Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 24, 1895, Image 9

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    Die Nebenbubler.
Z?on H. JUanieiti.
Petkr Longtrunn wir ein ElsLsser von
Geburt, ein txaotx Äolofj, der feinen
ustig ausgeputzten Manegemagen mit den
gezähmte kimn, den Ringkämpfer,
den zweihundert Pfund schweren Riesen
weibeln, die mit Messern und Pistolen
aufeivanter zugingen, von Jahrmarkt zu
Jahrmarkt führte. Da, Geschäft muht
wohl aber nicht immer gan flott gehen,
denn ( kam vor, daß der biedere SlsSs
ser sich vor seiner mageren Äflfl den
Kopf nachdenklich kraul und darüber
rubelte, wie man die Schaulust del
Publikum neu anfachen könne.
Eine Tage hatie er seine Manege in
einem ProoinzialstSdlchea der freni,!
fischen Grenze ausgeschlagen und seine,
Erfolge ungewiß, saß er vor dem gro.
ßen Wagen, der Personal, Thiere und
Geriithe zusammen beherbergte, und zer
brach sich den Kopf darüber, wie er sei.
nem Ciicukfrogramm ein paar zündende
Nuumeru einfügen könne.
Herr Peter Langmann befand sich da
bei tn keiner sonderlich anmulhigen
Laune, ein Zeichen, daß e mit der äffe
Übel bestellt war. Er sah deshalb nicht
übertrieben verbindlich auf, al plötzlich
zwei junge Männer vor ihn hin traten.
.Sie wünschen?' fragte er ia nicht
ganz artigem Tone.
In Ihr Truppe einzutreten,' er.
widerte der ein der jungen Lmt ia
gleich lakonischer Kürze.
,Wa können Sie?'
.Alle,, wa Sie verlangen.'
,Na, ta versprechen Sie ja ein ganz
Theil mehr, al Sie zu leisten im Stand
sind,' meint kopfschüttelnd Peter Lang
mann.
Probiren Sie',I' sagt der zweit
junge Mann.
.Können wir,' verseht der Dirtktor.
,St sind stark, wa? Geh'n Si 'mal
übr den Hof, In Fuhr mit Steinen
ist vorhin tn den Graben gefallen, holen
Sie si 'raus, dt Karete liegt mir im
Weg.'
.Schön.'
Und Dvk, der in von den beiden
jungen Leuten, faß bei diesem Werk be
reit unter dem Fuhrwerk, dessen Riesen
last kaum drei Pferde zu bewältigen ver
mochten, und mit wer einzigen kraftool
len Bewegung seiner muskelstrammen
Schenkel hob er e vom Geleise und
seht es gerade, während Dak, der zweite
jung Mann, sich zwischen die Deichsel
spannend den Wagen auf die Chaussee
rollte, al sei er von federleichtem Ge
wicht.
Herr Langmann riß seine staunenden
Augen weit auf, hielt e aber trotzdem
für richtig, die Probe fortzufehm.
.Und wie steht mit derBeweglichkeit? '
Er hatte kaum di Frag auge
sprechen, al di beiden jungen Leute
mit einem doppelten Luftsprung über ihn
fortsetzten.
Herr Langmann stand da wie vom
Donner gerührt.
Fast sech Fuß ragt r über den Erd
boden und die Leiden waren ihm mit der
flinken Leichtigkeit von Vögeln über feinen
Kopf gesprungen.
.Ja. aber was für Honorar verlangen
Sie?' fragte r, al r rst seiner Stimm
wieder trauen konnte.
.ftieie Station und di Höhe des
Honorars wollen Sie gefälligst selber
b stimmen.'
Sie wurde schnell handelseinig. Und
wirklich hielt mit dem Einzug der Unbe
kannten auch da Glück seinen Einzug in
den .CirkuS Langmann.' Am selben
Abend und voll vierzehn Tage hindurch
riß man sich um die Plätze daselbst, und
al der Herr Direktor nach Ablauf dieser
Zeit sein Zelt abbrechen und einen
anderen Ort aufsuchen wollte, that der
Magistrat selbst Schritte, um Peter
Langmann zu längerem Verweilen zu
veranlassen.
Man hatte bisher nie im Städtchen
und vielleicht auch nirgend anderswo
graziösere, elastischere und blühendere Ge
stalten gesehen, als die zwei schmucken
Burschen, die auf straffem Seil als Seil,
tänzer, al Clowns im Manegesand oder
aus dem Trapez wie ein von einem ein
zigen Willen beseelter Doppelkörper auf,
traten. Ob si sprangen, in der Luft
pirouettirten, einander aus der Schulter
geigten, stets traten sie wieder wie die
stameftschen Zwillinge vor da entzückte
Publikum.
