Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 08, 1894, Image 9

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    Niemals.
t'tx Sltnt fioantt.
.Ich ottfce mich heute skhr furz fassen,
Hrrr Präsident," sagte der Advokat
Pilidi. indem r sich hob. ?r war in
wohlgenährter, untersetzter Mann mit
einem seiften, von einem Dunklen ait
umrahmten Gesicht, darin et kohl
schwarze, glühend AeugUin. Er schaute
zuerst mit souveräner Gleichgiltigkeit sei.
nen Gegner an, dann winkt er leicht der
lientin desselben zn, ein jungen. schZ
nen, mldchenhast schüchternen Frau, der
Madame Ralioa Costin, die vor drei
Wochen erst Herrn Costin die Hand zum
ewigen Bund gereicht hatte.
.Ich Beide mich heute sehr kurz faf.
sen.' wiederholte Herr Pilidi und
lächelt. Sein Lächeln hatte einen be,
stimmten Zweck; 8 galt den drei Frauen,
die in der ersten Bank im Zuschauer
räume saßen. Drei wunderbare Frauen:
Die eine mit goldblondem Haar, da
Geficht wie au Milch und Blut, so
eth, so zart, so rSlhlich schimmernd,
mit einem Mund zum üssen, so süß, so
oll, so roth, mit Augen, in denen ein
FrühlingShimmel blaute, die Formen so
ebenwSszig wie von Kllnstlerhand ge
eiszelt, die Gestalt mittelgroß, aber
Sxptg, von Gesundheit strotzend, sprühend
von LebenSgier. Die Andere mit kafta
nienbraunen Locken, schlank, zierlich, die
bleichen Zuge deS klassischen GeflchtS
vom feinsten aristokratischen Gepräge,
da Haupt aus dem länglichen HalS ein
wenig zur Seite geneigt, und in den
dunkeln, von bläulichen Ringen umzir
kellen Augen, etwas Rälhselhafte,
Schmärmirischc eine jener nervösen
Frauen, die äußerlich von einer vorneh,
wen Kühle, innerlich aber leidenschaft
lich, feurig, wild sind, die sür Musset
und Chopin schwärmen und die Dich mit
ihren Küssen ersticken,... Die Dritte:
durch natürlich Zuchtwahl veredelte
Zigeunerblut, w man es hie und da
unter der Bukarester Aristokratie an,
trifft, lockige scharzc Haar, ein brau
ne, pikante Gestchichen mit blihblan
sen Zähnen und rollenden feurigen
Augen. ES find die drei intime
Freundinnen. Sie haben bis heute
Früh um fünf Uhr auf dem Hosball ge
tanzt. Von Rechtswegen hätten sie also
jetzt um els Uhr Bormittags noch
träumen müssen von dem Glanz uns ver
Pracht de verrauschten Ballfefte. Aber
der armen Ralina, deren Gesuch um die
Auflösung der Ehe mit Herrn Costin
heut zur Verhandlung gelangen sollte,
der armen, lieben Ralina mußte man
schon in kleines Opfer bringen. Und
dann, gibt eS etwas Pikantere, Jnteref,
saniere, Schönere als so eine Ehe
fcheidungSoerhandlung? Sie erwiderten
also alle Drei da Lächeln deS Herrn
Pilidi und dann schauten sie alle Drei
den verklagten Ehemann an, Herrn
Eostin. einen jungen Mann mit ein'
interessanten bleichen Gesicht, der neben
Herrn Pilidi sah, in Aktenstücken blät,
erte und mit der Linken in nervöser Hast
di spitzigen Enden seine? großen, schmar,
zen Schnurrbarte zwirbelte.
Herr Pilidi begann zu sprechen. Auch
wenn Herr Pilidi sich sehr kurz faßte,
wie heut, so fing er doch mit der großen
französischen Revolution an. Herr Pilidi
war nämlich Demokrat, war sogar Füh
r der äußersten Linken in der Kammer.
Und wenn er redete, so muhte er inner
lich glühen, und er konnte innerlich nur
ifcflnn glühen, wenn er von der großen
, französischen Revolution sprach. Darum
begann er auq jeut icrne meoe mir oer
Nacht de 4. August 1739, in welcher
bekanntlich die ewigen Menschenrechte
proklamirt wurden. Bon den Menschen
rechten kam er mit einem kleinen Sprung
auf die Frauenrechte und dann auf die
Rechte der Frau inner und außerhalb
der Ehe. Und nun war er mitten in
seinem Thema drin. Bis jetzt Halle er
geglüht, jetzt begann er weich zu werden.
