Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 18, 1894, Image 11

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    Beim schiedsmann.
Humoreike n arl fauli
In da herrschaftliche Eckhaus der
Charlotttn und'. strafet in Berlin
traten zu gleicher Zeit, der Eine von
recht, der Andere von link kommend,
die behäbigen Gestalten zmeier Bürger.
Die dicken, goldenen Uhrketten auf den
stattlich gerundete Westen, der Stoff
ihrer Anzüge und der Ausdruck ihrer
Gesichter kennzeichneten sie al AngehS
rige jener glücklichen Klaffe, welcher der
Nothstand noch nicht in die ach:ntSpfe
guckte und bei der die Steuerschraube mit
ihren Windungen noch nicht allzu schmerz,
haften Eindruck gemacht hatte. Tennoch
lastete eine gewisse Schmermuth, ver,
mischt mit einem Schein verbissenen
Trotze, auf ihren Phyftognomien, und
der Blick, den sie sich zuwarfen, al fie
dicht hintereinander durch die HauSthur
schritten, war feindselig und bitter.
Schweigend stiegen sie die Treppe
binan und schweiaenv bluden ne vor
einer Thür de ersten Stocke stehen, an
der ein große weiße Porzellanschild
prangte, auf dem in schwarzen Buchst
den: .Carl Schmidt, LschiebSmann" zu
lesen war.
Der NZchststehende zog die Glocke.
Ein Dienstmädchen öffnete und wie,
ohne erst zu fragen, die Beiden in da
Arbeitszimmer de schtevsmannes.
Sie traten ein.
.Mein Name ist Memmler."
.Mein Name ist SchSnebeckI'
Damit war die Vorstellung erledigt.
.Aber meine Herren 1' bemerkte der
Schiedsmann, .Sie kommen zu spät, ich
hatte Sie um Bier bestellt, und jetzt ist
e fünf I-
.Pardon!' entschuldigte Schönebeck,
da muß ein Irrthum sein, in meiner
Borladung steht f Ünf 1
.In ver meinigen auch! bestätigte
Memmler.
.Wirklich?" fragte der Schiedsmann,
der Wirth de herrschaftlichen Hause,
da muß sich mein Schreiber geirrt haben.
Run, e ist ja noch nicht zu spät, ich habe
nämlich um Sech eine wichtige Unter
redung mit meinem Anwalt; ab wir
erden gewiß bald fertig sein.
.Gr.wlß, geaiß!' bestätigten Beide.
.Also" fuhr der Schiedsmann fort,
indem er einen Bogen Papier für da
Protokoll zurechtlegte .Sie, Herr
Memmler, fühlen sich von Herrn Schöne
deck beleidigt?'
.Jawohl ! rief Memmler, .der hier
anwesende SchSnbeck hat mich ein Rhino,
zero genannt I Ich halte das für eine
schwere Beleidigung I"
.Schwer Beleidigung!' äffte ihm
Schönebeck nach, .schwere Beleidigung!
etwa weil da Rhinozero ein schwere
Thier ist? Da beweist gar nicht I
ob da Rhinozero ein
.Aber, meine Herren!' unterbrach
der Schiedsmann, .da führt zu nicht l
Herr Memmler, unter welchen Bedingun-
gen wollen sie nen emtgenk'
.Schönebeck soll hundert Mark in die
Armenkasse zahlen und öffentlich Abbitte
leisten I
.Fällt mir gar nicht ein!' rief
Schönebeck.
.Ich finde die Bedingungen ein wenig
hart.' sagte der VchtkvSmann.
.Und wenn Sie erst wüßten, wie All,
f ekommenl' eiferte schone. .Memm
er, Lehmann und ich, mir spielen näm,
, lich schon seit Jahren jeden Montag und
Donnerstag bei Baldeniu Skat; nicht
hoch, um die Ganzen. Nun hatte aber
Lehmann am Montag Geburtstag, und
den wollten wir dadurch ganz besondeiS
begehen, daß wir einen Fünfpfennigskat
spielten. Dabei wurde ausgemacht, van,
wenn durch den Fehler eine Spieler
ein Spiel verloren geht, er diese bezah
lea müsse. Nun hatte Lehmann einen
P quesolo '
.Treffsolo' unterbrach Memmler.
.Richtig, ein Treffsolo!' bestätigte
Schönebeck, .und Memmler hatte die
Herzen Zehn, Dame und Neunel'
.Nein!' unterbrach Memmler wieder,
.ich hatte die Zehn, Dame und Acht!'
.Die Neune!' eiferte Schulze.
.Die Achtel'
.Na, wo war denn dann der König?'
.Lag der nicht?'
.Nein, den hatte ja eben Lehmann.
