Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 22, 1894, Image 9

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    Der Gslerhase.
i'on Martin
.Kinder,' hieß (I eins! bei un zu
Haus amGründonnerfiag, springt ein
total jinau in den Garten und sucht, ob
der Osterhase Ei gelegt hat.'
Mit hellem Jubel stürmn wir dann
hinau tn die Irische Frühlinglluft, die
ach langen, trüben Wivteitage nun
wieder im reinsten Blau nftrahlle.
Wonnig leuchtete die lieb Oftersonne an
den knospenden, braunglZnzenden Leften
der Blume und Sträucher. 'Hier und da
ntsaltete sich schon schachtet ein zarte
Blillchen. Wir aber tummelten un aus
bim jungen, grünen Rasen im hellen
Sonnenschein, ließen die Augen überall
in Grai und Strauchmerk und an den
Stämmen tn froher Aufregung umher
schweifen und suchten nach den Öfter
irrn.
.Hier, ich hab' ein!" Jauchzend hob
die Hand da rothe Ei, da hinter der
Wurzel eine Birnbaum heroorgelugt
hatte.
.Ich auch! Ich auch!' Und allemal
erhob sich ein Kreudensturm, wenn wieder
in bunte Ei entdeckt worden war.
Unter Spaßen und Lachen wurde da
Suchen sortgesetzt, bi wir endlich alle
Sin gefunden zu haben glaubten, die der
Osterhase gelegt hatte. Nun hielten wir
sie forgliH in den Händen, die gelben,
rothen und grünen Ostereier und zählten,
er die meisten aufgefunden hatt und
freute un königlich, wenn der Osterhas
gar unsern Namen auf ein der Eier ge
malt hatte. Ueberglücklich ging e dann
wieder in' Hau hinein, um nun den
ganzen Tag von dem freundlichen Oster
Hasen zu plaudern und zu träumen und
seine Eier dabei zu bewundern und zu
verzehren. Und wir dachten noch lange
heiler und dankbar an ihn zurück und
vergaßen ihn nicht, sondern freuten un
schon aus sein Wiederkommen am nächsten
Osterfeste.
Da ist lange her, lange! Ob die alte,
gute, deutsche Sitte noch ihr HauSrecht
tn vielen deutschen Häusern hat? In den
Großstädten gibt' wenig Gärten. Da
kann der Osterhase unter tausend Men
schen kaum einem Ostereier dringen,
wenn dieser eine sie überhaupt haben
will. Aber wie ist' in den kleinen
Städten und aus den Dörfern? Ich
glaube, auch da kann man heutzutage
lange seine Wege wandern, wenn man
zur Osterzeit einmal fröhliche Kinder in
inem Garten nach Ostereiern will suchen
Ceben.
Dort hat sich aber wenigsten noch der
Brauch erhalten, daß zu Ostern, jeden,
fall aber am Gründonnerstag, Mittag
in Schüssel voll gesottener und buntge,
färbter Eier rieben dem Salat von Ra
vunzeln oder neunerlei Frühjahrgemllsen
auf dem Tische fleht. Di Poesie de,
Osterba en ist den Met ten unbekannt,
Sie ist au der Erinnerung de Volke
auf dem Lande so ziemlich ver chmunden
In den Städten, vorzüglich tn der
fö-flM ftffit her ri st frfin aber na&
hoch in Ehren. Der einfache, bescheidene
Osterhase der alten Zeit, von dem man
nie twa sah, ist'S aber nicht mehr. Ein
neuer Gesell ist'S geworden, der überall
hervorguckt. Den bat nicht vte Bott,
xoefle erschaffen. Der ist in Kind der
Boette de Luru.
Viel Wochen vor Ostern spukt er
schon in tausend Schaufenstern und tn
tausend Köpfen. Denn hat eine ge
roisse Aehnlichkeit mit dem Weihnacht
mann. Eier bringt er nicht, wie sein
biederer penflontrter Kamerad, der achte,
alte Osterhase. Er bringt Hetmltchket,
ten und Ueberraschungen wie der Wrihi
nachtSmann. An Umfang müssen die
Geschenke de Osterhasen freilich hinter
denen de WeihnachlSmannes zurua,
stehen. Sie sind nur mit dem Umfange
eine Hasenkotpu oder Eie vereinbar,
wenn dieser auch zuweuen oavet die na
türliche Größe übersteigen muß.
