Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 24, 1894, Image 9

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Das maä't nidts !
VurnoicSfe pon IvhanneZ von Tsiriü.
In einem dn vornihmstcn Hotel eine
SrXttfrtn 9VihW4 jt(tTrl fnlj'nti
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ebenso amüsant, als lehrreiche Geschichte.
Herr Leiseginz. GulSbesitzer au der
Umgegend, war GeschZIle halber in die
Tlavl gekommen und im Hokel zum
.weißen Roh' abgestuften. Derselbe
halle am Morgen einen Termin gehabt,
wollle gleich nach Tisch wieder abreisen
und erwartete mit Sehnsucht den Justiz
ralh Meyer, welcher idm noch einige
wichtige Papier und Aus?lärung zu
bringen versprochen halte. Während er
jetzt an der reichgeschmückien Tadle d'hole
saß, manderle sein Auge fortwährend
zwischen dem Teller und der THZr hin
und her voll Ungeduld, denn schon um j Z
Uhr ging der Zug ab. Endlich, das
Mahl war schon zu Ende und man reichte
soeben das Dessert herum, trat der Er
wartet eilig herein, übergab seinem
Clienten, sich nlschuldigend. die Pa.
eiere, setzt sich aus einen zufällig leiten
Stuhl an seine Seil und begann mit
demselben zu sprechen. Der Kellner
prlsentirte Rosinen und Mandeln. Ganz
vertieft und im Eifer der Rede lang! der
Justizralh mechanisch in die Schale und
legte etliche jener Früchte auf seinen
Teller, ohn sie indessen zu berühren.
Die übrigen Gaste erHoden sich einer nach
dem andern, jene beiden sprachen noch
in kurze Weile von ihren Geschälten
und standen dann ebenfalls auf.
Sie wollten soeben den Saal verlosten
und der Justizralh hatte schon den Drücker
in der Hand, als mit füßlächelnder Miene
und mit einem kleinen Räusper der ge
schmetdige Oberkellner ihm in den Weg
trat. .Der Herr verzeihen, der Herr
haben vergessen, zu bezahlend Der
Justizralh blickte etwa überrascht auf den
Sprecher. .Bezahlen, wofür? fragte
er, ihn voller Erstaunen ansehend. ,DaS
Diner, mein Herr, 5 Mark, wenn ich
bitten darf." .Sie irren sich, ich habe
nur einen Augenblick dort gesessen, ge
speist habe ich nicht versetzte der Justiz,
rath mit einer verneinenden Handbeme
gung und wollte seinem sehr pressirten
Elienten ohne weitere folgen, aber mit
dem höflichsten Lächeln von der Welt ver
sicherte der Oberkellner, er verlange 5
Mark. .Der Herr irren sich, der Herr
haben in der That gespeist versetzte er
auf den Teller deutend, auf welchem noch
die Rosinen und Mandeln als corpus
ilelicti lagen. .Rufen Sie mir den
Wirth befahl der Justizralh kurz, dem
da Blut ein wenig in den Kopf stieg
über diese unverschämte Forderung.
.Sogleich, mein Herr!" Der geschnie.
A.lt. (Mi.rf.H Mit K.m irnirnnt.tl
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Locken eilte davon und kam mit dem
Prinzipal nach etlichen Minuten wieder
zurück. .Sie befehlen, mein Herr?
frug der stattliche Gasthalter. Ich wollte
Sie nur um eine Nectifüation Ihres
ObeikellnerS bitten, lieber Herr Wirth
hub der Justizralh so ruhig wie möglich
an. .Derselbe erlangt von mir S
Mark für etliche Rosinen und Mandeln,
die ich nicht gegessen habe. Mich dünkt
diese Forderung ein wenig unbescheiden
Der Oberkellner erwiderte flüsternd
twa auf den fragenden Blick des
Wirthe, dann sah dieser zum Justizralh
auf und versetzte, den schweren Kopf hin
und her wiegend und indem er twa
breitspurig den Daumen in die geräu.
mize, weiße Weste zog: Ich bedanre,
mein Herr, aber mein Oberkellner ist in
feinem vollen Rechte .In der That,
oa sind ich unerhört! 5 Mark verlan
gen Sie für ein nicht genossene Diner?
Dafür, daß ich 10 Minuten hier auf
einem Stuhl faß?" rief der Justizrath
ganz Feuer und Flamme über diese Ant
wort. Mein Herr, Sie sahen an der
'fable d'hote", erwiderte der Wirth und
zog die Augenbrauen wichtig empor.
