Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 15, 1894, Image 9

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    m gestohlen 5erz.
3iODfU(t!e tun it. o. o m ni 1 1 1 e l b.
Ja Inetn freundlichen, behaglich in
gerichteten Stübchcn saß ein junger Cfn
zier. DS Unifonnreie hatte er sich
nllebigf, da e gerade ein besonders hel,
ßer Julitag war, und so saß er in Hemd'
Zrmeln an seinem Schreibtisch und schrieb
an einem Briefe. Und in dem Vliese
schrieb er gerade folgende Stelle:
.Ich habe meine Wette gewonnen und
ir Herz gestohlen. Ei hat mir viel
Mühe gekostet. Ich habe vorgehen rr.ils,
sen mi der rasftnnleste Dieb mit aller
Hand Kniffen und Gaunereien und I
hat wirklich schwer gehalten, bil ich den
Zugang zu ihrem Herzen srei halte.
Doch e ist gegluckt und der schwarze
appenhengst btt Baron Lauterbach ist
nunmehr mein Eigenthum. Da hat mir
viel Freude bereitet, denn aus meiner
eigenen Tasche Hütte ich mir nie so ein
Pserd sausen können. Doch wahrhaftig.
1 ist auch so theuer genug erkauft. Fast
empfinde ich etwa wie Reue über meine
Gewissenlosigkeit. Und wenn ich ihr
Herz ansehe ich habe nämlich außer
m gestohlenen Herzen, von ihr noch in
kleine goldene MedaillonHerz erhal
:n, da gerade vor mir liegt dann
eichte ich immer, ich könnte den Rappen
stnückgeben, und die ganze Geschichte un
geschehen machen. Aber wa aller
Lamerad, gut hab ich'S toch gemacht.
U?.d darum Äs pf hoch und Knie durch
gedrückt, wenn auch die klein Prinzessin
von HabenichtS ein paar Thränen fließen
läßt. Sie wird diese ganze romantische
LiebeSgeschichle auch bald verschmerzen,
U7.d wenn sie nichts von der unseligen
Wett erfährt, wa ja sicher ist, dann
wird sie auch noch zu trösten sein. Aber
weiß der Teusel, ich stehle kein Herz wie
Her, und wenn mir der tolle Baron Lau
tnbach diamantene Pferde verspräche.'
Der Schreiber hielt inne, legte die
Feder nieder, stützte den Kopf mit dem
dunklen, lockigen Haar in die Hand und
blickte, in Gedanken versunken, vor sich
hin.
Vor seinen geistigen Augen stand eine
ganze Episode in all' ihren Einzelheiten.
Er sah sich zu später Nachtftunde im
Kreise ftotter Kameraden im Kasino sitzen.
Er hörte de Baron LauterdachS pol
tzrnde Stimme, der gerade zu einem ihm
gegenübersitzenden Premier sprach: .Der
kleinen Here ist nicht nahe zu kommen.
Ich wette meinen Rappenhengst, daß ihr
Niemand von un ihr so vorsichtig ge
hütete Herzchen stehlen kann.'
Da war er der junge Lieutenant
Franz von Steinen aufgesprungen und
hatt laut durch das Kasinozimmer ge
rufen: Topp, Herr Baron, die Wette
gilt! Ihr Raxpenhengst und meinerseits
in Pferd von gleichem Werthe dagegen!
In drei Monaten spätestens habe ich ihr
Herz gestohlen!'
Einen Moment nur war feierliche
Still nach diesen Worten eingetreten.
Dann erhob sich ein ungestüme Geläch
ter. Der Baron Lauterbsch drohte mit
dem Finger und sagte: .Sie sind ein
Wagehals, Steinen, und stürzen sich
topsuber in' Unglück. Eh dien, di
Wett gilt!'
Und di Wett würd mit einer Flasche
.rothe Marke' besiegelt, der immer eine
Flasche nach der andern nachrückte, bis
man sich mit sehr erhitzten Köpfen und in
sehr gehobener Stimmung trennte. Jetzt
hatte er Franz von Steinen gerade
4wr -drei Tagen die Wette gewonnen und
seit gestern schon befand sich der Rappen
Hengst des Baron in seinem Stalle.
Die Dame, die hier so unfreiwillig die
Rolle ine WettobjekteS spielen mußte,
aar ein junge, armes Dinz. Sie galt
für ebenso stolz als schön, so daß der
'Baron Lauterbach mit den grauen, ge,
lichteten Haaren sich sogar um ihre Hand
Geworben hatte, aber mit der schnödesten
Abweisung heimgeschickt worden war.