.Ach richtig, da AK laql'
.Ganz recht!' rief Schönebeck, .jetzt
hab' ich'! Lehmann hatte Sieben, Neune
und König, und Memmler Acht, Dame
und Zehne. Nun spielt Lehmann die
Sieben au. Ich wimmle, Memmler
sticht mit der Achte und spielt Pique au.
Das nimmt Lehmann und spielt Herzen
Neun. Ich wimmle wieder, und nun
sticht Memmler mit der Zehn statt mit
ver Dame. Dadurch bekam ver önig
och einen Stich, und da Spiel war rcr
lorenl'
.Aber ich bitte Sie, sie müssen mir
Recht geben! Wie rann ich mir denn die
Zehn blank spielen, wenn da Aß noch
Vrtn war, vertheidigte sich Memmler.
.Da lag doch!' eiferte der Andere.
.Kann ich da wissen?'
.Und ich hätte e doch auf jeden Fall
gestochen!'
.Sie hätte noch einmal Herzen ziehen
sollt," bemerkte der Wchtedsmann.
.Da habe ich ja auch!' antwortete
Memmler.
Da war'S ja eben!' rief Schönebeck.
auf die dummen sieben Augen mußte ich
inen Trumpf erstechen, dadurch bekam
rehmann sein rout'Ag nach Hause und
gewann da Spiel, wa sonst unmöglich
war, wie Sie mir zugeben müssen!'
Ja, Gott, wenn man die Karten
nicht gesehen hat, läßt sich schwer etwa
sagen.'
.Vielleicht habe Sie ein Spiel Kar
ten hier; ich werde e Ihnen zeigen!'
.Karten habe ich hier!' antwortete der
Schiedsmann und holte aus einer Schab
lade eine Skatkarle.
Schönebeck nahm sie und vertheilte sie
so, wie sie an jenem Ung'.uclsadenv da,
Schicksal den drei Freunden zuzewieien,
Dr Schiedsmann warf einen prüfen.
dea Blick über die vertheilten Blätter
und sagte dann: .Ja, Herr Memmler
hätte allerdings vermuthen können, daß
da Aß lag, immerhin war es aber kein
Fehler, mit der Zehn zu stechen. Im
Uebrigea war e für da pui von ganz
geringer Bedeutung, der Solo ist allemal
gewonnen!'
.Da möchte ich sehen I ' rief Schöne,
deck, .wo ich hier mit fünf Trumpf da
gegensttzel'
.Bitte!' entgegnete der Schiedsmann,
.da können wir ja einmal ocrsuchen l'
Alle Drei setzten sich.
.Ich spiele wohl auö?' bemerkte
Memmler, .soll ich nun so ausspielen
wie am Montag Abend?'
.Ganz wie Sie wollen!' erwiderte der
Schiedsmann, .ich will Ihnen nur zei
gen. daß der Solo nicht zu verlieren ist.'
Sie spielten.
.Fünfzig!' rief der schiedsrichterliche
Herr Schmidt, al letzte Karte den Llte
sten Jungen auf den Tisch werfend.
Herz.Aß liegt, macht EinundsechSzig!
ja, das sind Stralsunder!'
.Donnerwetter!' platzte Schönebeck
heraus. I
.H!!' machte Memmler, .wer ist nun,
da Rhinozero?'
.Hen Memmler!'
Der Schiedsmann begleitete diesen
Ausruf mit einem strafenden Blick.
.Ueberhaupt,' fuhr er dann fort, .be
greife ich Sie nicht, meine Herren, wie
Sie eine solche Abmachung treffen kön
nen! Waö ist ein Fehler? So lange man
e sich gefallen läßt, daß durch Fehler
Spiele gewonnen werden, so lange muß
man es auq vutven, vag einmal ein
Spiel durch einen Fehler verloren geht!'
Erlauden temoir umervraa lyn
Schönebeck, .wie meinen Sie da. Sie
sagen, es könne auch durch einen Fehler
ein Spiel gewonnen werden?'
Gewiß! Unter zehn (spielen wird
wenigsten eins auf diese Weise gewon
nen!' .Na, na!'
.Bitte sehr, ich will eS Ihnen beei
scn!' und er mischte und gab die Karten.
,Ah,' sagte er, alS er lein ptei aus,
nahm, .sehen Sie, meine Herren, ich
habe jetzt einen Grand mit Vieren,
Schneider, Schwarz und muß da Spiel
verlieren, wenn einer von Ihnen einen
gehler macht. Ich spiele da Tptel tm
mer, und wen es hundert Thaler kostet,
aber wie gesagt '
.Na. um hundert Thaler ist es mir zu
theuer, aber wir wollen'S um die Ganzen
riskiren.