Er schilderte seinen Klienten, den Herrn
Demerer Coftin: als Junggeselle ist er
da Muster eine anständigen Mannes,
keine Centime Schulden, keine Spur
on einer Liebschaft, ein Poet, ein Träu
mer, eine zukünftige Leuchte dS Vater,
landes. Dieser musterhaste Junggeselle
verliebt sich, verlobt sich, er vergöttert
seine Braut; er vermählt sich, wird ein
MusterEhemann und trägt sein schönes
junge Weibchen auf den Händen. Das
sind Thatsachen fährt Herr Pilidi fort,
.und nun, hoher Gerichtshof, kommt ein
schicksalsschwerer Moment: eine Mor
gen genau zwei Wochen nach der Hoch
zeit überrascht Madame Ralina Costin
ihren Gatten in dem Augenblicke, da er
da Stubenmädchen auf den Mund küßt.
Daraufhin Zank, Streit, daraufhin die
Klage auf Ehescheidung.'
Herr Pilidi machte eine kleine Kunst,
Pause, dann fuhr er, im Geiste seine
Klienten redend, innerlich zerknirscht fort:
Wir haben ein Unrecht begangen! Wir
haben, hoher Gerichtshof, da Stuben
mädchen auf den Mund geküh'.I Ja
wohl, da haben wir gethan. Aber es
geschah in einem Momente süßer Selbst,
vergefsenheit, in einem Momente, da wir
die ganz Welt geküßt hätten, beseligt
vom Bewußtsein, daß ein so liebe, so
schöne Weib unser eigen ist."
Und nun wurde Herr Pilidi auf ein
mal mild. Der gegnerische Advokat,
Herr Pruncu, hatte es nämlich gewagt,
die eheliche Treue des Herrn Costin durch
einige verdächtigende Anspielungen anzu
tosten. Herr Pilidi schaute seinem Gegner
finster, mit rollenden Augen ins Gesicht.
.Das ist eine Persidie," schrie er und
wurde dabei puterroch im Gesicht; .wie
können Sie es wagen, den blanken Ehren
fchild der ehelichen Treue meines armen
Klienten durch Ihren G'fthauch zu trü
den! Wie können Sie S wagen, in daS
dle, großmüthige Herz dieser treuen
Gattin einen sosch' unbegründeten, h!ß
Ml
Jahrgang 14.
lichen Verdacht zu senken?' Jetzt wurde
Herr Pilidi auf einmal wieder tief ge
rührt, Thränen kamen ihm in die Augen.
Er schilderte mit bewegten Worten die
ausschließliche, die verzehrende Liebe deS
Herrn Coftin sür seine junge, schöne Ge
mahlin, er schilderte den brennenden
Schmer, der in seinem Herzen wühle,
und ließ zum Schluß einige Anspielungen
fallen, daß sein Klient, im Fall di Ehe.
scheidung ausgesprochen werden sollte, zu
einem verzweifelten Schritte getrieben
werden würde. Ich habe gesprochen.'
LaS waren di letzten Worte de Herrn
Pilidi. Er fuhr mit einem seinen Bat,
tisttuch über die Stirne, ließ sich nieder
und lächelte die drei schönen Franen an,
die ihm freundlich zuwinkten.
.Madame Costin ' sagte der Pröfl,
dent, .würden Sie nicht zu einer Ber
söhnunq geneigt sein?' Die junge Frau
e.'hob sich. Sie würdigte ihren Gatten
keine Blicke. .Nein, nein, niemals!'
stieß sie leidenschaftlich und mit felse,
fester Ueberzeugung hervor. .Dann er
theile ich Ihnen, Herr Pruncu, das
Wort. Herr Ununcu, der Vertreter der
jungen Frau, war ein hagere Männlein
mit einem glattraflrten Gesicht, in wel
chem die Rase wegen ihrer winzigen
Kleinheit und der Mund wegen seiner
unmäßigen Breite ausfiel. Herr Pruncu
hatte vor sich ein Aktenbündel liegen, er
stöberte darin eine Weile, dann begann
er: .Mein verehrter Kollege liebt keine
Anspielungen, nur Thatsachen. Ich
werde also nur Thatsach? vorbringen,
Thatsachen, die er nicht kennt, die auch
meine Klienttn bis jetzt nicht kennt,
Thatsachen, welche beweisen werden, daß
meine Klientin von einem dioinatorischen
Instinkte geleitet war, al sie auf Grund
eines scheinbar geringen Vorkommnisse
die Auflosung der Ehe verlangte, ehen
wir un zunächst den musterhaften Bräu
tigam an,' fuhr Herr Pruncu fort und
brachte au dem Aklenbündel ein Päckchen
Briefe hervor. Madame Costin, welche
bis jetzt die Blicke gesenkt hielt, schaute
empor und horchte. Diese Briefe,'
fuhr der Advokat fort, .geben uns Kunde
davon, daß im Monat September dieses
Jahres, in welchem Herr Costin ein
musterhafter Bräutigam war zwischen
ihm und einer Dame, di nicht seine
Braut war, ein sehr sagen mir freund
schaftliches Verhältniß bestanden hat.