Und nun hatte der lebenslustige Steinen,
der mehr Schulden besaß, als er in stillen
Stunden vor sich selbst verantworten
konnte, fertig gebracht, was dem reichen
Baron Lauterbach und vielen anderen so
grnzlich mißlungen war.
Franz von Steinen dachte an die wenig
COU Rolle, die er in dieser tragischen Ko
mödie spielt. Er war so weit gekom
men, wl er gewettet hatte, d. h. er galt
allgemein als Verlobter des jungen armen
DingeS, der Anna von Rathen, und Alle,
die e hörten, schüttelten die Köpfe, denn
s mußten, daß die finanziell Lag deS
Offiziers nichts wmiger als eine glän
zende war. Und den Muth, seiner sozia
lea Stellung freiwillig zu entsagen, trau
ten mit Recht die Wenigsten dem jungen
Steinen zu.
Dieser selbst dach! keinen Augendl ck
daran. ' Sem Herz war kalt geblieben,
als er zu Anna von Rathen von feiner
Liebe gesprochen hatte und nun sann er
darüber nach, wie wohl am besten diese
ganze fatale LiebeZgeschichie sich in
Nicht auflösen ließe, ohne daß dabei
:e! LLrm entstand.
Li all' seinen klugen Berechnungen
aber hatte er eine außer Acht gelassen:
die Rachsüchtig?! des Baron Lauterbach.
Nicht umsonst hatte dieser seinen theuren
Rappen als den Preis sür eine gewonnene
Wette ausgesetzt. Er wollte dem jungen,
stolzen Dinge zu schmecken geben, was es
heißt, ihn, den untadeligen Ossizier von
Geld und Namen, zu beleidigen. Und
run triumphirte er. Nun hatte er den
Triumph der Rache in der Hand, und er
zögerte nicht, ihn auszuspielen.
Nur wenige Tage nach jener gewönne
r.m Wette fand eine kleine Aöendgesell'
schaft statt, bei der sowohl der Baron
Lauterbach als auch Anna von Rathen
nd Franz ?n Steinen anwesend waren.
Einige Herren waren am kleinen Spiel
tisch versammelt. Im Nebenzimmer
hörte man das Eexlauder der jungen
Der
Jahrgang 14.
Darner., in das sich ab und zu die dünue
Fistelstimme eine? jungen Gecken mischte.
Wa! sagen Sie eigentlich zu der Per
lobung des jungen Steinen mit dem
Fräulein von Ralhea?' frug gerade ein
etwas materialisch aussehender Referen
dar und wandte sich mit dieser Frage an
den ihm gegenübersitzenden Bai an Lau
terbach.
Verlobung?' antwortete dieser
gedehnt und legte langsam ein Karten
blatt auf den Tisch soviel ich weiß,
Handelt'S sich hier nur um eine fröhlich
Weinlaune und nicht um Verlobung.'
Wie meinen Sie da!?' erwiderte der
Reserendar ganz verblüfft. Die umsitzeir
den Herren spitzte die Ohren.
Nun, ganz einfach. Ei.it Wein
lautn," tönte die laute, tiefe Stimme
des BarsnZ Laulerbach durch dsS Zim
mer, Lieutenant v. Steinen hat einfach
gewettet, in soviel Wochen das stolze
Fräulein von Rathen am Gängelbande
zu haben. Sie schütteln den Kopf?
Nun, fragen Sie doch meinen Rappen
Hengst, der seit einigen Tagen im Stalle
des jungen o. Steinen steht, ich glaube,
der weiß einiges von der Geschichte zu
berichten.'
In diesem Bugenblick hörte man im
Nebenzimmer einen halblauten Aufschrei.
Ein junger Mann stürzt in'S Spielzim
mer und suchte angstvoll nach inem
Glase Wasser eine jung Dam sei
plötzlich ohnmächtig geworden.
Nehmen Sie doch Kognak,' bemerkte
Baron Lauterbach spöttisch. Aber seine
cynische Bemerkung konnte keine der
ernsten Mienen in ein Lächeln verwan
dein und bald darauf trennte sich die
Gesellschaft in recht' verstörter Stim
münz.
Das ist gemein von Lauterbach ge
handelt, ja wohl, gemein' rief Franz
von Steinen mit aufgeknöpftem Waffen
rock im Zimmer auf und abgehend, wäh
rend einer seiner Kameraden lässig in der
Sophaecke lag, nun werde ich wohl gar
als Mörder des verdrehten Dinges aus
gerufen, abgesehen von den üble gesell
schaftlichev Folgen, die die Geschichte für
mich haben muß.'