Sie spielten und machten keinen Feh.
ler. der Schiedsmann gewann da Spiel.
Schönebeck nahm die Karten und gab
sie wieder.
.Wo laz denn der Fehler, der gemacht
erden sollte?'
.Sie mußten die Pique Acht halten
.Aber da wäre ja grundfalsch ge-
wesenl'
.Das habe ich ja gesagt, e war nur
durch einen Fehler zu verspielen. '
Memmler hatt währenddessen 1,2?
Mark vor den Schiedsmann nieberge
legt.
,Wa ist das?' fragt: dieser.
.Nun für den Grand!' antwortete
Memler.
.Aber ich bitte Siel'
.Nein, nein!' sagte jetzt auch Schöne
deck, .das war ausgemalykl" uns er
zahlte gleichfalls.
.Aber meine Herren! nein, da geht
a nicht!'
.Wir nehmen eS auf keinen Fall zu
rück!' bemerkte Schönebeck sehr entsch
d:u.
.Nun, dann erlauben Sie mir wenig.
sten, das Geld an Wie zu verlieren
.Da Recht soll Ihnen unbenommen
ein.'
.Also, meine Herren! so lange der
Vorrath Reicht!' rief der Schiedsmann
und tippte mit dem Zeigefinger auf die
vor ihm liegenden 2 Mark 40 Ps.
Ader 3 itt ort eben o schwer, zu ver
lieren, wie zu gewinnen.
Er spielte einen Treff-Solo ohne Neun
und gewann. Darauf spielte er einen
Grand mit zwei blankeu Zehnen und ce
wann, weil die beiden An im Skat lagen.
Darauf wagte er einen Null-Ouvett mit
einem blanren Aß und gewann.
Nun aber verlor er dreimal hinterem
ander, das ärgerte ihn, und er spielte
wieder vorsichtiger Jetzt spielte Memm
ler der verlor auch; dann Schöne-
deck, der gewann wieder, und so wechselte
Glück und Unglück.
Da Dienstmädchen brachte Bier, sie
war da so gewohnt, wenn gespielt wurde,
und den Dreien siel da nicht auf, weil
sie gewohnt waren, zu trinken, wenn sie
spielten. Dann stellte sie Cigarren hin
und ntsernt sich.
Wer gibt denn?' fragte der Hau,
Herr, die Kiste öffnend und herumreichenv.
.Ich!' erwiderde Schulze.
Und dann gab Müller, und so ging e
fort, bi das Dienstmädchen wieder ein
trat und an der Thür stehen blieb.
.Wa wollen Sie?' fragte derSchiedö
mann ärgerlich, denn er hatte eben einen
Grand verloren.
.Madame läßt fragen, ob die Herren
zum Abendessen hier bleiben,' antwortete
das Mädchen, .dann ließe sie bitten '
.Abendessen?' wiederholte derSchied.
mann erstaunt.
Schönebeck sah nach der Uhr.
.Sappkrment!' rief er, .fünf Mi.
nuten über acht.'
.Fünf Minuten über Acht!' stammelte
entgeistert der Schiedsmann, .und ich
sollte um Sechs beim Rechtsanmalt fein!'
Schönebeck und Memmler hatten ihre
Hüte genommen.
.Aber so bleiben Sie doch auf ein
Lutterbrod, min Herren!' bat Herr
Schmidt.
Nein, wirklich nicht, wir müssen
gehen!'
.Nun denn, wenn Sie sich nicht halten
lassen, also aus ein ander' Mal.'
Und er begleitete Bcideöflich bis an die
Thür.
.Da war sehr gemüthlich!' bemerkte
Schönebeck, al sie die Treppe herunter,
gingen.
Plötzlich blieb Memmler stehe.
.Donnerwetter!' sagte er, .nun haben
wir ja ganz da Rhinozero ver.
gessen!'
.Ja, spottete Schöneleck, .da werden
wir wohl morgen noch einmal herkommen
müssen.'
.Ich werde mich hüten,' sagte Memm.
ler, .ich habe 7 Mark verloren und drei
Stunden Zeit verbummelt.'
.Na also!' sprach Schönebeck gemüth
lich, .endlich wirst du doch einsehen, daß
du'
.Sei still!' unterbrach ihn Memmler,
.ich weiß ganz allein, wa ich bin!'
Die Emanzixirte.
Von Hermann Loementhal.
Helene L. hatte früh ihre Eltern ver.
loren. Dank der Unterstützung einer
edeldenkenden Verwandten war sie in den
Stand gesetzt, einen lener modernen
Buchhaltungskurse für Frauen und Mäd.
chen zu absolviren, in denen alle jene,
die Hymens Rosenketten nicht verspüren
können oder verspüren wollen, sich die
Mittel zur Verselbstfländigung, zur Be.
gründung einer Fristen, ohne Hinzu
thun eines liebenden Gesponses erwerben
möchten.