Diese Dame scheint sehr jung, sehr schön
und goldblond zu sein, wie ich aus diesen
Bliesen entnehme ' Er hielt inne,
lächelte, steckte das Päckchen Briefe in
seine Seitentasche und warf einen raschen
Blick auf die Frau mit dem goldblonden
Haar in der ersten Bank, die feuerroth
und die Blicke zum Boden gesenkt dasaß.
Madame Costin war aufgesprungen.
Eine flammende Röthe war über ihrGe
stcht gehuscht und rasch verschwunden.
Sie schien nach Worten zu ringen, ihre
Kehle war jedoch wie zugeschnürt. Aber
in ihren Augen, welche voll Wuth, voll
Haß auf die schöne Frau mit dem gold
blonden Haar starrten, lag eine ganze
Welt von Worten. Einige Augenblicke
stand sie so da, todtendlaß, fast kalkweiß,
wie zu einer Statue erstarrt. Dann
sank sie auf den Stuhl nieder, und wäh
rend ihre weißen, schimmernden Zähnchen
ihre Unterlippe zernagten, flog es ihr
durch dm Kops: ,O, diese Cäcilia, diese
Scheinheiligel Meine Freundin, meine
intimste Freundin nannte sie sich, diese
Schlange I Also darum hat sie immer so
gegen minen Mann gehetzt, darum!
Jetzt begreife ich Alles. . . . wenn ich ihr
nur etwas anthun, wenn ich mich au ihr
so auS vollem Herze rächen könnte, an
diese Katze!' Thränen kamen ihr in die
Augen, ihr war, als müßte sie aus tief
ster Seele über die Falschheit, Bosheit
und Niedertracht der Menschen fschluch
zen. Da schlug wieder die hart, kalt
Stimme ihr Advokten an ihr Ohr.
.Jktzt', sagte Herr Pruncu, und
brachte wieder ein Päckchen Briefe zum
Lorschein, .jetzt ollen wir un einmal
den musterhaften Gatten näher ansehen.
Ich habe wieder Briese e find ihrer
nicht mehr al in halbe Dutzend aber
st genügen vollständig. Diese Briefe
find tn der zweiten Hälfte deS Monat
Oktober geschrieben z einr Zeit also,
da Herr Coftin bereit erheirathet war,
da er in der zweiten FIttterwoche in
jenem Stadium de Rausche lebte, in
welchem er, wie mein verehrter Gegner
eben so schön als wahr sagte, neben dem
Stubenmädchen alle Welt vor lauter
Glück und Liebe hätte umarmen mögen.
An diesem überschäumenden Glücke deS
musterhasten Ehemannes scheint auch,
wie ich auS diesen Briefen ersehe, eine
Dame theilgenommen zu haben, die nicht
die rechtmäßige Gattin deS Herrn Costin
war. Diese Dame scheint brünett und
etwas melancholischer, schwärmerischer
Natur zu sein.' Er hielt wieder inne,
lächelte und warf einen raschen Blick auf
die elegante, aristokratische Frau in der
ersten Bank, welche aber, ohne eine
Miene zu ändern, gleichgiltig, sogar
etwa müde, etwas gelangweilt vor sich hin
schaute, dann niederftarrte und auf ein
mal die Lider hob und die Blicke zur
jungen Frau neben dem Advokaten
schweifen ließ. .Die arm Ralina,'
flüstert fi ihrer sch warzlocktgen Freundin
Beilage zum Nebraska StaatS-Anzeiger.