Flanirt man jetzt an Schaufenstern
vorüber, macht man eine Visite, so ge
wahrt man überall da Zeichen de
Osterhasen, ihn selbst oder sein Ei
Wahllose raiiöse, liebenswürdige, phan,
tastische Gebilde sind tn diesen Zeichen
geschaffen worden. Die Damen und die
Kinderwelt wird damit von allen Seiten
überschüttet. Unglaublicher LuruS tritt
dabei zu Tage, namentlich wenn die Ga
kantet ie ih Huldigung in den mehr oder
weniger kostbaren ltrapen verdtrgt.
Riesige, prunkvoll verzierte Zucker,
Chokoladen und Blumeneier überragen
die ungeheure Menge ihrer kleinen Ge
nossen. Mit weißem Atlas gefütterte,
von farbigem Sammet und schillernder
Seide umhüllte eiförmige Karton der
zen Konsilürenmassen, allerliebste andere
Geschenke oder gar blitzenden Gold
schmuck, Brillantbrochen oder Ringe mit
funkelnden Edelsteinen unter ihrer ele
ganten Schale. Welche schönen Augen
werden da entzückt aufleuchten, wenn die
kleine Seidenschnur de reizenden Eie
gelöst ist und plötzlich solche werthsolle
SächelchkN im Sonnenlichte spielen!
Ein minder begüterter oder sinnigerer
Verehrer sendet wundervolle, exotische
Blumen, reizend zu inem Ei gewunden
oder ali Füllung einer originellen At
trape. Alle Künste sind aufgeboten wor
den, um neue und überraschende Effekte
für Ostereier und Osterhasen zu ersinnen,
Nachbildungen geplatzter Krautköpfe oder
zerbrochener Eier, au denen ein Männ
chen machender Hase schaut, gehören zu
de beliebten Einfachheit. Auffälliger
sind schen Rieseneier ode Körbchen au
ichönfarbiger Binse, die da Idyll einer
ganzen Hühner oder Hasenfamilie au
Marzipan beherbergen. Au zahllosen,
halbdurchbrochenen Eierchen lugen schalk
haft und ängstliche Hühnchen und HSS
chen und dazwischen flattrrn lächelnde
Amoretten. Seidenerer sind mit hu
tnoriflischen, köstlichen LiebeSscenen be
alt. Ein schwebender Engel hält den j
Ver
Jahrgang 14.
Verschluß. Beim Oeffnen taumeln
Libellen und Schmetterlinge au dem
mit leuchtendem Atla gesütterten Ei.
Selbst im Tafelaufsatz regiert der
Osterhase. Mächtigen Füllhörnern von
frischen oder künstlichen Blumen nt
strömt in tausend bunten Süßigkeiten ein
Meer von Eiern, neugierigen Küchlein,
noch mit der Schaale behängen, und drol
ligen OftethöSchen. Gemaltiqe, gleiche
Fiucht tragend Blumenschiffe zieren
ebenfalls die Tafel.
Aehnlich gefüllt sind kostbare Pompa
doure. Au weichen Konfttürmassen
sind Genrebilder de Hühner und Ha
senleben geformt. Wer da schlichte
liebt, kann wenigsten ein Häschen oder
ein große, hellgelbe Küchlew au Pa
piermache kaufen, da sich, wenn da be
wegltch Köpfchen herausgezogen ist, mit
Konfekt gefüllt zeigt. Die Osterei.Jn
dustrie befriedigt jeden Geschmack. Und
wer Ausmerksamkeiten von bleibendem
Werth liebt, kann auch diese zur Öfter,
saison haben. Ihm bieten sich Schmuck
kästchen, Aschenbecher und Tintenfässer in
Eierform, Petschafte mit dem auf einem
Ei balancirenden Amor, Briefbeschwerer
von Bronz mit Hasen oder auS Elfen
dein, auf deren massiven Block kleine, un
gemein ausdrucksvoll gearbeitete Häschen
mit farbigen Ostereiern spielen.
Da ist der Oberhast im Lurus und in
der Großstadt. Er ist von fesselndem
Reiz und bietet künstlerischen Phantasien
weiten Spielraum. Mir gefallen die
neckischen, künstlerischen Gestaltungende
Osterhasen und seine Eie auch. Aber
ich muß e offen sägen: seine künstlichen
Sprünge erregen mir ein gewisse Miß
behagen. E ist ben nicht der richtige
Osterhase, der da springt. E ist nur
sein Geist, und hier meine ich Geist im
Sinne einer Todtenerscheinung.
Den echten Osterhasen, den der alte
Volksglauben schuf, darf man gar nicht
sehen und r muß nur bunt, gesottene
Eier bringen, am liebsten in den Garten.
