Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 29, 1894, Image 9

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    ver Untersuchungsrichter.
Novelttle von Hugo Alm.
er Untersuchungsrichter Dr. Fried
rieh Tttinkcker hatt besonder lange in
seinem Bureau gearbeitet. Er hatte
Verhöre angestellt. Zeugen vnnommen,
Akten ftudirt. El dämmert schon, all
er mit seiger Arbeit fertig wurde. Frau
Käthe, seine getreu Gattin, und JJlina,
sein ILchterchen, arteten sicher schon
in halbe Stund mit dem Kaffe auf
ihn. Er rhob sich schiversSllig. säuberte
sich und sein Kleider vom Aktevftaub
und macht sich aus den Heimweg, Er
war twa abgespannt und di frische
Lbendluft, die ihm ntqegenschluq. that
ihm wohl. Ein echte November'Wetter.
Leiser Regen rieselte herab und taucht
Alle in NZffe und Schlüpfrigkeit. Da,
Pflaster der kleinen Prooinzstadt, in der
Dr. Steinecker seine Amte waltete,
war nicht da beste, und der Heimweg
deö Richter gestaltete sich nicht ange.
nehm, um so weniger, al in den wenigen
Laternen de Städtchen die Lichter nicht
überall aufflammten. Run war er schon
bei seinem Hause, er freute sich, in
wenigen Minuten in der traulichen Stube
au fitzen und im heiteren Gespräch mit
seine Angehörigen alle 8ml verdrieß
lichkeit zu vergessen aber wa er
blickt er da? Im Scheine der Gasflamme
einer vereinzelten Laterne sah er deutlich,
daß Trin, dt junge Köchin de Hause,
an der Gartenhecke mit einem Manne
stand. Al de Richter hohe Gestalt an
der Ecke der Straße erschien, stob da
Paar rasch auseinander Trine huschte
in den Garten, da Thürchen siel deutlich
hörbar in' Schloß der Galan ver,
schwand im Dunkel. Wer e war, hatte
der Richter nicht wahrnehmen können
aber Trine hatte er zweifellos erkannt
Senau hatte er ihr blau und weih ge
reifteS Tuch gesehen, sowie einen Schim
wer von Blondhaar und gerechter Zorn
rfaßt den gestrengen Mann de Ge
setze. Er hatt unerschütterliche sittliche
Grundsätze und duldete in seinem Hause
keine Personen, die zu einem leichtfertigen
Lebenswandel neigten. Zoeimal hatte
die junge Köchin bereit Verwarnungen
bekommen da erste Mal wegen ihres
unaufhörlichen Schwatzen mit dem hüb
sehen Bäck erjungen, da zweite Mal
wegen eines allem Anscheine nach noch
bedenklicheren Einverständnisses mit dem
Fleischergesellen Ruprecht, welcher den
zärtlichen Traum aller Köchinnen de
Städtchen bildete. Für einen weiteren
Rückfall in unerlaubte, sträfliche An
Wandlungen war Trin di Entlassung
im Aussicht gestellt worden und der
Herr Strafrichte! wollt unerbittlich vor
ehm.
Dr. Steinecker zog die Klingel an
seiner HauSthüre heftiger, als die sonst
seine Gewohnheit war, aber trotzdem
wurde ihm nicht augenblicklich geöffnet.
Natürlich! Da Fräulein Köchin mußte
kokeüinn und scharmuziren, der Herr teS
Haufe aber sollte warten, bis sie von
dem verbotenen Stelldichein im Garten
in' Hau geschlüpft war. Nochmals
zog er, und noch heftiger, die Klingel,
doch da wurden auch schon Trinen' rasche
Schritte im Corridor hörbar.
Einen Augenblick später öffnete sie die
Thür. Sie hielt in brennend Kerze
in der Hand, um ihm zu leuchten, und
lächelte ihm mit einer Freundlichkeit und
Harmlosigkeit entgegen, als wäre ihr
Gewissen nicht mit einer schweren Sünde
belastet, welche schon das ndtjche traf.
aerrcot oeraustorverre. u uoer vie er
Ilellungskunst der Weiber!
,Ah, der gnädige Herr l Die gnädige
Yrau wartet schon lange mit dem Kaffee.
Schön'n guten Abend!'
