Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 29, 1894, Image 12

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    velila.
Novelle Hanna Xr?stli.
Dal als war ihre Hochzeitsreise!
Allein um 10 Uhr Abend in dem un
freundlichen Hotel.Zimmer, dessen kahle
WZnd und abgenutzke Möbel lhr so
iderwärtig waren!
Sie hätte ja mitgehen können, der
nein, nie wieder wollte sie jene Saal
betreten ! Da halte sie geschworen.
Kannte sie doch da ganze Repertoir
ihre, Manne, Note sür Note aulmen.
dig. wußte sie doch ganz genau, bei
welchem Takle seiner Serenade er die
Augen schieß. - und bei elcher Stelle
seine, Scherzo er sich so genial dt Locken
au der Stirn schüttelte.
Wie gemacht und unnatürlich ihr nun
da, alle, erscheint! Sie glaubt ihn
vor sich zu sehen, wie er gerade jetzt,
gleichsam erdrückt von unverdienter Huld,
bei dem ihn umdrausenden Beifall immer
wieder sich lächelnd verneigt.
O, und sie oxplaudiren hier viel, fana
tisch, besonder, die Damen! .... Und
jetzt, jetzt umdrängen sie da, Podium
er muh ihnen die Hände dlücken. Und
dann, o, dann erwarten sie ihn draußen
am AuSgange de Saale, umringen ihn
dankend für den Hochgenuß, schieben ihn
orwält, geleiten ihn zum Wagen. Er
wird förmlich hineingetragen. . . .
Gestern war e, so, und vorgestern,
und alle Tage. Frau Ello Andre mochte
weinen, besonder, wenn sie an ihre
gestrigen Abenteuer denkt. Da hatte
ein Schwärm von Verehrerinnen ihre,
Gatten sie von ihm getrennt, und er,
offenbar in der Absicht, dem ihm lästig
werdenden Begeisterungsstürme zu ent,
gehen, und in der Meinung, sein junge
Frauchen fitze neben ihm, war ohne sie
davongefahren.
Sie aber stand da und konnte mit an
hören, wie die kunstbegeisterten Damen
von ihm schwärmten, von dem begna
digten Manne', vor Allem, wie schön
er sei, von der hinreißenden Gemalt
seine Blicke und von seinem genialen
Haar.
Ja, sein alleiding, einzig prachtvolle
Haar schien e den Schwäimerinnen am
meisten anzuthun, mehr noch wahrhaftig
al seine Künstlerschaft selbst.
Und wie viele Briefchen erhielt er!
Eben hatte sie noch eine gelesen; na
türlich ward er wieder um eine Locke
darin gebeten, und er würde sie auch
wohl hergeben!
Da Blatt entfällt ihren Händen.
Die schlanken Finger krampfhaft in
einander geschlungen, die Lippen fest ge
schlössen, sinkt sie in den Sessel zurück.
O, sie werden ihn abtrünnig machen
mit ihren Schmeicheleien, mit ihren
Lockungen, abtrünnig ihr und seiner
Kunst. Noch ist Richard treu, noch liebt
er sie ! Aber er ist eitel wie jeder Künst
ler. Er ist e vielleicht mehr wie viele
andere, weil er ja auch mehr Ursache
dazu besitzt, ja, natürlich mehr Ursache,
weit mehr!
Und sie beginnt in Gedanken seine
Vorzüge aufzuzählen. Die strengen
Linien ihre feinen Gesichte lösen sich,
ein warmer, freundlicher Strahl leuchtet
au ihren braunen Augen. Dann erhebt
sie sich rasch und geht einige Male ausge
regt im Zimmer auf und ab. Ihre Züge
nehmen einen eigenthümlich entschlossenen
Ausdruck an.
Nun muß er bald beimkommen, ihr
Richard, ihr Geliebter I Wie sie e nur
so lange hat aushalten können ohne Ihn!
E ist recht spät geworden.
Eilig schlüpft sie in ein elegante
Neglige. Ihr hoch aufgesteckte Haar
fällt Ihr, al sie die Nadeln entfernt, in
wilden, schwarzen Ringellocken über
Wangen und Schultern. So, nun
wird noch die Lampe ein wenig her
abgedreht, und hierauf lehnt sich Elly
zurück, schließt die Augen, al wollte sie
schlafen, und erwartet ihn.
Bald hörte sie seine Schritte.
Jetzt wird die Zimmerthür hastig auf
gerifse, aber die an der Schwelle er
scheinend, hohe Männergeflalt stürzt
nicht so ungestüm weiter. Leise schließt
Andre die Thür und thut ganz vorsichtig
auf den Fußspitzen einige Schritte in'
Zimmer.