Woher stammt die Sitte de OsterhafenS
eigentlich? E ist in altgermanischer
Brauch. Ostern ist daS germauische
FrühlingSfest, wie schon sein Name sagt.
Oft bedeutet den Anfang der Sonne.
Auch die meisten Ostergebräuche sind ger
manischen Ursprungs. Eier, ol Sinn,
bild des in der Verborgenheit auskeimen
den LebenS, treffen wir bei den Frühlings
festen der meisten Völker. In der Welt
anschauung der Alten begegnen wir dem
Ei als Symbol der Schöpsung über
Haupt. Nach einer ägyptischen Sage
ging aus dem Munve ves oros, oe
Sohnes von Isis und Ostri, ein Ei her.
vor, auS dem sich die Welt entwickelt.
Nach dem Glauben der Chinesen ist die
Welt auch auS einem Et herosrgegangen.
Aul den Scbalen fei der Himmel, au
dem Eiweiß die Luft und au dem Dotter
die Erde entstanden. Und da sei im
Winter, da die Tag am kürzesten sind,
und zwar um Mitternacht geschehen.
Ostereier fehlten am heidnisch ger
manischen Feste nie. Sie waren mit der
Farbe der Sonne, gelb und roth, ge
färbt, um sie al Festeier zu kennzeich,
nen. Man trieb allerhand Eierspiele
mit ihnen, die sich hier und da, meistens
nur noch unter den Kindern, erhalten
haben, wie das Eierhätten oder Eier
picken, das Eierwalzen und die in Schma
ben noch in manchem Dorfe als Volks
keft gefeierte Eierlese. Die Eierspiele
sind eine Uebertragung der altgermani
schen Osterkampsspiele in'S Kinderleben.
Wie diese stellen sie symbolisch den Wett
kämpf zwischen Sommer und Winter
der.
In alter Zeit galt es bei den Deut
schen fast als Sünde, zu Ostern kein
hartgesottenes Ei zu essen. Man be
schenkte auch die Kinder gern damit, und
zwar am Gründonnerstage, natürlich mit
buntgefärbten, die man im Freien ver
steckte und die der Osterhase angeblich
gebracht hatt.
Der Gründonnerstag war im altger,
manischen Kultu dem Wodan geweiht,
dem Wetterer, für ben Donar, wovon
der Name Donnerstag herrührt, eignt
lich nur ein anderer Name ist. Er hatt
den Winter au dem Lande gejagt und
das Heroorsprieszen deS ersten GrünS
ermöglicht. Darum ist eS althergebrach
ter Brauch, an diesem Donnerstag ihm
zum Danke daS erste grüne Frühjahr
gemüse zu verzehten. Am Donnerstage
vor Ostern that man dies aber, weil
Donar'S oder Wodan'S Besiegung de
Wmter dem Feste der wiederkehrenden
Sonne vorangegangen sein mußte. Die
se Fest, Ostern, feierten die alten Ger
manen zur FtühIingStag und Nacht
gleiche, am 2 t. März. Der galt zu
gleich ali NeujahrStag.
Wie ma die puren deS ersten som
merlichen PflanzenlebenS im Freien
suchen muß, so ließ man auch die Öfter,
eier suchen. Und der Osterhase sollte
st gelegt haben, erzählte man den Klei,
nen mit freundlichem Humor, weil zu
Ostern der erste Satz junger Hasen sein
possirlicheS Spiel draußen treibt, neu
gierig in die Welt guckt und an den zar
ten FrühlingZgräsern und Zweigen zupft.
Der Hase war aber eines von den Thie
ren, die dem Wodan geheiligt waren.
Man wollte also, wenn man dem Öfter
Söititt(ig$ii(ii
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
Hasen daS Oftereierlegen unterschob, da
mit auch sagen, Wsdan schicke den Kin
der durch den Osterhasen die bunten
Eier.
So entstand der alte deutsche Volks
brauch vom Ost Hasen. Er hat sich bi
in unsere Zeit erhalte und auf ihn ist
auch die Sitte zurückzuführen, daß einst
die OfterZehntkier gerade am Grün
donnerftage eingeliefert weide mußte.
Wie lange wird' dauern, erinnert nur
noch da bekannt Kinderlieb:
.HäSlein in der Grube
Saß da und schlief u. s. .
an ihn. Der LuruS. Osterhase und die
LuruS. Ostereier haben den alte Brauch
vollständig zum AuSfterbea gebracht.
Sie habe ihn auf eine neue, feinere,
aber auch kostspieligere Stufe gehoben
und dadurch dem Volksleben entrückt.
