Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 12, 1894, Image 9

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    Line alte Jungfer.
.Zwing Tich nicht. Hedwiq. wenn
Cu seinen Hunger hart," sagte iflultm
Ananana Xnoii mit toter kühlen. ruyi
gen Stimmt zu einem jungen Mädchen
in lrauerkleibern, bol cm ttx ihm not
aesedlen keinen Mehlspeise, nebenbei
einem Wunderwerk der Kochkunst, mit
der urnqekehrten Gabel, wie man zu
sagen pflegt, ah.
Hedivig blickte oerblufit aus. dann kam
ihr da Wasser in die Augen. ? war
ihr aus einmal klar geworden, aal dal
hart kalte Fremd für sie bedeutete.
Daheim wäre e sicher all in National
Unglück angesehen worden, wenn dal
Prtnzeßlein seinen Teller unberühit lieh.
Mama nöthigt aus dal Zärtlichst, Papa
wollte den Arzt zu Rathe ziehen, selbst
die alte Köchin sann in Zerknirschung
darüber nach, wa sie an der Mah!?,eit
wohl versehen haben mochte, und Fiäu
lein Anaflafla, deren Obhut die Waise
übergeben worden war, versetzte blos
kaltblütig:
.Der Appetit wird sich bei einem so
jungen und gesunken Menschenkind schon
wieder von selber einstellen; bei einer
rltcn Person, wie ich bin, ist das etwas
Andere.'
So kalt, so gefühllos I Und da war
da Wesen, da Hedmig Vater und Mut,
ter ersetzen sollte. O, nicht umsonst hat
ihr kranke Mama noch auf dem Todten
bett lang und schwer mit sich gekZrnpft,
bevor sie ihr Stiesschwester au der
Ferne herbeirief, um den größten Schatz,
den sie besaß, in ihre Hände zu legen.
Nicht umsonst hatt sie dieselbe einmal in
einem unbewachten Moment verknöchert,
eine wlrmerenGefühl unfähig genannt.
Seit sie ihrem Gatten nach dessen Wohn
sitz in einer nördliche,, Stadt de Staa.
te New Fork gefolgt war, hatte fast
jeder Verkehr der Stiefschwestern aufge
kört. Hedwig erinnert sich nur an inen
Besuch ihrer Tante, Dies war auf
Vollkommen unerwartete Weise in den
Besitz einer Erbschaft von einer ihrer
mütterlichen Verwandten gelangt und
hatte kurz nach diesem Ereigniß eine
große Reise, wi e hieß, nach Califor
nien unternommen, wobei sie zu einem
kurzen Aufenthalt im Hause von Hed
wig' Eltern vorsprach. Da junge
Mädchen kann sich noch sehr genau der
außerordentlich nützlichen Geschenke erin
ncrn, die jene ihr mitgebracht; da war
kein Spielzeug, kein Putzstück darunter,
Alle war sehr praktisch, sehr nüchtern
und hatte dik Kleine nur äußerst mäßig
erfreut. Ihr schwebt noch dunkel vor,
daß e bei diesem Besuch zu unangeneh
men Erörterungen über Tante Anastasia's
Reise und den Zweck derselben gekommen
war, daß dies erzürnt da Hau auf
Nimmerwiederkchr verlassen und Mama
sie ine überspannt, alte Närrin genannt
habe, wa eigentlich, wenn man e nach,
trSglich überlegt, nicht recht zu ihrem
ganzen Austreten und den praktischen Ge
schenken gepaßt.
Nach ihrer Rückkehr erfuhr man, daß
sie sich wie in Karlhäuserin jn ihr er
erbte Hau einschloß, daß 'sie keinen
Verkehr mit andern Menschen pflegte und
für hart und geizig galt. Hätte Mama
einen anderen Ausweg gewußt, so hätte
sie gewiß ihren Liebling nicht dieser alten
Jungfer anvertraut, die alle Lebenslust,
allen Frohsinn in ihrer jungen Haus
genossin rtödtkn, dt sie mit kränkender
Sorglosigkeit und Mißachtung behan
dein würde. Aber Hedmig war nach dem
Tode ihrer Eltern beinahe mittellos und
Taute Anastasta ihre einzige Verwandte
'in Amerika. Eine Art von Trotz r
achte in ihr bei den Worten de alten
Fräulein, sie griff zu und aß herzhaft.