Helene, welche nicht nur eine schöne
Handschrift aufweifen konnte, sondern
auch ein be uchendes Aeuuere und in
feine, ja vornehmes Auftreten besaß,
brauchte aus eine lukratioe Anstellung
nicht zu warten.
Noch nicht achtzehn Jahre alt, versah
st den Posten tncs Buchhalter in einem
renommirten Manufaktur.Geschäft mit
einer musterhaften Akkuratesse zur voll
sten Zufriedenheit de Prinzipal.
Anfänglich konnte sich Helene in die
neue fremdartige Umgebung, die sich vor
wiegend auö den Vertretern des starken
Geschlechts rekrutirte, nicht recht hinein
finden, doch allmählich hatte die mädchen
hafte Zaghaftigkeit und fchcuängftliche
Zurückhaltung gegenüber ihren immer
vorlauten, fpottlustigen männlichen Kol.
legen einem freundschaftlich -gemüthlichen
Berlevr Platz gemacht.
Weil Helene Niemanden bevorzugte.
wähnt sich Jeder im Stillen bevorzugt
und sah mit einem Gemisch von Ironie
und Anbetung zu dem herrlichen Mad
chen auf, dessen leuchtende, von feinen
zarten, seidenweichen Wimpern beschatte,
ten Brillantenaugen wie eiu Sonnen,
strahl die steife Nüchternheit und mono
tone Alltäglichkeit der ganzen Umgebung
verklärten.
So verstrichen zwei, drei Jahre. Man
hatte sich im Geschäft von Werther & Co.
an Fräulein Helene dermaßen gewöhnt.
daß sie Niemand, vom Chef angefangen
bis zum Bureaudiener Diberl herab
missen konnte. AI sie einmal durch Un,
päßlichkeit ins Geschäft zu kommen ver
hindert war, hatte sich da ganze Perso
nal nach dem Wohlergehen der schönen
Patientin ertundtgen las en.
Fräulein Helene zeigte immer ein hei-
teres Geflcht. Doch da war a nur Ver
ftellung und in der Heuchelei sind ja die
EoaStöchter Virluosinnen.
Sie war in der Zwischenzeit häufig
mit den Reisenden des Haufe Werther
& Co. in geschäftliche Berührung gekom
men und eine unbezähmbare Sehnsuch
die Obliegenheiten einer ewig an ihren
Bureau stuhl ge chm'edeten Buchhalterin
mit dem freien ungebundenen Leben eine
Reisenden zu vertauschen, hatte sich ihrer
ucinuujiiiji.
Zuerst stand e ihr noch undeutlich
vor der Seele, nach und nach aber hatte
sich ihr ganzes Wagen und Wollen, Har
ren und Sinnen zu einem festen unwtder
ruflichen Entschluß kristallistrt:
.Du mußt eine Reisende werden.'
Al sie mit ihrem Ansinnen an den
Chef herantrat, machte dieser zuerst große
Augen, je längerer aber und jeeindring
licher ihm Helene die Sachlage darstellte,
desto mehr befreundete er sich auch mit
dem absonderlichen Gedanken und mußte
sich zuguterletzt einzeflehen, daß in
Mädchen mit einem solchen Feuer und
einer so eisernen Willenskraft ausgestat.
tet, in dem neuen Berufe seinem Ge
schäfte nur Vortheil einbringen könnte.
Wenn auch seine Kollegen midGeschäst.
freunde diesen Fortschritt der Emanzi
pation bespötteln und bcvörgeln erden;
sei's darum.
Wieder versanken ein paar Jahre in's
Grab der Ewigkeit, aber für Helene
hatte jetzt ein neue Leben begonnen, ein
Leben voll der neuesten Abwechslungen
und pikantesten Abenteuer und die Zeit
war an ihr wie im Flug vorbeigegangen.
Viermal, und bisweilen nur dreimal im
Jahre kam si in die Residenz, um Rech,
nung abzulegen, und bei solchen Ge
legenheiten ergingen sich die Chefs in
Lobeserhebungen über ihre klare und
präzise Berichterstattung, über ihre stei.
genden Erfolge, denen die Firma eine
Reihe neuer auskömmlicher Geschäfts.
Verbindungen zu danken hatte, über die
Pünktlichkeit und Genauigkeit, mit de,
nen sie die vorgezeichnet Route einhielt
und mit der fie sich dennoch der ihr un
vermittelt zugekommenen Ordres zu ent.
ledigen pflegte.