zu, .die arme Ralina scheint ganz ge,
brachen z fern, und dem war auch so
Die zweite Enthüllung ihre Advokaten
war wie ein Keulenschlag aus vaS Haupt
der langen Frau gefalle. Sie war be
täubt, vernichtet, inmitten des GewirrS
von Gedanken, die ihre Seele wie mit
scharfen Krallen zerrissen, stand fest, kla
und deutlich da Eine: .Das zweite
Weib, da Dich um seine Liebe betrog,
da ist die Helene dort, sie ist eS und
keine Andere!' Sie war dem Blicke ihres
Advokaten gefolgt, sie hatte das leise
Ducken um Helene 8 iviundwtnrel de
merkt. .Sie ist e und keine Andere,'
schrie e in ihr. Und nun stand auf in
mal Viele mit lebendiger Klarheit vor
ihr, wai ihr früher dunkel, räkhselhaft
erschien. Jetzt wußte sie, warum ihre
beiden lieben Freundinnen so eisrig, so
feurig für die Ehescheidungen eintraten,
warum sie täglich neue Gründe hierfür
ausspürten, letzt mußte sie, warum sie sich
den Schlaf qeraudt, um der Bcr
Handlung beizuwohnen!
Es war der grüne Neid, ti war die
Eifersucht, es war die blasse Furcht,
Costin könnte vielleicht in den Armen
seiner Gattin ein volles, reineS, auS,
schließliches Glück finden. Das mußte
verhindert werden! Un jeden Preis! Da
rum schürte man da Feuer nach Leibes
kräften! Und der Elende er hatte Jede,
welche mit vollem Herzen an ihm hing,
betrogen! Jede jI Aber sie nicht, sie
hatte er geliebt! Und tn wirrer Hast
flogen jetzt durch ihre Erinnerung alle
jene Minuten, alle jene Stunden, da er
zu ihren Füßen lag, da er ihre Hände
mit glühenden, leidenschaftlichen Küssen
bedeckte, da aus seinen schönen Augen eine
Liebe sprach, so tief, so treu, so uncnd,
lich. . . . Die Anderen hatte er betrogen,
ja, aber sie, sie allein! Und während all
dies in ihr wirbelte, hörte sie nicht, was
ihr Advokat weiter sprach, sie sah nicht,
wie er ein neue Päckchen Briefe her
vorzog.
Stumm und bleich, wie geisteSabwe
send sah sie da und erwachte wie aus
einem bangen Traume, als der Präsident
ihren Namen rief: .Madame,' sagte er,
.nach den vernichtenden Argumenten, die
Ihr Vertreter mitgebracht, wage ich es
kaum, die übliche Aufforderung zur Ver,
söhnung an Sie zu richten. Aber daS
Gesetz schreibt e vor und so frage ich
Sie: Wollen Sie sich mit ihrem Gatten
versöhnen?'
Sie hatte sich jäh erhoben. Sie stand
eine Weile sprachlos da, dann starrte sie
ihren Gatten an, der einige Schritte
vorgetreten war. Er war so bleich, so
schön. Der Arme! Da wankte sie zu
ihm hin. .Ja, ja, ja!' rief sie unter
Lachen und Weinen und schloß ihn stür,
misch an ihre Brust
Amor im Quartier.
Sine Kriegs- und LiebeS
,ch!e. Von
E. Waldeck.
.Dulde, gedulde Dich feinl
.Ja, das kannst du mir glauben,' er
tönt die derbe Stimme der Tante, .die
Dichter missen das Alles ja ganz schön
und gut zu beschreiben, aber in der Wirk,
ltchkeit ist eS doch anders ! Unsereins, die
wir zum zarten Geschlecht gehören (die
auf dem Tisch stehenden Tassen erzitterten
leise, während die kleine Frau daS Zim,
mer durchschritt), hat ja zu dulden und
zu leiden, daß eS oft einen Stein erbar
me könnte! Da (mit einem heftigen
Rsck zog sie di an ihrem Gürtel be
festigte Uhr heraus), da, sieh' selbst, be,
reits süvf Uhr und die Lene ist immer
noch nicht mit der Küche fertig, daß sie
daS Kaffeegeschirr holen kann!'
Dieser zarten Auffordkruxg Folge zu
leisten, erhob sich das junge, schöne
Mädchen, welches bisher am Fenster ge
festen und legt da Büchlein, in welchem
sie gelesen, au der Hand, um die ver
nachlässtgte Pflicht der Köchin zu ver
bessern.
.Nein, mein Kind, laß du nur, unsere
Einquartirung, der Herr Lieutenant,
könnt dir aus der Treppe begegnen, und
ich weiß noch nicht, ob e sich schickt, daß
du als unsere Nicht solch grob Arbeit
verrichtest.'
.Aber liebe Tante, ersten ist S j
kaum eine Arbeit, geschweige eine grobe
zu nennen, und außerdem kennst du
nicht da schön Kaulvach'sche Gemälde,
wo Goethe'S Lotte ihren kleinen Ge
schwistern Brod schneidet? Solche
Handreichungen adeln in junges Mäd.
chenr
.Nein, mein Kind, diese adeligen
Goethe's habe ich nicht gekannt, und ihre
Tochter Lotte uzd die andern lütten 3
ren auch nicht, aber denn meinetwegen,
trag eS nur runter.
