Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 22, 1894, Image 12

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    Der jtcrfujj.
4!ou Eduard iöilbe.
Sit birgt da Öfter brod unter ihrem
weilen, blauseidenen Umlegeiuch ; ei ist
ein ae her Brodlaid. vom Popen ge
weiht. Dann entludet sie die beim
Kircheneingang fauste, dünne Wach,
kent und steckt sie bei den übrigen auf
einen Sllnder in der NZHe eine, Hei.
ligenbilde, auf. Da Osterbrod und die
Kerze find zum Heil für' kranke Väter
chen deheim bestimmt : erftere für da
de siechen Körper, letztere für die
Seele. E ist Osternacht in der JsaakS
Kathedrale. Da Meer von gelbem
erzenlicht Überströmt trZge, gleichsam
dickflüssig die schwere, basiert Pracht de
gewaltigen Raume. Malachit, und
n s , . 9n sirn$rtTlh
hinauf zu den RiesengeaZlben, unter
welchem gelbrSlhliche WeihrauchgewZlk
lagert. Der melodiöse, feierliche Ge
sang der psalmenstngenden Chorknaben
durchfluthet die schwülen Räume mit
langqezogenen, wunderbare Nachhall.
GerSuschlo gehen die vergoldeten Thü
ren de llerheiligflen auf und zu;
Popen in goldglSnzenden Meßgewändern
erscheinen und ziehen sich wieder zurück,
nachdem ste ihre Gebete und Lobprei
jungen in tiefem, sonorem Baß vorgetra
gen. Die gewaltige Masse der GlSu
feigen füllt die Kathedrale vom Eingang
bl zum Hochaltar; sie wogt auf und
nieder wie ein dunkler BambuSsald im
Sturm.
Marfa will sich niederlassen, da er
blickt sie über sich ein lächelnde Männer
antlitz. da ihr grüßend zunickt. Ueber
ihr Gesicht huscht ein Schatten: sie
dankt, aber ihr Blick verfinstert sich. Sie
sucht sich zu entfernen und bohrt sich mit
aller Gewalt in die Menschenmauer ein,
diese weicht aber nicht. Dabei entfällt
ihrer Hand da? OsterbrSdchen. Während
sie sich suchend dannach niederbückt, ist er
schon wieder neben ihr, beugt sich gleich,
fall hinunter und hebt den von einem
breiten Männerfuß bereit glattgedrück
tin Osterlaib auf. Sie nimmt, schäm,
vielleicht auch zorngerötheten Gesicht
und ohne zu danken, ihr Eigenthum wie
der an sich und birgt e unter ihrem
blauen Tuch. Der lächelnde Mann
drängt sich eng an ihre Seite.
Christas woskresl Der Priester
mund verkündet', im Lodgesang der
Psalmensänger hallt e in mächtigen
Akkorden wieder, e pflanzt sich fort im
dumpfen Jubelbrausen durch die tausend
köpstge Menge : Christos woskres I
Christ ist erstanden. Woistenno wos
kres! r ist wahrhaftig auferstanden I
Und nun entfesselt sich der Taumel de
Umarmen und Küssen. Ob Hoch,
oder Ntediig, ob fremd oder bekannt
Alle verbrüdert sich bei der Siege, und
Freudennachricht über die Auferstehung
de Heiland. Bei der Ofterkußscene in
der orlhodoren Kirche kommt die Ueber
schmänglichkeit de russischen Volkscharak
ter so recht zum Ausdruck.
Christo woskres! ruft auch der
junge Mann seiner Hübschen Nachbarin
zu. Er umfaßt ihren Nacken und sucht
sie n sich zu drücken. Marfa windet sich
aber heftig lo und mirft ihm einen er. t
rüsteten Blick zu.
.Sie verweigern mir den Aufer
stehungskuß, Marfa PetromnaZ
.I.'
.Da dürfen Sie nichtl'
Und nun entwickelt sich eine peinliche,
die feierliche Stimmung profanirende
Scene. E ist ein Glück, daß in der
allgemeinen Bewegung Niemand darauf
Acht giebt. Der junge Mann will sich
einen Osterkuß erzwingen. Er preßt da
zierliche Köpfchen te jungen Mädchen
fest an seine Brust und beugt sich nieder
nach ihrem rothen Mund. Doch da
er unterdrückt einen leisen Schrei, läßt
er die Hinterlistige fahren und zieht seine
Rechte, die auf dem blauseidenen Tuche
und Marfa Wange mehrere Blutflecke
hinterläßt, zu sich. Mit einem Fluch
wendet sich der junge Mann den AuSgang
der Kathedrale zu.
