Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 16, 1893, Image 12

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    o
Der neugierige Schneider.
Bm Zlrmnd.
n einem Städtchen der Mark Bran.
dknburg hatte fich in Schnkidermeister
l Rentier niedergelassen. Der Mann
ar reich, so viel stand fest, wie viel er
der besaß, ußte Xtxntx zu lagen.
II da, groß Schwindeljahr 1873
kam. wo di Herren Giünder. schvmv
lr und Betrüger oben schwammen, wo
Deutschland .heidenmähtg' viel eiv
hatt und jeder dumme Commi that, als
bitte r die fünf franzSstschen Milliarden
fo seinem Portemonaie, fand flch auch in
dem Städtchen, welches unser Schneider
betvohnte, in Gesellschast grllnvung,
lustiger KapKaliften zusammen und be
rietben. va wohl ein .allgemein ener
kannte Bedürfniß' wär, bei dem man
och durch ffaullenlerei verdienen rinne.
In der Rih jene Städtchen befand
flch auf einem Gut ine Brauerei, deren
Bier weit und breit im besten Ruf stand.
Nennen wir da Gut Slaffelde, denn der
Name tbut nicht ,ur Sache.
Die Gesellschaft bildete sich also, die
Brennerei wurde avaekau t. ktten au
aeben. Dividenden schon im Vorau
berechnet für Gimpel, die auf diese Leim,
ruthen gehen sollten mit einem Worte,
da Geschaht war eingeleitet, vt reim
rutbev aufaegellt. die Boaelfänger be,
fanden sich in ihrer Strauchhlltl und
arteten ihrer Ovier.
Zu denjenigen, welche sich durch Aktien
stark an dem Unternehmen oethettlgt aal
ten, gehörte auch jener Schneider Namen
Weck. Von feinen Zinsen lebend, ge
hörte er jenem Drohnengeschlecht der
Rentier an. die trotz ihre Gelde aus
Kosten der Andern leben und ein Unheil
kür die Gesellschaft sind.
Er hatte wenig zu thun und besuchte
deshalb meistenthell die Gastmlrthlchaf
teu de Städtchen, besonder den golde,
nen Stern, wo sich allabendlich die
.armen Vornehmen", mit te ein witziger
Kops nannte, einfanden, d. h. Leute mit
ausgedehntestem reichstem Kastengeist und
Dunkel, aber mit leeren .aschen.
Hier saß unser Schneiderlein, meist
still und zuhörend, denn die .armen Bor,
nehmen' hielten ihn nicht für würdig in
ihre Gesellschaft gezogen zu werden. An
und für sich war aber Meister Meck auch
wenig mittheilend, sondern weit mehr
neugierig. Besonder gern hörte er über
die Wunder der Berliner Gründungen
und die Millionen sprechen, die dabei ge
wonnen wurden, über die armen Opfer
sprach keiner, gerade wie über da große
Loo viel gefabelt wird, während kein
Mensch eine Silbe über die Tausend von
Nieten verliert.
Nahm der Meister wirklich 'mal eine
Zeitung zur H?nd, so hielt er dieselbe
geschickt vor' Gesicht, um desto ungestör
ter lauschen zu können, wag in seiner
Nähe gesprochen wurde.
Die war dem Steuereinnehmer de
Städtchen, der ein witziger, aufgeklär
ter Mann war und von dem die Be,
zeichnung arme Bornehme' herrührte,
schon längst ein Stein de Anstoße
gewesen. Er und feine Freunde ärger
ten sich über den neugierigen Schnei
der, denn der harmloseste Mann hat
Dinge, die er wohl seinen Freunden mit
theilt, aber doch nicht jedem Narren auf
die Nase bindet.
Im Städtchen fanden sich außer dem
Einnehmer noch fünf bis sechs vernünf,
tige Männer, die mit dem Ersteren eng
befreundet waren und sich allabendlich im
Stern mit ihm trafen.
Nebenbei fei noch bemerkt, daß ein
jüdischer Geldmann, ebenfalls im Städt,
chen wohnhaft, .Direktor' der Staffel
der Brauerei und guter Freund von
Meister Meck war, den er veranlaßt
hatte, sich mit einer namhaften Summe
bei dem Unternehmen zu beteiligen.
Der Einnehmer hatte e dem Schnei,
der schon lange zugedacht, ihn für sein
Neugier und sein Horchen zu bestrafen.
Zu diesem Behuf hatte er seine Freunde
dahin angewiesen, auf seine Reden zu,
stimmend einzugehen.