Aber wenn da junge Mädchen die
Lieblosigkeit vorher geahnt hätte, mit
elcher ihre Tante sie behandelte, die ge
ringe Aufmerksamkeit, die jene darauf
verwandle, ob dem armen Kinde diese
oder jene Speis munde, ob ihr Be
wegung oder Ruhe gesünder sei, ob ihr
der Verkehr mit andern Menschen oder
die Einsamkeit leichter über die Trauer
ach den verstorbenen Eltern hinweg
helfe, dann hätte sie S vorgezogen, als
Lehrerin oder Erzieherin in ihrer Hei
malh zu bleiben, wo st unter den Be
kannten ihre! Haufe gewiß Fürsprache
und Schutz gefunden hätte. Dann hätte
sie wenigstens nicht zu allem nieder
drückenden Kummer auch den der Tren
mung von Fritz Hollfeld hinzuzufügen
gehabt; von Fritz Hollfeld, der ihr erst
allerdings noch etwas grüne N:igung be
saß und auf da Glühendste erwiederte.
Herr Hollfeid hatt glänzende Aussichten
(ür seine Zukunft, sein ganz Lausbahn
lag vor ihm, denn c stand noch am ersten
'Anfang derselben. Hä!te der Tod von
HedwigS Vaier nicht so nützlich störend
ingegrifscn, dann wär der strebsam
jung Mann durch Fleiß und Tüchtigkeit
ohne Zweifel vom Buchhalter zum Theil,
haber emporgerückt und der Verwirk
Itchung von seinen und HedwigS rosen
farbene Träumen wäre nicht im Wege
geftnden. Leider zog da jähe Ende
itints BrincioalS und die Auflösung deS
-Geschäfte einen dicken schwarzen Steich
'durch die Rechnung. Fritz stand wieder
,am Fuße deS BergeS mit allen seinen
.glänzenden Aussichten vor sich, und Hed
ig mußte sich wi in verzauberte Prin
zesftn tu da Haus der bösen alten Fee
einmauern lassen. Nicht einmal der Trost
TW !ie!nden. die in unerbittliche
Geschick getrennt, wurde ihr zu Theil;
kein Bries kam in ihre Hände. Und sie
fl für die ,rvei gleich verlocken.
den Erklärungen entscheiden, daß Fritz sie
vergefsen habe, oder daß die Tante sie
.fiitli die hartherzige alle Jungfer selbst
.i.r fnlien Schändlichkeit fähig Be
flfc von allen rührenden LiebeSepisteln
.. n ... fci. vi4ili,i
- ergreife uno n nii u.
r.n. nelanaen lasse.
cr ,,, an einem Sonntag das
Dienstmädchen in Visttkart vor Hd
;t g hin.
Der
Jahrgang 14.
.Der junge Herr wartet im Parlor
sag! si.
giSuletn Hedwig la, wurde xrxur
roth und warf inen Blick zur Tante hin
über, die am Fentter die Zeitung stud'.rte.
Nein, Drache, der sie war, si traf doch
kein Anstalten, da junge Mädchen zu
rückzuhalten, oder zu begleiten. Laut,
klopfenden Herzen empfing dies allein
den ersten Besuch in ihrem neuen Heim,
da ihr noch immer nicht al solche er,
scheinen wollte.
Da Zwiegespräch im Parlor dauerte
geraume Zeit, die Wahrheit zu gestehen,
e dauerte ungewöhnlich lange. Endlich
ging unten die Thüre, aber nicht um den
gremden, sondern nur um Hevirtg her
auszulassen, welche die Treppe hinaus
und in Tante' Wohnzimmer hereintrip
pelte. Seitdem ihr vor nun bald einem
Jahre di Eltern gestorben waren, hatte
sie kein so glückliches Gesicht gezeigt.
Aber da war auch nicht gerade zum Ver
mundern. Fritz hatte ihr soeben mttge
theilt, daß er es, nachdem sie fortgezogen
war, nicht länger daheim ausgehalten
habe und daß er eine bescheidene Stelle
in New Pork gesucht und gefunden. So
lange diese einschneidende Veränderung
in seinem Leben im Werke war, wollte er
keine Nachricht von sich geben, nun aber
dürfe er hoffen, wirklich am Anfang
seiner Lausbahn zu stehen und S mit der
Zeit vorwärts zu bringen. Aber so
glucklich Hedwig Gesicht gewesen war,
ein Blick in dt alten Züg ihrer Be
schützerin verwischte sehr viel von dem
Glanz, zaaha t und stotternd brachte sie
die Bitte vor, einen alten Freund au
ihrer Heimath der Tante vorstellen zu
dürfen. Tante Anastasta neigte gleich
mülhig den Kopf. Sie glaubte gewiß
sehr entgegenkommend und freundlich zu
sein, al sie den jungen Mann zu Tisch
einlud, aber während der ganzen Mahl
zeit saß sie wi ein EiSzapsen in Men
schengröße zwischen den jungen Leuten
und Fritz Hollfeld hatte all seinen ange
borenen Frohsinn und seine Warmblütig
keil aufzubieten, um nicht zu erstarren.