Das M-ZSchc steht zitternd, mit
glühendem Blick, aber in großer Verwir
rung d. Sie glaubt sich von allen
Seiten betrachtet. Ob man nicht gesehen
hat, wa sie gethan? Auch sie wenket sich
zum Gehen.
draußen ist mondscheindezlänzte Mit
ternacht. Sämmtliche Kirchenzlscken der
Residenz läut:?. Die AufcrstehunzZzu
rufe tönen in der Straße fort und fort.
Nun öfs.iet sich die Hauptthür der Jsaak,
Kathedrale vor dem Zuge der Geistlich,
keil, eiche die Prozesion de Umschrei
teil der Kirche mit dem vorangeiragenen
Auserstkhunz'ssarge beginnt.
Mfa hat sich nach allen Seiten um
geschaut, nun schlagt sie schleunigen
Schritte die Richtung nach der NewSky
PerZxek:ive ein. Auch der junge Mann
geht diesen Weg. Da junge Mädchen
hat ihn schon von Weitem gesehen. Bald
hat sie ihn eingeholr.
.Alexander Jarjemitsch, that'S weh?'
Ah Sie, Marfa- er schaut sich
überrascht um und bleibt stehen; in seinem
finstern, zornigen Gesicht wird e etwa
Heller. Natürlich that e weh, Sie j
habe mir ja den kleinen Finger bge
bissen. Ich kann mit Ihrem Osierbiß
zufrieden fein."
.Ihre Hand blutet wohl?
.Mein Herz noch mehr
Ich will sie verbinden, Aler ander
Jurjemitsch l Kommen Sie mit mir, ich
führe Sie in meine Wohnung. '
Sie bogen in der Ziegelgasse in
einen breiten Thorweg ein; Marfa
erfaßt feine linke Hand und leitet ihn
eine dunkle schmale Treppe hinauf.
Ein kleine, reinliche Zimmerchen, nur
durch die Oellampe vor dem Heiligen
bilde erleuchtet, nimmt sie auf. Auf
einem sauberen B.'tt neben dem großen
Kachelofen schläV. ein alter, granbärtiger
Mann.
.Mein Vater erklärte Mars, aus
ih'.ei Bereiter srazendeg Blick flüsternd,
da keim Fenster nehmen Sie Platz '
Er läßt sich in der tiefen Finsterniß
auf einen allen Lehnstuhl nieder ; sie zlln
de! eine giür.kpeüge Lampe an und
ähert sich mit Handtuch und kaltem
Wasser.
Ihr Hand, Alerander Jurjevitsch !'
Und während sie seine beschädigte
Rechte ergreift und dieselbe nach kurzer
Prüfung der blutenden Slßmunde mit
ihrer weichen Hand umfaßt und im kal
tea Wasser zu spülen beginnt, da schaut
er sie halb wehmüthig, halb beglückt an.
,Marfa Petrowna, Sie wären mir
doch ein wenig Freundschaft schuldig
.Wegen der geschenkten Brillantennadel
am Benisiabend unsere Chor und
wegen der Älumen nein I
.Nein, Marfa, daran denke ich nicht
Welche Absichten haben Sie? Wa
vollen Sie von mir? Wollen Sie mich
heirathen?'
Daran habe ich freilich nicht ge
dacht '
Nun also ! Welche Art Freundschaft
suchen Sie mit der Chorsängerin eine
öffentlichen VergnügungSloral? Sie
verfolgen mich auf Schritt und Tritt.
Ich will Ihre Freundschaft nicht, mein
einziger Freund ift der alte Mann dort
Der Grei erwacht und scheint ver
wundert über die helle Beleuchtung de
Zimmer. Marfa springt mit freudigem
Ruf : "Christos woskres batjuchka!"
auf dem Vater zu. Sie umarmt und
küßt ihn mehrmals, fetzt sich zu ihm auf
den Bettrand, ordnet feine Kissen, und
mit der Hand fein graues Haar zärtlich
streichelnd, erzählt sie, wie hell die Kerze
gebrannt hab, die ste für die Seele des
armen, gelähmten Väterchens angesteckt.
Der junge Mann beugte sich nieder zu
dem Alten im Bett und den Ostergruß
sprechend, küßt er ihn auf die welke,
abgezehrte Wange. Der GreiS heftet
seinen klaren Blick auf ihn und murmelt:
Ein feiner Mann, ein sehr feiner
Mann ! (Und zu Marfa gewendet) :
Dein Bekannter, sagst Du .... Hüke
Dich ja, hüte Dich, mein Kind 1
Jetzt wendet sie sich wieder dem jungen
Mann zu. Sie umwickelt gewandt und
behutsam seinen beschädigten Finger. Er
schaut sie dabei immerfort an. Al der
Verband angelegt, läßt er die Arme sin
ken und macht eine unschlüssig-dittende
Geberde.
Nun?" fragte sie, nach seinem Cvlin
derhut sich umblickend.