Helene fühlte sich durch solche Aner
kennung beglückt und geehrt und achtete
nicht der mißgünstigen Blicke der männ
lichen Kollegen, deren einstige stumme
Anbetung sich mit der Zeit in eine Art
Neid und Scheelsucht verhandelt. Sie
nannten sie auch nichts anders als die
Emanzipirte, aber Helenen verschlug die
Irr SStrrtn der Zcköofuna
g ------ T T kJ
gar wenig und froh wie ine Lerche fuhr
sie in de dampfenden Morgen hinau,
auf einer neuen Tour begriffen.
Die Inhaber der Firma Wenher &
Co. waren nicht wenig stolz auf ihren
weiblichen Comrnis voyageur und e
dauerte nicht lange, so fand ihr Beispiel
Nachahmung, so daß schon die männlichen
Reisenden über eine gemeinsame Abwehr
dieser unerhörten, dem Geschäftsgeist
widersprechenden Innovation berath.
chlagten. . . .
E sollte nicht so weit kommen.
Eine Tages machte eine sehr pikante
Notiz durch di Tageblätt:r bi Runde,
in der ein Fräulein Helene L, Reisende
der bestbekannten Firma Werther & Co.,
die Hauptrolle spielte.
E würd mich zu weit fuhren, alle
Details wieder zu geben. Im Warte
alon II. Klasse war r in reicher
ungarischer Graf ihr, Helene, zum
ersten Male Aug in Aug, gegenüber ge
treten. Sie bestellte einen Mokka er
desgleichen. Sie rechnete, indem der be
flagelte Ganvmed das Bestellte vom
Büffet holte, lange Ztffernkolonnen zu.
fammen und würdigte ihr Vis-a-vis
keine Blicke.
Er verwandte kein Auge von ihr und
grüßte freundlich hinüber, al der Mar
queur mit vielsagendem Augenzwinkern
die beidenTassen ena aneinander schmiegte.
so daß ihr Arm beim Ersassen de Ge
schirrs unwillkürlich den seinen streisen
mußte.
Eine halbe Stunde später waren die
Beiden im Reisecoupe in einem lebhaften
Gespräch bearmen (der galante Gras
hatte auf sein Billet 1. Klasse Verzicht
geleistet). Drei Tage spater waren sie
miteinander verlobt, drei Wochen nachher
Mann und grau, und wenige stunden
darnach auf einer Hochzeitsreise nach der
Metropole begriffen, wo der Ehes der
Firma Werther und Co. ein sehr lange
Gesicht, schließlich aber gute Miene zum
bösen Spiel machte.
Hatte er selbst einen Augenblick an
eine Verbindung mit seiner Angestellten
gedacht? darüber schwieg Frau Fama.
Die Heirath HklenenS mit dem ungari,
schen Magnaten war nur das Signal zu
einer energischen Agitation gegen die
holde Weiblichkeit vom Dienste Merkur
auf Reifen, und In der That find die
weiblichen Rcisevögel in Deutschland in
letzter Zeit rarer geworden.
ütbtn nach dem Todt.
Wiederholt sind von der Wissenschaft
Versuche gemacht worden, um festzuftel,
len, ob man nach der Hinrichtung eines
Menschen noch LebenSäußerungen deS ab
getrennten Kopfes wahrnehme könne
Nachdem diese Versuche Jahre lang unter.
blieben, hat man neuerdings in Paris
ein höchst interessantes Experiment dieser
Art gemacht. ES handelte sich nämlich
um den ersten Versuch einer BluttranS.
fusion in den Kopf eines Enthaupteten,
de Mörder MeneSclou.
Die Aerzte konftatiren in ihrem Be.
richt vor Allem mit großem Bedauern,
daß sie erst einige Stunden nach der
Guillotinmung Menekclou S in den Be,
sitz feines Kopfe gelangen konnten, was
daS Gelingen des Experimentes naturge
mäß sehr beeinträchtigen mußte. Um
dik mechanischen Schwierigkeiten einer
solchen Bluttransfusion zu besiegen, war
von Arzte Dassy de Llgntere em besorn
derer ingeniöser Apparat gebaut worden.
Diesem Apparate und der Gefchicklich
keit feine Urhebers bei der Anwendung
ist e zu danken, daß die Transfusion
trotz der widrigen umstände zu wc ent
lichen Resultaten führte. E wurde in
da abgeschlagene Menfchenhaupt bat
warme Blut eines Hunde eingeführt.