Waren die Beiden Brüder? Wie
mochten ihre Namen in Wirklichkeit
lauten? Welcher Zufall hatte sie am
gleichen Tage nach Langmann'S Zelt ver,
schlagen? Gar Mancher zerbrach sich
den Kopf darüber und fast Alle inter
sflrten sich für daS schlanke Athletenpaar
mit leinen aesahroollen Produktionen
nur Eine nicht. Da war Fräulein
Nett Langmann, da TSchterchen des
Direktor, vas fügefle, reizenone, er.
lefenst Geschöpfchen, daS eine hoch,
fliegende Phantasie sich ersinnen kann.
Kaum sechzehn Jahre alt. gaukelte sie
inher wie ein Schmetterling und sah mit
ihrem weißroflgen Porzellangesichtchen.
tn ihrem bunten Flittertand, wenn sie
auf ungesatteltem Pferde durch den
CirkuS fegte und durch Goldreifen und
Papiermonde sprang, ganz au wie eine
Tochter der Luft.' Kokett lächelnd,
mit den Instinkten ine Weibe verband
si ihr Schelmereien mit dem Kinder,
auSdruck eine Porträt von Graupe.
Ja neckischer Laune hatte sie sofort die
beiden Freunde zu necken begonnen. Bald
lief sie Tyk nach, bald sprang st hinter
Dak auf da Trape; und oft mußten
Leide mit dem Anfgebot ihrer ganzen
elastischen GeschickUchkeit balanciren, weil
kkttä'S Undekanntschaft mit equili.
Jahrgang 15.
briftischen Künste die Beiden zu einer
falschen Bewegung und wohl gar zum
halSbrechenden stürz hinzureißen
drohle.
Merkwürdiger noch war . daß Netta
lrch ihres beständigen Necken, und
Llchin, trotz ihrer Kodoldstreiche wohl
oerstvnd, die Freunde in respektvoller
Entfernung von sich zu halten. Kalt
und korrekt, gestattete sie trotz ihrer
Luftigkeil ihnen nicht die leiseste Ber.
traul.ch?eit, wie e der Tochterde Chef
gezielte.
Sie war doch noch zu sehr Kind, um
zu bemerken, daß Dak erblaßt und zu
zittern begann, wenn si sich länger al
sonst mit Dvk befaßte und sich mit ihm
verplauderte und daß Dvk bis zur Stirn
erglühte, wenn sie zufällig Dak bei ihren
wilden Sprüngen auf da Schwungseil
etwa fester hielt al fönst.
Indessen häufte ihr Papa, Herr Peter
Langmann, durch feine neuen Magnete
wahre Schätze auf, und natürlich strebt,
er mit immer wachsender Begier darnach,
sich die dauernden Dienst seiner beiden
Artisten zu sichern.
Die Beforgniß, daß sie ihm abspenstig
gemacht werden könnten, gab ihm den
Gedanken ein, st zu seiner Theilhaberin
zu machen, doch wurden seine Einladun,
gen von den Herren so kalt aufgenommen,
daß ihm die Lust zu eiteren Versuchen
verging. Dennoch gab er die Idee nicht
ganz auf und e beschäftigte ihn, wie un
natürlich eigentlich die Gleichgültigkeit
gegen jeden materiellen Vortheil von
Seiten der Beiden sei.
Was mochte hinter dieser Ablehnung
stecken? Unbegreiflich, daß zwei junge
Leute die so mühsam für ihren Lebens,
unterhalt arbeiteten, einen Borschlag von
sich wiesen, wie er ihnen gleich Vortheil
hast kaum je wieder geboten würde?
Gingen sie vielleicht mit dem Vorhaben
um, einen eigenen CirkuS zu eröffnen?
Bei diesem Gedanken sing Peter Lang
mann'S Herzblut zu stock: an. Einen
eigenen Cirkukl Nein, der Sache mußt,
er vorbeugen er mußte ihr in Ende
machen und wenn er zu diesem Zweck
ihnen seine Tochter hergeben müßte.
Ihnen seine Tochter geben ja, aber
eö waren ja zwei Liebhaber, welcher von
den Beiden sollte sie denn nun bekommen?