.Und Sie nahmen Rosinen und Man
dein, mein Herr ergänzte der Ober
kellner. .Und für jene 3 Rosinen soll
ich ö Mark bezahlen?' .Mein Herr,
die ist ein Wirthshaus; wer sich hier zu
Tisch seht und von den Speisen nimmt,
der muß natürlich den Preis für die
ganze Table d'hote entrichten, gleichviel
ob er viel nimmt oder wenig. Das
macht nichts erwiderte der Wirth in
beinahe grober, zum wenigsten sehr be
stimmte? Weise.
Der Justizrath wurde auffallend rolh.
Er richtete sich gerade auf und wollte
schon etwas erwidern, was, nach feiner
geschwollenen Stirnader zu schließen,
nicht gerade eine Schmeichelei war; er be
sann sich ab gleich darauf eines anderen.
Er war Jurist. Er langte in die Tasche,
zahlte die 6 Mark und ging hinaus. Er
warf die Thür ein wenig heftig in'S
Scbloß und murmelte draußen etwas von
.Gaunerbande in den Bart. Das war
vorläufig Alles.
Er brachte feinen Clienten auf die
Eisenbahn und ging dann ärgerlich nach
Hau, setzte sich dort an die Arbeit und
ftudirte eine Weile in seinen Acten.
Sinnend sah er dann zum Fenster hin
.So ein Schurke! Also das macht
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Bart. Er sann auf Rache. Mit einem
Male zuckle ein freudiger, heller Schein
über sein Geflcht. Ein beinahe schaden
froheö Lächeln umspielte feine fchmalcn
scharfen Lippen, er erhob sich dann und
ging zur Thür. .Warte nur, Freund
chen", murmelte er und rief dann mit
ganz veränderter Stimme .Herr Sittig'
in'S Nebenzimmer hinein, .Herr Sittig,
ich bitte?' Das wollen wir Dir schon
anstreichen, Dein .das macht nichts !'
Ein junger, sehr hoch aufgeschossener
Mann mit einem Walde von hoch errpor
gekämmtem röthlichem Haar auf der
Denkerftirne, weit hervorstehenden Au
gen, Schreidärmeln an den Armen und
schief getretenen Stiefeln kam herein und
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verneigte sich linkisch. .Herr Justizrath
haben geruien sprach er schüchiern.
,Ja. mein lieber Herr Sittig', versetzte
dieser gut gelaunt, daS that ich, ,B!te,
treten Sie näher.' Sttlig machte Au
gen: Lieber Herr Sittig! Ja. was war
denn los; so halle der Justizralh ihn
noch nie genannt. .Mein Freund, ich
lade Sie hiermit zu morgen, nein, um
Berzeihug. zu übermorgen, zum Mittag
essen ein sprach der Rachsüchtige und
rieb sich die Hände.
De langen schreiber-JungllngS hei -blaue
Augen blickten noch verwunderter
über diese unkrklärliche Einladung, cl
über das .lieber Herr Eittig'. .Aber
Herr Justizralh stotterte er roth wer
dend und den Oberkörper verlegen hin
und her bewegend, .wie kann ich denn fo
etwa verlangen?' .Nichts da, lieber
Freund versetzte Jener, ihm die Schal
ter klopfend. .Also für übermorgen,
wenn ich bitten darf, und ich habe nur
eine einzige Bedingung dabei zustellen:
essen Sie heute und morgen sowenig wie
möglich, damit Sie meinem Essen über
morgen um so giößere Ehre anthun fön
nen. ' .Ah, ohne Sorgen, Herr Justiz
ralh grinste der lange Jüngling in
freudigster Erregung. Sein großer gut
mülhiger Mund zog sich dabei um ein
ganz Bedeutendes in die Breite und ließ
dabei zwei Reihen Zähne sehen, die viel
versprechend waren und welche der Justiz
rath jetzt mit einer gewissen Genugthuung
betrachtete. .Also pünktlich übermorgen
um 1 Uhr, im weißen Roß, und vor
Allem, wie gesagt, bringen Sie sich einen
recht anständigen Hunger mit. Ich
danke Ihnen, mein lieber Sitlig!'
.So, das wäre abgemacht sprach
der Justizralh und rieb sich vergnügt die
Hände, als jener hinaus war. Dann
steckte er sich da Pfeifchen an und fehle
sich beruhigt an seine Arbeit.
