Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 31, 1893, Image 9

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    Peter im Gefängniß,
H,,mo',ei!k 0011 all jJ r o 1 1.
Nicht der Apostelsüist ist gemeint,
sondern das wackere Schneiderlein mit
StovvelbsarkN und zerknittertem Gesicht,
das stet eine abenteuerliche Geschichte
eigener der fremder Erfindung, im Munde
führte, die e meistens selbst glaubte nd
manchmal gar nicht verstand. Der
fremde Wundervogel, der in da leicht
geheftete Hirn geflogen kam, wurde ge,
rupft, bis in ungefiedertes Nackedei"
übrig blieb, das nicht empoiflattern
konnte und der Zechbrüder lärmenden
Reigen ergötzte.
EmeS Abend erzählte Peter GSdicke
am Stammtische, daß er genau unter-
richtet über das nächste Attentat sei,
welche die russischen Nihilisten beabstch
tigen. Ein Mann werde an den Zaren,
sobald dieser die Jsaakökirche besuche,
herantreten und sagen : Majtstät,
Ihnen ist ein Knops ubgesprungen. Ich
habe ihn gesunden und kann ihn gleich
wieder annähen, Und mährend stch der
Zar noch sür diese loyale Gesinnung bc
dankt, führt der Berschvörer bereits eine
Nadel zu der Brustnaht, mo der sehlende
Knopf gesessen. Die Nadel ist hohl und
mit Dynamit geladen. Berührt sie den
Rock, dann platzt die Geschichte los."
Ja, woher uiiffen die Nihilisten, daß
dem Zaren ein Knopf fehlen wird ?"
fragte der Bäckermeister! sie haben
wohl den i.'elbkam',nerdikner bestochen?"
So muß es wohl sein," gab Peter
zurück, es wird ihnen genug schweres
Geld gekostet haben."
Nein," ergänzte der V.irbier, das
läßt stch billiger besorgen. Irgend einer
der schwarze Bande macht sich an den
Kosaken, der am nächsten Morgen im
kaiserlichen Vorzimmer als Wache stehen
soll. Beide trinken SchnaxS bis zur
Vollgeladenheit ; dann bietet der Nihilist
dem Kosaken eine hohe Wette an, daß
der Zar e gleich bemerken würde, wenn
ihm ein Knopf fehle. Und der Kosak,
Dimttri, oder wie er sonst heißen mag,
gehorcht im Katzenjammer der Eingebung
des Rausches, schneidet mit seinem Gurt
dolche den Knoaf am Ueberrocke de Zaren
ab...."
Wer hat Dir das gesagt?' fällt der
verdutzte Peter dazwischen,
Nun, ich habe auch meine Quellen
und die sind sicherer als die Deinen,"
meinte schlau zwinkernd der Barbier;
ich könnte mir eine russische Brillant
Dose verdienen, wenn ich die Sache an
geben wollte. Allein ich habe meinem
Schatz, der Mänielnäherin, welche die
Nihilisten ausgefragt haben, wie man
um besten einen Knopf wegnehme, Ver
schaiegenheit geloben müssen. Dir
natürlich darf ich Alles anvertrauen."
Die Stammtisch-Leute schmunzelten;
sie kannten ebenso gut die Leichtgläubig-
m.Ii m-i- :. v nn.. --.
reu Perer ö, ver jcver ugt veyur yav,
wie seinen gänzlichen Mangel an Ber
fchmiegenheit, und deßhalb freuten sie
sich, daß er wieder einmal tüchtig einge-
feist worden.
Der Barbier, der gerade einen tollen
Tag hatte, war jedoch mit dem gelunge
nen Scherz noch nicht zufrieden. Er
beschloß, einen Haupttrumps solgen zu
lassen. Deßhalb begab er sich zu dem
Wirthe und plauderte mit ihm verstohlen.
Nach einiger Zeit erschien ein den Anderen
völlig unbekannter Mann in dem Gast
zimmer, dessen von dichten Brauen ver
Ichattete Augen etwa Spähendes hatten
und dem ein schwarzer Haarbnsch auf die
Stirn siel. AIS der Schneider feine
Ml
äonnIagM.
Jahrgang 14.
Beilage zum Nebraska taats-Anzeiger.
No. 15.
lag erwacht neben dem Stuhle
Das Geräusch deS umgeworfenen Stuh
leg glaubte er noch zu vernehmen und
wartete lange, ob er jetzt wirklich in den
steiler hinadstnren würde, wie ihm an
gedroht worden.