Die Gelegenheit ließ nicht lange auf
sich warten.
DaS Gastzimmer im goldenen Stern
ar wie immer so auch heute Abend wie
der ziemlich gefüllt. Auf dem Sopha
hatte der Einnehmer und seine Freunde
Platz genommen und unterhielten flch
über allerhand Dinge, auch über die,
welche da ganz hinten in der Türkei'
vorgingen.
Nach kurzer Zeit fand sich auch Mei
fier Meck ein und nahm, da der Stuhl
neben dem Sopha, aus dem der Einneh
wer saß, leer stand, auf diesem Platz.
Nachdem über allerlei politische Ange,
legenheiten gesprochen war, leitete der
Einnehmer, dem wohlbekannt ar, daß
fast das ganz Vermögen dS Schneider
in Aktien der Staffelder Brauerei steckte,
da Gespräch geschickt auf industrielle
Unternehmungen über.
Da muß man sagen, bemerkte Bäcker
meist Schilling, die Berliner sind ver
dämmt gescheit Kerl !
Die verstehen'! bestätigte SattKrmei
fter Schlotthauer.
Da erde jetzt Millionen in einer
Stunde verdient! sagt der Kaufmann
Schott.
Aber auch in iner Stund Millionen
verloren! Die bitte nicht z vergessen,
versetzte Gastwtrth Lehrend.
Apropo. sagte jetzt der Einnehmer
halblaut, aber doch so, daß e Schneider
Meck hörte und verstand, d ir gerade
von Aktien. Gesellschaften sprechen, haben
Sie denn schon von dem Unglück gehört,
da fich neulich in unserer Näh zugetra
gen hat?
Wo! fragte Alle. .
In Stafselde. rwiderte der Einneh
er wieder halbkaut.
Man konnte deutlich über der oorge
haltenen Zeitung sehen, wie sich da kahle
Haupt de Meister Meck neugierig vor
beugte, um den hören zu können.
Wa ist da geschehen? fragte der Satt,
ler, der Hauptmann de Vertrauen
eorv. sehr beleibt ud ein Mann von
Einfluß ar.
W ssen Sie' irklich nicht? fragt
snnerset! der mnehmer halblaut.
Wahrhastig nicht' versicherten All,
Die Slafselon Aciienbrauerei ist fer
tig bankerott antwortet der Ew
nehmet.
Große Verluste?
Sind Hopfen und Gerste so in die
Höhe gegangen? fragten verschiedene
Personen au der Gesellschaft, , während
der Schneider den Kops immer mehr vor
reckte und seinen Arm aus die Sopha,
seitenlehvt legte, um dem Sprechenden
immer naher zu kommen.
Da nicht, meine Herren, aber die
Gesellschaft ist ruinirt. fuhr der Einneh
mer halblaut fort, in ihren Kellereien ist
der Eismurm.
Der Eiöwur? rief Bäckermeister
Schilling.
Wa, der Eiwurm ? wiederholte
altwtrlh ehrend.
Da sind sie freilich bankerott, setzte
ptermetlt Franke hinzu.
RettungSloi bankerott! ergänzte
ausmann Schatte, denn gegen den El
wurm hat noch kein Mensch in Mittel
gesunden, wo der erst haust, da ist Alle
verloren!
Der Schneider wird in seinen Bewe
gungen immer unruhiger und scheint auf
seinem Stuhl keinen Platz mehr zu ha.
ven oder keinen mehr zu nnden. mam
dem er noch allerlei Manöver gemacht,
erhebt er fich, nimmt seinen Hut vom
Riegel, zieht seinen Paletot an und ver
laßt spornstreichs da Zimmer.
Des Einnehmer Gesellschaft ficht fich
lächelnd untereinander an, nachdem Mei,
fter Meck fort ist, endlich sagt der Ein,
nehmer:
Da wäre geglückt, nun bin ich blos
aus da Weitere neugierig.
Wa that unterbeß der Schneider
Trotz der schneidenden Winterkälte und
de die Straßen fegende Winde eilt er
nach dem Hiuse, in dem der Herr ,D ck
ter' Friedmann wohnt.
In der Wohnung desselben im ersten
Stock ist Alle finster: er Herr D'reck
ter ist Agent einer Feueroersicheiungüge,
fellschaft und al solcher hat er ein
Rundreise bei benachbarten Gutsbesitzern
gemacht, ist ermüdet und halb erfroren
nach Hause aekommen und hat nach kur
zem Imbiß sich zu Bett gelegt: die Seini
gen find seinem Beispiele gefolgt, denn
e ist nicht mehr so früh: aus der Rath
hausuhr hat eZ bereits halb zehn geschla,
gen.