Na, ganz so schlimm steht di Sache
denn doch nicht' ntgegnkt der An
dere allerdings würde ich an Deiner
Stelle auch den Lauterbach fordern. Aber
im Uebrigen ist die Geschichte doch so gar
arg nicht. Daß das ohnehin schwäch
liche, überspannte, gnädige Fräulein
einem plötzlichen Neroenflcber erlegen ist,
dafür kannst Du doch nichts. Solche
Fälle passtren in den besten Familien.
Und außerdem trägt Lauterbach ja viel
mehr Schuld al Du. Was mußte er
die dumme Geschichte öffentlich aukplau
dern!'
Wenn auch,' entggnete Steinen, den
Wafsenrock zuknöpfend und den Säbel
umhängend, ich wollte jetzt wahrhaftig,
ich wäre in einer anderen Haut, als in
der meinigen. ES ist gar nicht unmöglich,
daß mir die fatal Geschichte den Abschied
einträgt. Und was dann?'
Du siehst zu schwarz, Steinen,' ent
gegnete der Andere, ich will indessen
einmal in Deinem Interesse sondiren.
Aber jetzt komm, eS ist schon spät.'
Die Beiden verließen daS HauS und
schritten die Hauptstraße hinunter der
Kaserne zu. Hier und da glaubte Sti
neu den verächtlichen Blick eines Vorüber
gehenden zu bemerken, aber er verschluckte
seinen Aerger wortlos hinunter. Da
vertrat ihm plötzlich ein junger Mann
den Weg, der wohl noch gar nicht die
Schulbank verlassen haben konnte.
Sind Sie Herr von Steine?' frug
der junge Mann, beide Hände in den
Taschen seine JacketS.
Ich habe nicht Lust, solchen frechen
Manieren Rede zu stehen' entgegnete
der junge Offizier, empört über die ver
Schtliche Nachlässigkeit, mit der ihn der
fremde junge Mann behandelt:.
Oho,' entgegnete dieser, wenn Sie
der Steinen sind, dann haben Sie mir
aus der Stell SmiSfaklion zu geben,
denn Sie haben meine Schwester er
mordet.'
Steinen wurde kreideweiß im Gesicht,
aber er beherrschte sich.
Ich Ihre Schwester ermordet?
Herr, Sie sind von Sinnen. Und wenn
Sie einige Jahre älter geworden sind,
dann sprechen Sie einmal wieder von
wegen Satisfaktion vor. Jetzt haben
Sie die Güte, mich nicht wieder zu be
lästigen.'
Und damit wollt Steinen den vor ihm
Stehenden bei Seite schiebe und seinem
Kameraden nacheilen, der, in der Mei
nung, eS handele sich hier um eine Prt
vatangelegenheit, feinen Weg weiter ver
folgt hatte.
Halt! Steht es so. du seiger Kerl,'
zisch! da dr jung Mann zwischen den
Zähnen. Sein rechte Hand fuhr blitz
schnell aus dem Jackett heraus. Ich
habe den Mörder meiner Schwester ge
tödtet, nun führt mich ir,S Gefängniß,'
sagte dr junge Mann zu den herbeieilen
den Gendarmen, in etwas theatralischer
Haltung auf den Todten deutend, de?
regungslos dalag.
Ein ungeheurer Volkshaufen sammelte
sich auf dem Thatort an. Man trug den
leblosen Offizier einstweilen auf den
Beilage zum Nebraska Staats Anzeiger.
nächsten Hausflur. Einer der müßigen
Zuschauer hob einen glänzenden Gegen
stand vom Trottoir auf. ES war ein
kleines, goldene Medaillonherz und
ein Tropfen rothes Blut schimmerte
darauf.
violettz's Boudoir-Geheimniz
Von B. Ohrmberg,
Der junge Tuchfabrikant Nordheim
stand in feinem Privat, Comptoir und
schaute trübselig in den Garten hinaus ;
kalte Regenschauer prasselten an die
Scheiben, die Dämmerung de düstern
NovembertagS brach früh herein, und eS
wurde dunkel im Zimmer.
Dunkel war eS auch in der Seele de?
jungen Fabrikanten ; stand er vor dem
Bankerott? Keineswegs ! Sein Ge.
schüft blühte und neu angeknüpfl Ver
bindungen im Orient bedingten sogar
eine Erweiterung deS Betriebs.