Ihm seinerseits war eS ja gleichgültig,
wer eS fein sollte. Dvk tanzte und ba
lancirte unvergleichlich aus dem straffen
Seil und Eisendraht, dagegen suchte Dak
im Schwimmen, im Pirouettiren auf
dem Schwungseil und im Jongliren sei,
neS Gleichen. Eine fatale Verlegenheit
freilich, aber wer eine Schlacht gewin
nen will, muß immer etwas aus'S Spiel
fetzen, dachte Herr Peter Langmann.
Zuerst setzte er sich mit seiner Frau
iv's Einvernehmen und war sehr erstaunt,
von ihr zu hören, daß weder Dyk noch
Dak sich ein Jota um Netta kümmerten.
Man rief Netta herbei und sie erklärte
lachend, daß sie entweder Beide heirathen
wolle oder Keinen von Beiden.
EtwaS aus dem Concept gebracht,
stand Peter eine Weile da, dann war fein
Entschluß gesaßt. Der Herr Direktor
begab sich schnurstrakS zu den Brüdern
und setzte ihnen seine Verlegenheit und
sein Vorhaben kurz auseinander. Er er,
klärte ihnen, daß er sie durch unlösliche
Bande an sich zu fesseln wünsche, daß er
bedame, nicht zwei Töchter zu haben,
um beide Herren seine Schwiegersöhne
nennen zu dürfen, daß aber, da die Vor.
sehung ihm nun einmal nicht mehr als
eine bewilligt habe, er bereit fei ihnen
diese eine zur Verfügung zu stellen.
.Und er von Euch Beiden, schloß er
unumwunden, .will nun der Mann mei
ver süßen kleinen Netta werden.
Ein Wenig verstand sich der CirkuS,
Direktor wohl aus Physiognomik, aber
er war viel zu vertieft tn seine Interessen,
um den Ausdruck der Pein, der sich auf
beiden Gesichtern plötzlich malte, große
Beachtung zu schenken.
Dyk und Dak tauschten einen Blick
aus.
.In vierzehn Tagen sollen Sie Ant,
wort haben,' sagte Dyk endlich.
.Jawohl, in vierzehn Tagen,' beftä
tigte entschlossen Dak.
.Ahal Nach dem Aufstieg im Ballon,
was?' blinzelte Langmann vergnügt.
.Nach dem Aufstieg, jawohl,' ver.
setzten Dyk und Dak kurz.
Man hätt den beiden Männern that
sächlich zu keinem ungeeigneteren Mo
ment mit HeirathSoorschlägen kommen
können. Kurz vorher hatte nämlich ein
wohlbekannter Luftschiffe? bei Peter
Langmann vorgesprochen und hatte mit
ihm eine vollständige NachmiitagSoor
ftellung verabredet, die in einer großen
Prooinzstadt ftaitsinden sollte.
Der Luftschiff hatte an seinem Ballon
ein Traxezarrangement befestigen lassen
und die Aihleten Dyk und Dak sollten
mit aufsteigen und fo lange sie sichtbar
waren, die schwersten und halSbrechend
ften Kunststücke ausführen.
ES erschien Peter daher nur sehr
natürlich, daß die Beiden ihre Entscheid
dang erst am Morgen nach ihrem ebenso
schwierigen, wie ruhmvollen Abenteuer
treffen wollten.
Der Tag der großen Vorstellung brach
endlich an. Di Obrigkeit hatte ring.
Beilage zum Nebraska 2taats-?lnzeiger.
um den Platz ein Seil ziehe und einen
Trupp Schutzleute zur Wahrung der
öffentlichen Ordnung ausstellen lassen.
Der Raum zum Aufstieg des BallonS
war reichlich bemessen und eine so zahl,
reiche Menschenmenge hatte sich einge
stellt, baß man wie ta ein wogendes
Meer von Köpfen und Gesichtern sah.
Inmitten deS vom Geil umspannten
Raumes schwankte und wiegte sich leise
der Ballon, wie etwa in dickbäuchiger
Städter, der sich träge zu einer feierlichen
Siesta anschickt.
Pünktlich mit dem Glockenschlag drei
regte sich die Menge erwartungsvoll, denn
auf einem von Netta selbst gelenkten
Wagen, die tn ihrem langschleppenden
römischen Peplum frischer und rosiger
aussah denn je, erschienen schön wie die
Götter Dyk und Dak, beide tu einer Art
Trauertracht: benholzschwarze Trikot
mit silbernleuchtenden Gürteln.
Mit einem anmuthigen Gruß an die
beifallspendend Menge und einer noch
tieferen Berneigung vor ber reizenden
Wagenlenkerin sprangen sie in den Korb,
und da der Luftschiffe? bereit an seinem
Platze stand, wurden die Seile auSge,
worfen und fort schwebten dt Drei in
die Wolken rmpcr. Einen Aagenblick
trat Rub in, dann rauschte erneuter
Beifall auf.