Plötzlich vud er au seinem ersten
chlummer geweckt.
Friedmann I Friedminn! ertönt eZ von
unten herauf.
Der err .B'reckter' reibt ftch halb
chlaftrunken die Augen, kriecht aus dem
Bett, geht im Hemd und im Finstern
an' Fenster, öffnet es, steckt den Kopf
hinaus und läßt die halb ärgerliche Frage
ertönen:
Wer ist da ?
Meister Meck, Herr Friedmann.
Wa giebt'S denn?
Um GotteS willen, lieber Friedmann,
kommen Sie mal geschwind herunter, ich
habe Ihnen wa sehr Wichtige zu sagen.
Schnell, schnell!
Der .B'reckler' der Mettt Meck al
einen sonst ruhigen Mann kennt, der sich
nur reifert, sobald e flch um Geld
handelt, zieht flüchtig den Schlafrock an,
und zündet ein Licht an, stolpert die
Treppe hinunter und öffnet dem halbser
rorenen Schneider die Hausthür.
Welch' ein llnglücki btmmlt cher Batet.
welch' ein Unglück! bricht der los, al
er sich mit dem Freunde auf dem Flur
allein sieht.
Ja, wa ist denn los fragt der
,D'rckter', der wie alle Geldmenfchev
und Spieler mehr beim ruhigen Blut
bleibt, wi viele andere Personen.
Wisse Sie von dem Unglück in
Staffeld nichts?
Keine Silbe Brauerei abgebrannt?
Gott bewahre! stöhnt Meck.
Der Kassirer durchgegangen?
Nein, nein! denken Sie doch Mensch,
in den Kellereien ist der EiSwurm!
Und während er dies sagt, ist er den
hellen Thränen nahe, wie da Schluchzen
in seiner Stimme andeutete.
Der EiSwurm?! wiederholt Fried,
mann rschrockcv.
Lass Sie ansvannen, erwidert Mei
ster Meck, und lassen Sie uns sofort nach
Slaffelde fahren, um unZ von dem Um
fang de Unglück zu überzeugen.
Und um morgen früh, bemerkt der
.D'reckter', ehe irgend Jemand etwas
ahnt, durch den Telegraphen den Verkauf
unserem Aktien an der Berliner Börse
aufzugeben.
Prächtig, prächtig! ruft Meck, ach
Friedman, Sie find ein herrlicher
Mensch, zum Direktor, zum Bankier wie
geschaffen.
Der Kutscher, der fich soeben erst zur
Ruhe gelegt hatte, wird geweckt und muß
die müden Pferde wieder vor den Schlit
ten legen. Mit Flüchen und Verwün
schunge geschieht die endlich.
D'reckter' und HauptaktionZr eh,
me im Schlitten Platz und fort geht e
nach Staffeide, da anderthalb Meilen
vom Städtchen entfernt liegt.
Unterwegs wird von Beiden das Un,
glück nach allen Seiten hin besprochen
und erwogen. Bei alledem gratulken
fich aber Beide, daß sie noch bei Zeiten
von dem Malheur benachrichtigt wurden,
sodaß sie persönlichen Verlusten hoffent,
lich och vorbeugen konnten.
, E ist fast Mitternacht, al sie in
Staffeld anlangten, die Brauerei ist
noch erhellt; beim Kassirer allei dunkel,
da schläft Alle.
Mit Mühe gelingt e den soeben An.
gekommenen, den Kafsiier, die Haupt
xers auf de Gehöft, zu ecke; a
sie mit großer Vorsicht bewerkstelligen.
Sie isse in welchem Zimmer er
schläft. An die Fensterscheiben desselben
klopft Friedmann; der asfirer erwacht
endlich, denn Friedman klopft leise, er
will nicht, daß aus dem Gehöft und in
der Brauerei Lärm wird, weshalb Beide
auch vor der Hofthür auSgeftiezen und
zu de Kassirer Wohnung mehr geschli,
chen al gegangen find.
Endlich hat sich Je nun ermun
tert, öffnet da Fenft und sieht
heraus.
Vor flch im Schne fleht r zwei dicht
mummte, halberfrorene Gestalten
stehen. Der Eine greift da Wort
und redet ihn halbleise an:
Gute Abend, lieber Meißn.
Ah, schönen gute Abend, Herr Direk,
tor. da ist wohl Herr Meck, eng ich
mich nicht irre, der da eben Ihnen
steht?