Der Richter würdigte ihren Gruß kei
er Erwiderung. Eine hübsche, heitere,
angenehme Person war sie im Hause
tr wollte da leugnen i und sie hatte
auch sonst Verdienst. Während Stein
cker di Treppe emporschritt, zogen an
seinem geistigen Auge all Tafelgenüsse
vorüber, die man ihr dankte Forellen in
der CilronenSauce, die sie eingeführt
die neapolitanischen Kalbskoteletten, von
deren Existenz man in dem Hause vor ih
rem Auftauchen keine Ahnung gehabt
die gespickten GanSbrüfte a la hol
laudarne, der KrebsenSchmalzkoch mit
Mandeln, ein Wunderwerk ihrer Koch
kunft nicht zu vergessen der gebratenen
Krammetsvogel mn Champignon, in
welchen sie jedenfalls unerreicht dastand.
Aber mit einer energischen WillenSan
-strengung verscheucht der Richter die
lockenden Genchke vle Gerecyltgreit
mußte unbeirrt ihren Gang nehmen
und sagte zu der ahnungslosen Trine, die
in die Küche abschwenken wome, in trocke
,nem Tone:
, Kommen Sie sofort in die Stube !
Frau Kälhe faß etwas verdrießlich am
Tische, al Steinecker die Stube betrat.
.Wo bleibst Du nur heute wieder?!'
-seufzte sie, indem sie sich erhob, ihm die
Schale m vusiigemanee voujugtecn.
.Geschäfte,' murmelte er zerstreut.
Dann nahm er den grünen Schirm von
der Lampe, denn er war gewohnt, die
Delinquenten zu beobachten, setzte sich in
seinen Lehnstuhl und fußte di Schuldige
in' Auge,, die wartend neben der Thüre
stand.
.Komme Sie Iwa näher!'
Trin folgte dem Befehl.
Wo waren Sie soeben, bevor ich nach
Hause gekommen?'
In der Küche.'
Wa war Ihre Arbeit?'
.Ich habe die Wäsche geplättet.'
,Da heißt, Sie hätten in der Küche
sein sollen und hätten die Wäsch plätten
sollen. Aber Sie waren nicht in der
Küche und haben nicht die Wäsch ge,
plättet.
.Aber ja,' sagte do.8 W!dchcn klein.
Haut, als S den Herrn einen so strengen
Ton schlagen hört.
Der
Jahrgang 14.
.Sie iorickt wabr.' saa Frau Kätbe.
,icd wr vor ebn Minuten in der Kücbe
und habe sie bei Ihrer Arbeit gesehen.'
Vor zehn Minuten mogucn, vor
zwei nicht. Sie waren nicht in der
Küche und nicht bei Ihrer Arbeit. Leug
nen Sie nicht, wir missen Alle!.'
Gnädiger Herr, betheuerte da Mao,
cben. .ick steb' seit lwei Stunden beim
Plätten, da Eisen ist noch roth'
Sie thäten besser, Alle zu geneyen,
al sich auf' Leugnen zu verlegen.'
Wal soll ich denn gestehen t'
haht is selbst oor ,mei Minuten
an der Gartenhecke mit einer Mann
perso gesehen.'
,O!' rief Frau athe nlsetjl.
.0! rief auch Trine, doch im ad
ehrenden Tone. Der gnädige Herr
haben sich ganz sicher geirrt. Ich war e
nicht.'
So?' sagte br michler. öm
waren e nicht? Da heißt. Sie ollen
nicht gestehen. Wir kennen da. Doch
ich werde Ihnen beweisen, daß Sie S
waren.'
DaS Mädchen erwiderte nichts, seine
Miene drückte aber deutlich den Gedanken
auS: Da bin ich neugierig!'
Der UnlersUliiungsriclZlkr cyrug aus
die Glocke. Eine Minute später erschien
Peter, sein Diener.
Peter,' sagte Vtktneck zu vie,em,
geh' einmal in da Dienstzimmer und
dringe mir Trinen'S blaugestreisteSTuch.'
Der Diener blickte elwaS verwundert.
die Miene des Mädchens drückte noch
größeres staunen aus, nur grau aroe,
vom Jnquisttionstalent ihre Galten
überzeugt, harrte ohne Ueberraschung,
ooct) gespannt ver inge, vie na kommen
sollten.
ine Minute sväter brachte Peter daS
Tuch herbei. Der UntersuchungSr.chter
besuylte e, sah es veim icore an uns
hielt e dann Trinen vor' Gesicht.
Sehen Sie, welche Person Sie sind!
Da Tuch ist ganz naß, wa deutlich be
weift, daß Sie vor kurzer Zeit im Freien
waren.'