.Richard, Du? Guten Abend!'
tönte e vom Fauteuil her.
.Ach. Schatz, Du bist noch wach?
Da ist schön von Dir!' Er begrüßte
sie. .Da war ein Abend, Ella, ein
Abend....!'
Nun legt er seinen langen, faltigen
Havelock ab und schraubt die Lampe in
de Höhe.
Der helle Schein fällt auf seine elegante
Gestalt. Die regelmäßigen Formen des
etwa bleichen, männlich schönen Gesicht
werden durch den Glanz der dunklen
Augen, die jetzt in freudiger Erregung
blitzte, wunderbar belebt. Wa aber
diesen Kopf besonder interessant macht
und ihm den Ausdruck de Aus'rgewöhn
lichen verleiht, da ist in der That da
lange, schwarze Haar, das in weichen,
wie ungeordneten Locken bis an die
Schulte, reicht. Diese Haartracht gibt
dem Manne etwa? Kühnes, ja geradezu
Dämonische.
Richard hatte an Ellu'S Seit Platz
genommen.
.Ach, wenn Du Dich doch entschließen
wolltest wieder mitzukommen, Ella!'
meinte er fröhlich, nachdem er sich vor
allen Dingen ine Cigarette in Brand
gesteckt hatte. .Diese Begeisterung, die,
fer Applaus, diese Blumen! Du weißt
ja,, ich bilde mir gar nicht viel darauf
ein, aber Dich mühte eS doch recht stolz
machen, Deinen Mann so gefeiert zu
sehen."
,DaS ist nun nicht der Fall,' gibt sie,
etwa gezwungen lachend, zur Antwort.
.Ich selbst komme mir dabei, aufrich
tig gestanden, gar zu klein und unbe
deutend vor. Und dann, weißt Du,
Liebster, liebe ich in Dir doch weniger
den Künstler al, den Mann meine, dum
men Herzen, und der bist Du nun zu
Hause einmal mehr al, im Covcertsaal.'
.Du haft Recht. Schatz, hier bin ich
Mensch, hier da.s ich , sein, und des
halb, siehst Du
Er küßte sie rasch. Dann vertauschte
er seinen Frack mit einem bequemen
HauSrock und setzte sich auf', Sovha,
während Ella den Spiritu, der Thee
maschin anzündet.
Eine Weile plauderten sie scheinbar
ganz heiter miteinander. Richard hatte
sich lang ausgestreckt. Ella sitzt am Tisch
neben ihm und ihr Finger wühlen in
seinen Locken. Er erzählt von seinem
Programm sür die nächsten Concerte:
.Und so bald reisen wir nicht. Ello, ich
will ihn ausleeren bi, zur Neige, den
Becher de Ruhme; noch ein solcher
Erfolg wie der heutige, und.... Au,
au, Ella!' schreit er plötzlich ein bischen
ärgerlich aus, ,wa machst Du denn
da? Jetzt hast Du mir wohl gar Haare
auSgerissen?'
.Aber Man....'
.Jawohl, Haare! Sieh' nur zu, e
sind wenigstens ein Dutzend gewesen!'
Er hebt den Kopf und blickt sie vor
wurfsvoll an.
.Ja, aber Ella, wa ist Dir denn,
Du bist so sonderbar '
.0, nicht, Richard,' unterbricht sie
ihn mit kinem Lächeln, da die merkwür,
dige Aufregung, die sie erfaßt hat, ver
bergen soll. Aber erinnerst Du Dich
vielleicht nicht mehr, daß Du mir noch
al Bräutigam eine Locke versprochen?'
.Und weil ich bi heute mein Wort
nicht hielt, willst Du mir so viele Haare
einzeln auSreißen, bis Du die Locke
hast? Du bist entschieden eine der zärt
lichften Gattinnen, die man sich denken
kann.'
.Das will ich nicht. Wenn ich Dich
wirklich ein wenig zauste, geschah eS nur
zufällig; vielleicht bewegte ich meine
Finger etwas zu hastig, weil mich der
Gedanke aufregte, daß Du damals nicht
Wort hieltest.... ja, das war'!'
.Damals, Schatz, wurde doch aus der
Relse nicht; ich blieb eben bei Dir mit
meinem ganzen theuren Lockenhaupte.
Wa sollte Dir denn da da Andenken?'
.Ganz gleich. Du hieltest nicht Wort,
und dieser Gedanke ist mir noch heute
peinlich, zumal Du Dich gegen Fremde
weniger ablehnend verhältst Bitte,
lass' mich die Locke jetzt abschneiden!
Ja?'
.Aber Frauchen, bedenke doch die Iah
reszeitl'
.Nur eine einzige Locke, Richard!