Aufzuwarten, Herr Meißner.
So spät, meine Herren?
Ja, recht spät und Sie könne, wohl
denken, daß un ur sehr schwer Gründe
yermhren.
Was für Gründe, meine Herre?
Mein Gott. lieber Meißn, sollten
Sie noch von nichts wissen?
Betrifft'S di Brauerei?
Wa anders?
Himmlisch Vater, lieber Herr
Meißner, flüstert Meck zitternd und
bebend, mir haben ja den EiSwurm in
unsnen Kellereien?
Und da wissen Ei nicht? setzte
Friedman fragend hinzu.
eine Idee, meinen crre. WaS
ist da für eine Nachricht! Bringt der uns
Schaben f
ES ist der Ruin der ganzen Braue,
rei
W die Canaille flch erst festsetzt, da ist
kein Hnl mehr, ergänzte Meck.
Gedulde Sie ftch inen Augenblick.
ich bin gleich bei Ihnen, versetzt Meiß.
ner, oder kommen e lted herein.
Ich werde sofort den Braumeister rufen
lassen.
Friedman und Meck folgen d Ein
ladung und bald darauf sitzen sich alle
drei im Schlafzimmer des Kaffirer ge,
genüb und erwägen all Tiefen de
furchtbaren Unglücks, da üb st herein,
gebrochen.
Wer hätt da gedacht ! sagt b Cm.
Wi kommt die Bestie hierher? der
Ande.
Ja, das fragen Sie! der Dritte.
Schrecklich!
Entsetzlich!
Fürchtlichl
Da hört man knarrende Schritte im
Schnee: eS ist dn Braumeister.
Alle drei fitzen da. wie drei Ver
brecher, welche die Publikation ihre
TodeSurtheilS warten; die Entscheidung
naht.
Der Braumetfter, ein echter aemüth
lich Ban, tritt in und ist nicht wenig
erstaunt, den Herrn Direktor und den
Hauptactionär zu so spät Stunde vor
ftch zu seyen.
Guten Abend, meine Herre! sagt n
höflich grüßend.
Gute Abend, lieb Meist, erwidert
Friedmann uud fährt gleich darauf in
eierliqem ittn fort: leb Meister.
ich mutz Sie bitten, üb da?, was mir
hier behandeln, da strengste Schweigen
zu beobachte.
Hr Direktor. san'S überzeugt.
das i
Ich mei. ich meiü. lieber MeiiZ.
Unser Unternehmen ist vom Ruin be.
vroyr, ja, m vielleicht schon rutnirt
JeflaS. Maria. Josef, wag soaen'S do.
He x DiKltor? ruft dn Braumeister auf
den Tod erschrocken aus. WaS iS'S
denn? Sprechen'S!
Um e tun tu fassen, fübrl mt
.D'reckter' fort, ia unsern Kellneien ist
der Eiswurm.
WaS for a Wurm? sraat d Brau,
meist.
D EiSwurm. miederbolt Schneid
Meck, mährend der Blick des KassirerS
mit unbeschreiblich Angst unverwandt
auf dem Braumeisi ruht.
Was i dö kor a Wurm? sraat dieser
endlich erstaunt.
Ja, das muffe Sie doch bess wissen,
wie mir, erwidert Friedmann.
Natürltcb m edbolten Meißner und
Meck wie mit einer Stimme.
Meini ßerrcn. verseht der BraumeZ,
ster endlich t Kälber Saffuna. i kenn
holt allerhand Würmer, ob oun a Ei,
wurm hob i mei Lebtag nix hiert. WaS
soll So sor & Gewürm fein? sreßt dös
EiS, oder saufet'S holt Bier?
Ja. daS müssen Sie ia missen, wieder.
holt Friedman , Er muß doch, wie sein
Name anzeigt, im Eis leben, odn
Nu ob olliwoil lossen'S mi mfilc
den. meini Lernn, bricht d Braumei,
st lachend au. Vun welchem Sans,
narr'a hoben'S sich so etwas aufbinden
lassen? Ja mei Leben, un t bi halt 3
olt. hob i no r.lr vun so aaneu GeiKi
hiett.
Da sehen strn die Drei unter einander
staunt an, dann den gemüthlichen Brau,
meist, der flch iedt kalbtodt lache will.
Endlich üdzeugen sie sich, daß sie
schändlich düptrt worden sind, besonders
naqoem mus mitgetheilt hat, cr yave Sie
Nachricht ufZllia durch de Einnekmn
r l ' " ' u - 1 - - 7
fahre.