So ist r vollständig umgewandelt und
seinem ursprünglichen Sinn entfremdet
worden. Und da ist', wa mich an
den Sprüngen de luxuriösen Osterhasen
keine reine Freude haben läßt. Er hat
den echten Osterhasen verjagt und einen
allen, guten, deutschen Brauch verdreht.
Und noch vor dreißig Jahren lebte dieser
Brauch. Zwischen der heutigen Kultur
und der vor fünszig Jahren ist eben, ma
alten Brauch und Sitte betrifft, der Ab,
stand größer, al zwischen dieser und der
Kultur vor tausend Jahren.
ver verrathene Tenorist.
Hu!Ik oon iKanin Behnad.
Der Herr Direktor war in heiterster
Laune. Seit langer, langer Zeit hatte
er nicht so gute Geschäfte gemacht, wie
in dieser kleinen Stadt der Normandie.
Seine Truppe, welche in einem beliebten
VergnügungSEtablissement Vorstellun
gen, und zwar Schauspiele, Lustspiele,
Opern und Operetten in bunter Reihen
solge gab, war sehr bald der Mittelpunkt
des Interesses der kunstlieienden Beoöl,
kerung geworden, und Abend für Abend
war das Theater geradezu vorzüglich be
sucht. Emmal fehlte sogar nicht viel an
einem ausverkauften Hause.
War eS da ein Wunder, wenn der
Direktor heiter und guter Laune war?
Die Sorgen, die sonst seine ständigen
Gäste waren, hörten auf, denn er ver
dient mehr, al r brauchte, so daß er
sogar denken konnte, alte Schulden,
wenigstens die drückendsten, zu bezahlen,
ES war kurz vor der Vorstellung. Die
Tageskasse hatt wieder ein sehr gute
Resultat aufzuweisen, und in dem behag
liehen Gefühl der pekuniären Sicherheit
lteivel stq ver ivlrerior feiner moue ge?
mag an.
Er bat! beut de Könia im Tann
Häuser zu geben; bereit ganz im Geiste
seiner Rolle, sang er, nachdem er sich
aus einen Sessel niedergelassen hatte, um
sein muroevoue Haupt dem grlseur,
einem jungen Mann von zmeiundzmanzig
Jahren, anzuvertrauen, leise die Worte:
Mein Held, entgegne kühn dem Ungeheuer.'
Da plötzlich traute er feinen Ohren?
hörte er au dem Munde deS Haar
künstlers mit wunderbarem Klänge die
Worte Lshengrtn S:
Sticht Dir, der so vergaß der Ehen,
Hab' Nolh ich Rede hier zu steh. "
Wie elektrisirt sprang der alte Sänger
auf und, den jungen Sänger ungestüm
an die Schultern fassend, schrie er ihn
förmlich an:
Mann, Mensch, Götterknabe, woher
haben Sie diese wunderbare Stimme,
und warum sind Sie nicht Opernsänger
geworden?'
Der junge Mann, JuleS Bernard war
fein Name, stand sprachlos: Hatte er
wirklich eine so herrliche Stimme, daß
ter Direktor sogar von ihr überrascht
wurde?
Aber eS mußte wohl so fein; denn der
alte Mann drang jetzt mit einem so heili
gen Eifer in ihn, zur Bühne zu gehen,
daß er sich, kurz entschlossen, engagiren
ließ, um zuerst in der Truppe seines
Entdeckers zu singen, und später, wenn
seine Ausbildung vollendet, in Engage
ment an einer ersten Bühne anzu
nehmen.
Der Direktor hatte nicht die Unwahr
heit gesagt. JuleS machte, als r nach
einem halben Jahr die Bühne betrat,
gewaltiges Aufsehen. DaS war ine
Stimme, wie sie seit vielen Jahren nicht
dagewesen, und Jeder prophezeihte dem
Sänger, der noch dazu mit einer Vortheil
haften Bühnenerscheinung ausgestattet
war. ine bedeutende Zukunft.
Es war zwei Jahre später. AuS dem
arme, bescheidenen Friseurgehilfen war
ei wohlhabender, selbstbewußter Buh
nensänger gemorde, der von den MSn
nern beneidet, von den Frauen vergöttert
wurde.
Er hatte in Pari in Gastspiel absol
oirt, in Folge dessen sein Name in Aller
Mund war.
Man wetteiserte, ihn in seinen SalonS
zu sehen, sein Impresario, sein früherer
Direktor, mußte all' seine Geschicklichkeit
aufbieten, um ihn davon abzuhallen, all
zu viele Gesellschaften zu besuchen, wo
er, zum Singen genöthigt, gar zu leicht
seiner Stimme zu viel hätt zumuthen
können.