Wa Hedwig betraf, so gab sie nach den
ersten hoffnungslosen Versuchen alle Be
mühungen auf, wurde wortkarg und
trüdselia und thaut erst auf, al die
ungemüthliche Dritte sich nach Tisch zu
rückzog.
Hedmig staunte, daß Fritz trotz dieser
erkältenden Hauögenosftn dennoch nicht
abließ, sehr häufig seinen Besuch bei
ihnen zu machen, und wenn sie je ein
Zweiskl an der Aufrichtigkeit und Tiefe
seiner Neigung beschlichen hätte, die
mußte ihn zerstreuen. Uebrigen mußte
man der Tante Eine zum Lobe nach
sagen, sie brachte ihr abkühlend Per,
sönlichkeit ziemlich feiten und dann nur
für kurze Zeit wi e ucyszimmer, wenn
Fritz anwesend war. Sie saß meist in
ihrer Stube, und wenn bi zu ihr da
Lachen und Scherzen hinaufdrang, dann
seufzte sie tief und schmerzlich.
Schüchtern kam eine Abends, nach
dem Hollfeld da HauS verlassen, Hed
wig zur Tante hinein. Wa hätte da
arme Kind darum gegeben, wenn s einen
Schemel herbeiziehen, sich zu Füßen der
alten Frau niederkauern und, da! Gesicht
in den Klelderfallen der elven verborgen,
ihre Beichte hätte ablegen dürfen. Aber
die kalte. ,uaeknSptte grau war yr.
trotzdem sie ihrer Güte viel zu verdanken
hatte, innerhalb fremd geblieben, und sie
mußte allen Muth aufbieten, beoor sie,
vor dem alten Fraulein stehen vieivenv,
zu sprechen vermochte.
.Du wirft mich schelten. Tante, " sagte
sie und die Thränen traten ihr in die
Augen, .aber " und dann mit einem
tiefen Athemzug stieß sie e heraus
.ich habe mich verlobt." Die Tante
machte ine Bewegung, aber sie schwieg,
und ihren Bedenken und Abmahnungen
haftig zuvorkommend, fuhr Hedwig fort.
.Wir wollen warten, Fritz und ich,
bis er eS zu etwa? gebracht, und wenn
Du nichts dagegen hast, ich will nun auch
nicht langer unnütz in den Tag hinein
leben; ich kann Unterricht ertheilen, oder
so etwa und sparen, damit, wenn wir
nach Jahren zusammenkommen können
Sie kam nickt weiter vor Schluchzen.
Wie verbittert, wie vergällt wurde ihr
der glücklichste Augenblick ihre Leben
durch die harte, iwt, iyeiiriai,ms!o,e
Frau! Aber im nächsten Augenviici rnieie
sie wirklich auf dem Schemel, hatte ihr
thränende Gesicht an die Tante ge
schmiegt und sühlte deren Hand auf ihrem
Scheitel, denn zu ihrem maßlosen. Er
staunen hatte sie aus dem Munde der
alten Jungfer folgende, im weichsten
mitleidigsten Tone gesprochene Worte,
gehört.
.Bis Ihr nach Jzhren zusammen
kommt? alternde, zweifelsüchtige Men,
schen, denen e am eigenen Herd nicht
rne&r warm werden kann, weil die
Flamme Euerer Neigung von traurigen
Erfahrungen, von Enttäuschungen, von
Mühsal mit Asche überdeckt wurde?
Nein, mein Kind, wenn Fritz und Du
übtneuat leid. dak. wa Ihr empfindet,
sür'S Leben vorhalten wird, wenn Ihr
Euch wirklich und herzlich zugethan seid,
dann sollt Ihr nicht warten, bis Euere
Juqend entflohen ist. bis der harte Kampf
Beilage zum Nebrasla Staats-Anzeiger.
um' Dasein Euch alle Illusionen geraubt
hat; dafür will ich sorgen. '
.Tante, Du Du willst un helfen.'
voll Selbstoorwurs der geringen Nei
gung denkend, die sie ihrer Verwandten
entgegengetragen, stammelte Hedwig diese
Worte.
.Wer sonst al ich? Wer könnte e
besser begreifen, aa es heißt zu warten,
bis man alt und kalt geworden'; die
Tante sprach eS leise, wie zu sich selbst.
Dann hub sie an, und ihre Stimme klang
argwöhnisch:
.Hat Dir di Mutter niemals von
meinem Jugenddrama erzählt?'
.Niemals,' sagte Hedwig ehrlich.
Ich dachte eS mir,' versetzte Anastasie
und fuhr bitter fort: .Du mußt wissen,
daß die Geschichte meiner thörichten Ju
gendlieb den guten freundlichen Men
schen viel Unterhaltung gewährt hat.