Erleichterten Serien kefire die Bei,
den nach d Stadt zurück, nachdem sie
den Beamten auf der Brauerei tiefste
Verschwiegenheit empfohlen habe, allein
was oairtn all oteje Empfehlungen?
Die Sache kam bald genug inZ Publikum
und ss auch tu de Obren de5 S'.nneK,
mer und fein Freunde.
Von da ab hießen die beiden Häupter
der Staffeld ctienbrauerei: .die Ei
würmer'. Was Schneider Meck anbelangt, so hat
man ihn nie mied?? kn Ster gesehen
und dem Einnehmer ging er, man zu
sage pflegt, schon zehn Schritt aus dem
Wege, sowie n ihn nur gewahrte.
Coto
tm Italienischen be S. d'Annunzi nach
erzählt. Bon Waldemar Kaden.
ES ar eine Art ungelecktn Bär, viel,
leicht niedergestiegen aus einem je
eichenummaldete Gebirgsthäler d
Majella in die Ebene; er hatte ein
schmutzige Gesicht, schwarz starr, über
die Stirn heinhängende Haare, zwei
runde, ewig unruhig bewegte Aeugseia
von der Farbe der Exheublüthe.
In dn guten Jahreszeit strich durch
die Felder, mauste Fruchte von den Bäu
men, la Brombeeren von den Hecken,
odn üble sich an den grünen, im Son
nenglanz schlafenden Eidechsen im Stein
werfen. Er stieß gewisse, kurze, heisere
Laut au, die an die Stimme de &ct
tenhunde erinnern, wenn ihm die Gluth
der Augustsonne zu sehr zugesetzt, oder
stammelte und laute unvnstandltchk
Zeug hn wie in Wickelkind. Er war
ßltmm, der arme Toto l . . . .
Di Vriganlen hatten ihm die Zunge
auSaeschmtte. Cr hütete damals du
Milchkuh des Herrn in der Niederung,
ao d roth Klee und die Lupine wächst.
blies auf seiner Schilfpfeife, schaut den
Wolken zu, di wi dickn Rauch um die
Wipsel pflogen, otn blickte den Wild
enten nach, welche ein Windstoß übn die
Flache trieb. An einem Spätvachmit
tag, während der Scirocco in den Eichen
wühlte und da? breite Majellagebirge
i einen violetten Schlei hüllte, war
der Mors gekommen mit zwei Anderen,
halt ihm die gefleckte Kuh eggenom
men und ihm, der zu schreie angefan
gen, ein gut Stück Zunge abgeschnitten.
.Geh' und erzähle. Du Henkerssohn!'
hatte ihm der Moro beim Weggehen ge
sagt.
Toto war nach Hause gekommen,
schwankend, die Arme um sich merfend.
während ihm das Blut aus dem Munde
strömte. Nur durch ein Wund ward
er gerettet, aber immer erinnerte er sich
des Moro, und als er ihn eines Tage
traf, gefesselt, von Soldaten eökornrt.
fo warf n ihm einen Stein in die Rippen
und entfloh laut lachend.
Bald darauf verließ er auch feine alte
Muttn in der alten Hütte untn den
Steineichen und machte den Vagabun,
den, barfuß, schmutzig, verhöhnt von den
Gassenjungen, zerlumpt, ausgehungert.
Er war auch boshaft geworden. Manch
mal, wenn er ausgestreckt in d Sonne
lag, belustigte er sich damit, eine auf
dem Feld gefangen Eidechse od einen
Rosenköfer langsam zu Tode zu quälen.
Wenn, ihn die Jungen ärgerten, so
grunzte wie ein wildes Schwein, das
die Hunde gestellt. Endlich prügelte n
einen derselben einmal tüchtig durch und
von jenem Tag an ließen sie ihn unge
schoren.
Nini aber hatte ihn gn, feine gute,
seine schöne Nini, eine mageres Ding,
das Gestcht von Sommnsprossen bedeckt,
ein Büschel strohgelb Haare auf der
Stirn.
Sie hatten sich zuerst unter dem Thor
bogen von San Roco gesehen, da lag
Nini, in einem Winkel hineingeschmiegt.
ein Stück Brod verschlingend; Toto, der
keines hatte, schaute ihr gierig zu und
leckte sich die Lippen.
Willst Du was?' hatte ihn das
Mädchen mit dünner Stimm gefragt,
indem, sie ihre großen Augen, hell wie
der Septemberhimmel, zu ihm höbe.
.Ich hab' da noch ein Stück.'