Ja. da ist merkwürdig,' sagte daS
Mädchen, selbst daS Tuch besühlend,
ahn 14 war dock vicbt kort. . . . Der
gnädige Herr sagt,' wandte sich Trine
an den Diener, daß ich mich draußen am
Garten mit einem Mannsbild unterhal
tenhab'.... Aber eS ist nicht wahr, ich
mar nickt kranken, icb bin seit lwei
Stunden nicht auS der Küche gekommen.'
Dem Untersuchungsriaiier siieg oa
Blut in den Kopf. Angesichts eines
liM-nrt usammenilimmenden Indizien
beweise' und seiner eigenen Zeugenschast
hartnäckig aus dem eugnen zu oeyarren
da war einfach sreq.
Sie sind ein lticktfertiaeS Geschöpf.'
rief er heftig, und verlogen obendrein
ich Duloe ic nicyr eine runve im
Lause.
DaS Mädchen begann zu weinen und
versicherte immer wikver unier .yranen,
hab (8 kein Arbeit nicbt verlassen bade.
Unk da silea nock einem Andern da
Blut in den Kopf, nämlich dem biederen
Peter dieser, sonst di Btrlörperung
menschlicher Gelassenheit, trat oor und
ras svrudelte e über seine Ltvven:
Ich bitt' schön, gnädiger Herr aber
die Trine ist meine Braut ja, wir
wollen unS heirathen, wenn wir un 'maS
trfnnrt basten und wertn fit saat. das.
sie Nicht draußen war, so war sie nicht
draußen der gnüvtg Herr rönnen ne
entlassen, wenn Sie wollen ich geh'
mit, denn ich bleib' nicht länger in der
Teccatur aver uiaiirenige e
schöpf', gnädiger Herr zu schimpfen
brauchen Sie nicht '
5a diesem Augenblick kam der Trine
ein rettender Gedanke.
DieSeppi sitzt in der Küche,' rief
sie, die Seppi kann' sagen, daß ich
nicht fort war. ' Haftig riß sie die Thür
auf und rief hinaus: Seppi! Sepxt l'
Die Seppi sr ein kleine, armes
Mädchen, vielleicht elf. zwölf Jahre alt,
daS im Hause oft zu Botengängen ver
wendet wurde und dafür manche kleine
Unterstützung für sein kranke Mutter er
hielt.
DaS schöne, blondgelockte Kind,, im
Blick ein merkwürdige Gemisch von
Naivetät und frühreifer Einsicht in'S
Leben, wie sie nur das Elend giebt, kam
auf den Ruf herbei und grüßte artig, als
eS in'S Zimmer trat.
Du, Seppi, sag',' rief Trine mit
fliegender Hast, war ich seit zwei Stun
den von der Arbeit weg, draußen im
Garten?'
Da Kind schüttelt den Kopf. .Nein',
sagte .
.Und den ganzen Nachmittag sitzt das
Mädel bei mir!' rief die Trine.
Ich hab' beim Plätten geholfen.'
sagte die Kleine stolz. Die Trine war
nicht im Garten.'
DerAlibiBemeiS schien erbracht. Aber
der Untersuchungsrichter gab nicht so leicht
nach.
DaS Tuch ist naß,' sagte er, und
eS ist Ihr Tuch.'
Nun verlor Frau Käthe die Geduld.
Du hörst ja, daß sie nicht fort aar,
rief sie ihrem Galten zu. Du glaubst
immer unter Deinen Spitzbuben u fein
und traust keinem Menschen!' Darauf
Beilage zum Nebrasla Ttaats-Anzeigr.
verließ sie ärgerlich tat Zimmer und
schloß die Thur hestlger, all die gerade
noihwendig aar.
Der Slrasrichter war über diesen
ZorneSauSbruch einen Augenblick ver
dutzt, dann wandte er sich noch schärfer
an Trine.
Wer könnte da Tuch benutzt haben,
außer Ihnen?'
Ja. wer?' rtes Trine.
DaS Fiäulein,' sagte Seppi einfach.
Sie ist vorhin hinausgegangen und hat.
weil eS regnet das Tuch genommen.
Ich Hab'S von der Küche au gesehen.'
Da Fräulein ! klang e verwun
dert von den Lippen de Richter. Und
gerade zur rechten Zeit, wie auf den Ruf,
wurden leichte Schritte im Nebenzimmer
hörbar, die Thür öffnete sich, urd ganz
heiter, voll Unbefangenheit, trat Fräu
lein Minna, die blonde Tochter de Hau
seS, in'S Zimmer. Sie merkte nicht die
Aufregung der Szene, und ging gerade
auf den Vater zu, um ihn zu begrüßen
und ihm die Stirne zum Kuß zu bieten.