Seit einiger Zeit jedoch wurden alle
Einladungen von dem jungen Sänger
unbeachtet gelassen. Er folgt keiner,
und überlief, e seinem Impresario, Ent
schuldigungea für sein Nichterscheinen zu
i finden.
Der Grund für diese Benehme war
sehr einfach: Jule Bernard ging auf
Abenteuer aus. Di Gräfin von Karem
bourt, in ebenso schöne, wie kokette
Frau, hatte nämlich erfahren, daß die
Gräsin von Franche, Jule mehreremal
t ihre Salon empfangen hatt und.
gestützt auf diese mehrmalige Erscheinen
deS Sänger bei ihr. eine größer Gesell
schast zu geben im Begriffe stand, wo
Jute, wie e bereit tn intimen toerann,
tenkreifen hieß, ein Lieblingslted der
Gastgeberin sinaen erde.
Da mußte inhibtrt werdkn! Da durfte
unter keiner Bedingung gelingen! Die
Gräsin Karembourt war eine erbitterte
Gegnerin der Gräsin Franche, welche sich
anmaßte, schönere Haar und schönere
Hände IS sie zu befttzen. Diese An
maßung girig sogar so weit, daß die
Gräsin Franche eines Abends in einer
Gesellschaft ohne den geringsten Schmuck,
weder im Haar noch an den Händen, zu
tragen erschien, obgleich sie mußte, daß
ihre Rivalin ebenfalls zugegen fein
werde.
Und was das Empörende bei der
Sache war, diese Schmucklosigkeit gefiel
0 allgemein, da sie sogar chul machte.
und mehrer hochgestellt Damen ganze
vier Wochen lang tn gleicher Weise sich
trugen.
O, wie diese Niederlage an dem Herzen
der Gräsin von Karembourt fraß, und
wie sie vor Begierde brannte, sich zu
rächen.
Und jetzt bot sich die Gelegenheit: Der
berühmte Sänger sollte, trotz der Zustche
cung ihrer Feindin, nicht in deren Salon
singen; weder deren LieblingSIied, noch
irgend ein anderes. Er sollte übethaupt
nicht erscheinen, sondern an demselben
Abend, an dem die Grästn Franche ihre
vielbesprochene Gesellschaft gab, mit der
Siegerin im Theater in deren Loge ge
sehen werden.
JuleS Bernard schwamm in einem
Meer von Wonne. Er hatte allerdings
während feiner kurzen Laufbahn als
anger manche Eroberungen gemacht,
und war sogar in Folge dessen, wenig
ftenS äußerlich, blasirt geworden, obgleich
eS jedes Mal in ihm aufjauchzte, wenn
er eines der duftenden, zarten BillelS
erbrach. Jetzt aber, wo eine Gräfin
von Karemyourt ihn mit ihrer Gunst
auszeichnet, fühlt er sich geschmeichelt,
wie noch nie, und er gab sich nicht allein
keine Mühe, blasirt zu erscheinen, son
der sprach sogar von diesem Erfolg.
Die Gräfin war als ine kokette, aber
auch kalte Schönheit bekannt, die es
liebte, Männer gleich Motten, welche um
das Licht flattern, in ihren Bannkreis zu
locken, um st dann sxötnsch lachend von
sich zustoßen.
ES hätte ja auch ihm ein gleiches
Schicksal blühen können, wenn er nicht
bereits' einen Erfolg hätte verzeichnen
können, wie noch keiner vor ihm: Die
Gräfin hatte ihm die Erlaubniß ertheilt,
zu jeder Tagesstunde bei ihr zu erscheinen,
und in seiner Gegenz?t ihre Zofe in
ftruiit, ihn stets vortulcsscs.
Einen größeren Beweis ihrer Gunst
hätte ihm die Gräfin wahrhaftig nicht
geben können.
Es war an dem Tage, an welchem die
Gesellschaft der Gräfin Franche stattfin,
den sollte. Jul.s hatte keine Probe, und
gelangweilt schlenderte er durch die
Straßen, als es ihm einfiel, daß die
Gräfin um feinen Besuch gebeten hatte.
Stach iner halben Stunde betrat er
die elegante Villa der Gräfin, wo er von
deren Zofe empfange wurde, welche den
rechten Arm tn der chlmge trug.
Gleich daraus betrat er das mit rafft
nirtem LuruS ausgestattete Boudoir,
dessen Besitzerin ihm mit einem ernsten
Zuge in dem schönen Gesicht die Hand
reichte.