AIS Nordheim von der letzten langen
Reise zurückkehrte, brachte er ine traut
thize, lebensfrohe Gattin In daS verein
famte HauS; feine erste Ehe war nur
von kurzer Dauer und nicht glücklich ge
wesen. Nttiheim rauchte leidenschaft
lich, aber diese harmlose Passton hatte
die reizbare, kränkliche Frau mit so gro
ßem Widerwillen erfüllt, daß er sich nd
lich entschließen mußte, diesem Genuß in
seiner Häuslichkeit ganz zu entsagen.
Um in der zweiten Ehe nicht abermals
eine Störung deS Hausfriedens durch die
blauen aromatischen Wölkchen herbeizu?
führen, hatte er ein wenig Comödie ge
spielt und gleich nach der Verheirathuug
seiner abgöttisch geliebten Violetta oer
sichert, daß er das Tabakrauchen verab
scheue.
Violetta war die Tochter eines italieni
sehen ArzteS, die in Smorna lebte ; von
ihm hatte sie das feurig, leicht erregbar
Temperament des Südländers, dagegen
von der Mutter, einer Rheinländer,
ihr fröhliches, heitere Wesen geerbt.
Nordheim hoffte, sehr glücklich mit ihr
zu werden, aber schon wenige Wochen
nach der Vermählung bedrückten bange
Zweisel sein Herz, denn die junge Frau
verbarg in Geheimniß vor ihm.
Schon häusig war eS vorgekommen,
daß sich Violetta in ihrem Boudoir ein
schloß, und dem Gatten, trotz dringender
Bitten, nicht öffnete ; die Frage, waS sie
so sorgfältig verheimlichen müsse, hatte
Violetta lächelnd und unbefangen dahin
beantwortet, daß sie nur bei ihrer Lectüre
von Niemand gestört sein wolle ; diese
Ausrede bestärkte seinen Argmohn.
Den zärtlichen Gemahl hitte eS auch
tics verletzt, daß ihn sein hübsche Frau
chen ungestüm abwehrte, als er, am
Abend zuvor, nach unerwartet schneller
Heimkehr von einer Reise, ihre vollen
srtfcizen Lippen küssen wollte. Wie konnte
er sich diese beleidigend KSlt erklären?
wenn ihn Violetta schon jetzt nicht
mehr liebte, dann war der kurze Traum
deS Glücks zu rasch zerronnen.
Mißmuthig und von quälenden Zwei
feln erfüllt, griff Nordheim zu Hut und
Schirm, um sich im Club zu zerstreuen
und die überreizten Nerven durch eine
echt Haoannah zu beruhigen; wie
sehr sehnte er sich, die kleine braune
Freundin an die Lippen zu führen, denn
d i e stieß ihn nicht zurück, sondern berei
tete ihm wonniges Behagen.
Heute litt es ihn auch im Club nicht
lange, er kehrte früher als gewöhnlich
heim, denn ine dumpf Beängstigung
schnürt: ihm das Herz zusammen ; seine
Absicht war, sich in freundlicher, ruhiger
Weise mit Violetta auSzusprechen. und
großmüthig zurückzutreten, falls ihr die
Vereinigung mit ihm eine lästige Fessel
däuchte.
AIS er die teppichbelegte Stufen ge
rSufchlos hinaufstieg, wurde die Entree
Thür von der Kammerzofe leise geöffnet ;
die Dienerin, eine zierliche kokette Böh
min, schien ihren Hertn erwartet zu ha
ben und flüsterte in beinah vertraulichem
Ton: Die gnädige Frau hat Besuch,
ein schöner schwarzlockiger Caoalier ist in
ihrem Boudoir.'
Nordheim erschrak, faßte sich aber
schnell und entgegnete kühl: Schon gut,
ich habe diesen Herrn erwartet, und
freue mich, daß ihn meine Frau empfan
gen hat,' dann fügte er in ruhigem Ton
hinzu: Gehe jetzt sogleich zu meinem
Schwager, ich ließ ihn bitten, mir sür
heute Abend zwei Plätze in seiner Loge
zu überlassen.'
Kaum hatte sich das Mädchen entfernt,
fo betrat der Eifersüchtige leisen Schrit
tes den Salon ; das Herz pochte ihm
zum Zerspringen, denn das Organ des
Mannes, der in dem anstoßenden Zim
mer seiner Frau mit dieser plauderte,
war ihm fremd. Vorsichtig nähert sich
Nordheim de? Thür und lauschte, zum
ersten Mal in seinem Leben.
Sie geben mir also bestimmte Hoff
nung. gnädige Frau?' fragte eine arge
nehm klingende Baßstimme.