Mit der Energie eine, Schwimmer,
der sich mit wem kunstvollen Stoß der
,ers vom Ufer abstößt, hob sich der
Ballon und stieg schnurstracks in die Luft.
Dann sah man, wie sich zwei junge
schlanke Gestalten im Schiffchen gerade
ausrichteten, die einstweilen noch vom
Tauwerk verdunkelt waren, einen Augen,
blick später jedoch auf der Trapezstange
in volles Licht traten, ein Anblick, wage,
kühn und wundervoll!
Hoch ausgerichtet standen beide MSn
ner auf der Stange, sie waren sehr blaß,
hatten die Arme verschränkt und nur eine
leise, witgend Bewegung ihrer Körper
diente ihncn dazu, sich im Gleichgewicht
zu erhalten.
Dyk sprach zuerst.
.Dak,' sagte er, .ich kenne Dein Ge,
heimniß. Du liebst Netta, wie ich sie
liebe. Ist eS nicht so?'
.ES ist so.' erwiderte Dak. .Ich
liebe sie.'
.Bist Du geneigt, zurückzutreten und
mich ihr Mann werden zu lassen?' fuhr
Dyk festen ToneS fort.
.Nein. Und Du willst Du sie mir
überlassen?'
.Taufend Mal nein!'
.Dann also?'
.Muß das Schicksal zwischen uns ent
scheiden.'
.Du meinst, daß Derjenige, der am
Leden bleibt, sie bekommt?'
.Genau so, Derjenige, der am Leben
bleibt, bekommt sie. Und nun heraus
mit Deinem Messer, flink!'
Während sie sprachen, waren sie auf
dem Trapez bis zu den stützenden Seilen
zurückgewichen. Jetzt legten sie die Hand
an' Messer und sahen sich mit tödlichem
Haß an, ohn deS Windes zu achten, der
fte umfegte, ohne das erhabene Schau
spiel zu gewahren, daS sich vor ihnen
auflhat: unter ihnen die weite grüne
Erde, über ihnen der tiefblaue Himmel.
Dann sprangen sie plötzlich gluth,
keuchend, mit grimmblitzenden Augen
aufeinander. ES war ein Vernichtung,
kämpf. Den freien Arm bogen sie zum
Schilde vor. zwangen einander auf der
Stange, die sich unter ihrem Gewicht bog,
rückwärts zu gehen. Ein hinsterbendes
Gemurmel, ein erftickieS Hurrah drang
von unten herauf. Die Menge bewun
derte die neue Programmnummer.
Netta klatschte mit den Uebrigen Bei.
fall. Einen Augenblick standen sich die
jungen Leute da oben bewegungslos mit
angespannten Muskeln im Kreuzsprung
gegenüber. Dann bemächtigte sich Dyk
plötzlich deS Halte, den Dak am Tau
werk hatte, und warf sich auf ihn, und
selbst in diesem Anfall unsinniger Wuth
ließ ihr Instinkt Beide daS Gleichgewicht
festhalten.
Aber nur eine Sekunde verharrten sie
in dieser Stellung. Mit einer mächti,
gen Anstrengung preßte jetzt Dak den
Gegner an die Stange und versetzte ihm
mit einem plötzlichen Stoß deS freien
Armes einen Schlag auf den Kopf, daß
Dyk röchelt,'. Das Gleichgewicht der
Stange war fast verloren und Dak ver.
mochte sie gerade noch zu erfassen, als
Dyk daraussiel.
Die Menge unten brach über die
Kühnheit dieser Bewegung, die ihnen als
neue Kunststück galt, wiederum in Bei
fall aus.
Das brachte Dak zu sich und statt
Dyk von der Stange zu stoßen, wie feine
Absicht gewesen war, packte er ihn um die
Taille und kletterte unter ungeheurer
Anstrengung daS Seil empor in das
Ballonkrupee hinein. Bevor sie nieder
stiegen, erreichte Dyk fein Bewußtsein
wieder.
.Du hast mich gerettet,' sagt r.
.Ohne Dich würde ich abgestürzt sein.
Ich überlasse Dir Netta.'
Am nächsten Tage halte daS Personal
deS Langmann'schen CirkuS eine Lücke
auszuweisen. Dyk war fort.
Die egimentsmusik.