EineHandbewegung des Untersuchung?
richtn verabschiedet die Dienerschaft,
die sich unwillig zurückzog.
Der Vater machte einen Zug auS fei
nem kalt gewordenen Kaffee, fuhr sich
mit der Serviette über den Echnurrbart
und fragte dann plötzlich:
Du, Minna, warft Du vorhin nicht
im Garten?'
Eine leichte Röthe huschte flüchtig über
die Stirne de Mädchens, dann wandte
e sich halb zum Vater und sagte leichthin,
ohne aufzublicken : Im Garten ? E
regnet ja.'
Ich habe ein Frauenzimmer an der
Gartenhecke gesehen. Die Trine sagt, sie
aar S nicht. Wer war eS fönst ?'
Dieses Mal blickte ihn das Mädchen,
das sich rasch gefaßt hatte, ruhig an.
Ich weiß eS nicht.'
Steh' einmal auf, komm her und ant
worte, ich frage nochmals: Warst du im
Garten?
Aber, Papa, S regnet ja.'
Das merke ich,' sagte der Vater
trocken und mit zürnendem Blicke, denn
deine Schuhe sind beschmutzt und ganz
weiß vom feuchten Sand des Gartens.'
Dieses Mal wurde das Mädchen blut
roth, brach in Thränen aus und verbarg
da Gesicht im Taschentuche.
Der Vater trank seinen Kaffee auS,
dann fragte er streng in einem Ton, der
kein weiteres Leugnen gestattete:
Wer war der Mann, mit welchem du
sprachst?'
Vetter Karl.'
.Karl hier?' rief Steinecker über
rascht auS. Er wähnte den jungen Mann
tn der Hauptstadt, welche seinen Aksent
halt bildete. ,Ur.d warum schleicht er
zum Garten und kommt nicht offen und
ehrlich bei der Thür inS HauS?'
Das Mädchen weinte immer heftiger.
Er weiß du kannst ihn nicht lei
ten,' brachte die arme Minna stoßweis
hervor.
Weil er daS Leben eines Müßiggän
gerS führt!'
O nein,' schluchzte dieTochter weiter,
er hat jetzt eine Stelle-bei der Bank
eine sehr schöne Stelle aber du du
kannst ihn nicht leiden da dachten wir
ds wollten wir erst die Mutter bitten
Hm, so steht di Sache.... Wie eS
aber immer darum steht, ist eS schändlich
und unwürdig, den eigenen Vater zu be
lügen!'
.Nein, daS da! überlebe ich nicht!'
Mit diesen Worten stürzte das Mädchen
auS dem Zimmer.
Der Untersuchungsrichter ging mit
großen Schritten und tn heiliger Be
wegung auf und ab in dem Zimmer, in
dem er ganz allein zurückgeblieben war.
Er hatte das dunkle Gefühl, daß er sich
einigermaßen blamirt habe trotzdem er
auch in diesem Falle mit gewohntem
Scharfsinn die Wahrheit zu Tsge geför
dert hatte. Konnte er der Tochter wirk
lich einen Vorwurf machen, daß sie ihm
eine Neigung verborgen halte, die er bis
her nicht gebilligt! Und wie, wenn sich
das exaltirte Mädchen wirklich etwas an,
that? Und wi sollt er die so rauh be
drängte Trine, die rein war und ohne
Schuld, aber trotzdem vor ihrem Bräuti-.
gam bedenklich verdächtigt worden? Wel
cher Rattenkönig von Unannehmlichkeiten!
Alle waren unschuldig, nur seine Jnqui
fittonölust hatte da ganze Haus b'han
belt wie ein Verbrecherkolonie! i?r hatte
da einen wahren Aufruhr hervorgerufen I
Da kam Trine mit verweinten Augen
in das Zimmer, um den Kaffeetisch abzu
räumen.
.Trine', sagte der UntersuchungSrich,
ter milde, .e hat sich herausgestellt, daß
Sie unschuldig sind. Ich bitte Sie mt
gen d'c hatten Worte, die ich Ihnen ge
geben habe, um Verzeihung. Sie blei
den natürlich im Hause, der Peter auch,
und wenn Ihr im nächsten Jrhre hei
rathen wollt, werde ich Euch die Etn
richtung besorgen
Während ihm da Mädchen über
schwängiich dankte und um jeden Preis
di Hand küssen wollte, erschien Frau
Käthe, noch immer mit einer kleinen
Schmollmiene, aber doch bereit, ihm
Schlafrock und Pantoffeln zu seiner ge
wohnten Bequemlichkeit zu reichen.