Wie bin ich versteckt und offen verhöhnt
und verspottet worden, weil und eS ist
daS ja auch heutzutage lächerlich genug,
weil ich meinem Wort und meiner ersten
Liebe Treue bewahrt habe.'
.Tante, ich würde gewiß nicht lachan.'
.Nein, ich glaube Dir, denn heule ist
Dir ungefähr so zu Muthe wie mir vor
laß sehen fünfundzwanzig Jahren.
Du wirst mich voreingenommen nennen,'
fuhr die Tante fort und ihre Worte spcu
Kelten so schnell hersor, wie au einem
Brunnen, von dem man die verschütten
den Steine entfernt, .aber ich glaube
noch heute, kinen hübscher, freundlichern,
treuherzigern Menschen als Kurt Ber
nauer hat e nie gegeben.
Er war Mechaniker und geschickt und
tüchtig in seinem Fach, aber nicht beson
der praktisch. Ich Halle mich seit meiner
frühesten Jugend mit Stundengeben
durchgeschlagen, und mix außerordentlich
prakiisch, man lernt da dabei; wir
ergänzten un vortrefflich und mir lieb
tin unS. Ach, wag für Luftschlösser
hab: wir gebaut! Wenn ich Deine und
FritzenS Stimme zuweilen zu mir heraus
tönen hörte, so glaubte ich, es sei vor
25 Jahren und Kurt sitze neben mir.
Nur hatten wir keinen freundlichen Par
lor zur Verfügung, fondern ein schäbig
elegantes Ziminerchen in einem Boarding
house, wo ich mich eingemiethet hatte.
Kurt lebte von der Hand in den Mund
und mit meinen Ersparnissen ließ sich
auch kein Haushalt anfangen. Und
darauf bestand ich; unsere eigene HäuS
lichtest, wenn auch n'ch so bescheiden und
noch so klein, wollte ich haben; daS er
borgte, zigeunerhafte Wärmen am frem
den Herd, da MiethshauSleben war mir
ein Greuel. Kurt wurde ungeduldig
und wir hatten manchen Streit über die
fen Gegenstand. Aber ich bildete mir
ein, da größte Lob zu verdienen, weil
ich fest blieb und erklärte, so lange er
nicht ine gesicherte Stellung habe, hei,
rathe ich nicht. O, ich war sehr weise,
aber wenn ich meine Jugend noch einmal
zu leben hätte, Hedwig, dann wäre ich
thöricht und äße bi an mein Lebensende
am Boardinghauötische, und wohnte in
einem finstern Winkel, der eng und
dumpf wäre, wie ein Gefängniß. Jahre
gingen hin. Hätte meine Verwandte den
kleinsten Bruchtheil des Mammon, mit
dem sie mich reich gemacht, als eS zu
spät war, als AlleS vorüber war, ange
wendet, um mir die Gründung meines
Haushalts zu ermöglichen. ja, dann
säße Deine Tante nicht als ocrtrocknete
alte Jungfer, arm an Glück und an
Liebe, Dir gegenüber. Der arme Kurt
fing daran zu verzweifeln an, daß es
un je gelingen werde, da Ziel zu
erreichen, damals liegen Die guten
Freunde und theuern Verwandten Ws
angelegen sein, mich zu warnen, ein
schlimme Ende zu prophezeien, mir zu
zuraunen, mein Bräuiigam spiele, mein
Bräutigam vernachläsffge sich, und al
ich, wie selbstverständlich, von bem Un
glücklichen so wenig lassen mochte, wie
einst von dem lebenslustigen, frohen
Mann, spotteten und lachten st über
mich. Ihre vergifteten Pfeile harten
aber doch ihre Schuldigkeit gethan, ich
machte Kurt Vorstellungen, ich weinte
und jammerte thu' die nicht, Heb
wig, wenn Dein Bräutigam je ander
handeln sollte, al Dir' wünschensmerth
erscheint, mit einem freundlichen, herz
lichen Wort kannst Du ihn zu Dir zu
rückführen und zu sich selbst; aber Vor
würfe und Klagen verbittern meist.
Kurt entzweit sich mit mir, und eine
Tageö hatte er die Stadt verlassen. Er
wolle schnell reich werden, schrieb er mir,
denn sonst würden wir eisgrau, bis meine
Bedingung erfüllt werden könnte.'
Dik Tante schmieg und barg ihr Et
ficht in den Händen. Voll wärmsten
Antheils hatte Hedwig gelauscht.
.Und hast Du nichts mehr von ihm
vernommen?' fragt sie.
