraft.
Neuer Beruf.
Prinzipal: .Ihr Betragen befremdet
mich täglich mehr, Herr Sauerteig. Ich
sehe Sie in allen unsern Bureaus herum
sieuen no iauie umersallung suhren.
CommiS (stzminelnd): .Enschuldigen
Sie, Herr
Prinzip U: .Ach wa, da gilt kein
Enüchuldigeii! Ich habe Sie zum
S!aüt!isede'i gemchk, oder nicht zum
Bmeaureisenden!'