Lieschen verbarg ein Lächeln und ver,
schwand mit dem Theebrelt hinter der
Thür.
Ein Weilchen später klopfte eS, und
auf daS, Herein' der kleinen corpulen?
ten Dame erschien, um eS kurz zu sagen,
daS Ideal der Mehrzahl junger, acht,
zehnjähriger Damen (Sechzehnjähriger
ist es ja bekanntlich der junge Doctor,
welcher ihnen di sehr nothwendigen
Stunden über Chemie und Algebra
giebt) also da Ideal achtzehnjähriger
Damen, ein Lieutenant und zwar, der
Wahrheit die Ehre, schön wie Paris
Er durcheilte mit elastischen Schlitten
den Salon und verbeugte sich vor der
Frau deS Hause, indem gleich daraus
feine Augen suchend da Zimmer durch.
forschten.
.Gnädig Frau befinden sich wohl?'
.Danke Ihnen, min lieber Herr Lteu,
tenant, ganz wohl, bis auf den Aerger,
den man alle Tage mit den Dienstboten
hat! Na, Herr Lieutenant, Sie können
gewiß auch ein Lied davon finge, Sie
haben 1a auch so nen Burschen!'
.Allerdings, allerdings, aber wir hel,
fe un schon. Darf ich fragen, wo sich
Fräulein Richte befinden?'
'üie iir MODI au? mr immer ge
gangen, um Toilette zu machen. Wes
halb fragen Sie denn, Herr Lieute
nantV"
.ES thut mir leid, gnädige Frau, auS
die em gastlichen aus sort zu uiüsien,
allein eS ist Befehl für unser Regiment
gekommen, zum Ersatz nach Düppel zu
gehen, und so muß ich mich diesen Abend
noch von Ihnen und Ihrer lieben Familie
verabschiepen.
.I, mag Sie sagen, Herr Lieutenant,
nehmen Sie sich denn man ein bischen in
Acht. Ach, wenn doch dieser schreckliche
Krieg erst zu Ende märe! Was ich
och sagen wollte (ne strich ihr Kleid
glatt) da sie nun weiter reisen und wohl
schwerlich hier einguartirt werden (der
Herr Lieutenant verbeugte sich lächelnd),
so kann ich Ihnen wohl 'mal mein Herz
ausschütten, vielleicht können Sie mir
rathen.'
Gespannt blickt Kurt auf.
.Sehen Sie, das Lieschen ist daS
Kind meine verstorbenen Bruders und,
offen gesagt, gänzlich mittellos. Nun
kommt da neulich ein Geschäftsfreund
meines Mannes au Leipzig, ein sehr ver
mögender, stattlicher Wittwer, so um die
Vierzig 'turn, steht das Lieselund vkrliebt
sich sogleich in daS Mädchen!'
.Das begreife ich wohl,' sagte der
Offizier, inöem eine fein Nöthe fein
Geficht überflog.
.Nun,' fuhr die Tante fort, .das
Lieschen war auch ganz freundlich zu die
sem Herrn Hartmann, aber wte'S zum
Klappen kam, ich meine,' verbesserte sich
die kleine Frau, .wie er anfing, Farbe
zu bekennen und zärtlich wurde, da ward
sie so unfreundlich, daß er abreiste. Wir
haben ihm aber versprechen müssen, un
seren ganzen Einfluß aufzubieten, die
dumme Dirne zur Heirath mit ihm zu
überreden. Na, sie schien auch schon
anderen Sinnes zu werden, das heißt,
sie weinte nicht mehr, wenn wir von
Hartmann sprachen und hörte still zu.
Mein Mann und ich faßten wieder Hoff
nung, sie würde Vernunft annehmen und
sich zu der schönen Parthie freuen, denn
eS wäre ja doch eine für das ind l Aber
seit acht Tagen, gerade seit der Zeit, wo
ie hier sind, Herr Lieutenant, ist'S
wieder die alte Geschichte, sie will nicht
mehr hören und sehen von dem Leipziger!
Können Sie nicht mit dem Mädchen in
mal vernünftig reden I'
Nach diesem langen Sermon, der ihr,
wie st meinte, ausnehmend gelungen,
hielt die kleine Dame inne und blickte
den Lieutenant fragend an. Aber er
staunt, ja erschrocken sah sie den freund
lichen Offizier, den sie zu ihrem Ver
trauten gemacht, grimmig auf fle nieder
schauen und nervös au seinem Bart
zupfen.