,Nnr einmal,' sprach dikTani, .nur
einmal schrieb er mir aus Calisornien,
daß r in einigen Jahren zurückzukehren
und seine Braut zu holen hoffe; ich habe
nie wieder ein Lebenszeichen von ihm er
halten. Er hat weder Glück noch Stern
g?habt, mein armer, geliebter Kurt.
ÄlS mich das Abieben meiner Verwand
ten unabhängig machte, e war man
cheS Jahr nach seinem Verschwinden
i reiste ich ihm nach. An seinem eingesun
kenen, vernachlässigten Grabhügel habe
icb mit monier bitteren Thräne seine und
meine verwüstete Jugend, unser armeS,
oerpsuschte Leren beweint. Er ist, ein
einsamer und verbitterter Mann, in Ar
mulb und Entbebruna gestorben, icb babe
einsam und verbittert mit meinen Reich
thumern wettergelebt, bi Du mir in S
Hau geweht wurdest, wie in Blatt im
Sturm, und zu meinem Staunen habe
ich an mir erfahren, wie da verknöcherte,
erkaltete Herz noch einmal für ein warm
Regung empfänglich wurde. Du sollst
nicht so unglücklich werden, Hedwig, wie
ich e geworden bin. .Mein Hau soll
Dein Hau sein' und da Deine Man
ne. Ihr werdet e mit dem Sonnen
ein Eurer funden siebe erfüllen, und
mein verschattete Leben wird in dem An
blick Eure Glück heiterer, freundlicher
abschließen, al ich seit Kurt's Verschwin
den hoffen durfte. P. Hann.
Eine Stunde der Gefahr.
Aus dem amerikanischen Leben.
John Warner saß vor seinem Tele
graphentische, ein wenig bleich vielleicht,
aber scheinbar ruhig und in keiner Weise
aufgeregt durch seine momentan außer
ordentliche Situation. Ein Fremder,
der einen breitkrämpigen Hut trug und
in daS rauhe Kostüm eine Hinterwäld
lerS gekleidet war, lehnt hintkr dem
Tische, auf welchem sein rechter Ellen-
bogen ruhte, und m seiner Rechten hielt
er inen starken, sechSlSufiqen Revolver.
Di Mündung war auf John Warner
gerichtet: und dabei gab e folgende
Gespräch:
.Um welche Zeit kommt Nach! der
Erxreßzug?' .Er sollte in einer Hai
ben Stunde da fein, aber er hat über
eine Stunde Verspätung; er hält hier
nicht' .Hat er nicht manchmal hier
gehalten?' .Ein oder zweimal.'
.Was veranlaßte ihn dazu?' .Ein
Befehl von dem Absender des Train.'
.Wo lebt dieser?' .In Center
(Situ. .Wohlan, Telegramme von
Center City nach Bloomoille müssen die
feg Telegraphenamt passiren, nicht
wahr?' .Natürlich.' - .Ganz recht.
Dann könnten e von hier ein ele
gramm absenden, von dem die Leute in
vloomotlle nicht wissen würden, daß es
nicht von Center City kommt, nicht
wayrk' .Ich konnte, aber wurde e
nicht thun.'
.Ah. Wie würben nicht? Nun, ;un
ger Mann, ich will deutlich mit Ihnen
reden. Wenn Sie da nicht absenden.
wa ich Ihnen sage, wrd ich ein paar
Kugeln durch Sie senden. Wir haben
da Geleise gerade an der Krümmung der
Bayn ausgeristen, so wird der jug aus
jeden Fall halten und es wird unabänder
lich ein Zusammenbrechen geben. Nun
wünschen wir aber Niemand zu quälen.
Wir wollen nur ein gewisses Packet, daS
in einem Erpreßwagen ist
Villeicht sind wir gezwungen, einige
von dem Zugpersonal zu tödten, und
wahrscheinlich wird auch ein Erlramann
daS Pccket bewachen; denn e ist werth,
voll. Wenn Sie jedsch nicht dafür for
gen. daß der Zug hier anhält, so kostet S
vielleicht fünfzig Personen daS Leben und
Sie selbst werden erschossen. Thun Sie
eS, so werden di Leute in den Schlaf,
waggans qar nicht missen,- daß etwas nicht
in Ordnung ist. und wir bekommen daS
Geld, ohne irgend Jemand zu belästigen.
Verstanden?'
.Ich verstehe. Ich werde den Erpreß
zug anhalten.' .Gut, junger Mann.
Wenn Sie aber irgend einen Narren
streich versuchen, werden Sie unS nicht
sangen und Sie werden erschossen. Nie
mand kann hierher kommen, denn meine
Freunde umlagern die Station. Wir
haben Alle schnelle Pferd;, und wenn Sie
auch ein Regiment nvt dem Train bräch
ten, könnte es un nicht fangen, und Sie
würden einige Kugeln in sich haben, ehe
ich zu Pferd säße.' .Ich verstehe.'