.Ich habe heute Unglück gehabt, lieber
Freund,' begann die Gräsin. .Meine
Zofe that heut Morgen einen bösen Fall,
0 va n stch die and verstauchte.
Die Folge davon ist, daß sie mich nur
nothdürflig fristren konnte, und da die
Friseuse, uach welcher ich geschickt, noch
nicht erschienen ist, so bin ich leider ge
zwunzen, Sie nur als halbe Schönheit
empfangen zu können.'
Diese Worte sprach sie mit iner so
wohlgeschulten Koketterie, daß JuleS in
eine Stimmung versetzt wurde, in der er
bereit gewesen wäre, Alles für dieses be
rückend schöne Weib zu thun.
Ueber da Gesicht der Grann huschte
ein zufriedenes Lächeln. Sie sah ihren
Triumph und beschloß, ihn auszunutzen.
.Lasten i uns ein wenig plaudern.'
begann sie nach einer kurzen Pause, .die
Pariser Friseusen sind etwa verwöhnt
und belieben auf sich warten zu lassen.
Wenn mich daher nicht alles trügt, bin
ich in der angenehmen Lage, ihre ange
No. 44.
nehm Gesellschaft noch recht lange in
Anspruch zu nehmen.'
.Und wenn di Dam, welche daS Vor
recht hat, Ihr schönes Haar ordnen zu
dürfen, kommt, muß ich fort,' entgeg
nete Jule betrübt.
.Allerdings; doch will ich Ihnen er,
lauben, mich heute Abend in' Theater
zu führen. Ich hoffe, daß ich Ihnen da
mit Entschädigung genug biete.'
.Gewiß, gewiß! Aber wenn ich Sie
nun inständig bitte, heut während de
ganze Tage i Ihrer Nähe bleibe zu
dürfen?'
.Dann will ich i Ihnen bi auf die
kurz Spann Zeit, welche meine Friseuse
gebraucht, um ihr Werk auszuführen,
gnädigst gewähren.'
.Und wen ich Sie nun auch noch
bitte, mich gar nicht fortzuschicken, son,
der statt der Friseuse mich versuchen zu
lassen, deren Werk auszuführen.
Ein glühender, verheißungsvoller Blick
flog zu dem Sprecher hinüber. Jetzt wußte
sie, daß er ihr ergebener Sklave war,
und daß sie nicht zu befürchten brauchte,
ihn heut Abend nicht an ihrer Seite zu
sehen.
Nur wenige Sekunden zögerte sie,
dann gab sie ihm mit einem koketten
Augenausschlag die erbeten Erlaubniß.
Lachend sah sie seinem Gebaren zu.
Lachend ließ sie ihn ihr Haar lösen, auf
welche er verstohlen einen Kuß drückte.
Dann aber nahm die Geschicklichkeit,
mit welcher Jule sein Amt versah, ihre
Aufmerksamkeit in Anspruch. Immer
ernster sahen ihre Augen drein, die, wi
faözinirt allen Bewegungen de hinter
ihrem Stuhle stehenden Manne in dem
Spiegel folgten.
Eine solche Geschicklichkeit war ihr
noch nicht vorgekommen l Unter den ge,
wandten Händen JuleS' entstand eine
Frisur, die geradezu vollendet schön war.
DaS sah die Gräsin; aber auch ebenso
sah sie jetzt in, daß der Mann, um den
sie sich, wenn auch nur, um ihrer Freun
bin einen Streich zu spielen, bewarb,
diese Geschicklichkeit durch jahrelange
Uebung erworben haben mußte, mit einem
Worte, daß er, bevor er Sänger gewor
den, Friseur war.
Bleichen Antlitzes wartete sie, bi JuleS
fein Werk vollendet hatte; dann aber
sprang sie auf, und mit höhnischer Miene
dankte st ihm für sein außerordentliche
Liebenswürdigkeit.
.Sie haben sich nicht allein al Meister
im Gesänge, sondern auch al Meister in
Ihrer früheren Kunst bewiesen; und noch
einmal, mein Herr, meinen besten Dank.
Wenn Si aber beute Abend bei der
Gräsin Franche ines ihrer Liebling
lieder singen werde ich vergaß, als
ich Sie vorhin bat, mich in' Theater zu
führen, daß Sie bereits versagt seien so
grüßen Sie die Dame von mir und sagen
ihr, daß ich Sie vorkommende Falles als
einen ganz vorzüglichen Friseur empfehlen
kann
Jule sang an diesem Abend nicht bei
der Gräfin Franche; r packt feine Koffex
und reiste schleunigst ad.