.Ich werde bei Ihnen den Thee trin
ken, Marfa Petrourna.
Gut, e steht Ihnen frei
Auf dem kleinen Tisch, den Marfa an
de Vater Bett gestellt, dampft bald
der Samooar. Der junge Mann darf
neben Marfa am Tischchen Platz nehmen.
.Darf ich Sie nächsten wieder be
suchen, Marfa Petrowna?' fragte Alex
ander nach einiger Zeit.
Nein, Sie werden nicht wiederkam
men
Warum, Marfa Petrowna? wa
habe ich Ihnen zu Leide gethan?-
Sie schweigt. Nur ein neugierig
finsterer Blick streift ihn. Dann steht
sie haftig auf, öffnet ein Fach ihrer klei
nen Komode und kommt mit einer Pho
togravhie wieder, die sit dem Gast über
reicht.
Sehen Sie, da ift da Bild meiner
Schwester. Ich will Ihnen etwa erzäh,
len, damit Sie nicht wiederkommen,
Alexander Jurjemitsch. Al Ehrenmann
werten Ste nicht wiederkommen. Sie
sah mir sehr ähnlich, und er er hatte
Aehnlichkeit mit Ihnen. Er war hoch
gewachsen, wie Sie, und hatte einen lan
gen schwarzen Schnurrbart. Auch trug
er einen goldenen Kneifer und sprach mit
leiser, bescheidener Stimme. Er konnte
schmeichelnd bitten, und wenn er etwa?
sagte, so mußte man ihm glauben. Er
war sehr reich; sie war Sängerin, aber
eine bessert al ich; sit trat in den fein
sten Conzertsälen auf und wurde mit
Beifall überschüttet. Er schenkte ihr
vielen Schmuck, wunderbaren, glühenden
Schmuck; es brannte und lohte um ihren
Körper, wenn sie sich damit schmückte.
Er log, und ste wußte es und glaubte
ihm doch. Er log und beschenkte sie, bis
er endlich die Wahrheit sagen mußte, bis
er ihr eine Tage eine Anzeige über
seine Verlobung mit einer kleinen häß
lichtn, aber vornehmen Dame zukommen
ließ. Und so ist es immer, sie Alle den,
ken, sie sind überzeugt, jede arme Künst
leria, die lächelnd, mit entblößtem Arm
und Nacken, tanzend und singend vor dem
grinsenden Menschenhaufen erscheint, sie
212 denken. . . . Sie haben bei mir das
selbe gedacht, Alexander Jurjewitsch
Möglich, Marfa Petrowna!'
Und deshalb' sie zittert am gan
zen Leibe .hasse ich alle die reichen,
hübschen Herren mit ihrem Gold und den
Zauberfteinen, und mit ihrem leisen
schmeichelnden Sprechen. Und vor un
bändig Wuth habe ich Sie in den Fin
ger gebissen
.Und was wurde au Ihrer Schwester,
Marfa Petrowna?'
.Sie wollte de Vater graues Haupt
nicht schamgebeugt sehen, lieber richtete sie
ihn so zu, wie er da auf seinem Kranken
lager liegt. Er brach an ihrer Blutlache
zusammen. Mir röchelte die Sterbende
eine Lehrt in' Ohr: .So Dir Jemand
freundschaflfuchevd naht und er ist reich,
so fliehe ihn
Er hatte während ihrer Erzählung
da große Medaillon von seiner Uhr
kette logelöft und legte eZ ihr auf den
Schooß.
.Wa soll da? Wa machen Sie,
Alerander Jurjewitsch?'
Er lächelt, greift ihre linke Hand, und
ein röthlich'goldener Brillantring, der
ebenfalls als Breloque an seiner Uhr
kette gehangen, blitzt an MarfaS kleinem
Finger. Er zieht die Hand langsam an
feinen Mund, seine Lixpen glühen darauf
und sein Blick richtet sich flehend, offen,
lesbar ihrem starrem Auge u.
Ich lüge nicht. Willst Du da Me
daillon nicht öffnen. Marfa? E birgt
einen edlen, gütigen Geist, der Dich an
mich glauben machen wird: e ift da
Bild meiner Mutter. Ein solche Klei
nod schenkt man nicht jeder lächelnden
Künstlerin. Ich denke von Dir da,
Schönste, Reinste. Ich bin entschlossen,
Dein Angst, Deinen Haß vor Zudring-
lichkeit für immer zu beseitigen
Marfa Petrowna, bekomm ich nun den
Osterkuß?'
Nein sagte sie heiser und schüttelt
den Kopf. Dann flüchtete sie sich, de
Medaillon fest in die Hand drückend,
zum Vater, der apathisch vor sich hin,
schaut. Sie umschlingt wie schutzsuchend
seinen Hai.