Weißt Du, nicht von dort unten am
Halse, wo Du frieren könntest.'
In ihrer Rechten blinkt eine Schenk.
.Ja. darf ich?' Ihr Stimm zittert.
.Meinetwegen, Ella, aber....'
Ihr aufgeregte Gesicht verschwindet
für eine Sekunde in seinen schwarzen
Locken. Er sühlt einen Kuß darauf
und dann hört er ein zischende Ge
täusch
.Um Gottes Willen, Ella, da vorn,
an der Stirn? Und so viel! Herr
gottl'
Er will zum Spiegel stürzen, da
plötzlich wird eS finster im Zimmer. Ello
hat die Lampe ausgedreht.
Zwei weiche Arme legen sich um
Richards Hals; an seiner Brust ruht der
Kops Ello, die zu schluchzen anfängt,
wie ein Kind, daS fühlt, Unrecht gethan
und Strafe verdient zu haben.
Richard vermag den Umschlag in der
Stimmung seiner Frau nicht zu erklären.
Aber als sie ihn so rührend anfleht, ihr
sür daS, was sie gethan, zu verzeihen,
ertheilt er ihr die Absolution.
Die helle Morgensonne leuchtet ins
Zimmer.
.Entstellt, abscheulich entstellt sehe
ich aus l Wie sie mir nur das anthun
konnt!'
Wüthend wendet sich Richard vom
Spiegel und ergreist Hut und Stock.
.Adieu!' rust er laut, um Ello, die
noch schläft, zu wecken. Sie fährt
empor.
.Wohin so früh. Richard?'
.Zum Friseur, mir die Haare schnei
den lassen.' Seine Stimme klarg
förmlich drohend.
.Richard, liebster Mann, siehst Du,
ich wollte . . . . ' Schuldbewußt ver
stummte sie.
.Ach, schon gut! DaS hier verdanke
ich Deiner Zärtlichkeit!'
Er stellte sich so, daß da Tageslicht
voll auf ihn fällt, nimmt den Hut ab und
sieht sie starr an.
Ella erschrickt nun freilich selbst über
ihr Werk. Bon der Mitte feiner Stirn
bis zur rechten Schläfe steht ein Büschel
schwarzer Borsten senkrecht in die Höhe.
Die legen oder beugen sich nicht, drohend
ragen sie empor und geben Richard'S
zornigen Mienen ein seltsames, ganz
lächerliches Aussehen.
Er stürzt aus dem Zimmer, während
Ello unter Thränen murmelt: ,Viel
leicht verzeiht er mir nicht, aber eS
mußte sein!'
Der erste Theil des Programm ist zu
Ende.
Jetzt, während der Pause, beginnt sich
erst der große Concertsaal zu füllen, da
nun Richard Andre spielen soll. Seine
Verehrerinnen strömen herbei und nehmen
auf den ersten Sitzreihen Platz. Wie
mit einem Schlage hat sich dem Publi
kum, daS bisher ziemlich theilnahmslos
gewesen, die erwartungsvollste Stim
muvg mitgetheilt; nur die Pause dauerte
etwa zu lange, viel länger al ge
aöhnlich.
Endlich erscheint der Bewunderte auf
dem Podium und ein Sturm von Beifall
scheint sich erheben zu wollen. Einige
Blumensträuße fliegen durch die Lust und
fallen dem Künstler zu Füßen.
Aber der Axplau, verstummt sehr
bald. Die Hände, die vorher wie
rasend geklascht, halten mit inem Male
inne.
Ein merkwürdige, Murmeln geht
durch den weiten Raum, man blickt sich
erstaunt und fragend an.
Da, ist nicht mehr der Künstler mit
der dämonischen Schönheit, den man da
vor sich steht, sondern nur in ganz ge
aöhnlicher Mann, wie tausend ander!
Ja, in fast komisch aussehender, da da,
geschorene Haar gleich Borsten von dem
evtgöttlichten Haupte absteht! Richard
verbeugt sich, für den freundlichen Em
pfavg dankend, dessen jäher Abschluß ihn
einigermaßen verstimmt.
Dann, während er sich wilder aufrich
tet und die Violine an die Brust setzt,
macht er jene Bewegung mit dem Kopse,
mit der er früher seine Locken au, der
Stirne zurückwarf. Während der ersten
Takt bemerkte er noch die Unruhe im
Saale und fühlt sich selber eigenthümlich
unsicher, dann aber hat er sich in sein
Spiel vertieft und hört nicht al die
herrlichen Töne, die er seiner Geigt knt
lockt.