.Ach Du lieber Gott, wa fehlt Ihnen
denn, Herr Lieutenant!' rang es sich von
den Lippen der Erschrockenen.
Einer Antwort wurde der Gefraate
übcihoben, denn die Thür öffnete sich,
und lte Erwartete trat ein.
ES war wohl der Widerschein der
untergehenden Sonne, welcher durch's
Fenster fiel und da junge Menschen
paar in Purpur tauchte, doch währte es
nicht lange, denn kaum begann Kurt von
Gehring von der Abreise zu sprechen, so
trat ein iahn garbenwechsel bet Lieschen
ein und di blau strahlenden Augen,
die ihr Gluthen soeben noch unter den
langbefranzten Wimpern bargen, erhoben
sich angstvoll zu dem Sprecher. E war
nur ein einziger, kurzer Blick, und Beide
wußten plötzlich, wie eS um sie stand.
Aber die Tante auch, und das war
schlimm l
,
Zwei Monate waren vergangen. Nie
in ihrem Leben Halle Lieschen Interesse
sür Politik gehabt, aber das hatte fich
seit Kurzem gründlich geändert. Sie
stand täglich eine Stunde früher auf,
als sonst, um sofort die eingegangenen
Zeitungen durchstöbern zu können. Die
Nachrichten vom Kriegsschauplatz waren
ja Gottlob siegreiche, aber wie viel Ver
mundete und Todte gab es. Wie un,
zählig viele Thränen waren geflossen,
und Lieschen hakte ihr reichlich Theil
daran.
Da eines Tages ein Brief auS
Jütiand, worin Herr von Gehrinq seinen
freundlichen Gastgebern sein Wohlsein
meldete und einen kurzen Bericht über die
stattgefundene sieghafte Erstürmung dr
Düppeler Schanzen gab.
Im Stillen war Lieschen der Mei,
Ro. 3.
nung, dieser Sieg wäre speziell dem
Herrn von Gehring zuzuschreiben; doch
hütete fte fich wohl, auf die Bemerkung
zu erwidern, di der Onkel machte:
wenn der Herr Lieutenant, Allen, bei
denen er einquartiert gewesen, so au
führlich schreiben wollte, müsse er wohl
inen besonderen Sekretär im Felde
haben.
Ja, Onkel und Tanten denken oft ganz
ander al Nichter,.
Da kam denn, daß eines Tages die
stattliche Figur de Lieutenant wieder
den Vorsaal de Haufe seines früheren
OuartierS durchschritt, um sich pochenden
Herzen anmelden z lassen.
Die Herrschaft ließ nach zwei bis drei
Minuten bitten.
.Willkommen, Herr Lieutenant, Will
kommen! tönte es ihm von den Lippen deS
Hausherrn und seiner kleinen Frau ent
gegen und .Willkommen' klang es auch
von dem ihm unbekannten Herrn, der da
so selbstbewußt am Tische faß und mit
den brillantberingten Fingern seine Ci
garre balancirt. .Aha, der Leipziger,'
dachte Herr von Gehring, und seine
Ahnung halte ihn nicht betrogen. Die
Vorstellung erfolgte und bald war man
in ein Gespräch vertieft. Doch vergeb,
lich wartete Kurt auf das Aufgehen deS
Sternes, welcher ihn hierhergczogen,
Lieschen erschien nicht. Gesprächsweise
erwähnte die Tante, daß sich in ihrer
Häuslichkeit eigentlich seit der Abreis
deS Herrn Lieutenants nichts, rein gar
nichts verändert habe, nur ihre Richte,
der Herr Lieutenant wisse ja wohl noch,
das junge Mädchen, die sei seit acht Ta
gen zum Besuch in Hannover, wohin
eine Pensionsfreundin sie zur Ballsaison
eingeladen.
Ja, der Herr Lieutenant erinnerte sich
der jungen Dame!
Du lieber Himmel, daS war nun die
nackte Wirklichkeit! Und wie ganz, ganz
ander hatt fich Kurt diese Stunde vor,
gestellt! Wie sreudig war r hergeeilt,
wollte er Lieschen sagen, daß er nicht
habe reden dürfen, als er hinauszog in
den Krieg, aber jetzt gesund heimgekehrt,
jetzt könne und wolle er sprechen I Daß
er, sobald er entlassen, denn als Land
wehrofsizier hatte r 3 zu beanspruchen,
daS väterliche Gut übernehmen und sie,
fein Lieschen, zu seiner lieben, kleinen
GutSsrau machen molle. Und nun da
saßen der Onkel und die Tante und der
Leipziger; oh, wie er den plötzlich haßte,
er hatt gar nicht gewußt, daß er einen
Menschen so hassen konnte.