Ganz recht. Dann vorwärts.
Der Teltgraphist legtr feint Hand an
den Apparat, aber er saß nachdenklich,
ohne daraus zu drucken. .Nun, halten
Sie sich dazu, und schnell! Ich lasse mich
nicht narren!' Der Telegraphist wen
bete ftch so rasch gegen ihn, daß der
Mann seinen Revolver ein wenig erhob.
Werden e Ihr verdammtes Maul
halten!' sagte der Beamte. .Ich werbe
anfangen, wenn ich bereit bin. Ich kenne
meinen Apparat. Wenn e Ihnen nicht
recht ist, so schießen Si und telegraphi
ren Sie dann selber.' .DaS ist die
recht Art zu rrden,' rief der Wegelage
rer mit Bewunderung.' Ich will ver
dämmt sein, wenn ich je einen Menschen
vor der Mündung einer Schießwaff so
reden hörte. Aber nun gehen Sie
daran, und wenn Sie Ihre Sache richt
machen, sollen Sie einen Antheil an der
Beute haben. ES ist etwas ermüdend,
hier zu stehen, so will ich einen Stuhl
nehmen.' .Gut, thun Sie, a'.S ob Sie
zu Hause waren, sagte der Telcgraphist.
Dann begann er zu lelegraphiren. Klick
a.klick, klick a kl'ck, ging eS rasch in dem
oparat. ,WaS ist das?' fragt der
Wegelagerer. ,E ist ja immer d
selb Ding.' ,So ist's. Ich rufe die
No. 47.
Office in Bloomoille.' Klick-a-klick,
klickaklicktschuck!' .So, jetzt hat
man mich gehört. Nun unterbrechen
Sie mich nicht. Wenn ich sertig biu,
werde ich Ihnen sagen, wa ich telegra
xhirte.' Der Verbrecher lehnte sich
vorwärts mit einem Ausdruck von Ver
wirrung, und ohne Zwkifel wünschte er
jetzt über da Telegraphiren so viel zu
missen ie über da Schießen.
.Ist Steven da?' fragte der Tel,
graphist der Station in Bloomoille.
.Sagen Sik ihm, Warner wünscht ihn.'
Dann folgte eine Pause, bi der Apparat
auf der einsamen Eisenbahnstation ant
wartete. Warner sendete rasch da fol
gende Telegramm: .Die Station ist in
der Macht eine? Schurken, der mit einem
Revolver auf mich zielt, während ich ar
beit. Ich denke, eS ist die Bande von
Zama, welche die Slation umlagert.
Sie wollen den Erpreßzug berauben.
Man nimmt an, ich tklegraxhire, daß
der Erpreßzug hier anhalten soll. Kann
nicht ein Specialtrain kommen mit dem
Sheriff und genügender Mannschaft, um
die Bande festzunehmen?' Die Antwort
war: .Es soll geschehen. E ist ein
Train da mit sechs Waggons, in denen
die Mannschaft kommen wird.'
.Nein, thun Sie das nicht,' wurde
entgegnet. .Lassen Sie einen Passagier
Train abgehen, mit einem Pullman
Waggon hinten, daß eS aussieht, wie ein
Erpreßzug.'
.Gute Idee,' war die Antwort.
.Aber maS werden Sie thun? Man wird
Sie erschießen.'
.Kinnen Sie eine Verbindung mit
dem Bogenlicht der Stadt herstellen, daß
der volle Strom hierhkr kommt? Ich
mürbe ihn dann mit dem Kerl hier in
Conner bringen und er wird niemals
wissen, wa ihn niedergeschlagen hat.'
.Wir haben nicht Zeit dazu. Wir
müßten in die Dynamo-Office hinab
gehen und da würde zu lange dauern.
Aber ich kann Ihnen alle Vollströme
zusenden, die wir haben, und da muß
für jeden von der ZamaBande genug
sein.'
.ES scheint, daß man viel telegraphi,
ren muß, um einen Train anzuhalten,'
sagte jetzt der Wegelagerer unruhig.
.So ist eS. Sie wissen, dkrZug hat
Verspätung, und man will ihn nicht wie,
der halten lassen. Ich sagte ihnen, daß
es hier einen besonderen Grund gäbe,
und sie wollen alle Details wissen. Nun
muß ich mich ein wenig bewegen. Ich
muß den Draht nach Centre City ab
schneiden. Thue ich es nicht, so können
sie dahin telegraphiren, betreffs des be
sonderen Grundes und dann ist es mit
uns au.' .Das ist recht; vorwärts!'