Der Oberst von Pritzenstein saß an
einem schönen Morgen bei einer Tasse
Kaffee und blieS mit Behagen die blauen
Rauchwölkchen ia die Luft, denen er mit
einem gewissen, glücklichen Lächeln nach,
sah, als wenn eine angevehmeErinnverung
in ihm vorüberginge. Ja, gestern war
der Herr Oberst von dem gegcnwlitig
hier auf feinem Schlosse weilende Her,
zog zum Souper geladen gewesen und
hatte viele Schmeicheleien über sein Regi,
ment. über dessen Leistungen und über
die RegimentSmustk von Er. Hoheit zu
hören bekommen, nicht minder gnädig
hatte sich die Herzogin über da Militär
hier geäußert u. s. w. Kein Wunder
also, wenn der alte Krieger heute beson
der gut gelaunt war.
Soeben brachte der treue Georg
Schorsch genannt da Tagblatt, und
nachdem er sich bolzgerade vor sei,
nem Obersten hingestellt hatt und di
Zeitung übergeben, verschwand er wieder
mit einem flotten Kehrt!
Nachlässig nahm der Oberst das Blatt
tn die Hand und begann mit gleichgülti
ger Miene darin zu lesen.
Plötzlich wurde sein GeflchtSauSdruck
ernster, ein ftaunenderBlick blitzte aus den
Augen, und wie von einer Biene gestochen
fuhr er in die Höhe, mit mächtiger Kom
mavdoftimme rufend: .Schorsch l'
Der an strenge Disziplin gewöhnte
Diener stand alsogleich vor seinem Herrn:
.Was befehlen Herr Oberst?'
.Der Musikmeister soll sofort zu mir
kommen,' befahl derselbe mit tngiimmi
gem Blick.
.Zu Befehl, Herr Oberst!' sagt dr
Diener und verschwand.
Nach einerBiertelftunde trat der Muflk.
meist vor den gestrengen Regiments,
kommandeur.
.Lese Er da, wenn Er überhaupt noch
lesen kann!' war die erregte Anrede des
Obersten.
Der erschrockene Musikmeister lag im
Jnseratentheil des Tagblatte Folgende:
.Anfrage! Kann Jemand Aufschluß geben,
warum die RegimentSmustk beim Passt
ren derSchloß'Allee niemals auf derselben
zu, spielen pflegt? Antwort in nächster
Nummer.'
.Warum wird gerade auf der Schloß
Allee, unmittelbar vor dem herzoglichen
PalaiS, nicht geblasen, he, Muftkmei
fter?'
-3-i zum Befehl, d-d-das ist
mir noch gar nicht aufgefallen,' stotterte
der arme Musikmeister.
.So nicht aufgefallen, .donnerte
der Oberst weiter, .aber tn der ganzen
Stadt fällt e auf, daß s sogar die Zei.
tung bringt. Wie kommt daS? ich will
einen Grund haben, oder eS soll Ihn der
Teufel holen!'
.Herr Herr Oberst, ich glaub', ich
mein, ich mein' , ich glaub' meine
Leu Leu Leute können auf der
Schloß.Allee nicht blasen, weil, weil
eS zu eng dort ist,' brachte der Musik,
meister mühsam hervor.
.Sooo; nun gut, werde dies in die
Zeitung setzen lassen,' entgegnete etwa
ruhiger der Oberst, ,'S ist gut, Musis
meister!' Blitzschnell war der Arme zur Thür hin
aus. Der Oberst rief noch einmal seinen
Diener.
.Schorsch, Du gehst augenblicklich in
die Kielftraße, da wohnt so 'o Mensch,
Fink heißt der Kerl, der sudelt hier dies
KSSblatt zusammen, da sagst Du eine
schöne Empfehlung von Deinem Oberst,
und Herr Redakteur Fink möchte fo gütig
sein, heute gelegentlich zu mir zu kom
men.'
Schorsch eilte rasch zu dem Redakteur
deS Blattes und richtete den Auftrag des
Obersten wortgetreu aus. Nachmlt
tag, erschien denn auch Herr Fink beim
Ooersten und ließ sich durch Georg
anmelden.
.Herrrrein!' knurrte der alte Krieger.
.Habe die Ehre, Herr Oberst, auf
Ihre freundliche Einlud' Weiter kam
der Redakteur nicht, mit lauter Stimme
und süßsaurer Miene unterbrach ihn der
Oberst: .Dank, danke, Herr Fink; ich
habe Sie bitten lassen hm ja in
Ihrem geschätzten Blatte' der Obeist
lächelte bitter .steht da eine Anfrage,
welche mich, d. h. meine Regiment, musik
angeht, nämlich, daß dieselbe nicht auf
der Schloß.Allee bläst, und Sie kündi.
gen die Beantwortung dieser etwa? heil,
len Frage sür morgen, d. h. in der väch,
ften Nummer an. Darf ich vielleicht
heute schon um die Antwort ersuchen?'