.Er übertrifft sich selbst!' flüsterte
die Kenner und Kritiker, und wie ver
zückt blickten Orchester und Kapellmeister
zu dem großen Künstler empor, der sich
und sein Umgebung vergessen hat.
Al da Stück beendet ist, kommt
Richard wieder zu sich und L lieft wie er
starrt in den Zuschauerrum, woher ihm
nur ein ungewohnter einzelner Applaus
entgegenschallt; die groß Schaar der
Schwärmerinnen verhält sich heute merk
würdig zurückhaltend, und so bleibt eS
bi zum Schlüsse.
Am Fuße des Podiums neigt sich eine
Dame zu ihrer Nachbarin.
.Nicht nur abscheulich, lächerlich
sieht er au!'
.Ja, wie kommt er nur dazu!
Einem Verbrecher oder einem Clown ist
er ähnlich geworden, mit feinen abstehen
den Ohren!'
.Er hat die Perrücke zu Hause vergeh
sen !' flüstert eine Dritte.
Richard hat die Worte, wie eS auch
von den über ihn empörten Damen be
absichtigt war, vernommen ; sinster mit
zusammengebissenen Zähnen, verläßt er,
in seiner Eitelkeit tief gekränkt, die
Stätte seiner Triumphe.
Man versteht sein Spiel nicht mehr !
Er ist eine lächerliche Figur geworden I
Und das alles verdankt er Ello, diesem
thörichten, eifersüchtigen Weibe l
Er beißt die Zähne aufeinander, das
Blut steigt ihm zu Kopf. . . Sie soll eS
büßen!
Richard beachtet e nicht, daß Ello
heute mit ihm in den Wagen steigt.
Er denkt nur an die Niederlage, die er
erlitten, er, der gespielt hat wie ein
Gott.
Ello hat sich scheu in eine Ecke des
Rücksitze gedrückt und weint. So oft
ein Laternenschein das Innere des Wa
genS beleuchtet, späht sie ängstlich nach
den Zügen ihres armen Manne, der
schweigend vor sich hinstarrt.
Alles hätte sie jetzt ertragen: Vor
würfe, ja selbst feine Verachtung,
aber Richards Schweigen, da bedrückte
sie zu sehr ! Wie unglücklich muß er sich
sühlen, er, der stegesgewohnte Künstler !
.Richard', sagte sie endlich leise und
innig, .verzeih' mir.... ich weiß es ja,
daß ich ein schwere? Unrecht gegen Dich
begangen habe....'
Er antwortete nicht.
.Sprich nur ein Wort, Richard',
fährt sie aufschluchzend fort, .nur ein
Wort. . . Siehst Du, die Briefe, die Du
mir zu lesen gabst... alle verlangten
Locken von Dir. . . das hat mich schließ
lich zur Verzweiflung gebracht I'
.Daß Du auch dabei sein mußtest,
Ello', murmelte er, .bei diesem
Concert. . . .'
.Ich hab' so viel, ach so viel für Dich
gelitten', klagte sie leise.
.Wie sie mich behandelt haben!'
braust er auf, indem er die Hände ballt,
.mich! Und warum? Unglaublich, aber
wahr! Weil ich nicht mehr meine lan
gen Haare trage!'
.Ja Richard, und die Gunst dieser
Menschen, da war Dein Stolz, Dein
Ruhm! Was verstehen die von Deiner
Kunst! Und herrlich, ganz herrlich hast
Du gerade heute gespielt! Ich weiß es,
i ch verstehe Dich zu schätzen, auch ohne
Dein Haar!'
Richard versinkt milder in tiefes
Schweigen. Aber plötzlich, ehe der Wa
gen vor dem Hotel hält, schlingt er den
Arm um sein Weib und zieht es leiden
schaftlich an seine Brust.
.Ello!' stößt er hervor. .Du hast
Recht! Jetzt hab' ich's erkannt und er
fahren. Es hat mich geschmerzt, aber
auch geheilt Solche äußeren Eitel
ketten sind eines wahren Künstler? nicht
würdig! Diese Erkenntniß verdanke
ich Dir, Du neue Deltla, und und
von heute an bleibt mein Haar so kurz
wie es ist!'
Abermals fällt der Lichtstrahl einer
vorüberhuschenden Laterne auf ihr Ge
sicht, und Richard sieht, daß Ello noch
unter Thränen schelmisch lächelt.
.Höre Du, Richard,' flüsterte sie,
.wir wollen eS doch lieber wieder wachsen
lassen! Jetzt hat eS keine Gefahr mehr
für Dich und mich, und mit den Locken,
Schatz, bist Du wirklich hübscher!'
wie Beethoven's ZNondschein
Sonate entstand.