Der Telegraphist ging zu einem
Schrank und nahm in Stück Draht
heraus, an dem er an inem Ende eine
Scheere befestigte. DaS andere Ende
würd mit dem dicken Draht von Bloom
oille verbunden. Dann setzte sich der
Telegraphist wieder an seinen Platz.
,KlickoKlick' ließ sich der Apparat ver
nehmen. Im nächsten Augenblick war
ein blendende grünliche Licht im Zim
mer.
Der Wegelagerer sprang empor.
.Donnerwetter,' rief er, .was ist das?'
Sie haben das rechte getroffen. Es
donnert und blitzt irgendwo.' .Wenn
er uns nur nicht Hindernisse in den Weg
legt. ,Ah, das kann ich schon ab
wenden. Reichen Sie mir rasch den
Schraubenzieher dort.' Der Schrav!
benzieher wurde ihm gereicht, aber die
Pistole wurde dabei immer auf ihn ge
richtet. Der Besucher war nicht der
Mann, inen Augenblick unachtsam zu
sein.
Warner arbeitet inen Augenblick mit
dem Schraubenzieher, dann sagte er
yaflig: .tAeben ik mir die Ächtere;
aber im nächsten Augenblick flog der
Verbrecher mit einem gellenden Ausschrei
gegen die Wand und stürzte dann zu
ooen. Die Haube empor, Schurke '
rief Warner, feine eigene Pistole auf ihn
richtend.
Bald nachher wurde die ganze Bande
gefangen, und der Sheriff brachte sie mit
seiner Mannschaft nach Bloomoille.
Dt stummen Zuschauer.
Eine Reminiscenz.
Dem lünaft verstorbenen Berliner
Theuterdirektor Anno hat einst ein Kol
lege, der bekannte Komiker einen
nerq ge,pleli, ver tym von dem sonst
leicht versöhnlichen Anno lange Zeit übel
vermerkt wurde. Während der Probe
zu einer Tragödie, die dem trwähnten
Schalk vielfachen Anlaß zu Schelmereien
gab, bemerkt Anno, der als Regisseur
wie immer mit großem Eifer fungirte,
auf der Gallerie mehrere Herren, die den
enauf ver Prove zu versolgen scheinen.
Aergtrlich ruft kr mit scharfer Stimme
durch den Raum: .Meine Herren, ich
muß Sie ersuchkn, den Zuschauerraum
zu verlassen, ' Dann wendet er sich wie
der der Scene zu. Nach wenigen Mi
nuten schleicht P. zum Regietisch und
flüstert Anno in's Ohr: .Hör' 'mal, die
1i;d ncch immer da oben, und dabei so
unverschämt, daß fle nicht 'mal die Cy
linder abnehmen. Das brauchen wir
un doch nicht gefallen zu lassen?!'
Anno wendet sich nochmal aa die Zu
dringlichen: .Meint Herren, die Hüle
auf Ihren Köpfen scheinen auch Ihre
Ohien zu bedecken, sonst hätten Sie schon
einmal höien müssen, daß die Anwesen
heit Fremder in den Proben nicht ge
stattet ist!'
Seine Thätigkeit nimmt ihn wieder in
Anspruch, bi sich P. abermal seinem
Tische nähert. .Wenn Du die Kerl
nicht bald au dem Tempel 'rauskriegst,
xrobir ich nicht weiter,' flüsterte er
ihm zu.
.Flintscher!' schreit Anno und der
Theaterdiener erscheint. .Winkt Sie
'mal den Herren von der Gallerik hinun
ter, aber deutlich, denn sie scheinen sehr
dickfellig zu sein.'
Nach sünf Minuten meldet der Thea
terdiener, daß Niemand mehr aus der
Gallerie sei. Befriedigt blickt Anno
nach oben, dann verdutzt aus da Per
sonal, dann wieder hinauf, er traut seinen
Augkn nicht, dtnn dik Cylinder blinken
ihm abermals entgegen.
.Flintscher I' schreit er nun aus'
Höchste empört, .man pflegt zwar, wenn
man über den Durst getrunken hat.
Alle doppelt zu sehen, aber Vorhandene
gar nicht zu bemerken, widerstreitet jeder
nüchternen Auffassung.'
.Aber, Herr Direktor, e ist ktine
menschliche Seele oben,' betheuert der
von der Stichelei auf seinen röthlich an
gehauchten GestchlSoorsprung tiefge
kränkt Flintscher.
.Nun, daS wollen wir doch 'mal sehen.