Er saate nock milder al vorbin:
.Käthe, nicht böse sein! El wird Alle
gut werden. '
Und Käthe lächelte wieder. Nun galt
e noch, da Töchterchen wieder lächeln
zu machen. Fräulein Minna sucht er
in ihrem Zimmer auf, wo sie schluchzend
auf dem Sopha lag. Zu dieser sagte er
am mildesten: .Weine nicht so, e wird
ja Alle gut werden.... Wenn Karl
wirklich arbeiten will, ist er mir als
Freier willkommen.' Und zerstreut fügte
er hinzu: .Er ist für morgen 10 Uhr ge,
laden.'
Indianer!"
Aul dem Leben ein deutschen Aanneri
in Argentinien. Von ihm selbst
erzählt. S T.
ES war in heiße Nacht, die Syl.
vesternacht 1S93,' erzählte ein deutscher
Farmer, der sich in den argentinischen
Pampas angesiedelt hat, .ich schlief un
ruhig und lebhaft träumend, so baß mich
wiederholte Brüllen deS Viehe rasch
ermunterte. Ich sprang auf und gewahrte
durch einen Blick au der vorderen
Schießluke, daß sich da gefammte Vieh
gegen die Hintere Corralwand drängte,
und hörte S lebhaft brüllen.
Ich weckte meine Frau und meinen
größeren Jungen und theilte ihnen mit,
daß im Corral etwa nicht tn Ordnung
fei und daß mir nachsehen müßten. Ich
nahm die Winchesterbüchee zur Hand und
trat durch die Hofthür in'S Freie, gefolgt
von meiner Frau und meinem Jungen.
Der Mond stand schon ziemlich im Westen,
und die rasch dahinziehenden schweren
Wolken machten die Beleuchtung recht
unsicher. Ein Hund lag wohlgemuth
mitten im Hofe. Ich dachte von außen
den Corral abzupatrouilliren, um zu er
fahren, warum da Vieh so gegen die
Rückseite drängte.
Ich war eben noch etwa acht Schritte
von der Thorkette entfernt, da spran
gen auS dem hohen Grase drei Kerle
mit dem Rufe: .Vioa San Antonio!'
in die Höhe und auf mich loS. Gleich
zeitig erhob sich an allen Ecken und
Enden ein greuliches Gebeul? Ich rief,
um meine Frau und den Jungen zu war
nen: .die Indios I' und schoß auf die
Drei, waS zur Folge hatte, daß inen
Augenblick daS Geheul verstummte und
die drei Kerle sich in das GraS duckten,
doch nur für einen Augenblick. Eben
wollte ich den RepetirmetanismuS meiner
Büchse in Bewegung setzen, da sah ich
links vom Hühnerftalle her einen Jndia
ner mit hochaeschwungener Lanze aufmich
losstürzen, während ein anderer von der
Mitte des Hofes geradeaus gegen die
offen Thür, wo meine Frau und der
Junge mir ängstlich zuriefen, zurannte.
Da blitzte für einen Augenblick das schreck
liche Schicksal der kurz vorher in LaS
GarzaS scheußlich ermordeten Kolonisten
samilie vor meinem Geiste auf: ich sah
mein Weib und die lieben Kleinen gemar
tert und verstümmelt vor mir liegen.
Nur daS HauS vertheidigen!' dachte ich,
mit EturmeSeile der offenen Thür zu
springend. Da sah ich die Lanze deS
einen Indianers, der vom Hühnerstall
hergekommen war, in dem eben wieder
hellen Mondlichte in erner Entfernung
von nur fünf Schritten blitzen; ich bückte
mich instinktiv zur Erde und siel, da ich
dabei deS KonidorständerS nicht geachtet,
der Länge nach hin. Die Lanze ftreifle
den Ständer in einer gewissen Höhe übir
mir, aber bevor nun der Indianer zu
einem zweiten Stoße ausholen konnte,
war ich im Hause und der starke Riegel
klinkte eben ein, als des Indianers dunkle
Gestalt durch die Ritzen einen Augenblick
sichtbar wurde. Gerettet? Wir athmeten
auf! Da erhob sich an der vorderen Luke
das Geheul auf'S Neue; einen Indianer
hörten wir rings um'S HauS laufen, und
vorne strichen sie mit der flachen Hand
über den bretternen Verschluß deS gen
sterS, uud einer stieß sein Messer oder
seine Lanze darein. Nun aber sagte ich
eine Kugel durch daS tannene Brett in
der Richtung des Havptheulers, der nicht
ander? wie eine Ulmer Dogge bellte. Die
Kerle huschten nach beiden Seiten auSein
ander und mit einem Male herrschte
Todtenstille, die saft beängstigender
wirkte, als der frühere Lärm.