ES war an einem Winterabend, als
Ludwig Beethoven am Arme eines Freun
des durch die Straßen Bonn? schritt,
um nach einem Tage angestrengter Thä
tigkeit einige Ruhestunden zu genießen.
Sie wanderten gerade durch eine schmale,
dunkle Gasse, als der Meister plötzlich
vor einem kleinen, ärmlich aussehenden
Hause stehen blieb und lauschte. .Horch,
segle er, ist da, nicht au, meiner Sonate
in Fi' Wirklich klang durch da, ge
öffnete Fenster jene Melodie, oa kunft
! geübter Hand vorgetragen; aber mitten
m Finale brach sie ab, und seufzend
sagt in weiblich Stimme: .Ach, e, ist
zu groß und schön, al, daß ich einer
solchen Aufgabe gerecht erden könnte.
Wa, gäbe ich darum, wenn ich nach
Köln in', Konzert gehen könnte!' .Aber
Schwester,' erwidert vorwurfsvoll in
Anderer, .wa, seufzest Du über Dinge,
die nicht zu ändern sind? Wir haben
kaum genug, um recht und schlecht leben
zu können.' .Du haft Recht.' sagte
die Schwester, .mein einziger Wunsch ist
auch nur, wirklich einmal gut Musik zu
hören.'
Beethoven sah den Freund an und
sprach leise: .Komm, laß uns hinein
gehen,' und ehe sein Begleiter es hin
dern konnte, war er schon eingetreten.
An einem Tisch faß ein bleicher junger
Mann und flickte Schuhe, in seiner Nähe,
vor einem altmodischen Klavier, ein jun
geS Mädchen, dem eine Fülle lichtblonden
Haare über Nacken und Schulter siel.
Beide sprangen auf und gingen de Ein
tretenden entgegen.
.Verzeihen Sie,' sagte Beethoven, ich
hörte Musik hier und wurde versucht,
einzutreten, denn ich bin selbst auch Mu
siker,'
Da, junge Mädchen erröthete, und ihr
Bruder sah ernst und verlegen darein.
.Ich danke Ihnen,' sagte er, .aber unser
Klavier ist klapprig und wir haben keine
Noten.'
.Wie? Keine Noten?' wiederholte
Beelhosen erstaunt, hielt jedoch plötzlich
inne, als er dabei dem Mädchen ins Ge
sicht sah und jetzt erst erschrocken bemerkte,
daß sie blind sei. .O, Verzeihung,'
stammelte er, .ich hatte nicht bemerkt,
daß Sie nicht sehen können. So spielen
Sie also nach Gehör? Aber woher haben
Sie die Melodien, wenn Sie keine Kon
zerte besuchen?'
.Vor einigen Jahren, al wir noch
nicht hier wohnten, hörte ich stet des
Abend eine junge Dame spielen, die in
unserem Hause lebte. Ich ging immer
vor ihrem Fenster spazieren und lauschte
ihrem wahrhaft meisterhaften Spiel.'
Beethoven antwortete nichts, sondern
setzte sich still an das Klavier und ließ die
Finger über die Tasten gleiten. Er
schien förmlich begeiflei t zu sein, nie halte
ihn der Freund so herrlich, so zum Herzen
gehend spielen hören. Die Geschwister
standen wie verzaubert. War das ihr
alteS Instrument? Sie erkannten eS
kaum wieder; jetzt hörten sie, wie schön
die Sonate in F klingen könn. Da
plötzlich erlöschte daS FISmmchen, welches
auf dem Tische gebrannt hatte und eS
wurde dunkel im Zimmer. Beethoven
brach daS Spiel ab, doch der Freund ging
zum Fenster, stieß die Läden auf, und
eine breite Welle des bläulichen Mond
lichts fluthete herein, daS alte Klavier
und den blonden Scheitel de jungen
Mädchen mit leuchtendem Silberglanz
überziehend. Doch die Unterbrechung
schien die Gedanken deS Meister der
Töne auf andereBahnen gelenkt zu haben;
er blickte sinnend auf die lichtübergossene
Gestalt neben ihm, dann hinauf zu dem
stillen Freunde der Nacht und sagte plötz
lich: .Ich will dem Mondlicht eine So
nate weihen.'
ES war eine melancholische, aber un
gemein liebliche Weise, die er begann, so
sanft, wie die Strahlen deS MondeS, die
über die schlummernde Erde gleiten, dann
aber ging sie in eine wilde, märchenhaft
klingende Melodie über, bewegt und tan
zend, wie daS geisterhafte Licht Lunas
auf dem plätschernden Wasser eineS
WaldbacheS oder auf den wogenden Hai
men eineS geheimnißvollen SchilfmooreS
und schließlich endete sie mit einem Final
agitato, daS Aller Herzen in Begeiste
rung und Entzücken mit sich fort riß.