Toto näherte sich lächelnd und nahm
das Stück. Sie aßen beide im tiefsten
Schweigen; zwei odn dreimal trafen
sich ihre Augen und sie lächelten.
.Wo bist Du denn her?' fragte Nini
leise.
Er gab ihr durch Zeichen zu verstehen,
daß er nicht sprechen könnte, öffnete den
Mund und zeigte ihr den Stumpf der
Zunge. DaS Mädchen wendete die
Augen nach der anderen Seite; sie hatt
flch gewaltig entsetzt. Toto bnühtte fte
leise am Arm, er hatte Thränen in den
Augen und vielleicht wollte n sagen:
.Sei nicht so; verlaß Du mich nicht
auch: sei doch gut!' Aus seiner Kehle
ab kam ein Laut, daß die arme Nini
zusammenschrak.
.Lebewohl!' sagte fle fliehend.
Aber fle sahen flch spät wied und
schienen wie Bruder und Schwester.
Sie säße zusammen in d Sonne.
Toto legte seinen großen braunen Kopf
auf Nini'S Knie und schloß halb die
Augen vor Vergnügen, wie eine Katze,
wenn ihm die Kleine mit d Hand in
den Haare wühlte und ihm immn das,
selbe Märchen zählte vom Zauberer
und der Königstochter.
.ES war einmal ein König, der hatte
drei Töchter, uud die kleinste hieß
Sternlein und hatt goldene Haar und
Augen wie Diamanten, und wenn fle
vorbeikam, sagte Alle: .Da kommt
die Madonna!' und verneigten fich.
Eine TageS, wie sie Blumen im Gar,
ten pflückte, sah fle einen schönen, grü
ven Vogel auf einem Baume . . . . '
Toto, eingelullt ven ihrer schmei,
chelnden Stimme, schloß die Augen,
schlummerte ein und träumte von Stern
chen. Da wurde die Rede Nini'S immn
langsam, immn leiser und hörte nach
und nach ganz auf. Die Sonne goß
freundlich ihre lichte, warme Fluth über
da armselige Häufchen Lumpen.
Viel Tage vergingen so. Sie theil
ten sich ihr ErbeltelteS, schliefen auf dem
Pflaster, strichen durch die Campagna,
durch die traubenprangenden Weingär,
ten, in steter Gefahr, von dem Feldhüter
angeschossen zu werten.
Tot schien glücklich. Manchmal lud
n sich da Mädchen auf de Schulter
und, a haft Du I WaS kannst Du !
ging qunfeldein über die Gräben, über
di Hecken, über die Düngerhaufen, bi
er glührolh im Gesichte, laut auflachend
unter einem Baum oder in einem Röh
richt zusammensank. Nini lachte ach,
aber wenn ihr Blick durch den im Lachen
Seössnete Mund aus den zitternde
ungenstmpf siel, faßte sie ein Schau,
dn de Ekel, dn ihr bi auf' Mark
gmg.
Da! mnkte dn arme Stumme oft und
war dann traurig für den ganzen Rest
oe nage?.
Ab w mild ist der Oktober. Die
braune Berge heben fich deutlich von
dem klaren grünlich,weißen Hintergrund
ab, der nur m untnen Rande in leichter
Bettchensarbe dunkelt, während die Höh
im reinsten Blau strahlt. Nini schli
mit offenem Munde im Heu und Toto
kauert daneben und schaut sie an. We
nige Schritte davon war ein Heck au
dürrem Schilf, da standen zwei alte v,
witterte Oelbäume. Wie schön war der
Himmel, durch da Schilf und durch
vie silvergrauen lütt d Oliven ge
eyen.
Der arme Stumme dachte und dachte
.... ja, an wa hatte zu denken?
Vielleicht an Sternchen? An den Moro?
n die gelbe Hütte untn dn Stkineiche.
wo ine Alte allein sitzt und spinnt und
umsonst wartet ?
D Duft de Heue onsehte ihn in
eine Art Rausch; wie Ameisen lief r
durch fern Blut, keine Schau, Flam,
men, vie ihm den Kops umwirbelten,
Vorstellungen, glänzende Bildn und
Schreckgeftalten erzeugten, die in dem,
selben Augenblick wieber verwehten.
war wi oaa Heuer aus einem
Stoppelfelde: kanm berührt die Flamme
die kurzen Halme, so glänzen fte auf,
glühen, krümmen flch, knistnn und find
schon zu Asche geworden, wenn uns
Auge noch ven Glanz sucht.