Kommen Sie mit!' Damit stürmt
Anno, von dem Thealerdienkr gefolgt,
auf die Gallerik. Oben angelangt,
starren ihm mehrere, mit profanen Cylln
dern auöstasfirte Lanzen entgegen,
mährend daS Gelächter der auf der Bühne
Versammelten an sein Ohr schlägt. Da
beugt sich Anno über die Brüstung und
mit dem ihm eigenen liebenSmürdigea
Ton ruft er hinunter: .Meine Herrschaf
ten, der .Witz' war gut, aber er kostet
Ihnen auch viel Geld, und wahrlich, der
arm Direktor kann'S brauchen. Ich
dank Ihnen in seinem Namen.' Die
wirkte. Momentan war Stille eingc
treten. Nur Einer lachte noch der
Kassirer; r freute sich offenbar auf die
Strafabzüge am nächsten Gagetag.
Berhängnißvoller Austrag
Des berühmten Schriftsteller Herber
ältester Sohn Gottfried hatte als Hof.
medikuS täglich im herzoglichen Schlosse
zu Weimar zu erscheinen.
Als einst ein hoher Beamter am Fleck
typhuS erkrankt war, wurdt Hrrder von
der Erbprtnzessin Carl Friedrich nach dem
Befinden deS kranken Herrn gefragt.
Herder antwortete, er sei nicht der be
handelnde Arzt, doch habe er erfahren,
daß die Krankheit bereits den Höhepunkt
überstiegen habe und ein günstiger Auö
gang zu erwarten fei, .Ich wünsche
aber.' fuhr die Erbprinzesstn Maiia, die
Tochter Paul's des Ersten von Rußland,
fort, .daß Sie den Kranken selbst sehen
und mir dann weiter berichten.'
Herder ging nach Hause, ein melancho
lisazeS Lächeln lag auf seinem Antlitz,
und mißgestimmt sagte er zu seiner un
gen Frau und einer anwesenden Schwester
derselben: .Soeben habe ich mein To
desurtheil empfangen. Die Großfürstin
hat mir besohlen, den in der Genesung
am Flecktyphus befindlichen o. N. zu be
suchen. Ich habe schon viel Typhus
kranke behandelt und niemals die ge
ringste Furcht vor Ansteckung gehabt;, die
hohe Frau meint eS auch gut, si ist, wie
Viel, deS Glaubens, daß mir Arzte
vor Ansteckung sicher seien. Aber diS
mal hab ich in sichere Gefühl, ich
werde mir bei dem eigentlich unnöthigen
Besuche den TyphuS holen.'
Frau und Schwägerin suchten ihn zu
bereden, den bedenklichen Besuch unter
irgend einem Vorwand zu unterlasse.
Herder lachte und sagte, wieder heiter,
mit ruhiger Miene: .Fort mit dem dum
men Zeug, daS man Ahnung nennt! Ich
müßte mich vor mir selber schämen, wollte
ich mich von dieser nervösen Anwandlung,
nur zwei Minuten beherrschen lassen.
Macht euch also um mich kein Sorg!'
Sogleich war er wieder zur Thür hin
aus und begab sich zu Herrn v. N. Er
fand ihn bereit außer Bett auf dem
Lehnstuhl sitzend, wechselte mit dem Ge
nesenden einige Worte, und als er, nach
Hause zurückgekehrt, bei Tische sah,
scherzte er darüber, daß ihm, der in Laza
reihen und Krankenstuben so viel verkehrt
hatte, jener Besuch unglückoerheißend vor
gekommen war.
Indeß schon am drillen Tag ergriff
den jugendfrischen, liebenswürdigen
Mann die entsetzliche Krankheit, und nach
weiteren fünf oder sechs Tage stand seine
trostlose junge Gattin, mit der er die
glücklichste Ehe geführt hatte, an sinm
Sarge.
Die Ahnung, die aus dem tiefen Dun
kcl der Seele in'S Bewußtsein tritt, in
tausend Fällen nur ein Spiel der Ein
bildungSkraft, hatte ftch diesmal in trau
rigster Weife erfüllt.
Absichtliches Mißverständnis.
Sie: .Ach, Männchen, wenn Du jetzt
mit mir in Deinem neuen Anzug fpazie
ren gehst, da sehe ich ja in meinem alten
Kleid Dir gegenüber ganz päuvr au!'
Er : .Da ist leicht zu helsen, mein
lieber Schatz! Ich ziehe einfach, wenn
wir miteinander gehen, meinen alten
Ueberzieher an!'
Lin Schlaumeier.
.Du', meint Frau Schulze, die ihre
Mann zu seinem Skatabend begleitet
hat, .eS ist elf Uhr vorbei nun gehen
wir ; Du bist heute Nacht erst um e t n
Uhr heimgekommen!'
Aber, Kind', antwortet Schulze orr
weisend, .ich kann doch nicht an einem
Tag zweimal heimkommen l'