Bald darauf empfahl er sich.
Da stand er nun vor der Thür des
Hause, welche er so frohen Muthe be
treten, um e fo trüb Sinnes wieder
zu verlassen.
Schon hatte er den Fuß erhoben, um
die Stufen hinabzusteigen, da ein
Schlag auf seine linke Epaulette, und
ein au dem Fenster gefallener Blumen
topf rollte von seiner Schulter auf die
Erd.
.Ach. Herr Lieutenant! Ach. der
Topf! Warten Sie doch, bitte, einen
Augenblick, ich komme schon!' rief ihm
eie lieb, noch so unoergeßliche Stimme
zu, und einen Augenblick später stand
Fräulein Lieschen in eigener, lieblicher
Gestalt, e war kein Traum, vor ihm,
in der Hand die Bürste, um Herrn Kurt
von Gehring von den Spuren der Erde zu
befreien.
.Ja, sind Sie denn nicht verreist?
Man sagte mir doch
In diesem Augenblick erschien die
Tante, von dem Lärm aufmerksam ae
macht, und erblickte ihre Nichte neben
dem Ossizier. .Aber Lieschen, Du soll
te!t doch abgereist fein und nun flehst Du
hier?'
Onkel und Tanten sagen manches Mal
nicht die Wahrheit, aber der Dichter
sagt fl, wenn r spricht:
.Dult, gedulde Dich fein,
Ueber ein Weilchen
Ist Din Kammr voll Sonn!'
alsch Haart.
Falsche Haar wrdn nirgends so sebr
getragen wie in Pari. Di deutsche
Frau pflegt ihre eigenen Haare, di ihr
ja der Kamm bi jeder Morgentoilette
massenhaft entsührt. sorgfältig zu sam,
mein, um fich soäter daraus einen onf
machen zu lassen, wenn ihr die einst so
vouen gieqren vunner zu werben begin,
nen. Sie trägt also wohl gewissermäßen
einen falschen Zovf. aber keine salscken
Haare. Die Französin sucht den Coiffeur
aus. wie man oen onseclionsiaden auf
sucht; je nach der Mode wechselt fie mit
der Cotffure wie mit einem neuen Hut.
oyer vezieyr nun ver Pariser Haar
künstler daS Material u den erlckikd,..
nen PerrScken, Toupet, und Flechten?
Die Haare werden in ganzen Ballen im
pornrr, aus nvlen, aus China, auch
aus Italien. Ei stammen, die asia
tischen wenigstens, von Leichen. In
Ehkna und Indien sterben ja die Men
fchkn massenhaft dahin, an der Cholera,
an Typhus und an sonstigen Epidemien;
in genugenv Menge, um deren abge,
Ichnit'en Haar zu wem lhnnden Ex,
xortartikel zu machen. Wie oft rrZgen
die AnsteckungSkeime iökartiger Krank,
heilen an diesen Todtenhaaren haften ge
blieben und nach Europa geschleppt an
den sein! Zwar den eleganten Perrücken
trägerinnen konnten fie nicht mehr ge
jährlich werden; bi solche Haar afiati
lischer Cholera und TzxhuSleichen dazu
kommt, al Verrücke auf dem hübsche,
Haupte einer koketten Pariserin zu thre
nen, hat e so viel Waschungen und che
mische Behandlungen durchzumachen g,
habt, daß e al vollkommen desinsizirt
gelten muh. Wohl aber konnte e je
Arbeiterinnen gefährden, die zurft df
eingeführt Haar, direkt vorn Schiffe
weg, in di Hände bekommen, die e den
ersten Waschungen zu unterziehen,
nach Farbe, Stärke und sonstiger B
schassevheit zu sortiren haben. Erft
neuerding geht man in Pari damit??,
alle imporlirte Menschenhaar gleich nach
der Ausladung gründlich zu deSinfiziren.