.Ist der Fremde noch nicht fort,
Marfa?' fragte der Alte.
Er ist noch da
.Hüte Dich, er ist ein feiner !'
.Ich gehe schon. Vater, aber ich komme
morgen wieder, Marfa ruft Alexander
Jurewitsch.
Sie öffnet da Medaillon ui.d schaut
sich da Bildchen der alten freundlichen
Dame an lange, lange.... Dann
blickt ste sinnend zu ihm empor: ,Mor
gen flüstert sie und reicht ihm ihr
kleine bebende Hand, an der sein Ring
blitzt.
Ein allzu nachgiebiger Ehe
mann.
Nach dem Englischen.
.Jzwohl sagte Frau Cameron, .Ich
glaube, daß ich ihn ziemlich gern mag!'
Frau Cameron war eben neunzehn
Jahre alt, seit fech Monaten verhei
rathet und eine allerliebste Brünette, mit
sprechenden braunen Augen. Da sie alles
hatte, wa ihr Herz begehrte, war nichts
mehr von besonderem Reiz sür sie.
Frau Cameron liebte rosa, deshalb
hatte Herr Cameron ihr kleines Boudon
rosa ausschmücken lassen, und weil sie
Blumen liebte, hatte ihr Gemahl einem
Gärtner den laufenden Befehl gegeben,
ihren Blumentisch mit den schönsten
Blumen zu versehen; auch Vögel hatte
sie gern, daher hingen drei bi vier ver
goldete Käfige an der Decke, au welchen
ihr der lieblichste Gesang entgegen klang.
Mit einem Wort: Frau Cameron hatte
alles, was ste nur wünschen konnte, und
doch war ste, wie oben schon angedeutet
wurde, keineswegs befriedigt.
.Ich glaube, daß ich ihn ziemlich gern
mag!' wiederholte Anna Clarke, welche,
soeben der Schule entwachsen, noch vor
aussetzte, daß eine junge Frau, welche
den Mann aus Liebe geheiralbet. unauS
sprechlich glücklich sein müsse.
,OI Mina, wie kannst Du so kalt
darüber sprechen!' .Nun wohl, ich kann
nicht dafür sagte die kleine junge Frau,
während ste ihren Kopf mehr oder weni
ger schmachtend rückwärts gleiten ließ,
gegen die Lehne de niedrigen bequemen
StühlchenS mit rosa AtlaS-Puffen, auf
welchem sie faß; .aber auf die Dauer ist
es langweilig, immer mit Torte und
Champagner genährt zu erden; manch
mal denke ich, daß ich glücklicher wäie,
wenn Clären mich nicht so schrecklich
anbeten würde
.Aber. Mina!'
.Wirklich, auf die Dauer ift S so lang,
wellig sagte die junge Frau vertraulich
ihrer Freundin, ,eS würde mir so gut
thun, wenn er einmal etwa Unrechtes an
mir sehen würde, er ist wirklich zu gut!
Nimm zum Beispiel Sophie Marlow an:
die fürchtet in der That ihren Mann, ein
prächtiger, großer, sechs Fuß hoher
Mensch, mit einem wunderschönen, seidi,
gen, schwarzen Bart, wie ein italienischer
Räuber. O, eS muß herrlich sein, ein
wenig Angst vor seinem eigenen Mann zu
haben!'
.Aber, Arminal!' rief verwundert
Fräulein Clarke, .wa für Unsinn
schwatzest Du doch!' .Daß eS Dir so
vorkommt, liebeS Kind, verstehe ich sehr
gut sagte Frau Cameron in gönner
haftem Ton; .aber wenn Du je hei
rathest
.Natürlich werde ich heirathen sagte
daS schöne Änlichen, deren Absicht keine
wezs war, eine alte Jungfer zu bleiben.
.Nun wohl, wenn die Zeit kommt, da
Du zu heirathen gedenkst, dann nimm
vor allen Dingen keinen weichmüthigen
Mann, denn da wird auf die Dauer
schrecklich widerlich!'
.Du würdest im Gegentheil Jemanden
empfehlen, der recht zornig und boshaft
ift, nicht wähl?" sagte Anna lachend.
DaS nun wohl nicht, aber immer
Süßigkeiten und immer Sonnenschein, o,
davon ist man so schnell übersättigt
sagte Frau Armina, während sie ihre
Hand nach der Stickerei ausstreckte. Er
zähle mir jetzt einmal etwa von der AuS
statlung bei Albright, wie Du mir ver,
sprachen hast.'
Cameron eleganter Salon war durch
Portieren von dem Boudoir getrennt.
Herr Cameron, welcher hinter diesem
Vorhang im Salon seine Zeitungen lag,
mußte gegen seinen Willen Lauscher des
Gespräches fein. Sein Gesicht wurde
feuerrolh, er biß sich auf die Lippen und
da Blut brauste und sauste in seinen
Adern, als ob man ihn mit Stecknadeln
steche. So so, er langweilte Mina also?