.Wunderbarer Mann, wer seid Ihr,'
rief der junge Mann, als Beethoven ge
endet.
Dieser lächelte und sagte, indem er
noch einmal einige Akkorde der Sonate
in F anschlug: .Ihr sollt eS hören.'
.Beethoven', riefen Bruder und
Schwester wie aus einem Munde, und
derJüngling bedeckte die Hände des größ
ten Komponisten mit Küssen. Der je
doch erhob sich schnell.
.Ich werde wiederkommen,' sprach er
bewegt, .und dem Fräulein einige Stun
den geben; ich komme öfter, glauben Sie
mir, aber jetzt muß ich heim und die So
nate aufschreiben.' Damit faßte er den
Freund bei der Hand und stürmte daoon.
In seinem stillen Stübchen aber saß er
die ganze Nacht und schrieb, und als die
Sonne deS jungen Tage durch die Schei,
ben blickte, da beleuchtete ihr erster
Strahl ein Meisterwerk, daS mit dazu
beigetragen, den Namen seines Schöpfers
unsterblich zu machen, und das nach dem
Geschwisterpaar in dunkler Schuhmacher
Werkstatt schon Tausende von Hörern ge
rührt und begeistert hat.
Abbazia.
Peradovich, der tapfere kroatische Gt
neral und feinsinnige kroatische Dichter,
erzählt uns ein Märchen, da mit zu den
schönsten der slavischen Sagenwelt ge
hört: Stanko, ein junger kroatischer
Fischer, ist in seinem Kahn hinauSgefah
ren auf die glatte, spiegelnde See. Dort
haben die Vilen deS Grunde ihn durch
ihren Gesang und ihre Schönheit verlockt
und bethört, und haben ihn zu sich hinab,
gezogen in da kalte, feuchte Reich de
Meeres. Herrliche Tage verlebte er dort
in Luft und Liebe, allmählich aber erfaßte
tiefe Sehnsucht sein Hrz; Sehnsucht
nach dem öden, steinigen Lande, das ihm
dennoch um so viel schöner dünkte, als
das Reich der Feen des MeereS, denn eS
war seine Heimath, seine goldene, slavi
sche Heimaih. Er beschloß zu fliehen.
Nicht, wollte er au, dem Feenreiche mit
sich nehmen, al, einen Smaragd. Allein
seine Flucht wurde entdeckt. Die Vilen
deS Meere, jagten ihm nach und als er
die Heimath schon sah, zogen sie ihn wi,
der hinab in die Tiefe; doch nur seinen
Leib, denn seine Seele löste sich le und
floh in Gestalt einer Möoe dem steinigen
Ufer zu. Hier ließ die Möve, die den
Smaragd in ihrem Schnabel hielt, sich
nieder. Die Möo aber ist Voloika,
der Smaragd Abbazia. Wie ine
Möo, di weiß, regungilo, auf dem
Meere ruht, so liegt auch da, kleine Vo
loSka da, mit seinen weißen, weitschim
mernden Häusern, daneben aber hebt sich
wie ein Smaragd der ewig giüne Lor
beerhain Abbazia, von dem nackten, kal
tn, dunklen, massigen Gestein de, Monte
Maggior ab. Die Lage Abbazia ist,
so schreibt Arthur Bremer in d:r .Magd.
Ztg.' die denkbar schönste. Ssnft hin
gegossen am Fuße de Montt Maagiore,
liegt eS an dem von den Inseln Leglia
und Cherso seeartig umschlossenen Golse
von Fiume, durch di: vorgebauten Berge
vor dem kalten Ost und'Nordwindt ge
schützt, und nur sür den milden, aarmen
Sirokko, den letzten Ausläufer de afri
konischen Samum, zugänglich. Daher
zeichnet e sich so sehr durch fein milde
Klima au, welche noch sanfter und noch
wärmer, al da Nizza und der liguri
schen Rioiera ist.