Wa nun dessen .Bkbeitung' anlangt,
so wird e erst einem Bad unterworfen,,
da den Zweck hat, di Haarsträhnen fein
und schmiegsam zu machen. Chinesen
haar ist ja dick und hart wie da v
Pserdemähnen. E würde fich Übel au,
nehmen al Ponvlocke auf der zarte
Stirn der Pariserin. Ein zweite Bad
hat die Farbe auszuziehen oder doch
nigsten zu mildern. Chinesenhaar ist
von einer so intensiven Schwärze, daß ti
seltsam auf einem Zuropäerschädel nzu
schauen wäre. Dann erst kommt e
die verschiedenen Laugen und Beizen, mit
denen daS eigentliche Färben beginnt, daA
Färben vom matten Aschblond und lench
tenden Goldroth bi zum glänzenden
Rabenschwarz. Da ist eine so kompli
zlrte chemische Behandlung, daß fl der
gründlichsten Desinfektion gleichzuacht,
ist. UeberdieS werden nur kleine Tva
vet und Perrücken geringerer Sorte au
Todtenhaaren verfertigt. Für ganze
Flechten und bessere Perrücken sind diese
zu spröde und brüchig, überhaupt wenig
haltbar. Dazu muß man' schon t
Haarmaterial verwenden, das man noch
lebenden Personen abgeschnitten hat. Der
Preisunterschied zwischen diesem und
jenem ist allerdings auch ein enormer.
Die asiatischen Haare kosten tn Pari
nur fünf Franken das Kilo, die inlän
dischen dagegen, die von lebenden Per,
sonen stammen, müssen mit hundert Fra
ken da Kilo bezahlt werden.
Serffrent.
Professor Schmeckele hat seine Woh
nung gewechselt, und als ihn am andere
Tag spät Abends der Weg au der
Stammkneipe an seiner srüheren Woh
nung vorübersührt, bemerkt er daselbst
eine Leiter lehnen und Jemand' in seiner
sruyeren Behsusung mit einem Licht han
tiren. Um einen Irrthum zu verhindern
klettert er pflichtschuldigst unter großer
Anstrengung bi zu sein Wohnung an
der Leiter hinauf und ruft zu dem, aller
ding über die geräumte Wohnung ent
täuschten Gauner hinein: .Ach, entschul
digen Sie, mein Gutestcr, wenn ich viel
leicht störe, aber ich wollte Sie nur auf.
merksam machen, daß ich seit gefter
Waiierskrage wx. 10 logt i"
Sicheres Kennzeichen.
Ltlg (zu ihrer die Kochschule besuchen
den Freundin): .Du Mizi, verstehst Du
schon recht viel in der Küche ; weißt D
vielleicht gar schon, mann die MUch
kocht?' '
Mizi (voll Stolz und entrüstet z
gleich): .Aber natürlich, das riechd
man ja!'
Schlechte Unterhaltung.
Schneider: .So, Ihr Freund ist
krank l Da wird'S wohl keinen Zweck
haben, wenn ich in dieser Woche mit der
Rechnung zu ihm gehe?'
Student: .Doch, besuchen Sie ihn,
nur... dr arm Mensch hat furcht
bare Langeweile!"
Ein gewissenhafter Schulonee.
Hauptmann (zu einem Rekruten, ixt
trotz seine Alter on 21 Jahren schon
verheirathet ist): Wie kommen Si ur
bei Ihrem jugendlichen Al'er schon ,u
einer besseren Hälfte?'
Rekrut: .Der Herr Hauplmann er
den entschuldigen, aber ich war meiner
jetzigen Frau 10 Mark schuldig; die
konnt' ich ihr nicht wiedergeben und da
hab' ich sie halt geheirathet '
Lintheilung.
Ella (zu ihrer Freundin): ..
Anna, Ihr habt ja jetzt et Abonvkment.
Wie gesällt Dir dnn im Thratn?
Backfisch: .O sehrl Ich gehe in di
klassischen Stöcke, Papa fleht,
am likbsttn luftig Oprtte.
und Mama geht in' Unpas.
send!'
Aufrichtig.
Mutter: .Mit den kleinen Kinderr
hat man doch ein rechte Kreuz ; . . wen
fie nur erst ein wenig größer find, dann
geht e schon leichter !'
Besuch (ohnehin schon ergrimmt über
das ungezogene Benehmen der Buben):
.ja v.aven ai inecor, gnaoige Hrau
dann kann man fie wenigstens alle Taee
ein paar Mal gehörig durchhauenl'
Fatale Situation.
Student: ....Jetzt weiß ich auch.
was eS heißt: ,Zwtsch?i zwei Feuer ae
rathen'!'
.Wieso?'
Denke Dir nur, neulich sitzt im
Wir'.hshau recht neben mir mein
Schneider und Unk neben mir mei
schufter !'
Anspruchsvoll.
Stammgast (der fich mit seinem Tisch,
nachbar zertrazen hat): .Kellner, brin
gen Sie mir inen anderen Gaßl