Heule kann ich mich noch nicht ent
scheiden ; sie scheinen mir wirklich gar
zu leicht,' sagte Vwlelta.
Aha, sie traut dem Tutchgänger noch
nicht ganz, murmelt der Lauscher ver
Lchtlich.
Leicht, aber doch gediegen!' er.tzeg
ne: selbstbewußt der Fremde.
Kräftiger wären sie mir lieber.'
O, welche Schmach!' ächzte Nord,
heim.
Und dann find meine eleganten gor
men doch auch zu schätzen,' klang eS
repomirend.
Verdammter eitler Geck!' zischte der
betrogene Gatte.
M:t schmeichelnde? Ueberredung fuhr
die Baßftimm fort: Schenken sie mir
nur Vcrtranen, ich werd 8 stet recht
fettigen, und ihre Wünsche tmmer gern
befriedigen.' Dieser Elende soll e
mit dem Leben büßen!' schallte e dumpf
vor der Thür.
Versprechen Sie nur nicht zu viel',
scherzte Violetta.
Aber Sie gestatten doch, daß ich
diesen Carton bei Ihnen zurücklasse?'
Dieser Ca?to enthält gewiß einen
kostbaren schmuck', grollte ergrimmt
der bedauernSwerthe Fabrikant.
Sehr gern erlaube ich daZ', ent
gegnete Violetta freundlich. und
wenn Sie das nächste Mal wieder
kommen'
Nun war es mit Nordheim'S Geduld
zu Ende und zornbebend rief er laut:
Oeffne sofort. Violetta! Ich wünsche
Dich augiblikllch zu fptechen!'
"0li moa Diea, 3 ist mein Ge
mahl!' flüsterte die Treulose entsetzt.
Beim Barte des Propheten, da ist
fatal!' brummte ärgerlich die Baßstimme.
Na, wird eS bald!'
Gleich. gleich. Männchen!
O weh, ich glaube, der Schlüssel ist ver,
dreht! Willst Du nicht so freundlich
sein, den Schlosser zu holen?'
Hoffst Du wirklich, mich auf so
plumpe Weise ntfernkn zu können?
Oeffne rasch, oder ich zertrümmre di:
Thür!'
Und siehe, der Schlüssel war nicht
verdreht. Als Nordhetm hastig eintrat,
strömte ihm süßer, würziger Dust von
seinem türkischem Tabak entgtgen:
Violetta blickte ihn flehend an. der
Cigarette in ihrer bebenden Hand ent
schwebten leichtgekrZuselte, blaue 2B5I!
chen.
Du rauchst, liebe grau? fragte
Nordheim auf's Höchste überrascht, aber
in briterm Ton.'
Ach ja! leidenschaftlich!'
flüsterte die holde Sünderin kleinlaut,
in Smvrna rauchen sehr viele Frauen',
fügte sie entschuldigend hinzu.
O hätte ich daS früher gewußt!
Das ist i prächtig! und wie köstlich
der Tabak duftet', sagte vergnügt der
Gemahl, und wehte sich den Rauch zu,
Du zürnst mir nicht.qeliedterMann?'
rief jubelnd die junge Frau, während sie
mit den weißen Armen seinen Nacken
zartuch umschlang.
Ich? keineswegs! Aber weshalb
verschwiegst Du mir. rag du rauch t
Violetta sah den Gatten erstaunt an:
Du sagtest mir ja selbst, daß Du den
Tabak verabscheust.' Ach. Liebchen,
daS war ja nur Verüellung!' Doch jetzt
siel Nordheim'S Blick auf den Besitzer
der angenehmen Baßstimme, und feine
Stirn verdüsterte sich wieder.
Wer ist dieser Herr?' fragte er
streng,
Mein neuer Cigaretten-Lieferant,
Männchen, ich wagte eZ nicht, per,
sönlich sein Geschäft aufzusuchen.'
.So o? Aber der Carton?'
Enthalt mein neues Mufter-Sorti,
ment', unterbrach de? PseudoLiebbaber
mit geschäftsmäßigem Lächeln und fügte
hinzu: erlauben sie mein Herr, daß ich
Ihnen mehrere Proben meiner vorzüg
liehen Manila's zusende?'
Schicken sie soviel sie wollen, aber
jetzt haben sie wohl die Güte'
,O, ich verstehe und belästige keine
Minute länger!' Mit diesen Worten
verbeugte sich der Jünger Merkur' Z und
verschwand.
In dem behaglichen Speisezimmer deZ
Nordheim'schen Hauseö dampfte eine
halbe Stunde später der Thee in den
Tassen und ein versöhnte; Ehepaar
dampfte ebenfalls.