Der Redakteur sagte nicht, sondern
zuckte ernst die Achseln, während er nur
mühsam ein Lächeln verbiß.
.Aha, also Redaktionsgeheimniß
hm, hm, ich verstehe,' sagte grimmig der
Oberst. .Ich habe übrigen meinen
Musikmeister schon darum gefragt, und
der sagte mir, e sei unmöglich, auf der
Schloß-Allee zu blasen, weil die Passage
dort zu eng und klein sei, und ich ersuche
Sie nun dringend, diese Beantwortung
in Ihrem sehr Blatte aufzunehwenl'
Der Redakteur konnte sich nun nicht
mehr halten und brach in laute, heiteres
Gelächter au.
No. ZK.
.Eingegangen, Herr Oberst, auch ein
gegangen, Herr Oberst!'
Der alte Herr stellte sich in strammster
Haltung dicht vor den Redakteur hin und
fragte fast drohend:
.Wa soll da? Herr eingegan
gen?'
.Ja, freilich, e ist ja nur in schlechter,
harmloser Witz, Herr Oberst; ein wenig
.gekalauert'. Morgen früh steht ia der
Nummer meine Kä, blatte die Ant,
wort auf die Anfrage von heute. Näm
lich: ,Die RegimentSmustk bläst nicht
aus der Schloß.Allee, sondern auf den
Instrumenten I"
Der Oberst pfiff eine Melodie ath.
mete tief auf und schnappte nach Luft!
Dann sagte er mit erkünstelter Ruhe und
süßsauren Lächeln: Sooo! Dann hätten
wir zwei wohl nicht mehr weiter zu be
sprechen.'
Der Redakteur verstand diesen leisen
Wink mit dem Scheunenthor und ver
schwand innig vergnügt und lachend.
Mit Donnerstimme rief der Oberst
aber nun: .Schorsch! Schorschi' Dieser
stürmte herein.
.Sofort den Musikmeister holen, aber
sofort, sonst soll Dich der Teuf '
Schorsch war schon zur Thür hinaus
und rannte zum Musikmeister, ihm den
Befehl überdringend. In einer Viertel,
stunde war dieser da und trat mit beklom
mevem Herzen beim Obersten ein.
.Kerl! Himmeldonnerwetter! Er will
mit seinem Oberst kalauern, ich will Ihm
kalauren; sofort melde Er sich auf drei
Tage in KasermArreft!'
.Zu Befehl. Herr Oberst, aber ich '
.'S Maul hatten, kehrt, marsch! Ver
d.... KorpSl'
Wnstkakisch Aiscl).
Sprichworte, welche sich mit naturwis
senschaftlichen Gegenständen oder Bor,
kommnissen befassen, sind fast auSnahmS,
lol falsch. Auch der Vergleich .stumm
wie ein Fisch' hinkt tn bedenklichster
Weise, denn viele Fische sind sogar auS,
gezeichnet bei Stimme. Solche Fische
sind die Knurrhähne, die Trommklftsch,
die knurrenden Froschsische, die PeterS,
sische . A. mehr. Die Töne kommen
auf verschiedene Art zu Stande. Zu,
nächst können sie eine Art von Knirschen
sein, hervorgebracht durch das Aneinan,
verreiben harter Körpertheile, Theile der
Brustflossen, der Kiemendeckel, des Ge
bisseS. Ja anderen Fällen aber werden
sie in der Schwimmblase hervorgebracht.