Nini athmete ruhig mit zuiückgeboge
nem Haupte. Toto nahm einen Halm
und kitzelte fle an der Kehle. Nini macht
eine Bewegung mit der Hand und gab
einen leisen Laut von sich, schlief ab
weiter. Dn Stumme zog ftch zurück,
die Hand vor dem Munde, um da
Lachen zu halten; dann stand er auf.
pflückte ein paar Hände weißn Blumen
vom Felörande und streute sie um da
Lagn her. Hierauf beugte er fich übn
Ntnt, bi n ihre aarmen Hauch im
Gestcht fühlte, beugte flch tiefer, immn
lies, noch mehr, ganz langsam, wie be
zaubert.... schloß die Augen und küßte
ihren Mund. Z)aS Mädchen zuckte zu.
summen, schrie auf und erwachte. Als
fle Toto sah, über sie hinweggebeugt mit
geschlossenen Augen, ganz roth tm Ge
sichte, lachte sie.
Dumm Kerl,' sagte sie mit ein
Stimme, die manchmal etwas vom Klänge
ver Zvcanoolina haue.
Sie blieben noch eine Weile nnd walz
ten sich ganz vergnügt im Heu.
An einem Sonntag im November
gegen Mittag fanden sie sich unter den
Thorbogen von San Nocco. Die Sonne
goß von dem klarblauen Himmel einen
leichten weißen Schein üb die Häuser
und tn diesem Lichte leuchteten die Fest,
glocken. AuS dem Innern des OrteS
kam in verwirrter Lärm, wie das Sum
men eine Bienenstockes. Sie waren
allein; auf in Seite die einsame
Straße, auf der anderen die frrsch
gepflügte Feld. Toto blickte auf den
blühenden Epheu, der aus einem Risse
der rothgetünchten Mauer herabhing.
.Nun kommt der Winter, saute Nini
nachdenklich, und schaute auf ihre nackte
Füße und auf das verschossene Fähnchen
von Kleid. .ES kommt der Schnee und
macht Alles weiß; ir haben kein Haus,
wir haben kein Feun. Ist denn Deine
Mutter gestorben,'
Dn Stumme senkte den Kops ; nach
kurzer Zeit abn richtete n fich auf, feine
Augen blitzten, er deutete in die Ferne
hinein.
Sie ist noch nicht gestorben Er
wartet sie Dich?'
Toto nickte, dann machte er noch ewe
Menge andern Zeichen.
Er wollte sagen : Gehen wir nach
meinem Hause, da drüben ist eS am Ge
birge; da giebt'S Feuer, da giebt'S Milch
und Brod.
Sie wanderten und wanderten, über
achteten i Gehöfte, in Dörfern, oft
litten sie Huriger, oft schliefen sie im
Freien, unter einem Wagen, an eine
Stallthür gelehnt. Nini stand viel aus,
fle war ganz fahl geworden, die Augen
waren erloschen, die Lippen bleich, die
Füße geschwollen und blutend. Wenn
Toto sie ansah, fühlte er sich vor Mit,
leid vergehen; n hatte ihr seine durch,
löcherte Jacke umgehängt; er trug so oft
große Stücke auf fewem Rücken.
Eine? Abends nach einer langen Wan
derung, fanden sie kein HauS; dn Schnee
bedeckte den Boden schuhhoch und noch
immn schneite S in großen Flocken,
der Nordwind wehte. Nini, dn di
Zähne vor Frost und Fieder klapperten,
hatte sich ihm um den Hals gewunden,
wi in SchlSngelchen und ihre leisen
Klagen, die wie Röcheln schienen,
gingen dem armen Teufel wie Dolchstiche
durch S Herz.
Aber er schritt weuer; er suyit
Nini'S Herz gegen daS feine klopfen. . . .
Dann fühlte er nichts mehr; die kleinen
hagnen Arme deS Mädchens umfaßten
ihn starr und kalt wie Stahl, dn Kopf
hing nach hinten über.
Er fttek einen Schrei aus, i oo iym
eine Ader ia der Brust gesprungen wäre,
dann drückt er den entseelten Körper nur
fester an sich und schritt in d Thalliese
dahin, umwirbelt vom Schneegeftöbn.
umheult vom Nordwind, der sich wüthend
wie ein hungriger Wolf auf h ßürzne.
h,
n
!
r wandelte und änderte, bi. ihm d
Muskeln ftarr wurde, li ihm ra 8&K
erstarrte, da fiel er plötzlich zunamme,
noch imm di klein Leiche
er
Srust. Bald hatte der Schnee
gedickt. . . .