Am zweiten Tage den aus Punkt 1 Uhr
Mittags erschienen der Justizlath Meyer
und sein Schreiber Sittiz, dieser in sei
nem besten Sonntagsstaat, im Speise
saal des weißen Roß. .Zwei Plätze an
der 'Talle d'hote," sprach der Justiz
rath zum Oberkellner. .Ich bittehier
lispelte der Geschniegelte und wies mit
graziöser Armschwenkung auf zwei leere
Stühle. Ein etwas spöttisches, aber
beinahe unmerkliches Lächeln spielte da
bei um seine glatt rasirle Oberlippe. Herr
Meyer und sein Gaft nahmen Platz. Es
waren etwa hundert Personen bei Tisch
und AlleS sehr oppulent, BlumenaufsStze
aus blitzendem Erystall entzücklenz die
Kellner waren im Frack und weißer
Binde. Der stattliche Wirth in höchst
eigener Person stand neben dem Büffet
ganz in Gala und überwachte daS Ganze,
die eine Hand in der Weste verborgen,
den echten Fuß vorgesetzt, wie ein Feld
Herr in der Schlacht. Man reichte dem
Justizralh unaufgefordert die Weinkarte.
.Ich danke, Wein trinken mir nicht, nur
Wasser. Nicht wahr, Herr Sittig?'
, Jawohl, wir trinken keinen Wein, nur
Wasser. Herr Justizrath erklärte der
Schreiber auf da Bestimmteste. Mit
einigem Erstaunen entfernte sich der Kell
ner. DeS Wirthe dunkle Augen schau
ten mit einem Anflug von Mißbehagen
auf jene beiden Gäste. Der feine Ober
kellner rieb sich die Hände und sah viel
sagend zu feinem Prinzipal hinüber.
Die Suppe kam. Im Handumdrehen
war dieselbe verzehrt. Herr Sittig
spülte sie kaum, denn Herr Sittig hatte
sehr großen Hunger. Er hatte zwei
Tage gefastet und er war ohnedies schon
berüchtigt als ein außerordentlich starker
Esser. Er hatte Ruf gewissermaßen.
Nach der Suppe kamen blaue Forellen.
Zierlich lagen die kleinen Dinier auf der
frisch gefalteten Serviette sehr appetitlich
wischen der grünen Petersilie. Der
Kellner kam von links, er präsentirte die
Schüssel Herrn Sittig zuerst. Der
Justizrath meinte zu bemerken, wie jener
ein wenig verächtlich auf die kleinen
Wesen niedersah. Er beeilte sich, ihm
etwas in das Oar zu flüstern. Em ver
ständnißoolles Lächeln und Herr Sittig
griff mit beiden Händen zu, er leerte un
verzüglich die Serviette sammt der Peter
silie auf seinen Teller, ehe noch der Kell
ner dieses Attentat vn hindern konnte.
.Aber mein Herr, Sie nehmen ja alle,
das sind ja Forellen rief jener ganz er
schrocken und prallte förmlich zurück.
.DaS macht nichts', erwiderte freundlich
lächelnd Herr Sitlig, .ich esse sie gern
Damit legle er die leere Serviette wieder
auf den Teller zurück. Die Nachbarn
staunten über den unbescheidenen jungen
Mann und machten ihre Bemerkungen.
Der Wirth runzelte finster die Brauen;
der Kellner aber lies eilend nach der
Küche. Die Forellen waren schon etwas
knapp, nun mußte schnell etwas Lachs
nachgebacken werden für diejenigen, welche
sonst zu kurz kamen. Aber auch sechs
Forellen zu nehmen, das ist uneihortl
Herr Siltig tändelte dieselben zur innig
ften Freude seine JustizratheS sammt der
Letersilie und den täten hinunter und
sah sich dann freundlich lächelnd nach
mehr um. Ein zugeflüstert Wort und er
lies mit lauler Stimme über den ganzen
Saal hinweg: .Kellner, bringen Sie mir
doch rnch ein Paar von den kleinen
Fische.", I' Et.iche Gäste lachten, andere
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Beilage zum Nebraöla Ttaats-Anzeiger.
blickten ärgerlich, der Wirth aber warf
abermals einen finsteren Blick herüber
auf die Beiden, so heftig wie Galle.
Vielleicht ahnte er bereits dunkel, was
dort vorging. .Aber so geben Sie doch
meinem lieben Gaste nicht sämmtliche
Beaureste' schnurrte der Jusiizrath gleich
daraus mit erhobener Stimme den Kell
ner an. .Wie? Alle? Kein Fisch mehr
da? Nun, daß muß ich sagen !' Der
Wirth wurde poneeau-rotlj über diese
Blamage; der Oberkellner lächelte sehr
verlegen und lispelte, schnell herzueilend,
dem Justizrath etwa in' Ohr. .Da
ist mir ganz egal', erwiderte dieser grob,
.hier kann ein Jeder soviel nehmen oder
so wenig, wie er will. Sie selbst erklär
ten mir da erst vorgestern. Also brin
gen Sie Fische!'