Sofort röthete sich da Gesicht des Ent.
haupteten, die Lippen färbten sich und
schwollen sichtlich an. Die llge gewan
nen wieder Form und Ausdruck; die ganze
Phvfiognomie erschien durchgeistigt.
war nicht mehr die bleicht und starre
Maske des TodeS, die er trug. Man
hatte die Empfindung, als würde dieser
Kopf, der sich unter den Schlägen eines
Herzens belebte, sofort sprechen. Die
große Frage ist nun: Konnte man in den
Zügen des rumpflosen opse den Aus
druck des Bewußtsein wahrnehmen?
In dem Protokoll, welche über diesen
Versuch aufgenommn, wurde, ist auf
Wunsch des greisen Professor sappiv
aus .Gründen der sozialen Ordnung'
erklärt worden, .daß der Ausdruck deS
Bewußtsein nicht vollständig festzustellen
war', wobei sich jedoch die Bemerkung
fand : .Wenn das Erpcrimmt einige
Stunden früher nach der Enthauptung
hätte vorgenommen werden können, so
würde man überraschende Resultate er
langt haben.' Dasso de Lignieres er,
klärte überdies später mit aller Entschie
denheit, er habe während eines Zeit,
rcuzres von beiläufig zwei Sekunden
deutlich gesehen, wie sich die Lippen zu
einem Stammeln öffnen wollten, daß die
Lider sich bewegten, bereit, flch zu einem
Blicke bewußten Willen zu öffnen, daß
sich das ganze Gesicht zu einem Ausdrucke
des Erwachens und Erstaunen belebte.
Sehr merkwürdig ist in der Er
forschung, ob der Kopf nach der Enthaup
tung Leben habe, eine Untersuchung, die
schon vor 90 Jahren stattsand. Am 16.
Februar 1303 wurde in Breslau ein
Mörder, Namen Troer, hingerichtet.
Der Breslauer Arzt, Dr. Wendt, hatte
sich die Erlaubniß erbeten, mit dem
Kopfe de Enthaupteten missenschaftliche
Versuche anzustellen. Dr. Wendt, der
über sein Erperiment in einer Schrift
ausführlich berichtete, empfing Troer'S
Haupt sofort nach der Erekution aus den
Händen deS Scharfrichters. Er legte
sogleich die Zinkplotte eines galvanischen
Apparates an einen ordern vom Richt,
schwert durchschnittenen MuSkel deS
Halses. Darauf erfolgten starke Zu.
fammcnziehungen der Muskelfasern.
Dann reizte Dr. Wendt da durchschnit
tene Rückenmark, und sofort wurde im
Gesicht bei Hingerichteten der Aukdruck
empfindlichsten Schmerze bemerkbar.
Nun fuhr Dr. Wendt mit seinen gingern
gegen die Augen de Kopse Troer', die
sich schnell schlössen, al ob sie dieser
drohenden Gefahr zuvorkomme wollten.
Man hielt nun den Kopf gegen die
Sonne und in demselben Augenblick
schlössen sich wieder die Augen. Nach
dem so der Seh sinn geprüft war, wollte
man auch da Gehör auf die Prob fiel,
len. Mit lauter Stimme schrie Dr.
Wendt dem Hingerichteten wiederholt in
die Ohren: Troer! Troer! Nach jedem
Ruf öffnete der Kopf die Augen, drehte
sich nach der Seite, von welcher der
Schall kam und öffnete den Mund, alt
ob er sprechen wollte. Nun steckten meh
rere der Anwesenden ihre Finger in den
Mund dcS Kop'e, worauf der Hin
gerichtete die Zähne so heftig zusammen
biß, daß e den Inhabern der Finger
Schmerz verursachte. Erst nach zwei
Minuten und vierzig Sekunden schloß
der Kopf die Augen und öffnete sie nicht
wieder.
Hätten d! Pariser Aerzte sofort nach
der Hinrichtung MeneSclou' dessen Kops
erhalten und nicht mehrere Stunden nach
der Guillotinirung, so mären auch hier
wohl dieselben Erscheinungen zu Tage
getreten, wie beim Kopf de BreSlauer
Mörder.
Sin Scher, es rusftschtn Kaisers
Nikolaus.
Der jar reiste oft mcogntlo, von
einem einzigen General begleitet, und
mit Benutzung der Extrapost. Aus einer
solchen Reise erfuhren sie aus der Sta
tton, daß nun ein schlechter Weg beginne
und der Postwagen vor drei Stunden
nicht die nächste Station erreichen könne;
durch den dazwischen liegenden Wald
aber sei der Weg fester und angenehmer
und würde gewöhnlich von den Reisenden
in weit kürzerer Zeit zurückgelegt. Der
Kaiser und der General wollten dasselbe
thun und traten ten Fußpfad an, der sie
durch einen Buchenwald bS an ein Was
ser führte. Die Pfütze war breit und
schien tief und gefährlich wie sollten
sie nun hinüber kommen? Zufällig kam
ein Bauer desselben WegeS heran; der
Kaiser beschwerte sich, daß keine Brücke
da sei, so auch der Bauer.