Diese enthält Luft und kann durch eine
eigene Muskulatur oder durch die MuS,
kulatur deS Rumpfe zusammengepreßt
werden. Bei den Knurrhähnen ist die
Schwimmblase im Innern durch eine mit
einer centralen Oeffnung versehene quere
Haut in zwei hintereinander gelegene Ab
Iheilungen getrennt. Beide haben ihre
besondere äußere Muskulatur und werden
von dieser abwechselnd zusammengepreßt,
so daß die Luft von dem einen Ende der
Schwimmblase zum anderen mit großer
Gewalt getrieben wird. Hierbei geräth
die Ouerhaut in Schwingungen und tönt
daher ganz in der Art der Stimmbänder
im menschlichen Kehlkopf. Die Knurr,
höhne können sogar ihre Stimm modu
ltren, so daß dieselbe bald wie da
Schaurren einer Katze klingt, bald laut
und hell quiekt, bald tief brummt und
knurrt. Di berühmtesten Musiker aber
unter den Fischen sind di Trommler, die
Drum' der englischen Seefahrer. Die
Art und Weise, auf welche diese an der
Atlantischen Küste von Nordamerika
lebenden Fische ihre Tön hervorbringen,
ist noch nicht genau bekannt. Manche
Forscher meinen, durch da Aufeinander
reiben ihrer gewaltigen Schlundzähne,
andere suchen auch hier den Sitz der
Stimme in der Schwimmblase, welche
sehr seltsam gestaltet, vorn mit verzweig,
ten Anhängen und an jeder Seite mit
einem LängSkanal versehen ist. Die
Trommler leisten in .musikalischer' Hin
ftcht Große. In stillen, warmen Räch,
ten sammeln sich diese Fische mit beson
derer Vorliebe unter vor Anker liegenden
Schiffen in größerer Anzahl an und be
ginnen ihr Concert. Bald klingt eS wie
Orgelschall, bald wie Glockengeläute,
Trommelwirbel, Froschgequacke u. f. a.
So geht eS stundenlang fort, und man
kann diese Töne auS wer Tiefe von 20
Meter herauf noch hören.
ff in centrisches Kkeebkatt.
Au London, 12. Dezember, wird der
.Slraßburger Post' berichtet: Mit dem
jüngst verstorbenen Lord Oxford ist wie.
ber einer jener vornehmen Engländer von
der Welt verschwunden, die man .excen
irisch' zu bezeichnen pflegte: ein G
schlecht, da bei der zunehmenden Ber
flachunz aller Individualität nahezu aus
zusterben droht. Oxford war sehr gr
bildet und einer der gebildetsten und
kenntvißreichften Menschen, die man sich
nur denken kann. Als ganz junger Mann
wurde er schon in's Parlament gewählt,
erklärte jedoch nach Ablaus der ersten
Tagung, ber er beigewohnt hatte. eS geb,
nichts Dümmeres als die Politik, und er
begreise nicht, wie ein geistreicher Mensch
seine Zeit mit solchem Blödsinn todt
schlagen könne. Seitdem hat er sich r.U
mehr um Politik gekümmert, sonder,
die meist Zeit feine Ledev tn Italien
verbracht, Kunst und Literatur treibend
und ine heiteren Lebensgenuß lebend.
Ja Italien heira'hele er auch sein Frau,
ernt geborene Lady Jane Grey eben
so geistreich, eben so unterrichtet und
ebea so excentrisch all er selbst. Sieben
Tage nach der Hochzeit trennten sich di
Gatten schon. St ließen sich nicht
scheiden, lebtea aber nie mehr zusammen
und trafen sich nur ia Gesellschast. wo
sie sich sehr herzlich begrüßte und ans
da Angenehmste miteinander verkehrt,
stet ein wahre Kreuzfeuer von Witze
miteinander austauschend. Lady Orsord
lebte bis zu ihrem tm Jahre 1386 er.
folgten Tode in Florenz, wo ihr 6
Ion, in Merkwürdigkeit der Stadt
bildeten. Sie emxsing von 1 Uhr Nacht
bi ö Uhr Morgen, und Alle, wa an
Eingeborenen und Fremden in der .Bin
menstadt' war, drängte sich bei ihr ,u
sammen. Dt Verpflegung war Srmlich:
Butterbrod und Landmein, aber der
wunderbare Witz der Hausfrau, die all
europäische Sprachen mit gleicher Bol
lendung redete und in alle Bonmot zu
machen verstand, zog mehr an, al an
derSwo die reichste Tafel. Lady Oxford
lag während der Empfänge tm Schlafrick
auf einer Chaiselongue und rauchte die
stärksten HaoannaCtgarren; auch di
Mehrzahl ihrer Gäste rauchte au Leibe,
krästen. Fragte man die Lady nach dem
Grund der Trennung von ihrem Gatten,
so sagte sie lachend, er habe ihr nur zwei
Stücke Zucker für eine Tasse The b,
willigt, während si vier gebraucht hab.