Der Wirth wollte bersten vor Wuth,
aber wa wollte er machen? Er mußte
sich bezwingen, trotzdem die Bruchstücke
von der Erzählung jener Geschichte von
vorgestern, welche der Justizralh soeben
seinen Nachbarn zum Besten gab, deut
lich an sein Ohr schlug. Ein schallend
Gelächter belohnte die Pointe derselben.
Man sah vergnügt und zustimmend von
allen Seilen auf den Racheengel, den
langen Schreiber, der ohne Unterlaß
kaute, nicht ahnend, welche Mission er
damit erfüllte. Noch schlimmer! Man
beschloß sogar an der Revanche sich ein
wenig z betheiligen. Die Geschichte
machte die Runde an der Table d'hote,
überall reckten sich die Hälse; man sah
lachende und neugierige Gesichter. Auch
herüber nach dem Busset richtete sich man,
che? Auge und manch schadenfroher Blick.
Der stattliche heißblütige Wirth litt
wahre Höllerqalen. Was wollte er
machen? War er nicht selbst daran schuld?
Es kam der nächste Gang, Roastbeef
mit Kartoffel. Herr Sittig langte
wacker zu, er hielt sogar dem Kellner den
Arm fest, als dieser zu früh zurückziehen
wollte; er nahm sich wenigstens ein gan
zc Pfund Fleisch. Auch der Justizralh
legte sich wacker vor und lächelnd thaten
ebenso die andern. DaS Essen reichte
abermals nicht. Verlegene Mienen der
Kellner; Lachen und Raisonniren der
Gäste. Der Oberkellner eilte bald hier
hin, bald dort hin, um zu beschwichtigen
und zu versprechen. Die Feierlichkeit der
Table d'hote war vollständig gestört, mit
jedem Gerichte steigerte sich der Lärm und
die fröhliche Aufregung. ES war aber
geradezu unglaublich, was Herr Sittig
leistete. Die anderen sahen es mit Stau,
nen und mit Grauen. Es war ein Ab
gründ, er nahm von allen Schüsseln zwei
mal und rief dann jedesmal noch mit lau
ter Stimme hinterher nach dem Kellner.
Dazu trank er ganze Stiöme Wasser und
öffnete einen Rockknopf nach dem andern.
Der Justizrath lachte in sich hinein und
nippte an feinem leeren läse. Der
Wirth wollte bersten....
Die Geschichte machte natürlich die
Runde durch die ganze Siadt, noch weiter
vielleicht, aber was wollte er machen?
Er mußte schweigend zusehen, hatte er
sich das, wie gesagt, Loch selbst einge
brockt. Hundert Mark hätte er gegeben,
wäre das nicht geschehen. Aber mini
DaS war denn doch ein wenig zu viel.
Länger bezwäng er sich nun nicht mehr.
Nachdem nämlich jener fürchterliche Gast
soeben erst den halben Puterbraten und
fast einen ganzen Pudding verschlungen
hatte, wurde ihm jetzt der Käse xräsen
tirt. (ES war prachtvoller Roquefort
und soeb-r. erst frisch angeschnitten;
man ercellirte in Käse im weißen Roß )
Mit Entsetzen sah nun der Wirth, wie
jener Unglücksmensch den Kellner fest
beim Arm packle, mit einem kräftigen
Schnitt, und ohne auf dessen Sträuben
zu achten, den halben Roquefort herun
lersäbelte und auf seinen eigenen Teller
nahm. Ganz zornroth und mit blitzen
den Augen stand der Wirth vom weißen
Roß neben dem unbescheidenen Gaste.
.Mein Herr rief er auf das Höchste er
bost, .wenn Sie denn doch schon einmal
den halben Käse essen wollen, dann wär's
wohl schicklicher gewesen, zum wenigsten
die angeschnittene Hälfte zu nehmen
Herr Sitlig hielt sofort mit dem Essen
inne. Er blickte gutmüthig lächelnd und
gar nicht empfindlich in das aufgeregte
Gesicht des Wirthe und erwiderte ebenso
harmlos wie zuversichtlich: ,O das macht
nichts, Herr Wirth, da kommen wir auch
noch hin
Mit einem unterdrückten Fluch und
seiner kaum noch mächtig vor Zorn trat
der Grobian unter dem schallenden Gc,
lächter der Anwesenden zurück. Er stand
dann wieder neben dem Busiet, die eine
Hand in die Weste geschoben, starrte
kirschroth ,ur Decke empor und bewegte
hastig die linke Fußspitze auf und nieder.