Da hörte er Raffeln hinter stch wie von
rollendem Eisen, ein Lichtstrahl dringt
in jein Aeangn, und ein verzerrtes,
dumm glotzendes Gesicht starrt ihm nt
gegen. Er blickt entsetzt darauf hin und
enweak allmahlig, paß es eine mnkwur
dige Aehnlichkeit mit dem eigenen Ant
litz besitze.
Was wird nun geschehen?" seufzte er.
Da erschallt es In lautem Chorus!
Du bist verrückt mein Kind,
Und ein Nihilist
Was der Kosak gewinnt,
Nur ein Schneider ist ! "
kräuseln der Lippen seines Gegenüber?.
.Jetzt weiß ich aber nichts mehr," schloß
er die unfreiwillige Beichte, wobei er je-
doch Vden Nachgeschmack der gruseligen
Lerschwörergeschichte verspürte die sich in
se,n Hirn bereits völlig eingenistet
.Nun gute Nach! ! Der Fritz wartet schon
lange,"
.Oho!" sagte jetzt, sich zu 1,1 Meter
Höhe erhebend, der Polizeigemaltige,
so rasch sind wir miteinander nicht
fertig. Der Fritz wird allein nach
Hsuse gehen, Sie jedoch müssen mich bt
gleiten,"
Dem Schneider fiel da Herz unter die
West: herab. Er senkte feinen Kopf,
und das Gesicht glich einem aus weißen
Lappen zusammengeflickten saltigenWasch
tuche. Der Kellner drehte die letzte Gas
flamme halb nieder, Peter wollte dem
Agenten bei der Thüre den Bortritt
lassen; doch dieser stieß ihn mit den bar
schen Worten über die Schwelle: Zuerst
Sie, dann ich!"
Seufzend schiitt der Schneider voran
und häite beinahe die wohlbekannten
vier Stufen verfehlt, die zum Bürger
steig hinabführten. Jetzt war der fremde
Mann wieier an seiner Seite. Doppel
tönig hallten ihre Sch'itte durch die
stillen Straßen, Peter raffle sich nach
schwerem Jnnenkampfe endlich zu einem
Entschlüsse aus. Er fragte den un
heimlichen Begleiter: Wohin führen
Sie mich?"
DaS werden Sie gleich sehen!"
klang die rauhe Antwort. Dabei tanzten
die ersten Frühlingsblätter, die sich von
den Bäumen eines Vorgartens fort
gestohlen hatten, lustig über feinen Kopf
hinaus.
:.-i.r:x 1.1: -t. u.- .I- .....
IS. t . mit ihm getrieben worden.
metallischer Klang zitterte in den Lüsten.
Zeche bezahlt hatte einer der letzten
de Stammtisches und mit dem Ge
würzkrämer durch die mitternächtigen
Straßen nach Haufe ziehen wollte, trat
dieser Mann an teter heran und sagte:
Sie sind der Schneidermeister Gödicki?"
Ja, der bin ich, Sie können mich
morgen früh in meinem Geschäfte,
Reichsstraße 7, treffen."
Ich bitte Sie um eine kurze Unter
redung, die nichts mit Ihren Geschäften
zu thun hat."
Der Schneider wußte nicht, wie ihm
geschah; doch wollte er nicht ablehnen.
Er rief dem abgehenden Gewürzkrämer
zu : .Warte einen Moment draußen,
Fritz, ich komme gleich nach."
Nun war er mit dem Fremden allein,
der sogleich begann:
,Jch weiß, daß Sie von dem gevlan,
ten Attentate aus den Zaren Kenntniß
haben. Dürfte ich Sie um nähere De
tailS ersuchen?"
Ah, das war nur s eine Wirths
hausgeschichte, mit der wir die Zeit todt,
schlagen."
Ja, gerade wegen deS TodtschlagenS
muß ich Sie vernehmen. Ich bin Poli
zeiagent, und uns von der Polize, in
teressir! diese Angelegenheit sehr. Er
zählen Sie also ohne jeden Umschweif."
Nun wurde eS Peter schwül zu
Muthe. Er wagte aber keinen Wider
sprach, denn die Lugen des Sicherheit?
rzanS schienen ihn förmlich zu bannen.
Er stotterte: Ich weiß wirklich nicht, ob
.an dem Ganzen etwa wahr ist."
DaS meiden mir schon zu unlerschei-
l. Ass. .x,-, k.n IM..
ftändnissel'" '
Geständnis, ! Ei, das nimmt eine
schlimme Wendung,' lruiete da Selbll
geforäch Peter'S. Doch er ließ stch ge,
horfam auf dem Stuhle nieder, den der
Agent herbeizog. Und nun gab er mit
einiger Persirrunz noqms is aer
Attentat zum Beste.