Ich öffnete nun die in die große Luke
eingelassene Schießscharte, und da sah ich
links an der Hausecke einen Indianer
kauern, der den Kopf nach dem Corral
gewendet hatte. Ich steckte vorsichtig die
Mündung de Gewehrs durch die Scharte
gegen den Indianer; aber leider faß er
zu viel links im todten Winkel, mein
Schuß konnte ihn also kaum verletzt
haben. Doch hatte dieser Schuß die
Wirkung, daß sich die schwarzen Teufel
eiligen Laufes vom Haufe entfernten,
wobei sie mit den Fußsohlen einen eigen,
thümlichen patschenden Ton hervorbrach
ten. Während ich da vorne oxerirte
und mein Junge mir die Patronen bereit
hielt, lief meine Frau von einer Thür zur
anderen, um zu sehen, ob die Indianer
nicht da und drnt noch einzudringen ver
suchten, zugleich hin und wieder einen
Blick auf meinen Fuchs, mein bestes
Pferd, werfend, das im Hof, etwa zwan,
No. 45.
zig Schritte vom Haufe entfernt, finge
pflockt war.
Wir nthielten un allen Geräusche,
und auch die beiden kleinen Mädchen,
welche durch mein Schießen erwacht wa,
ren, verhielten sich mäuschenstill, wie wir
es ihnen oft genug für einen solchen Fall
anbefohlen hatten.
Kaum hatte ich nach dem auf jenen am
Hauseck hockenden Indianer abgegebenen
Schuß das Gewehr wieder geladen, all
mein Frau ausrief: Der Fuchs ist
weg!' Gleichzeitig hörte ich den Fuch,
hinten zwischen Garten und Hau!
galoppiren. DaS Pferd mußte gerettet
werden, denn ohn dieses konnten wir
den Ueberfall nicht melden, da tn solchem
Fall kaum Jemand zu Fuß den weite
Weg in die Stadt machen konnt und ine
Verfolgung auch zu spät gekommen wäre.
Ich riß daher die kleine Schießluke in
der vorderen Stube auf und gewahrte,
wie einer der Indianer eben mit dem
Fuch, der bockt und sich bäumt er läßt
ungesattelt sich nicht besteigen gegen
den Zaun prallt, den er in der Haft und
der mittlerweile immer stärker geworde,
nen Dunkelheit wegen nicht bemerkt
haben mochte. Ich knallt nun vier
Schüsse nach einander IS; schon nach
dem ersten war der Kerl herunter und der
FuchS stand ruhig. Die anderen drei
galten etwaigen Insassen deS hohen
GraseS neben dem Garten, wo eS recht
lebendig schien.
Als ich nun da Pferd geborgen sah,
lief ich wieder nach vorne, wo ich ine
wirre Masse von Vieh bei der Pforte und
durch die zerrissene Drahtverkoppelung
aus dem Corral drängen sah, aber bet der
herrschenden Dunkelheit konnte ich un
möglich unterscheiden, ob der einzelne
Punkt Mensch oder Vieh fei. Ich schoß
nun so rasch wie möglich auf den Rand
dieser Masse, wo Ich die treibenden Jn
dlaner vermuthete; nur einmal noch sah
ich einen Reiter über daS Ganze empor,
ragen, der mir für einen kurzen Augen,
blick ein Ziel bot, und wirklich habe
ich den Kerl heruntergebracht, indem ich
sein Maulthier erschoß, daS nicht weit
davon liegen geblieben ist.
Dann ein Sausen wie von fernem
Hagel, und die schöne, fette, junge, so
sorgsam behütete Heerde mar fort.
Ich umarmt und küßt meine Frau
und die Kinder und lachte hell auf ob der
überstandenen Gefahr, den Verlust gar
nicht bedenkend, denn mir fehlte .kein
theures Haupt'.
Run galt e. Meldung zu erstatten.
Mit aller Vorsicht öffneten mir die vor
dere Thür; die Gewehrmündung vor
aus, schritten wir hinaus, umkreisten
zuerst ein paar Male das Haus, stachen
in die höheren Grasbüschel, dann fing
mein Junge den FuchS', dessen Leine
scharf abgeschnitten war, sattelte ihn auf
und ritt, nachdem ich ihm noch die Wei
sung gegeben hatte, den Revolver ge,
spannt in der Hand zu halten und den
Wald im Bogen zu umkreisen, im Ga
lopp davon.