.So dachte der Justizralh sehr besrie,
digt. .so gefällst Du mir, mein Lieber.
Sieh, das ist meine Revanche für Dein:
.Das macht nichts
.Herr Oberkellner, was habe ich zu
bezahlen?' .Zwei Couvert. 10 Mark,
mein Herr.' Der Justizralh legte ein
kleines Zehnmarkstück auf den Tisch,
nahm noch einen Zahnstocher mit und
entfernte sich dann sammt seinem außer
ordentlich glücklich und satt aussehenden
lieben Gaste. Die Anwesenden blickien
ihnen lächelnd nach. DaS macht !ch'S,
klingt ti heute noch manchrral von ihren
Lixpcn und wenn zwei hernach anstießen,
dann lachten sie vielsagend und sprachen:
DaS macht nicht. Der Wirth vom
weißen Roß hätte dann jedesmal aus der
Haut fahren wollen. Aber da macht
nicht. Wenn e ihn nur klüger gemacht
hat für die Zukunft.
Durch die Zeitung.
Eme wahre Geschichte. Von I. Piorkowöka.
.Der Vorstand de Hospital zu St.
Jakob wendet sich hierdurch an edle Men
fchenfreunde mit der Bitte, um gütige
Ueberlassung gelesener Zeitungen und
Broschüren zur Unterhaltung für ihre
Kranken und RekonoaleSzenten
In Folge dieses Gesuchs in einem der
verbreiletsten Lokalanzeiger von B....
wurde täglich das Verschiedenste Po
litischeS, Wissenschaftliches, Belletrist!.
fcheS, kurz, Lektüre jeder Art, in dem be
treffenden Krankenhause abgeliefert.
EineS TageS befand sich auch eine Zci
tung darunter mit dem schriftlichen Gruß
am Rande: .Ich wünsche einen guten
Mirgen und recht baldige Besserung',
nebst genauer Adresse der Schreiberin,
.Fiäulcin Luise Lobstedt, Nordstraße 3,'
Diesem Gruße wurde binnen wenigen
Tagen folgende Antwort:
.So giebt eS wirklich draußen in der
sonnigen glücklichen Welt noch eine
Barmherzige, die auch für unS arme
Kranke einen freundlichen Gedanken hat I
.Ich bin die Glückliche, die Ihren
Gruß empfing, die hofft, daß Ihr Wunsch
sich bald erfüllen werde und sie in nicht
zu ferner Zeit diel HauS genesen ver
lassen kann.
.Sind Sie selbst jemals ernstlich krank
gewesen, haben Sie je fo heftige Schmer
zen ertragen, wie ich sie jetzt erdulden
muß, so werden Sie auch die Bitte einer
armen Kranken erhören und eS nicht bei
dem einen Gruß bewenden lassen, der
mich so glücklich machte.
.Hütte ich wenigstens irgend eine mir
sympathische Seele hier, gegen die ich
mich auLsprechcn, mit ver ich hin und
wieder ein Weilchen verplaudern könnte;
momentan aber ist Niemand da, der mir
hülfe, die langen einsamen Stunden zu
verkjZrzev, drum nochmals die Bitte:
lassen Sie mich nicht vergebens auf eine
Antwort hoffen.
.Inzwischen mit herzlichem Gruß
Ihre dankbare
Bertha WillmerS
Damit war eine Corresvondenz ange
bahnt, welche beide junge Mädchen als
bald mit größtem Interesse fortsetzten.
ES entstand ein lebhafter Gedankenaus!
tausch, Briefe gingen herüber und hin
über, in welchen die Zwei ihre Lebens
ftellungen und Schicksale einander aus
sührlich mittheilten.
Luise Lobstedt ichrieb ihrer neuen
Freundin, daß sie ziemlich vereinsamt in
der Welt stehe, in einem großen Konsek
tionSgeschäft in Stellung sei, bei mäßiger
Bezahlung vom frühen Morgen bis zum
späten Abend, mit nur kurzer Pause über
Mittag, angestrengt zu thun habe und
ihr Chef bet den hohen Anforderungen,
die derselbe an feine Leute stelle, ziemlich
unliebenswürdig sei. Sie habe wenige
Bekannte ihres Alters und keine Freun
bin, der sie wahrhaft von Herzen zuge
lhan wäre. Wie sie sich jetzt der guten
Idee freue, jener Zeitung einen Gruß
und ihren Namen beigefügt zu haben
e fei doch etwas riökut gewesen wie,
wenn ihre Adresse in falsche, unrechie
Hände gekommen wäre?!