Ist das Alles?" sagte brummend der
finstere Auifragcr; da sehlt ja noch der
Kosak im Vcuimmer."
D,i hat Schlinge ann erzählt und
3 ftll Geheimniß bleiben?"
Ah. pah! Geheiinmß hin, Geheim
n'ß her! Ich rathe Jhucn zum Guten,
wir nch: u verschweigen."
Run rückie der geängstigt Schneider
auch mit der osakengeschichte herau
und übersah sogar da leicht spöttische
Der Agent zog einen riesigen Haus
schlüssel auS der Tasche und öffnete die
Pforte.
Aber hier ist doch kein Polizei-
büreau," bemerkte schüchtern Peter, der
damit seinen trübseligen Gedankengang
verrieth.
Verdächtige Ihrer Art bringt man in
kein Polizeibureau," gab würdig und
gebieterisch der Mund des Gesetzes zur
Antwort. Ich bitte vorauszugehen!
Sie haben immer vorauszugehen!"
Ich bin es qar nicht gewohnt, mich
unbescheiden vorzudrängen," sagte mit
einem Rest von Galgenhumor der Schnei
der. ,Aber er wagte keinen weiteren
Widerstand, sondern ging durch die dunkle
Pforte, die beim Zuschließen grimmig
knarrte eine leider verspätete War
nung. Eine kleine Thür im Voiflur
wurde geöffnet und der Agent schob den
Schneider i den gänzlich dunklen Raum
hinein, der mit süßlichen Düslen ge
schwängert war. Peter stieß sogleich mit
seinem Schienbein auf etwas Hartes.
Er schrie laut auf.
Ich muß Sie um vollständige Ruhe
ersuchen; sonst wende ich einen Knebel an,"
sagte mit eisiger Kälte der Geleitsmann,
welcher Peter in dieses Schattenreich ge
sührt. Hier sind Drehsauteuils"
er drückte den Schneider in eines hinab;
schlafen Sie darin, wenn Ihr Ge
wissen Sie schlafen läßt. Ader eines
gebe ich Ihnen zu bedenken: Machen Sie
den geringsten Lärm, dann berührt der
Wachthabende den Versenkungsknopf und
Sie rutschen in den Keller räum, wo jeder
Rus verhallen wird, "
Eine schöne Erfindung das", seufzte
der Schneider; ich hätte eine gemüth
liche Pritsche vorgezogen, auf der man
stch wenigsten ausstrecken kann."
Für Staatsverbrecher giebt e nur
SicherheiiSmaßregeln; auf Bequemlich
keit können wir keine Rücksicht nehmen.
Absolute Ruhel Sie wissen, was sonst
bevorsteht."
Und wieder klappte die Thür des dunk
len Zimmer zu, hörte Peter das Zu
drehen des Schlüssels, das Verhallen der
Schritte feines Wärters. Er wagte es
nicht, seinen Stuhl zu erlassen, dessen
beweglicher S',tz ihn ängstigte. Rar hie
und da wimmert ein Windhauch geister,
hast von fernher. Dann drang wieder
und wieder der seltsame metallische Klang,
den Peter schon beim Eingang in das
Ge'ängniß vernommen, an sein Ohr.
Er bebte bei diesem Klingen und Klirren
zulamrnen. Sie weiden mich doch nicht
nebe dem Söarfiichter eirqaartieit
haben? O diese Nacht ! Ich erzähle nie
mehr Nihiiiftengcschichte.i!"
So stöhnte der gelangene Schneider
vor stch hin; doch endlich übermannt ihn
der Schlas, und der Traum schlich heran
und neckie de? Schneider Seele miti
qualvollen Visionen. Er besand sich in
cmem tiefen Brunuen; allerlei Thiere,
Lösen und schlangen lagern um ihn,
deren Augen durch dai Dun'el glühten.
Unb er fürchtete, im nächsten Momente
würden diese Thiere aufspringen, ihn
Zerreißen und schlingen. Ader ein
riestzer Mann mit dem Gesichte des Po
liseicgenten stand daneben und fegte zu
den unruhigen Bestien: öicch nicht!
Erst muß er seine Schandchz!en ieken,
nen!" Die Löwen brummten dann ver
brießtich und die Schlangen zischten.
Endlich sagte der Fingere : Loi!"
Peter spring voll Schrecken zurück und
Eine Thür wird aufgerissezi, ein kal
ter Luftstrom dringt herein, Schntie
erdröhne, und Peter wirft sich vor
Schreck mit dem Gesichte aus den Vo
den hin.
Guten Morgen, Du Nachtschvar
mer!" tönt eine bekannte Stimme, die
von einem brüllenden Gelächter in ver
schiedenen Oktaven begleitet w,rd, Nun,
wie ist Dir die Rihilisterei bekommen?"