Die Gräfin von Karembourt jedoch
machte, bevor sie an diesem Abend in'
Theater fuhr, besonder forgsältige
Toilette. Si wußte im Voraus, daß
ihre heutige Haartracht infolge der fel
tenen Kunstfertigkeit, mit welcher diese
angefertigt war, Auffehen erregen werde,
und ihre Toilette mußte demnach eben
falls vollendet sein.
I hew e Buljett!
Sitzt da im Wartesaal der Okibab
ein biedere? Männlein und wartet aus
den abgehenden Zug. ES sollt seine erste
Reise mit der Eisenbahn werden, denn
biS dabin war er über eine Meile im
Umkreise seines öeimatbSdorseS nickt bin,
ausgekommen. Von einer gedrückten und
beengten Stimmung über dies rft Fahrt
war aber bei ihm nichts zu merken, im
Gegentheil, r war beiier Laune und lieb
sich sein GlaS Bier vortrefflich schmecken.
Dem Rath des Restaurateurs, er solle
gui Achk geven, daß er den Zug nicht ver
säume, begegnet r mit den Worten:
,JH. ick he jo all een Buljett, un min
Fru hett feggt, kos Di mon irft en Bul
je, do mttt Du mitkemen, un wenn
Dusend up de Affohrt luren. Ne, dat
weiten wi grad so gaud, als Sei, mit
kamen mött ick.' Da brauste der Zug
heran. Passagiere eilen hin und her und
umdrängen das Büffet. Unser Männlein
betrachtet di Sach tn aller Ruhe, denkt
aber nicht daran, einzusteigen. .Wollen
Sie nicht nach D.?' fragt thn in Passa
gier, der ebenfalls im RestaurationSsaal
den Zug erwartet hatte. ,Jau dat wull
ick.' .Na, dann steigen Sie man
schleunigst in; eS ist die höchste Zeit.'
.Jh, bi mi het dat keene Jl nich, ick hew
all n Buljett, ick mött mitkommen.'
Im Wattesaal wurde S leer, und der
Restaurateur sieht zu seiner Ueberraschung
unseren ErftlingSreisenden noch ruhig da
sitzen: .Mensch, sind Sie noch da, laufen
Sie schnell, sonst geht der Zug ab.'
Diesem schien schließlich die Sache auch
bedenklich.
Schnell stürzt er hinaus. Hier setzte
sich der Zug gerade in Bewegung. ,Hi
Buljett, h: is no ener mit en Buljett,'
schrie er au Leibeskräften und rannte
dem tavonrollende Zuge nach, wobei er
die Hand mit dem Billet empothielt. I
großen Sätzen setzt er über die Schwelle
und da ihm die schließlich unb'qaem
wurde, lief er in dem nebe dem Buhn
dämm befindlichen Graben weiter, fort
während .Bul,ett, ht Buljett' rufend.
AI er schließlich einsah, daß sei Zu
berwort den Zug nicht zum Stehe bracht,
dieser vielmehr in der Ferne zu verschwm.
den begann, setzte er sich an den Graben,
rand und wischt sich pustend den Schweiß,
o der Stirn. .Na. son Düellag
von Tag, sohtt mi as uu lelt mi tauiügg,
u ick hew da en Buljett, da mött ick ,
melkomen.' Während r fg noch sein.
Verwunderung Raum gab, sah er einen
Zug iu umgekehrter Richtung herkommen.
,Na, nnlick hewe se do markt, dat sei
mi vezettev hewen. und kommen taurügg,
uu holen mi. Ick mltt mi Lmerft nu och
so hinstellen, dat sei mi ock sehen,' und
damit kletterte er auf den Bahndamm.
Der Zug rollte heran und .... vorbei:
.Hi bin ick, hi bin ick jo,' schrie nun
mehr unser Reisender; indem er sich i
die Höhe reckte, aber weg war der Zug.
,Nu hewen mi do oit seihn. Nu mott
ick man slünigst lopev, denn wen sei mi
nich up den Bahnhof finde, den fohren
sei wedder taurügg, un ick wer em Schöll
kregen, bet ick sei so vel Umftänn mal'
Und damit lief er spornstreichs zurück.
Als er auf dem Bahnhof ankam, war der
Zug schon weg. Wo i drr Tog blewen?'
war seine erste Frage an den erstaunten
Restaurateur.
.Welcher Zug?'
.Na de ewen hi wor, hewen si nich
na mi fragt?'
.Der letzte? Der ist ach Branden
bürg weitergefahren. Ich denke. Sie
wollen nach Demmin?' Jh, versteihl
sick, wüll ick na Demmin. Äewerft der
Tog i taurügg kamen, ick hew dor a
de Schinen stöhn, sei hewn mi Lmerft nit
seihn.'