.Ist also kein Uebergang hier?'
.Nein.'
.Nicht? Und wie kommst Du hin
über?'
.Ah, was mich betrifft, ich gehe jedes
Mal durch daS Wasser.'
.Selbst mit einer Last?'
,O ja. auch mitunter.'
.Zeh Rubel sind Dein, wenn Du
mich aus da andere User bringst.
Der Bauer willigte ein, nahm den
Zaren auf seinen Rücken und trug ihn
hinüber.
.Nun bringe meinen Gefährten zu mir
herüber, gleich alls für zehn Rubel. '
Der Bauer gehorchte, lud den General
auf, war jedoch kaum in die Hälfte des
Wassers angelangt, als ihm der Kaiser
zurief: .Fünfzig Rubel bekommst Du
wenn Du ihn abwirfst.' Augenblicklich
lag der General im Wasser. .Hundert
Rubel, menn Du mich weiter trägst,'
rief der General.
Der Bauer machte einige Schritte mit
ihm, al e vom Ufer wieder ertönte
.Zweihundert Rubel, wenn Du ihn her
abwtr t.'
Der Bauer befand sich in neuer Ver
legenheit. .Fünfhundert Rubel, wenn
Du mich an 8 jenseitige Ufer bringst. '
.Achthundert Rubel, hieß eS neuer.
dingS vom Ufer, .wenn Du ihn nicht
herüberbringst.'
Der Bauer ließ den General loS; die.
ser aber schlang die Arm um fernen
HalS: .Tausend Rubel, und nun zum
Teufel an' Ufer.'
Der General langte am Ufer an; der
Bauer begleitete die Herren zur Station,
wo er seinen Lohn empfing. Nachdem
die Herren gefrühstückt hatten, trug der
General unter die kaiserlichen Auslagen
die Posten ein: .Für das Frühstück 10
Rubel, für da Uebertraqen Sr. Maje
ftät über das Wasser 10 Rubel, für das
Uebertrazen des Generolö untkr allcr
höchstvertheuerten Umständen 1000
Rubel.'
Ein dvokatenkniff.
Ein in einein australischen Bankge
schäst Angestellter verspielte am Total!
sator 4000 L. Er hat das Geld der
Bankkasse entnommen, kann eS nichi
ersetzen und schüttet dem alten .Recht
beistande' seines VaterS sein Herz auö
.Wie viel kannst Du noch nehmen,
ohne sofort erwischt zu werden?'
.6000 L. etwa.'
.Gut, so bringe sie mir.'
Darauf zählt der biedere Advokat
1000 L. ab: .Si.b!i Du. mein Sohn.
die sind für mich! Diese weiteren 1000
L. sind für Dich!'
Und nun schreibt er der Bank: .Der
bei 5ibnen anaestellte N. N. hatte 10.00'
L. unttrschlagen; der Familie ist es mit
Aufbietung aller Kraft gelungen, 4t uu
L. zusammen zu bringen. Fall Sie
mit dieser Summe zufrieden ftnd und
dem iunaen Mann Straflosigkeit zu.
sichern, sollen Sie das Geld haben.'
SelbstoerstSnUlch nahm d,e Bank die
angebotene Summe.
Empfindliche Bclenrung.
Dkr nrkuöiscke Soldatenkönia Friedrich
Wilhelm der Erste lag einst am Podagra
Kart darniedkr. Seiner Gewohnheit ae.
mäß ließ er sich sein Abendgebet vor
lesen, unv eine Avcnvs, va zurauig von
seinen Anaeböriaen Niemand ugcgen
war, von seinem Kammerdiener. Dieser
las nun, aus Besorgniß, seinen Gevieter
zu beleidigen, den Segen, mit welchem
da Gebet fchlo : .Der Herr segne
Sie!'
.E heißt nicht so!' rief der König.
.Ll e noch 'mal!'
Zitternd las der Kammerdiener aber
mal: , Der Herr segne Siel'
Darüber ergrimmte der Monarch ge
wältig. Fr riß dem velblüflten Diener
da Buch au der Hand, warf e ihm an
den Kopf und schrie wüthend: .El heißt:
Der Herr segne Dich!' Vor unserem
Herrgott bin ich gerade sj ein HundSsott,
wie Tu einer bist!'
Sie denkt und kr Irnki,
.Nun. Anna, Sie wollen wieder in
meinen Dtenst treten ; ich dachte, Vie
hcirathen?'
.Ich dachte e auch!'
Ungewohnter Aufenthaltsort.