Da Meer liegt meisten, ruhig da wie
ein stiller See; seine Fluthen schlagen
leise an die klippigen Ufer an, wie
flüsternde LtebeSwerbev. Und ganz in
der Nähe locken die Wunder der Karst
weit. Da ist da .Teufelsloch,' durch
welche das Meer sich in daS Innere der
Erde ergießt; da ist serner drüben aus der
Insel Cherso derselben Insel, aus
welcher TheseuS Medea verließ ein
See, der dreihundert Meter über dem
Meere liegt, dieses auf steilem Fels über
ragend, gleichsam als wachse er auS ihm
empor. Wenige Stunden weit ab die
herrlichen Grotten von Adelsberg, Ottok
und San Canzian, kurz deS Schönen,
Sehenswerthen, Gewaltigen genug. Der
Lieblichkeit der Natur aber wird in dem
herrlichen Parke Rechnung getragen, in
welchem vielhuiidertjährige Lorbeer
stämme ihr dusliges, undurchdringliches
BlStterdach entfalten, blühende Mag,
nolien ihren Farbenzauber entwickeln und
mächtige Palmengruxpen und breit
blöltrige AloeS uns daran erinnern, daß
wir in eine andere Welt versetzt sind, in
die Welt des Südens! Ja des Südens,
denn nichts gemahnt uns hier an den
Norden, außer durch eine bizarre
Laune der Natur das Gestade. Diese
gleicht nämlich, allerdings im Kleinen,
den Gestaden und Usern Norwegens.
Klippig, wild, zerrissen, mit lang in daS
Land sich hineinziehenden Fjorden, wie
im Süden der Fjord von giancna, im
Osten der Fjord von Buccart. Und als
wolle die Mutter Natur so recht anzeigen,
daß sie sich hier wissentlich selber kopiit
habe, hat sie diese Fjorde mit Wesen be
lebt, die nur hier und in Norwegen vor
kommen, die berühmten norwegischen
Scheerenkrebse, die mit ihrem süßen
Fleische das Entzücken des Feinschmecker
bilden.
Reu Erfindung für Haus.
Ueber ein solche theilt das Patent
und technische Bureau von Richard Luc
ders in Göllitz Folgendes mit: Unser
Petroleumlampen mit Milchglasglocken
zerstreuen, wenn sie nur beim Arbeiten,
wie Lesen, Schreiben :c., benutzt werden,
einen großen Theil des Lichtes unnütz
nach allen Seilen, während undurch
sichtige Schirme wiederum ein unange
nehme? Dunkel im Zimmer verursachen.
Eine bedeutend verstärkte Beleuchtung
nach unten hin kann nun erreicht werden,
wenn man nach einer in Frankreich auf
gekommenen Anordnung der Milchglas
glocke oben, etwas unter der Stelle wo
der Cylinder hindurch geht, innen einen
kreisförmigen, in der Mitte den Cylinder
durchlassenden Spiegel giebt, der mit
einigen Haken oben am Glockenravde
horizontal aufgehängt wird. Der Spie,
gel reflektirt fo viel Licht nach unten, daß
die Wirkung der Lampe bedeutend erhöht
wird.
Wi in Name entsteht.
An der Tafelrunde des Kaisers Wil
helmS des Ersten faßen eines TageS seine
Cavaliere und Gäste, darunter auch der
ehemalige russische MilitSrbevollmSchtigte
Graf Kutufoff. Man fand im Laufe
deS Gesprächs, daß außer dem Russen
sich ausschließlich Deutsche am Tischt be,
fanden.
.Na, kin halber Deutscher bin ich
auch', meinte Graf Kutusoff .nach
einer Familienüberlieferung stammen wir
aus den Oftseeprooinzen und hießen ehe
dem .Kut'.
Worauf Graf Fritz Eulenburg, da
mal Minister des Innern, schlagfertig
hinzufügte: .Und der .soff' wird wohl
in Rußland dazu gekommen sein!'
Di ganze Gesellschaft, der betagte
Kaifer nicht minder, lachten herzlich und
Kutusoff lacht tüchtig mit.
Unvorsichtig.
Braut: .Weßhalb haft Du denn den
Kcpf heute so eingewickelt?'
Bräutigam: .Ach, ich habe mir einen
Zahn bet'm Zahnarzt Zangerl ziehen
lassen ; der hat mich mindestens eine
halbe Stunde furchtbar geschunden !'
Braut : .Wie kannst Du aber auch zu
dem Zangel gehen!.. Weißt Du denn
nicht, daß ich dem früher 'mal einn Korb
gegeben habe?!'
Aus dem Rasenitof.
Einem Soldaten war die N a h t am
Stiefel in wenig geplatzt; sofort sah
eS daS scharfe Auge deS Unteroffiziers :
.Ich glaub' gar', ruft er dem Soldaten
zu. .der Keil will hier die Kneippkur
gebrauchen l'
Ueberflüsng.
Gutsbesitzer (,um Freier, der sich um
die Hand seiner Tochter bewirbt) : .All'
die Felder und Wälder, welche Si
ringsum blicken, sind mein ! Wohn
und Wirtschaftsgebäude alle neu!..'
Freier : .Jetzt brauch' ich Ihr
Tochter nicht mehr zu sehen!'
Bei der Aufführung ine neuen 5au
spiel.