Der ganze Auftritt hatte etwa fünf
Minuten gedauert, und eS mochte lj
Stunden vor Sonnenaufgang fein. Als
es Tag wurde, zählten wir noch 104
Stück Rindvieh und außer dem Fuchs ein
Pferd, das die Räuber in der Eile nicht
mehr fortbrachten.
Von ihrer Eile zeugten auch verfchie
dene Gegenstände, die wir fanden, wie z.
B. ein Lasso, die drei Kugeln eines Bo,
leador, geformt aus dem Wachs der mil
den Bienen und Torfscherben, ein höl
zerner Steigbügel, ferner ein Söckchen
au der ohne Schnitt abgezogenen Haut
eines wilden Kaninchen, das nach Honig
riecht. Mehr al 220 Stück Rinder
und 11 Pferde waren verschwunden.
Der Schreckensruf: LoS JndiaSl'
wirkte In der Ansiedelung wie ein elek
irischer Schlag, und eS ist herzerhebend,
berichten zu können, daß im Handum
drehen daS Möglichste geleistet und AlleS
gethan wurde, was nöthig war, um die
Verfolgung der Räuber mit Aussicht auf
Erfolg sofort inS Werk zu setzen. Man
telegraphirte nach LaS TokcaS, wo die
feit längerer Zeit vorbereitete Indianer
Expedition zum raschen Ausbruch ent
boien wurde, ein Eilbote ging an den
Kommandanten der Wache an der Fron
tera und an auöwärtS wohnende Kolo
nisten ab, und Dank diesem nicht genug
zu lobenden energischen und raschen Han
dein von Oben und der Bereiiwilligkeit
nach Unten konnte kurz nach Sonnenauf
gang eine Truppe von 25 gut bewaffneten
und berittenen Männern die Verfolgung
aufnehmen.
Di Indianer hatten von dem Corral
zuerst einen direkt nach Westen führenden
Weg eingeschlagen, aber schon in einer
Entfernung von ca. 1500 Metern sich
nach links gewandt und sodann in schnür
gerader Richtung ihren Weg nach Westen
genommen. Die 25 Verfolger ritten vom
Pueblo aus am linken Ufer des Tage,
mag zuerst nordwestlich, bis ihr Rich,
tung die Spur der Räuber kreuzte. Sie
folgten sodann dieser Spur, überschritten
lozwtmmen den Tagemaga, der stark an,
geschwollen war. worauf bald ein nieder,
gestochene Stück Vieh nach dem anderen
venWeg dezelchneteunddteLeu', mit hei
lemJngrimm erfüllt. Allen diesen nieder
gestochenen Thieren war d Zunge ol
geschnitten und auch sonst meist tu
saftige Stück Fleisch entnommen. I
vollen Galopp ging e vorwlrt. D
um etwa 10 Uhr, e hatte mittlerweile zu
regnen begonnen, kamen, eben all d
ErpedUio um ein Waldtck herumbog,
die Indianer in Sicht.
E ar unmöglich, gedeckt an sie her
anzukommen; ein großer Fleck offene,
Kamxlande lag zwischen Freund und
Feind, und letzter hatten im Hinter
gründ, also vor sich, einen liefen sumpft
gen Graben und gleich über diesen hinau
einen weithin sich erstreckenden Wald, ihr
eigentliche Element. E brannten
Feuer, und während ein Theil der Jndia.
ner bei diesem beschäftigt ar, trieb der
andere Theil da geraubte Vieh in den
Wald hinein.
Wie ein Sturmwind sauften die Ver
folger über den Kamp, aber noch schneller
waren hie Wilden wieder zu Pferde und
über den Graben in den Wald hinein.
Für gewöhnlich hat die Verfolgung
damit ein Ende, denn e hält ungemein
schwer, in diesen dichten, von Dornen,
Kaktu, wilden Banana und Schling
gewächsen fast unzugänglichen Wäldern
gegen die Indianer etwa aulzurichte.
Haben diese erst einmal den Wald er
reicht, so find sie verschwunden, al halt,
sie der Erdboden verschluckt.
Ein Theil der Expedition blieb dann
auch diesmal draußen stehen, der kleinere
Theil aber drang nach, zuerst zu Pferde,
i . i' 'ii r . - i
uno ai9 oie niqr vreor ging, zu gug,
immer wieder die oft verlorene Spur
aufnehmend, bis da letzte Stück Vieh
und da letzte Pferd den Räuber abge
jagt war. Zwei Pferde hatten die In
dianer bis zuletzt noch durch dick und dünn
durchgezogen, und als ihnen die Ver
folger so nahe waren, daß sie sich im Be,
reich der Schußlinie befanden und zu
einem schnellen Entkommen hnen die
beiden Pferde hinderlich geworden, stachen
sie dieselben nieder.