1
aserntzostlStdx. X
Unterossizi: .Sprechen Sie doch da
.Ja!' auf meine Frage nicht imm s,
lispelnd au, als wenn St sich sie
ein rschämt B rt hielt
nnd mich für einen Traualtart'
Sergeant: .Donneraetl, da AY
mir da Wahre, daß ein Ei jäh rl
ger parsümerirt zum Diensk
kommt; da seh'n Sie mich n, ich bt
Sergeant und riche ie gutt'
schlagfertig.
Studiosu Paukmeier: .Sie leh
meinen HeiralhSantrag ab. Ha! Wen,
Sie ein Mann mären, ich würde Jh
sofort meinen Cartelllrägn senden.'
Junge Dame: .Unnöihlg, te wird
ich auch nicht heiraihen.'
Ersatzmittel.
Richtn: .Und warum warsen Sie
denn dem Klägn den Maßkrng an tai
Kopf?'
Angeklagt: .Ich fand gerad kein
Worte.'
Nobel.
Richter: .Sie sollen die Tochter de
Herrn Commerzienrath auf offen
Straße umarmt und geküßt habenl'
Strolch: .Herr Präsident. Ich bin ein
Ehrenmann und weiß, wa ich z thu
habe: Ich werde sie heirathen!'
Abgeblitzt.
.Ich bitte Dich, alt Jung, leih'
mir zehn Mark.'
.Thut mir leid, hab' gnad kein Geld
bei mir.'
.Und zu Hau?'
.Danke! Alle wohl und munter.
Mahlzeit!'
Empfehlung
Frau
(bei Aufnahme
ein ue
Köchin):
Sie haben auch einen Gelieb
tMl!""
Köchin:
.Ja, abn tn hat sehr wenig
Appetit.'
Ehelicher Zwist.
Gatte (wüthend): .Ich wünschte.
ich
wäre todt ! '
Gattin: Ich wünschte, ich wäre auch
todt?'
Gatte: .So? Na, dann nehm ich
meinen Wunsch zurück!'
Militärisches.
Feldwebel: .Himmel, ist dn Mensch
mager! Sofort haben Sie mit ' hvr
schaftlichen Köchin ' Verhältniß anz,
knüpfen.'
Rindermuud.
.Jetzt wirft Du bald mein klein
Schwager werden. Deine Schwefln km
ich sind schon verlobt.'
Fritzchen: .Uise! Die Schwejin ar
chon oft verlobt.'
Zerstreut.
.Nun, Herr Professor, auf war
ten Si den da?'
Auf meine Gattin, die ich vo
Theater abhole möchte. . . '
.Aber ich bitte Sie. Herr Pro eor.
Sie stehen ja gar nicht vor dem Theatn,
ondern vor der Ana tm t l'
Unverfroren.
Gläubig: .Ich muß unbedingt mei
Geld von Ihnen haben; ich hab em
größer Zahlung zu machen und desinde
mich in der größten Verlegen
heitl'
indlich.
,So, Mark, jetzt bet' schön vor dt
Schlafen: Lieber Gott, mach' mich
romm, daß ich in den Himmel komm I'
.Aber, Mama, ich bin ja kaum
erst heruntev!'
Schwere Kunst.
.Wie in all Welt können Si nur
gleichzeitig essen und lesen?'
.leinigkett l Mit dem t n ua
les' ich, mit dem andern ess ich!'
Ominöse Gegen.
Director: .Wo haben Sie denn Ihre
Braut kennen gelnnt?'
Beamt: .Aus emn Rene im
Harz!'
Director: ,O Sie Pchvogl!'
Die Ordnung in der Nat.
Lieschen: .Ich begreif nur nicht, ie
der kleinen Schweiz so viel groß
in
Berg Platz haben !'
Gouvernante (in Muster von Ord
nungöliebe): .DaS ist nur deshalb mög
lich, weil jeder an seinem gehörig, '
Platze steht!'
Das wichtigste.
.Bist Du mit Deinem Brief och
nicht fntig, Aennchen?'
Schon lange ich denke nur nach.
was ich als Postscriptum schreiben soll!'
Auch ein literaturfreund.
Lehrling, (beim Charcutin): Si,
möchten so gut sein und mir sür 10 Pfen
nig' von dem schönen Theaterstück geben,
in da Sie immer die Würft' einwickeln!'
Ein sonderbarer Betrüg.
A: .Du, der dort hat mich auch i.
80,000 Mark gebracht!'
B: .Wieso?'
A: .Er hat mir seine Tochter nicht
geben!'
V
s
r