Glückselig schauten die jungen Gatten
einander an, während sich die beider
seitigen Ringe und Wölkchen innig ver
schmolzen.
Die Ballscuuke.
Fräulein Else B., schreibt die Wiener
Deutsche Zeitung', wa? ganz außer
sich. Ueber diesem unglückseligen Ball
abend schwebte ein wahrer Unstern.
Jeden Augenblick klappte etwas an der
Toilette nicht. Was ein junges Mädchen
nur an Bändern, Maschen, Schleifen,
Blumen zu einem Ballstaat braucht,
wurde wie von Geisterhänden im ent
scheidenden Moment verlegt, daß jede?
einzelne Stück eine halbe Stunde gesucht
werden muhte. Und jetzt waren um
daS Unglück vollzumachen sogar die
weißseidenen Ballschuhe verschwunden.
Cousin Fritz der schon in vollem Ball
ftaat taubengrau und dunkelblau
zur Stelle war, rannte wie besessen aus
einem Zimmer m das andere, und suchte
in allen Winkeln. Umsonst! die Ball
schuhe waren verschwunden. Der gute
Kerl nahm sogar seinen Winterrock und
No. 4.
rannte davon, um ein Paar anderer
Schuhe zu beschaffen; aber er kam mit
traurigem Gesicht und der Botschaft
zurück, dag schon alle Gefchäske ge
schlössen seien. Aber, um Gottes
willen!' jammerte Else, ich kann doch
nicht in schwarzen Schnürschuben gehen!'
Aber da hals kein Jammern. Die
Schuhe blieben verschwunden, und Fräu,
lein Else riß sich endlich weinend den
ganten Staat vom Leibe und verschloß
sich verzweifelt in ihr Zimmer. Mit dem
Ball war also nicht. Am nächsten
Mittwoch traf sie Cousin Fritz aus dem
Eislaufxlatz. Er machte ein ungeheuer
vergnügtes Gesicht. Nun, Mischen,
ist der Jammer schon auögrschlafen?'
rief er i großem Bogen heransegelnd.
Sie sah ihn vorwurfsvoll an. Ich
meinerseits,' fuhr er heiter fort, habe
mich dort ausgezeichnet amusirt.'
Als, Du warst doch .... '
Natürlich, ich mußte doch fthen. was
Du versäumt hast."
.Barbar!'
.Und jetzt,' fuhr er mit unerschütter
licher Ruhe fort, indem er ein kleines
Päckchen au! der Tasche zog, .rann ich
Dir auch Deine Ballschuhe wiedergeben.'
Si sah ihn rftaunt an und nahm
daS Packchen mechanisch aus setner Hand.
,Ja, um GotteSwillen, wo hast Du
denn die gesunden?'
In meiner Frackiasche!'
.Aber wie ist denn daS möglich? Wie
kann man denn aus Versehen ein Paar
Schuhe einstecken?'
.Versehen? KeineSpur. Mit Absicht!'
Sie sah fassungslos in fein unver
schämt zufriedenes Gesicht. Du wirst
mich sofort verstehen, ElSchen, komm'
nur mit.' Und er zog die Willenlos in
ine stillere Ecke. ,WaS glaubst Du,
liebes Kind, we? auch auf dem Balle
war?' .?' Mar H.'
Hu! Jetzt bin ich erst froh, daß ich
nicht dort wa?.'
Gut. Weißt Du auch, warum Dein
Papa durchaus wollte, daß Du gerade
diesen Ball besuchst, dem H. vor seiner
Abreise noch beiwohnte?'
Sie erschrak.
Weißt Du auch, mag ich ihm für
einen Bären aufgebunden habe? Ich habe
ihm zu verstehen gegeben, daß Du Mi
gräne bekamst, als ich Dir erzählt, daß
er auch dort sein werde.'
Du bist doch ein unverschämter
Schwindler!'
Schwindler! Gott, aber das ist dir
recht, daß er darauf hin schon heute Mo?
gen abgereist ist und dein Papa mit fi
ncm schönen Heirathsprojekt durchfällt.'
Sie sah ihn dankbar und zärtlich an.
Ja aber, Fritz, was ist damit für uns
gewonnen? Deshalb wird doch Papa
nicht einVilltgen.
Unbesorgt! Heute Abend kommt mein
Alter nach Wien, der wird deinem bock
beinigen Papa schon den Kopf zurecht
setzen.' Ein neuer zärtlicher Blick. Nun
begreifst Du auch, warum mir so viel
daran lag, grade für diesen Abend die
Zusammenkunft PapaS mit H. zu ver
hindern?'