Der Lord hingegen erzählte, seine grau
sei de Morgen stet ungewaschen zum
Frühstück gekommen und hab den Zucker
mit den Fingern au der Zuckerdose ge
nommen. Er höbe sie daraus gebeten,
sie möge sich entweder waschen oder di
Zuckerzange gebrauchen. Da sie beide
abgeschlagen habe, sei die Trennung er
folgt. Jetzt sind Betd todt, und chr
Platz im Reich der .Eccentrtc' wird
schwerlich ausgefüllt werde. Lord Or
ford war bei Lebzeiten ein guter Freund
deS Herzogs von Southerland, der da
Fahren auf Lokomotiven al Sport be
trieb, und de Carl of Wimbledon, der
die letzten zwanzig Jahre feines Leben
in einem unterirdischen Palast bei Ker
zenfchein verbrachte, und in unterirdi
scheu Gängen auf Vollblutpferde spa
zieren ritt, während sein Dienerschaft
mit Fackeln Spalier bildete. Ein ercen,
irische Kleeblatt, wi man nicht besser
wünschen konnte.
?er Jingeryut.
Der Fingerhut ist ein unseren schönen
Leserinnen unentbehrliche Werkzeug.
Ueber da erste Borkommen desselben
schweigt die Geschichte. In einem Wör
terbuche au dem 12. Jahrhundert trd
der .vingerhuth' unter 900 alltäglich zu
gebrauchenden Dingen rwlhnt. Da
Darmstädter Museum bewahrt einen
kurzen, weiten Ftngerhut, dir tn Bronc
gegossen ist, auf, der 1848 in der Burg
Tannenberg an der idyllischen Bergstraße
auSgegraben wurde. Da die Burg seit
1399 als Ruine auf hohem Bergesgipfel
thront, in welchem Jahr si al Sitz
ines Raubritter zerstört wurde, dürft
dr Schluß rlaubt fein, daß dieser Fin
gerhut aus dem 14. Jahrhundert stammt.
Ja Nürnberg bildeten die Fingerhüter
seit 1534 in eigene Zunst. Dieser
altehrwürdige Hauptsitz mittelalterlich
Kunst und Handwerk giebt auch heut
noch in seinem hochberühmten .Germa,
nischen Museum' Kunde von der Beschaf
fevheit früherer Fingerhüte. Einer der,
selben stammt aus dem Jahre 1595. Er
ist in der Form unseren heutigen Finger
hüten sehr ähnlich; unter den Löchern aber
,ft er mit Bildern, Wappen, Adlern,
Lilien und einer Inschrift geziert. Da
selbst wird auch ein kunstvoller Weih
becher gezeigt, der die Gestalt ine
großen Fingerhutes hat. Auf dem Deckel
steht eine ritterliche Gestalt, die in der
Rechten eine große Echtere, in der Linken
eine Nadel als Lanze trägt. Dieser
Fingerhut wurde 1586 der Nürnberger
Scheiderzunst geschenkt. Später ver
wendete man die Fingerhüte nebenbei
?auch zu Luxus, und Schmuckgegenfländev;
zu diesem Zwecke verfertigt man si au
dlen Metallen, bracht reiche Berzikruv
gen an und richtete sie sogar zu Behälter
von kleinen Bildern und ähnlichen Din
gen ein, wie die heutigen Medaillon.
Jetzt wird der Fingerhut fast ganz ohn
Verzierung hergestellt, höchstens, daß r
in werthoollem Behälter als Relseerwne
rung dient. Ueber die Art der Finger
hutsabrikation vor 200 Jahren giebt
Chriftoflh Weigel in einem 1693 rschir
nenen Werke interessanten Aufschluß.
Darin schreibt er über de Nutze de
Fingerhute: .Insonderheit gebühret de
gtngerhüten der Ruhm, daß sie die zarte
ginger des preiöwürdigen Frauenzimmer
bei fo viel tausend Stichen, welche sie so
nützlich als künstlich zu mancherlei Arbeit
führen, ftichfrei erhalten und manches
Blutvergießen verhüten, welche doch oft,
wenn der Fingerhut nicht allfobald bei der
Hand ist, unschuldig vergossen wird.'
Genügsam.
Direktor (einer Schmiere): .Wie
schaut'S draußen auS, ist schon viel
Publikum anwesend?'
Schauspieler : .Sech, Dienstmädchen
und vier Lehrjungen I'
Dirictor : .Na, dann rasch angefan.
gen, damit die Herrschaftkn nicht
ungeduldig werden!'
Sonderbare kogik.
Frau (zu ihrem Zimmerherrn): .Ach
Gott, ach Gott, Herr Professor, da, Un.
glück! Fällt heut Morgen ein Kind
oom drit, Stockwerk
P"scssr: .Trösten si sich! Viel bes.
ser. e, fällt ein Kind vom dritte
stock als dri vom rftn!'