Student (der au der Kneipe kommend
einen Gläubiger zu Hause finde!): .Ras.
sinesse, zetzt suchen mich die Kerls sogar
hier!'
vienstmagd'Urtdeil.
Kätterle: .Wo gehschk denn
hin,
Bärberle?'
Bärberle: .Unser kloi nreila da hat'
Durst und will a Sodarrässerle.'
Kätterle: .Ja thut denn koi q wöhn
licheS Wasserle ni,?'
Bärberle: ,Noi sauft die nii! O.
die tS heit scho g'scheidter wie unser Bur
gemaflerle dahoim l'
heimlicher Grund.
Gatte: .Wesbalb läc&eilt Du so iro
nisch, meine Liebe?'
Gattin: .O. ich dachte so bei mir.
wie Du, ehe wir verheirathet waren,
ganz Stunden lang meine Hand in der
.'einen oalien ronnieil. Wie klnsaiiig
Du doch warst I'
Gaitt: .Einfältig? Garnicht! Ich
hielt sie uur fest, damit Du nicht Klavier
pauken solltest I'
Aufrichtig,
Sie: .Ihr Antrag ist mir sehr schmei
chelhast. Ich muß Zhnen aber gestehen,
daß ich sehr wenig höhere Erziehung ge.
nossen habe.'
Er: Da macht nichts. Ein Freund
von mir hat ein Mädchen geheirathet,
welche zweimal so dumm war, wie Sie,
und e ist doch eine glückliche Ehe daraus
geworden !'
ver vorsichtige Kapitalist.
A: .Du hast doch gesagt, Du pumpst
mir zwanzig Mark das sind aber nur
fünfzehn 1
B: .Fünf Mark behalte ich gleich zu
rück für die Briefmarken zu den Mahn
briefen, die ich Dir werde schreiben
müssen!'
Neues Mittel.
Franz: .Ich kann nicht begreifen, wie
Du ktnem fo miserablen Schauspieler
solchen Beifall klatschen magst I'
Fritz: .Ah was I DaS thue ich ja nur,
um nicht einzuschlafen!'
Ueberschätzt.
Regisseur: .Sie kennen ja Ihre Rolle
ausgezeichnet, Fräulein Schmidt! Ueber
Haupt geht das ganze Siück wie aus der
Pistole morgen lasse ich den Souf
fleurkaften entfernen.'
Naive: .Aber ich bitt' Sie dann
steht man ja den Souffleur.'
Der vorsichtige Spieler.
.Kommst Du h'ute Abend in den
Klub, Fred? Wir vollen ein Spielchen
machen.'
Fred: .Ich weiß noch nicht. DaS
HZngt von dem besuch ab, den ich jetzt
machen will. Hab' ich bort Glück in der
Liebe, dann komm ich nicht.'
Aus der Schule.
Lehier (mit einem Knaben scherzend):
.Nun, lieber Kleiner, sag' mir noch, wie
kommt denn taS, Du nennst Dich
Reichmann und bist arm . . . . '
Der Knabe schädig'; ein anderer mel
det .sich zum Worte und schreit: .Ich
weiß es, Herr Lehrer 1 Das kommt daher,
woher es kommt, deß Sie Müller beißen
und keine Mühle haben!'
Auck wahr. ,
Richter: .Sie sagen, daß Sie Ihr
ganzes Leben nicht auö der Noth gekom
men seien. Das ist eine Lüge.'
Angeklagter: .Nur eine Noih-Lüge,
Herr Richter.'
VCit Du mir, so ich Dir.
Ein Frau versetzte, um auf einen
Ball gehen u können, ein Kleidungsstück
ihre Manne. Als der Mann davon
erfuhr, gab er sur,er, Ehehälfte eine Ohr
feige. Darüber zur Rede gestellt,
äußerte er: .Ich habe nur Gleiches mit
Gleichem vergolten ;. sie hat mir eins
verseht, darum habe ich ihr auch eins
versetzt.
kr kennt sie.
.Ich mußte zu Dir m.f Büreau
kommen, Männchen, solche Sehnsucht
hatte ich plötzlich nach Dir!'
.Hast Du die Rechnung gleich m'te
bracht?' "
Die glückliche Schwesier.
Dame: .Herr Lieutenant, wa macht
denn Ihr Fräulein Schwester?'
Lieuienant: .Freut sich ihres Bru
deril'
Rasern enbliitlze.
Unterossicier zu einem Recruten, der
sich sehr ungeschickt ,anstellt: .Kerl, wie
können Sie das bloZ verantworte:', daß
Sie so dumm find; durch Ihre Dämlich
keit kann ja der ganze nächste FclZzuz
verirren gehen I I I'
i