Nun, auf jeden Fall war eS besser,
von allem unterrichtet zu fein. So so.
sehr schön Mina, meinst Du da wirklich?
Bei diesen Erwägungen erhob sich Herr
Cameron, warf die Zeitungen fort und
durchmaß einigemal! die volle Länge deS
ZimmerS.
Ich werde dafür sorgen, daß dieser
Fehler verbessert wird sagte er mit
einem bitteren Lächeln zu sich selbst und
ging dann seinen Geschäften, ohne feine?
Frau den üblichen AbschiedSkuß zu geben,
nach.
Am Nachmittag ging Frau Cameron
au, um Besorgungen zu machen. Sie
wurde unterwegs länger aufgehalten,
doch war ihr die keine Sorge. ,,Cla.
rence macht doch keine Bemerkung, wenn
ich auch zu spät zurückkomme sagte sie
sich, und verschwendete noch eine halbe
Stunde mehr, indem sie sich nicht evtschei
den konnte, ob ste braune oder graue
Handschuhe nehmen sollt und a ihr
wohl besser stehen würde: ein Hütchen
mit Dünenrosen garniert oder mit ein
fachen Maßliebchen.
.Ich fürchte, daß ich etwa zu spät
komme sagte sie, indem sie da, Speise
zimcrer betrat, in welchem Herr Carre on
auf und ab lief, in einer Art, die unwill
kürlich n das Sprüchwort von dem
Löwen rinnklt, welcher im Käsig ge
fangen saß.
.Spät, gnädige Frau! Da wollte ich
memen antwortete ihr Gemahl mit
einem Tone, welcher Frau Cameron er
schreckle.
.E ist gleich halb sieben, aber Du
denkst, daß meine Zeit nicht von großem
Werth ist
.Aber, Clarence....'
.Ich habe ei lange genug ertrag:
versetzte der zornige Gemahl, .und ich
erkläre Dir, daß ich es nicht länger ertra
gen will. Jane' sich zu dem Dienfl
mädchen werdend .trage sofort da
Essen auf und sorge, daß e morgen ge
nau um fech Uhr auf dem Tisch steht,
ob die gnädig Frau zu Haufe ist oder
nicht
.Jawohl, Herr Cameron sagte Jane,
während sie heimlich kichernd nach der
Küche zu verschwand.
Frau Cimeron setz! sich, während sie
bi hinter die Ohren errölhete.
.Clären sagte ste, mit Mühe ihre
Stimme beherrschend, war e nöthig,
mich so in Gegenwart der Dienstboten zu
beleidigen?"
.Ja, wenn ine Frau ihre Pflicht nicht
kennt, dann ist s nöthig, daß man ihr
den Standpunkt klar macht! Darf ich
Dich jetzt um eine Tasse Kaffee bitten?'
Frau Cameron war gekränkt, er
schrecken und entsetzt über diese Art der
Zurechtweisung, welche sie garnicht ge
wohnt war. Einen Augenblick vor dem
Nachtisch, worüber Herr Cameron natür
lich auch die nöthigen Bemerkungen
machte und die Meinung äußerte, daß e
wohl besser wäre, wenn seine Frau mehr
zu Hause bliebe und nach der Wirthschaft
sähe, anstatt draußen umher zu bummeln,
wurde draußen an der Thür geklingelt.
.Da ist Mama und Tante Lizzie, die
kommen heute Abend zu uns sagte
Mina, indem sie aufsprang.
.Ja drei Teufels Namen!' brüllte
Herr Cameron, während er mit seiner
Faust auf den Tisch schlug; kann ich
denn niemals einen ruhigen Abend sür
mich haben?'
.Ich ich hatte gesagt, daß Du unS
heule Abend zum Theater begleiten
würdest stammelte Mina, bald er
rölhend und bald erbleichend.
.Wirklich? Aber darf ich fragen, wer
Dir di Erlaubniß gab, Ihr. dies mit
zutheilen?' fragt ihr Gemahl mit
schneidendem Hohn. Es kommt mir
vor, als ob ich in Deinen Augen nur
eine Puppe bin ohne Willen und Wünsche,
nur für Dein Vergnügen
.Aber Du wirst doch gehen, nicht
wahr, Clären?' stotterte die arme
Mina.
.Nein, ich will nicht gehen sagte
Herr Cameron, stand auf und suchte
seinen Hut. .Ich werde meinen Abend
im Klub zubringen,' Während er dies
sagte, verließ er das Speisezimmer, ftol
pert im Korridor beinahe über seine
Schwiegermutter, während er in sich
selbst hinein murmelte: .Donnerwetter,
wenn ich noch eine Minute länger ge
blieben, wäre mir schlecht ergangen
Arme, kleine Mina! Es war nach
Zwölf, al er nach Hause kam. So
lange war er, seitdem sie verheiraihet,
noch nie ausgeblieben.