Sie hoffte auch, schrieb sie in einem
ihrer späteren Briefe, endlich mal Zeit
zu finden, Fräulein Bertha im Kranken
hauS aufsuchen zu können und ihre liebe
Freundin endlich persönlich kennen zu
lernen.
Bertha WilmerL antwortete in dem
selben offenen, herzlichen Tone.
Sie erzählte, daß sie, auS H
gebürtig, vor drei Monaten hierher nach
B gekommen sei, um sich vurch
Sprach und Musikunterricht ihren Le
benöunterhalt zu verdienen. Schon nach
wenigen Wochen fei sie fchwer erkrank:
und auf ihren eigenen Wunsch von ihren
WirlhSleuten hier in das Hospital ge
bracht worden.
.Wie glücklich macht mich die Ais
stcht, Sie bald kennen zu lernen; ich
zweifle nicht, daß unS von nun er. fut'a
ganze Leben innigste Freundschaft ver
binden wird, und doch mochte ich Sie
bitten, Ihren Besuch bei mir noch ein
kleines Weilchen hinauszuschieben.
Weshalb? Sie werden mich für thö
richt, für eitel halten, werden es eine
weibliche Schwäche nennen, und doch ....
Man pflegte mir vor meiner Krankheit
öfter Komplimente über mein hübsches,
frisches, gesundes Aussehen zu mctchen
Sie werden begreifen, wie ein fünf
wvchenIangeS schweres Krankenlager ei
nen Menschen verändert, wer weiß. Si:
würden sich vor meinem jetzigen Aussehen
vielleicht entsetzen, und ich möchte aus
meine neuerwordene Freundin doch einen
inöglichst günstigen Eindruck rnachin.
.Sobald ich mich etwa mehr erholt
habe, sobald ich wied:r etwa? mehr met
No. I.
nem früheren .Ich' gleiche, schreibeich
e Ihnen
Acht Tage später machte sie Luis:
Lobstedt die erfreuliche Mittheilung, daß
sie hoffe, binnen Kurzem al genesen
aus dem Hospital entlassen zu werden.
Ihr erster Aukgang gelle dann ihr
ihrer neuen lieben Freundin, zuvor aber
müsse sie ihr eine sehr, sehr ernste Beichte j
aoiegen.
Unter Zusicherung größter Achtung
und Liebe bat sie Fräulein Luise, welcher
Art ihr Geständniß auch sei, da Eine
müsse dieselbe ihr versprechen: sie bei sich
willkommen heißen zu wollen.
Nicht hat Bertha im Leben wohl
mehr überrascht, als die Antwort, die ihr
hieraus ward:
.Mein liebe, Fräulein Bertha lau
tete Louise Lobstedt' Brief. .Mit vor
Angst und Aufregung zitternder Hand
schreibe ich diese Zeilen, denn entweder es
beginnt für unS Beide ein neues glück,
licheS Leben, oder AlleS ist zwischen
unS auS und wie ich da ertragen
sollte, weiß Gott allein denn, o lassen
Sie es mich Ihnen gestehen, ich liebe
Sie ja, ich liebe Sie mit der ganzen
Gluth, der ganzen Leidenschaft eines
warm empfindenden Herzen! Der
Eingebung einer übermüthigen Laune
folgend, fügte ich meinem Namen auf
der Zeitung, die ein glücklicher Zufall in
Ihre Hände spielte, das kleine Wör'chen
.Fräulein' bei; ich fetzte den Scherz in
meinen ersten Briefen fort und dann war
mein Interesse für Sie bereits ein zu
warmes, als daß ich es über mich ser
möcht hätte, Ihnen die Wahrheit zu ge
stehen, die nicht nur vielleicht unserer
Correspondenz, die mir zum Bedürfniß
geworden, ein Ende gemacht, sondern mir
auch voraussichtlich die Gelegenheit ge
nommen hätte, Sie jemals von Angesicht
zu Angesicht kennen zu lernen. Ach,
Fräulein Bertha, zürnen Sie mir nicht,
weisen Sie eine tiefe, innige Liebe, wie
sie mein Herz für Sie empfindet, im
Groll nicht von sich! Schreiben Sie
mir nur ein Wort ein kleines Wört
chen nicht jetzt nicht gleich erst
wenn Sie sich von dem Schrecken erholt
haben, den d'e Enthüllung meines Ge
hcimnisseS Ihnen verursachen muß; daß
es kein Mädchen ist, daS Sie bis zum
Wahnsinn liebt, sondern ein Mann !
ein Mann, der sich ihrem Urtheilsspruche
fügen wird, wie derselbe auch lauten
mag, dessen Lebcnsglück aber für immer
zerstört, vernichtet ist, wenn Sie sich zur
nend von ihm abwenden!