.Ja, da müssen Sie schon vier Stun
den warten, da geht wieder ei Zug.'
,Wat, ver Stunnen? na dunn fohr,
ick leiwer na HuS, un fohr nächste mit
min Fohrwerk. Mit de Jfenbohn latt
ick mi nich wedder in. Tu HuS wer ick
Lwerst nu mit min Fru en irnft Wart
reiben, sei i do fünften so klaug.'
ine MerJagd.
Ein aroöer fini Butt bereit fünf
Tage lang da Schiff ine Ostindien
sayrkr verfolgt und mit unglaublicher
Gefräßigkeit alle verschlungen, wa
man über Bord geworfen kalte: aber trot,
aller Mühe, welche man sich gab, war
er doch nicht zu sangen. Da starb der
SchiffSjung und nach seemännischem
Brauche sollt er in die Flutben binabae
lassen werden. Noch hatt di mit Ka
nonenkugeln beschwerte Leiche den Wasser
spiegel nicht erreicht, als da gefürchiete
Ungeheuer erschien, die Leiche sammt
Brett und Kanonenkugel fortschnappte
und alle verschlang. Beinahe wären di
erschrockenen Seeleute, die ihrem ver
storbenen Kameraden die lebte Ebre er,
weisen wollten, al sie ihn schwebend an
einem Schiffstau hielten, mit hinabge
rissen worden, so plötzlich holte der Hai
seine Beut. Jetzt steigerte flch der Un.
wille der Mannschaft aber auch bi zur
Wuiy unv man iqwor der Bestie den ge
wissen Untergang. Zu diesem Zweck v,
fertigt man ine Bombe, die auch unter
dem Wasser nach einer gewissen eit fleö
entzünden mußte, wickelte dieselbe in eine,
Kuhhaut und warf sie dem Hai zu, al
er sich ieder sehen ließ. Spielnd ver
schlang derselbe den kleinen Happen und
jeder rief ihm ein Profit Mahlzeit.' zu.
In der Regel hatte sich das Ungeheuer '
bisher immer eine Streck vom Schiff
entfernt, wenn inen Gegenstand er
hascht hatte, und das erwartete man auch
diesmal, weil sonst das Schiff bei der
bevorstehenden Erplosion leicht selbst in
Gefahr kommen konnte. Doch zum Ent
setzen aller blieb das Thier jetzt in un
mittelbarster Nähe des Schiffe. Ein
Matrose urtheilte gan richtig, der Bissen
sei zu unbedeutend für den Magen de.
Hai gewesen, deshalb halte er eS nicht
der Mühe werth, sich zu entfernen und
man müsse ihm schnell einen größeren
Gegenstand opfern. Gesagt, gethan!
(Sinln. Q.. t,n. tS.X v" '
vi.n.v itwi yvtiiu mim vi,uu, utn man
mit Tauenden, Lumpen und dergleichen
füllte und dann ins Meer warf. Wieder
haschte der Hai gierig danach und schwamm
lustig plätschernd damit fort, als er ib
nicht gleich herunterwürgen konnte. Jetzt
mußt aber auch jeden Augenblick di
Bomb platzen und mit höchster Span,
nung wartet die ganz Schiffsmann
schast auf das eigenthümliche Schauspiel.
Eben sah man noch den Fisch in die
Tiefe tauchen, da ertönte ein dumpfer
Schlag, die Fluthen theilten stch on der
selben Stelle, eine hohe Feuersäule von
Dampf und Wassergischt umgeben, stieg
empor und gleich darauf stürzten die au,
einander gerissenen Theile deS Seethier
hoch aus der Luft ins Wasser. Ein Stück
vom Unterkiefer fiel auf' Verdeck und
wurde von den an Rache befriedigten
Seeleuten als corpusdelinqaentis auf
vewayrt.
Dexlacirte Redensart.
Vertheidiger : .Mein Client ist in der
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durch jenen verkommenen, gemeingefähr
Tlsftfn ftrf.rtjriii- nrltt v.
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ich in der gestrigen Sitzung zu vntheidi
gen die Ehr hatte!'
Deutlich.
Soldat: ,Wa ist denn das mit Dir,
Kathi! Du haft ja seit drei Tage gar
kein Lebenszeichen von Dir gegeben!'
Köchin: .Habe ich Dir nicht erst
gestern inen Brief geschrieben!'
Soldat : A was, in Brief ist
doch kein Lebenszeichen den kann
man ja nicht sj!'