.Was soll da! Noch auf? Gut, so
sorge, daß da nicht wieder geschieht,
sonst muß ich andere Maßregeln neh
men
.Ach. ich halte solche Angst um Dich
entschuldigte sich kleinlaut Mina.
Angst wiederholte er höhnisch.
.Denkst Du denn, daß etwa John Mar
low seiner Frau erlaubt, seinetwegen
aufzubleiben?'
.Aber Clären, ich möchte um nicht
in der Welt, daß Tu so wärst wie John
Marlow!' rief Mina, während sie in
Thränen ausbrach.
'.Du möchtest eS nicht?' sagte er,
während man in den Mundwinkeln ein
Lächeln bemerken konnte, aber ich dachte,
eS wäre so angenehm, ein wenig Angst
vor Deinem Mann zu haben, denn Du
weißt: süß Kuchen und liebe Worte
langweilen immer auf die Dauer
Frau Cameron flog von ihrem Stuhl
auf und rief auS: Hast Du vielleicht
gehört, waS ich heute Morgen gesagt
habe?'
.Das hibe ich, Frau Cameron, und
danach wollte ich mein Betragen richten. '
O Clara, thue e doch nicht mehr
sagte sie mit zitternder Stimm, wäh
rend sie ihn mit ihren klaren Augen
flehentlich ansah; ich finde e nicht an
genehm; nein, e ist doch gar nicht schön,
vor seinem eigenen Manne bange zu
sein
Wie Du willst sagte ihr Gemahl
lachend, ich wollte nur Deinen Wüu
schen nachkommen, Mina
Aber e war furchtbar thöricht von
mir!' sagte sie; ich habe mich heute
Abend halb blind geweint, während ich
zu entdecken versuchte, was Dich so v:r
ändert haben könnte, und Du hast a leS
nur zum Possen gethan, nicht wahr?'
Nur zum Possen stimmte er zu.
Dann küßten sie einander, versöhnten
sich und feierten zum zweiten Male ih-.e
Fiilterwochen; doch Armina beklag', sich
nie wieder, daß Herr Cameron .ein allzu
nachgiebiger Ehemann' sei.
Tlt arme Löitlwe.
Herr E., Junggeselle, Rentier und
Hausbesitzer im Osten von Berlin, war
im allgemeinen nicht besonder beliebt;
seinen Miethera gegenüber zeigt er sich
alS der rechte HauStvrann, die näheren
Bekannten beschuldigten ihn der Hart
Herzigkeit. Die Löchrige Wittwe L,.
die in inm kleinen Laden feine Hause!
ein Posamentierwaarengeschäst wx.t hatte,
dessen Ertrag sie und ihre beiden Kinder
kümmerlich ernährte, konnte End vori
gen Quartal nicht di ganze Muth tnU
richten, nur ein Naterz2hlu".g sandle sir
durch ihr Töchterchen an den W'.tth mit
dem schriftlichen Versprechen, den Reft
baldmöglichst herbeizuschaffen. Entrüstet
verweigerte E. die Annahme, schob die
Kleine auS seinem Zimmer ur d b:zab sich
in das Geschäft der Frau L., um ihr
kurzer Hand mit der Ermijsion zu
drohen. Al er seiner Mietherin gegen!
überstand und in ihr verhärmtes, aber
hübsches Gesicht blickte, siel ihm der
Muth; statt eine donnernde Standred zu
halten, forderte er kleinlaut: .Nähnadeln
und Stecknadeln Frau L. verabreichte
ihm diese und entschuldig! sich zugleich
wegen ihrer augenblicklichen ZahlungS
Unfähigkeit. Der HauSwirlh erwiderte,
daß sie sich deswegen nur kein Kopf
schmerzen machen solle, und trat mit den
Einkäufen seinen Rückzug an.
Seit dieser kleinenEpisode erfreuten sich
die Kinder der Witkve seiner Gunst; auf
einmal konnte er Kinderlärm vertragen.
Inzwischen war die Posamentierwaaren
Händlerin im Stande, den Rest ihrer
Schuld zu tilgen; sie erhielt aber zugleich
mit der Quittung seitens ih:es Wi'riheZ
die Versicherung, daß ihm da Jungge,
sellendasein erhaßt sei und er bestimmt
glaube, in ihr diejenige gefunden zu
haben, die seinen Lebensabend angenehm
machen könne, ihre Kinder wolle er als
di seinigen betrachten. Die Antwort
muß nicht ungünstig ausgefallen fein,
denn vor einigen Tagen fand die Ver
mählung deS Paares, daS sich so seit
samerweise näher kennen gelernt hatt,
statt.