Ewig der Ihre
Ludwig Lobstedt
Aengstlich harrte er, der sie betrogen,
auf die Antwort. Sie kam am folgen
den Tage und lautete:
.Geehrter Herr! Leider kann ich
Ihnen die Enttäuschung nicht ersparen,
die diese Zeilen Ihnen bringen werden.
Wie Sie trotz Ihrer heißen Liebe zu mir
einsehen müssen, kann ich nie die Ihre
werden! Gleich Ihnen von zarter
Rücksicht für das schwächere Geschlecht
beseelt, nahm auch ich meine Zuflucht zu
einer kleinen List.
.Kann uns auch keines Priester Se
gen verbinden, so können wir doch gute
Kameradschaft mit einander halten, mei
nen Sie nicht?
.Von Herzen freue ich mich auf Ihren
Besuch; da wollen wir mit kräftigem
Händedruck einen FreundschaftSöund be,
siegeln, den wir zwar einer Täuschung
verdanken, auS dem in Zukunft ober
jedwede Geheimthuerei ausgeschlossen sei.
.Auf baldige persönliche Bekannt
schaft
Ihr freundschaftlich ergebener
Berthold WilmerS
?5ic in ZSekaulirakien Syc z Stande
kommcn.
Wenn in Fremantl die bevorstehende
Ankunft eines Auswandererfchiffes ge,
meldet ist, erscheinen in den Zeitungen
sofort Mittheilungen über die an Bord
befindlichen Passagiere, z. B.: .Mit dem
am S. November hier fälligen .Hamp
shire' treffen ein:
15 Mädchen,
50 Junggesellen und
29 Ehepaare.
Die betreffenden Mädchen können nach
Ankunft des Schiffes in meinem Haufe
vorgestellt werden. Unter ihnen befinden
sich geschickte Köchinnen, Hausmädchen
und Mädchen für Alles. Interessenten
belieben sich schriftlich zu wenden an
Mrs. X . Ystraße
In Perih, wie in Fremantl, den
Hauplhäfen WcstauftralienS, herrscht
allemal die größte Aufregung, wenn eine
neue , Ladung' weibliches Dienstpersonal
eintrifft. Die Hausfrauen in West
australien haben stets Bedarf an solchen.
Eine Dame so munkelt man dort
hat mit einer Zeitung gleich Vertrag da
hin abgeschlossen, daß diese in jeder er
scheinenden Nummer von ihr die Anzeige
bringt: .Gesucht für Ende des MonaiS
eine Köchin, ein Stubenmädchen und ein
Mädchen für AlleS
In dem übrigens recht heilsamen
tUrnia Westaustraliens halten weibliche
kiienftbotcn selten länger als einen
Monat aus. Äle gehen aus der Haupt
oder Hasenstadt ungern weg und ei
SlellungSangebot nach dem Landekinnern
weise sie höflich zurück.
Ein bejahrter und begüterter Faimer
erschien da eineS Tage bei jener Mi.
$. und fragte, cb sie ihm nicht eine Gat
lm .liefern' könne. Die würdige Dam
fühlte sich hierdurch verletzt, da sie einen
unpassenden Scherz de Manne darin
vermuthete. AI sie sich aber überzeugt,
daß e ihm Ernst war, führte sie ihm
einige der vorhandenen Mädchen vor.
Er wählte eine davon und fragte diese,
ob sie seine Frau werden oll, unter
dem Hinzufügen: .Ich verlange nur ein
liebreiche Behandlung meine kleinen
Jungen!' Da Mädchen versprach
da und wandert unmittelbar au dem
.Depot' nach dem Altare. Si hat di
sonderbare Eheschließung nie bereut und
lebt jetzt glücklich in eigener Familie.
Der alte Mann war entzückt über da
von ihm in der Ehelotterie gezogene Loe
und schickte nach Europa Geld, um auch
die Schweflern seiner Frau nach der Ko
lonie kommen zu lassen. Unlängst ist
der bejahrte junge Ehemann' gestorben
und hinterließ seinen gesammten Besitz
an Baarem, einem hübschen Häuschen
und ein Areal von 16 Hektar kultivirtea
Boden seiner .treuen, zärtlichen Lebens
gesährtin
?5arum Vamenuljre immer falsch
geben.