Sie nickte. ,Abr ein Schwindler
bist du doch! Wie du nur die Schuh g:
sucht hast? Und sogar davongerannt bist
du, um ander zu holen!'
Er schmunzelte. Ich hätte doch keine
bekommen; denn was du für Füßchen
hast. Elfe! Ich hab' die Schuhe die ganz;
Nacht in der Tasche gehabt und mir ftan
den die Frackschöße nicht fo weit weg.
Unglaublich!'
Ter Rosenmontagszug t öl.
In Köln hat der Rosenmontaggzug der
Großen Karnevals-Gesellschaft wieder
großen Beifall gefunden. Nach einer
Schilderung de? Köln. Ztg.' ist die
Idee des ZugeS eine Foncurrenz aller
Feste der Welt mit dem Kölner Karneval.
Vertreter der VSlke?schaften aller Zeiten
und Zonen haben sich daher eingesunken,
um zu zeigen, was die Heimath an Lust
und Scherz, an Humor und Festesfreude
zu bieten vermag. Den Reigen eröffnen
die Egvpter mit einem reichgekletdeten
Mufikcorps. Selbst die Thierwelt kann
sich dem Festspiel nicht entziehen ; denn
einige Krokodile tanzen feelenvergnügt
nach den Weisen einer Polka ; Mumien
haben ihren tausendjährigen Schlaf
unterbrochen und wandern in gemessenem
Schritte hinter den lustigen Schuppen
thieren her. Der Blick fällt auf einen
Wagen, der mit orientalischer Pracht
ausgestattet ist ; er zeigt ein GartenFeft
der Kleopatra (gestellt von der Gesell
schaft Närrische Kochkünftler). Im Hin
tergrunde ragt ein von Palmen umgebe
ner Obelisk empor, an dessen Fuß die
;one und prachtltcbende eguptl che Ke
nigin auf schwellenden Polstern ruht.
eihrauchmolken steigen auS Opferae
säßen empor, unterhalten von Sklaver.
tn r:r ver'chtedenarttgsten Schat'.trung,
vom hellsten Braun bis zum Schwan
des Ebenholzes. Die Nischen find von
Lklaoinnen besetzt, welch: MufikJnstru
mente längstoergangener Zeilen in den
Händen halten. Die Griechen find durch
die olympischen und ikarischen Spiele
vertreten ; die Wagenrennen sind na'.ür
lich nicht vergessen und der Lorbeer winkt
dem Sänge?. Die Entstehung der Tur
nerii wird auf einem Wagen sgestellt
vom Festcomite) in ebenso drastischer ali
humoristischer Form orqcführt. Ein
römisches Musikcorx versetzt ant in di
Zkit. all ltt am Rhein noch römische
Kohorte? standen, und der nachfolgende
Wagen (Feftcomike) zeigt un neben tu
deren römischen Alterthümern auch die
vielumftritten Port Paxhia, di all,
Redestürmen trotzend mit ihren hölzernen
Stippen ' sich wer behaglichen Ruh
erfreut. Eine Schaar Sltrrthum.
forscher begleitet den Wagen und weift
Jedem, der sich dasür inleresftrt oder
auch nicht interesstrt, uowiderleglich ach,
daß die Erhaltung de, .Thore' tue
durch die Geschichte bedingte Nolhwe
digkeit ist. Alt Germanen erschein
in Bärenfell gehüllt und si trinken
auch immer noch eins', sowohl de eige
neu Dürfte? wezen. alS auch um die Ge
fchichtSgreise mit Lüga zu strafen. Dr
folgend zierlich gebaute Wagen stellt da
Stegesfeft des Marsiliu, (Gesellschaft
Eifel) dar, sich anlehnend an jene be
kannte altkölntsche Sage von der Holz
fahrt de M.rrsiliuZ. E? sieht unter
einer mächtigen Eiche, während von ihm
unsere Ahnen in'S Holz fahren'. Fan
faren ertönen zu lustigem Streite ; si
rühren von einem altdeutschen Musik
corpg her, hinter welchem Landsknechte
in prächtigen Kostümen schreiten. Edle
und Edeldamen reiten reichgekleidet auf
stattlichen Rossen daher, während ein
Fähnlein von Rittern oollgewappnet
frohen Muthes dem Turnier entgegert
steht ; Z folgt de? mit den Wappen vieltr
deutschen Städte geschmückte Turnier
wagen (Narrenzunst); unker einem Bal
dachin fitzt das rosige Fürstenkind, da
bestimmt ist. dem Sieger den Lorbeer auf
das lockige Haupt zu drücken. Zu feinen
Füße steht in Kranz von Edeldamen,
die erschienen sind, um zu sehen, ie
tapfer ihr Gatten oder Geliebten dem
ritterlichen Spiel obliegen. Vorbei ist
daS herrliche Bild, un. einem anderen ge
mllthlichen. uns näher stehenden Platz zu
machen. ES ist eine Darstellung der
köll'fche Kirmes (Gesellschaft laaf
Köllen) und die wohlbekannten KlSng
des alten kölnischen KirmeSltedeS dringen
an unser Ohr:
Morge fängt unS KirmeS ahn,
Höht enS bat Gebimmel,
Wähde mer e Levven han
Wie em booren Himmel.