Tie htftortsch lasche Wein.
Flügeladjutant Graf vonMoltke, der,
wie bekannt, dem Fürsten BiSmarck jene
Flasche Wein und die Einladung zu deS
Kaisers Geburtstag nach FriedrichSruh
gebracht hat, hatte, wie jetzt ein Dre,
dener Blatt erfährt, vom Ksiser dn Be
fehl, über daS Ziel der Reife, sowie die
Sendung an den Fürsten die strengste
Verschwiegenheit zu beobachten. Graf
Moltke bestieg deshalb in Berlin auch
nicht den Hamburger Kourierzug, sondern
löste sich ein Billet für einen Lokalzug
nach Wittenberge. In Wittenberge war
tcte er den Hamburger Kourierzug ab
und ließ sich, als er diesen bestiegen und
der Zug bereits wieder auf der Fahrt be
griffen war, den Zugführer in'S Koupe
ruftn. Zu diesem wendete er sich mit
den Wortkn: .Im Namen Er. Majestät
deS Kaiser befehle ich Ihnen, in Fried
richSruh halten zu lassen und über diesen
Befehl absolute Schweigen gegen Jeder
mann zu wahren.' Hierauf notirte sich
der Graf den Namen de Zugführers
und des verantwortlichen Maschinisten
und entließ den etwa verdutzten Beam
ten.
Al er dann mit seiner Sendung vor
den Fürsten BiSmarck trat, zitterte eine
starke innere Bewegung über die Ge,
sichtszüge de alten Kanzlers, die jedoch
nur einen Bugenblick bemerkbar wurde.
Im nächsten Moment war der Fürst schon
wieder der unerschütterliche Staatsmann,
der die Botschaft seines Kaisers mit der
scheinbar ruhigsten Miene von der Welt
la und Moltke mit so gelassener Höftich,
keit al Gast behandeile, als ob dieser
mit einer längst erwarteten Meldung vor
den Fürsten getreten wäre. Die Be
hauptung, Fürst Bikmarck habe im Jahre
1390 die Aeußerung gekhan: Is roi ms
reverrä (Der König wird mich wieder
sehen) wird von den .Hamburger Räch
richten' für erfunden und erlogen er,
klärt.
Ter Mtlltonür.
Ein unternehmender Geist hatte alle
erdenklichen Wege eingeschlagen, um zu
Geld zu gelangen, aber alle vergeben.
Da Glück schien ihm abhold und er
konnte sich verloren glauben, al eine
schwere Krankheit ihn befiel. Der Dok,
tor, der ihn behandelte, hatt ihn bereit
aufgegeben, während der Patient noch
immer seinen Träumen von Millionen
nachhing. Di Haltung deS ArzteS, der
offenbar auf das Leben deS Kranken nicht
mehr zu rechnen schien, brachte ihn ur
plötzlich auf einen Einfall, den er äugen,
blicklich in Werk setzte. Er erklärte,
sein Testament machen zu wollen, schickte
nach einem ihm als geschwätzig bekann
ten Anwalt und diktirte ihm ungeheure
Legate für Frau, Kinder. Verwandte
und WohIthäligkeitS Anstalten in die
Feder.
Die große Zeitung verbreitete sich mit
Windeseile, und die Bekannten' deS
Kranken hörten mit Schrecken, wie vor
eilig sie dem reichen Mann den Rücken
gewandt, wie thöricht ste veifäumt hatten,
dem sterbenden Millionär ihre Theil
nähme zu beweisen.
Allein der Sterbende, der nicht so
krank gewesen war. al e der Arzt vor,
ausgesetzt hatte, erhalle sich bald, nach
dem er seine Kriegslist ausgebeutet hatte,
und ging schließlich seiner völligen Ge
inesung entgegen. Alsbald stürzte der
Haufe der Glücksritter auf ihn ein,
drängle ihm Kapitalien auf und räumte
ihm einen unbeschränkten Kredit ein.
Anfänglich wies der Gesundete all diese
Anerbieten spröte von sich, ließ sich nach
und nach jedoch zr ihrer Annahme be
wegen, leble eine Zeit lang herrlich und
in Freuden und hat dann viit einer sabel
hasten Summe Bankbruch gemacht.
Ein zurerlässizer U'ächter.
Ein Bankier hit sich in einer ziemlich
einsamen Gegend eine Villa gekauft.
Da ihm die Gegend IwaS unsicher er
scheint, nimmt er sich einen Wächter kür
die Villa.
Eine Tage trifft er einen Bauern
und frägt ihn, ob denn auch der Wächter
ein Mann sei, auf den man sich verlassen
kann.
DöS trenn' i", erwidert der Vauer.
da g'schieht Ihn nir; der i'
mit alle Dieb' ur-d Wilderer per Du!'