E ist bekannt, daß Damenuhren leicht
außer Gang geratheg. Jeder Uhrmacher
wird da wissen, ohne daß er die Ünrezel
Mäßigkeiten den zierlichen Uhrwerken
selbst zur Last legen würde. Im Gegen
theil erweisen sich Damenuhren, sobald
Herren sie tragen, oft genug als zuoer
lässigste Zeitmesser. So passirte e einem
Uhrmacher, daß eine Dame immar aus'
Neue ihre Uhr zur Reparatur zu ihm
brachte und jedesmal ein Lamento über
ihr unregelmäßige Gehen anstimmte.
Ohne eine weitere Reparatur oorzuneh
men, versuchte der Uhrmacher, die Uhr
dadurch auf die Prob zu stellen, daß er
sie selber trug. Sie ging vortrefflich.
Kaum jedoch war sie ihrer Eigenthllmerin
zurückgegeben, al die Klagen von Neuem
begannen. Der Uhrmacher sagte, da
schlechte Gehen der Damenuhren liege
daran, daß Frauen ihre Uhren nicht so
sorgfältig behandeln, wie Männer e
thun. Diese ziehen ihre Uhren regel
mäßig auf, Frauen fast nur gelegentlich.
Die Männer tragen ihre Uhren beftän
big und regeln ihre Alltagslhätigkeit nach
dem Gange derselben, wogegen die Frauen
sich ihrer nur zu Zeiten bedienen und
nach dem regelmäßigen Gange ihrer Zeit
messer wenig zu fragen haben. .Und
schließlich', meint der Uhrmacher, .muß
man einmal zusehen, wie und wo eine
Frau ihre Uhr trägt. Befindet sich die
selbe am Armband eine sinnige Ein
richtung, der man häufig begegnet so
ist c8 klar, welchen unvorhergesehenen
Stößen sie ausgesetzt ist. Trägt die
Frau ihre Uhr wo anders, sei eS auch in
einem eigens dam konstruirten Uhrtäsch
chen, so hat sie erstens eine Menge Schwie
rtgkeiten sie hinein und abermals
eine Menge Schwierigkeiten, sie heraus
zubekommen. Unter diesen Umständen
dürfte sich keine Dame wundern, daß
ihre Uhr ihren Dienst nicht pünktlich
verrichtet, sondern zahlreichen Störungen
ausgesetzt ist
Sine ausdrucksvoss Statue.
Bei dem vor einiger Zeit in Pari
verstorbenen hochtalentirten Bildhaun
Carpeaur, so erzählt das .Berl. Tgbl,
bestellt einst ein Liebhaber eine Gruppe:
Polyphem erdrückt AciS unter einem
Felsblock. Carveaur vermockte dieser
Aufgabe keinen Geschmack abzugewinnen
und ließ vie Arbeit liegen. EineS Tage
erkundigte sich der Kunstliebhaber wieder
nach seiner Gruppe. Carpeaur führt
ihn vor einen Klumpen Modellirthon:
.Da ist Ihre Gruppe sagte Carpeaur,
ohne eine Miene zu verziehen.
.DaS da wirklich?'
.Selbstverständlich. DaS ist der
Fels.'
.Ach so.... wo ist aber Acis?'
Unter dem Felsen erdrückt den
kann man nicht sehen.'
.Und Polyphem?'
Bah! Glauben Sie denn, daß er da
geblieben ist, nachdem er einen solchen
Streich vollführt hat?'
Zit armen Einjährigen.
Hauptmann : .Welcher Esel von
einem Einjährigen hat denn eben wieder
vorgeschossen?'
Feldwebel : .Entschuldigen, Herr
Hauptmann, das war kein Einjähriger,
sondern der Gemeine Schmalzhuber
Hauptmann: .Da irren Sie sich,
Feldwebel, ich habe eS an dem Knattern
des Gewehres gemerkt, daß eS ein Ein,
jähriger war
kzerzlos.
Zärtliche Mutter (die dem Geschrei'
ihres Kindes lauscht): ,O. was für eine
süße Stimme hat da Kind 1 Sie wird
gewiß eine große Sängerin! Wir wer
den sie nach Italien schicken und ihr
Stimm ausbilden lassen müssen ! '
Vater (der gern einschlafen möchte):
.Aber sofort
, vom acheder.
...Die Ausnützung der Dampfkraft
war unseren Ahnen noch ein mit sieben
Tiegel verschleiertes spanisches Dorsl'
Die gebildete Zofe.
.Ist die Giäftn zusprechen?'
Bedaure sehr, soeben ist der Arzt ge
kommen.'
WaL? Doch nicht etwa gefährlich?'
Nein. Frau Gräfin läßt sich nur die
Hühneraugen plombiren !'