Alle Vorbereitungen sind getroffen; die
Straßen find gkzien
met Eier, Glas und Klippergold.
N dheit doh mankeere.
Nein, eS fehlt nicht?; auch dem Innern
des Hause nicht, wo die würdige Vor
fteherin des HauLhaltS mit de? schönge
klöckelte ZertZt' reichlich für Platz un
Prummetuht' gesorgt hat. ES folgen
dann Züge des Schützenkönigs; der San
geZbrüder, de? spanischen Stierkämpfer,
de? Mormonen. Besonders prächtig
waren der Wage des New Aorker Män
nergesang , Vereins Arisn' mit der
Kolossalst! der Freiheit und da der
Wagen des Prinzen Karneval.
WaS kostet in Württemberg et
Ohrfeige?
Diese Frage richtete vor einiger Zeit
während des EssenS de? Kellner eines be
kannten Stuttga?ter Cafes an in ihm
gegenübersitzende Büssetdame. Auf dere
Antwort: Einen Thaler!' zog der Kell
ner drei Mark aus de? Tasche, legte sie
säuberlich auf einen Porzellanteller und
piäfentirte diesen seinem mit am Tische
sitzenden Vorgefetzten, dem Direktor, mit
dem er in Differenzen gerathen mar, i
dem er ihm gleichzeitig eine schallende
Ohrfeige gab. Ter Beleidigte erhob
Klage, und das Schöffengericht verur
theilte den Kellner zu einer Geldstrafe
von 6 Mk., außerdem aber zu den Kosten
des Verfahrens, die insgesammt, da zwei,
Anwälte berufen waren, mindestens 6k
Mk. betragen. Dem Beleidigten er
schien aber das Strafmaß von s Mk.
zu niedrig und fein Anwalt legte Be-
rufung ein.
Die Strafksmme? fand in der That
die Strafe zu niedrig, nicht blos. weil.
der Vorgesetzte vo seinem Untergebenen
tn Gegenwart de? Mtlangestellten schwer
beleidigt worden war, fondern auch, weil
in der Frage, waS kostet in Württemberg
eine Ohrfeige, eine Verhöhnung deS Ge
setzeS zu erblicken fei. Die Sttafkam
mer erhöhte deshalb die Straf auf SS
Mark und verunheiüe den Beklagten zu
de Kosten erster und zweiter Instanz.
Hiernach kommt die Ohrfeige in zwei
ter Instanz auf insgesammt 125
Mark zu stehen. Ob der verurtheilte
Beleidiger sich versucht suhlen wird, auch
noch in dritter und letzter Instanz, vo?
dem OberlandeSgericht, sich zu vergnvts
fern, waS eine Ohrfeige in Württem
berg kostet', dürfte zweifklhaft sein, da
in diesem Falle weitere öv Mk. Gerichts
kosten erwachsen könnten.
Aus der Insirnktionsftunoe.
Mit waS hat der Soldat feine Stie-
fel zu putzen, Gemeiner Schultzc?'
.Mit Wichse ur,d Bürste, Herr Unter
cffiji!'
Dummheit l Mit dem Bewußtsein,
daß sie königliches Eigenthum sind !'
Schädellehre.
Phr:noloze: Wir sehen an diesem
interessanten Kopfe zunächst eine charak
terisiische Erhöhung, daS Merkmal der
Gattenliebe.'
Baue?: ,Jo, jo, da hat mir gestern
meine Alte mit dem Besenstiel ein!
austg'hcut.'
Käsern ijofbliitt?.
Untervssici: Kerl, Du machst ja ein
Geficht wie die Siegesgöttin, wenn si 'tt
Civilisten heiralhen sollt l'
J
.FTT'
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