SIrkIZrlich.
Mstlen, Herr Premier! Wie geh,'?'
Danke, gut! Kolossaler Dienst.
Ganzen Tag über Hauptmano
in der K asern !'
Nanu! Wohl Parade oder so 'r.
Jnspicirung in ZluSsich!?'
.Nee! Aber beim Hauptmann 'wa
angekommen!'
.Ah so, verstehe! Mädchen oder
Junge?'
Nee! Schwiejermutterl'
Zwei llunftfreunde.
Metzger: ,No, Du hast ja an' neue
Flügel 'kauft, hab' t' g'hört ; möcht' nur
schavg'n, der welche der bessert i, der
mkin' oder der Dein'!'
Wirth : Ja, er kost't zwar 40 Mark
aber i' hab' irrn' halt 'denkt, kaufst
Dir lieber gleich 'was G'fcheldt'I l'
Metzger (der den Flügel durch An
schlagen der Tasten prüft, hebt plötzlich
den ganzen Kasten in die Höhe) : ,K o st ' t
hat der mein' nur SS Mark, aber da
schwerere iS do' der m e i n i g !'
In der Atznengalerie.
Nickelstein (eben geadelt): , . . .Malen
Se mer meine Frau sür die Ahnengalerie
aber als Schönheit!'
Frau Nickelstei (sehr wüst): Aber,
Männchen!'
Nickelstein : WaS willst De, Sarah !
Die fpäler'n BaronS kennen Dich doch
nicht!'
Schonungsooll.
Mädchen (das TagS vorher gekündigt
hal): Gnädige Frau, ich habe einmal
gelesen, daß plötzliche Freude tödten
kann; darum bereite ich Sie langsam
vor, daß i ch w i d r bleibe!"
Vorahnung.
.Du, wa hat denn heute Deine Frau
vor? Die kramt in allen Modejournalen
herum und ist so aufgeregt !'
Ach, da sind Ohnmacht
Symptome!' vorsichtig.
Bill: .Nun, Bob, warum rauchst Du
nicht mehr in Gegenwart von Damen?'
Bob: .Das thu' ich niemals wieder.
AIS ich kürzlich in Gegenwart iver
Dam rauchte und Ringe in die Luft
blieZ, steckte sie den Finger in einen der
selben und erklärte, sie betrachte sich al
meine Verlobte!'
Auch eine Kritik.
Kritiker (der während der Vorlesung
eingeschlafen, erwachend): Ihr fünfakti
geS Trauerspiel ift sehr schön. . . I'
Dichter: .Pardon, daS, waS ich Ihnen
vorgelesen, war ja erst die erst Scene
des rsten Aktes!'
Neues wort.
Jakob Meyer geräth in Concur.
Sagen Sie, Herr Mever', frägt ihn
der Verwalter, .wie ift es nur möglich,
daß Sie, ein so wohlhabender Mann, so
zurückgekommen sind?'
Der Gefragte kratzt sich hinter den
Ohren und sagt endlich : .Weiß ich'S,
Herr Verwalter?!'
Ja einen Grund müssen Sie mir
doch angeben', erwidert dieser, .damit
ich Ihren Gläubigern im Termin Vor
trag halten kann !'
Nu' gut sagen Se, ich hab' mer
oeracceptirll'
Enfant terrible.
Dichter: Ich habe mir erlaubt, mein
Gnädige, Ihnen einen Band meiner Ge
dichte zu übersenden ; hatten Sie vielleicht
schon die Güte, einen Blick hinein zu
werfen?'
Baronin: Gewiß, ich bin entzückt
darüber!... Wo habe ich das reizend
Lüchelchen nur gleich hingethan?'
Der kleine Karl : .Du haft eS unter
den Tisch gelegt, damit er nicht wackelt!'
Auch ein Nutzen.
. . .Finden Sie S nicht auch gut, Herr
Hofrath, daß ein gebildete junges Mäd
chen musicirt?'
.Gewiß, meine Gnädigste! Dann
kann e seinem späteren Ehemann einen
Beweis seiner Liebe dadurch gebe,
daß eS aufhört !'
passend.
Du, Aujuft. wat iZ denn eigentlich
aus Deinem Bruder jeworden?'
.HundefSnger!'
Wat? Hundefängkr?.. Wie
kommt Ihr den da druff?'
Na, weil der Junge immer so spitz
findig war!'
Immer SeschZftsmann.
Sie (im Seebade, am MeereSflrande
das Wellensxiel betrachtend, zu ihrem
Gatten): .Seh' Der an, Moritz, wie
romantisch ist doch das Spiel
der Wellen!'
Er: .Da, ist gerade so, als wie wenn
de Zinsen werden geschlagen zürn
Kapital!'