Nun war die Verfolgung zu Ende.
DaS Häuflein der Muthigen sammelte
sich und trat den Rückweg an.
Hatte man auch keinen Indianer vie
dergeschossen, so war doch der Sieg ein
vollständiger. DaS geraubte Vieh hatte
man vollständig wieder zurückbekommen,
natürlich mit Ausnahme deS von den
Wilden getödteten (etwa 20 Stück).
Ferner wurden 12 Pferde und 2 Maul
thiere erbeutet, welche die Indianer schon
früher irgendwo gestohlen hatten.
Die Erpedition verbrachte die Nacht
am Feuerplatze der Indianer und trat am
andern Morgen den Heimweg an.
ES hat doch noch gut angefangen, da
Jahr 1894!'
vi amüsante Vkitzverständnii.
Di englischen Zeitungen berichten fol
gende amüsante Mißverständnis wel
cheS sich auf der britischen Flottenstation
in Hongkong zutrug: Eine schönen
SonntagSmorgens im Dezember lief in
britische Dampfschiff in den Hafen von
Hongkong mit umgekehrter Flagge in.
Da heißt in der Zeichensprache des See
manneS: Meuterei an Bord'. Sobald
die übrigen Kriegsschiffe eS bemerkte,
wurden die Kutter hinabgelassen und mit
bis an die Zähne bewaffneten Blaujacken
gefüllt. Von allen Seiten schössen sie
auf den neuen Ankömmling zu. Die
Kutter stellten eine Art Wettfahrt an,,
wer am ersten eintreffen würde, mochte
das nun englische Lust am Sport oder
tiefes militärisches Pflichtgefühl fein.
Fast hätten sie sich gegenseitig angerannt.
Als sie am Schiffe angekommen waren,
schrieen sich dessen Offiziere und Mann
schaften heiser vor lauter Freude und
Wonne über dievorzüglicheRuderleistung.
Halb todt taumelten die Blaujacken der
Kutter schließlich auf das Schiff voller
Lust, S mit dn Meuterern aufzuneh
men. Die Besatzung hingegen ließ den
Feind hochleben und bot ihm nach See
mannSart einen guten Trank an. Di
Fahrt müsse in anstrngende Partie g
mesen sein. Die Ordnungspartei wußt
gar nicht, waS sie daraus machen sollt.
Wo ist di Meuterei?' fragte der Be.
sehlshaber derselben. Meuterei? Auf
unserem Schiff ift keine Meuterei. Wir
leben alle tn bkfter Eintracht.' Wozu
denn habt Ihr Euch so heiser geschrieen?
Wozu wolltet Ihr un denn?' Wir
glaubten, heute wäre Regatta in Hong
kong, und wir ließen di Sieger hoch!
den.' Nachdem sich der Befehlshaber
des Kutter von seinem grenzenlosen Er
ftaunsn erholt hatte, deutete er mit dem
Finger auf die umgekehrt wehende Flagge.
Der verwünschte Schiffsjunge!' schallte
S ihm entgegen. Der Bengel macht
eS immer fo, wenn wir ihm nicht auf die
Finger sehen. Wir wollen ihm alle ein
Tracht Prügkl geben.'
Drastisch ?.
Herzog Giovanni Galeazzo von Mai
land hatte nach der Sitte seiner Tag.
inen Sternfeher an seinem Hofhalt an
gestellt. Dieser Würdige trat eine
TageS vor den Fürsten hin und sagte:
Durchlaucht, bringen Wie Ihre irdi
schen Angelegenheiten eiligst in Ordnung. '
Ei warum?' fragte der Herzog.
Weil die Sterne mir sagen, daß Ihr
Laufbahn sich dem Ende nähert.
Wirklich? Und waS sagen denn die
Sterne über die Dauer Deines Lebens?'
Sie verheißen mir noch viele Jahre.'
Thun sie das wahrhaftig?'
So las ich in ihnen, Durchlaucht.'
Nun, dann scheinen die Stern sich
herzlich schlecht auf ihr Handwerk zu ver
stehen,' sagte der Herzog. In einer
halben Stunde bist Du todt, denn ich
lasse Dich aufknüpfen.'
DaS geschah auch alsbald und der Her
zog lebte noch viele Jahre. Die Mai
länder aber hörten auf, an eine Sternen,
schrist zu glauben.