.Warum nur die Schauspieler heute
so ltis sprecht I?'
.Sie wollen halt da Stück demPubli
kum möglichst schonend beibrin
genl'
boshaft.
Aellliche Eoquette : ...Auf diesem
Bilde sehen Sie mich a! kleine
Mädchen!'
Befuch: ,Ah, in Her Meister!'
furiose Auffassung.
Johann : .Weißt Du. Kathi. unser
gnädiger Herr, der sowieso ungeheuer
viel ißt, gedenkt von nun an noch viel
mehr zu essen!'
Köchin: .Wieso?'
Johann : .Ich hab' gehört, wie er mit
dem Dcctor schon wegen einer Magen,
erweiterung gesprochen hat!'
atbeöerbliithe.
Wer siegte in der Schlacht bei Man
tinea?'
.Die Athener!'
.Da sieht man wieder, Schultze, daß
Sie den ganzen P e l o p o vn es is ch n
Krig vtrschlaskn hab!'
Schätzung.
Kunsthändler (zum Maler): . . .Wa,
für Ihr B,ld verlangen Sie zehntausend
Mark?! Da ist ja ein Preis, al wären
Sie schon zweihundert Jahr
todt!'
freundliche Mahnung. '
Sekundant (zum Duellanten): .Aber
zittern Sie doch nicht so sehr! Ihr
Gegner kann Sie ja sonst nicht treffen !'
Am Stammtisch.
Ehemann: ....Ja, ja, e hat doch
etwa für sich, wenn man oerheirathet ist l
Dann weiß man wenigstens, wo man deS
Abends sein sollte!'
Streng nach Auftrag.
1. Gast: .Kellner, bringen Sie mir
zwei weichgekochte Eier!'
2. Gast: .Mir auch zwei Eier aber
sehr frische !'
Kellner (am Sprachrohr) : .Vier
eiche Eier wovon zwei sehr frisch !'
Moderne wirthschaft.
Gatte: . . . Einen Mantel will ich Dir
ncch kaufen. Versprichst Du aber auch,
mich dann in Ruhe zu lassen?'
Gattin: .Ganz gewiß! Wenn ich
einen feinen Mantel hab, be
komme ich schon gepumpt, 'was ich
sonst noch brauche!'
Genau.
Hausherr: ,WaS geschieht denn hier?
Wie können Sie Ihre Wohnung anftrei
chen lassen, ohne mich um Erlaubniß zu
bitten?!'
Partei: .Aber, Hausherr, wenn ich
auf meine Kosten anstreichen lasse, so
geht das Sie gar nichts an l'
Hausherr: .So, das wär' schögl
Wissen Sie denn nicht, daß die Zimmer
durch's öftere Anstreichen immer kl ei
ner werden?.. Wer trägt dann den
Schaden?'
Schonende Kritik.
Schriftsteller (gefürchtet wegen seiner
endlosen Schreibfertigkeit): .Wie gefällt
Ihnen mein neuester Roman in
der .Abendpost'?'
Professor (der Naturwissenschaft) ;
.Er ist mit großer Wärme ge
schrieben!'
Schriftsteller: .Ist das wirklich Ihr
Ueberzeugung?"
Professor: .Natürlich Wärm
dehnt ja aus!'
Uebertrumxft.
Erster Lieutenant : ...Habe gestern
durch mein Erscheinen auf Ball
kolossal Furore gemacht!'
Zweiter Lieutenant: .Ich sogar durch
bloße Nichterscheinen!'
Auf Umwegen.
Herr (auf der Promenade) : .Guten
Abend, mein Fräulein!'
Dame: .Kennen Sie mich denn?'
.Herr: .Jawohl! Sie sehen m e i
ner künftigen Frau, wenn Si
wollen, aus's Haar ähnlich !'
Im Restaurant.
Stadiosuö: .Kellner!'
Kellner: .Sie wünschen, mein Herr!'
Studiosus: .Ich möchte zahlen.. .
Wie viel darf ich Ihnen schuldig
bleib?'
Ideen-verbindung.
Fräulein: .Ach. Herr Doctor, in letz
ter Zeit ist mein Kops immer so ein
genommen!'
Arzt: .Und wer ist der Glück,
liche?'
An die richtige Adresse.
Theatersekretär : .Soeben kommt eine
briefliche Anfrage an die Intendanz,
welch Oper unsere Hofbühne zur
Feier der Anwesenheit Napoleon I. im
Jahre 1810 aufgeführt bat? Wissen
Herr Intendant vielleicht?'
Intendant: .Nein,., aber fragen Sie
doch einfach die Damen vom Ballet
die Meisten müssen ja dies
denkwürdige Vorstellung noch
mitgemacht haben!'