Jetzt siegt die Nergierde. Peter er
hebt langsam den Kops und erblickt die
Horde der Zechbrüder, welche bereits
einen Kreis um ihn gebildet hatten.
Das reine graue Elend", sagte der
-Bäckermeister; Kinder, wir müssen ihn
mit einem Kümmel stärken, sonst gebt
der Teig ganz auseinander."
Jetzt erst dämmert dem Schneider die
Ahnung auf, daß ein toller Schabernack
Trotz seiner
zerschlagenen Glieder springt er wie ein
Gummiball empor und schreit: 0! Ihr
Haitunren! Ihr habt mich der Freiheit
beraubt und der falsche Polizist war mit
Euch im Bunde. Jetzt gehe ich gleich zur
wirklichen Polizei, Der Spaß soll Euch
theuer zu stehen kommen!"
Und nun unterscheidet er auch die fast
bis zum Boden reichenden Wandspiegel,
die Fristr-Jnstrumenle und Tiegel aus
den schmalen schwarzen Marmorplatten.
Er erräth, daß man ihn in den Barbier,
laden eingesperrt hatte, dessen hinauSge
hängte Becken in der Nacht so schauerlich
geklungen. Der Schneider ist bis ins
Innerste entrüstet über diese grausame
ueverioipelung.
Blamire Dich nicht, mein Alter?
sagt der Viktualienhändler, mit der fetti
gen Stimme beschwichtigend; die paar
Mark straie zahlen wir mit Veranüaen.
wenn die Sache im ganzen Viertel ruch
bar wird. Ader, wenn Du klug bist, so
bestellst Du jetzt gleich für uns ein
Schweige-grühktück, Wir wollen Dich
billig durchlassen. Jeder von uns be
kommt eine Flasche und daiu kalten Aus
schnitt. Deiner verehrten Gattin haben
wir bereits gesagt, daß man Dich nicht
ach Hause bringen konnte, weil Du
tternhagelooll warst, daß Du aber bald
kommen wurdest."
Der Schneider athmete elwas erleich-
tert auf, daß wenigstens seine Frau
nichts von dem Spuk wisse, dem er zum
Opser gefallen; nachdem er aber mit
über die Brust gekreuzten Händen a la
niiiuirou raq erwogen, nag es am
besten sei, gute Miene zum schlimmen
Spiel zu macheu, sagte er, noch immer
etwas ärgerlich: Meinetwegen, das
Frühtiück zahle ick. Aber mit der
Freundschaft ist cZ aus, un? am Stamm
nsche fehl Ihr mich nimmer."
Fange keine Mücken, Peterchen
siel lachend der Barbier ein, und gehe
aus mein Zimmer, ilju erlernst koch
nicht bei dem amerikanischen Affenforscher
in ,?c,8 Liunoen vie Pavianivraaze.
Meine grühkunden können jeden Äugen
blick kommen und sie dürften meinen.
Du seist jn Ohnmacht gefallen, als ich
Dir einen Blutegel ansetzte oder einen
Backenzahn auSriß. Im Zimmer ist
schon der Tisch geteckt und der Lehrling
holt bereit die Gettänke."
Nun losten nch die Arme, die sich über
das pochende Herz de Ichneiders ver
schrankt hallen, und er sagte: .M ve
graben wir die dumrne Geschichte. Schon,
damit ich meinen k'öllendursl endlich
löschen kann. Aber EinS müßt Ihr mir
wenigsten sagen: Wer war der fremde
rvcann, der den Pori,Aaenten tpielt
und mich in diejeS Tei!en'chaum-Fe!'
feuer hineinbefördert?"
Das ist mein neuer Gehil'e", ant
wenete Her ardier, und er hat dewie
sen, daß in unserem Geschäfte die
Fiaaro-Talente nicht ausaehen. Ha! er
seine Sache nicht gut gemacht? Gestehe
es doch ei, lieber Peter!" g
Hole ihn der Teusel! Rlnter sein
Scheermesser begebe ich mich niemals!"
Nicht grollen", beschwichtigte der
gutmüthige Likiualienhändler, van
weiß nie, wer uns die Stöpseln wegra,
sirt. Der ;unge Mensch ha wir rech!
gut gefallen, und ich habe ihm ein an
ständige Schauspielktchonoiar gsgeben."
Der ersieht sogar Nihilisten zu kri
sir, genau so, all ob er auf der fibi,
tischen Universität studni hätte", warf
an on;r sqwerziame eqrossei es
zwischen, der bereit im Lederschurj
steckte und seine Hände wieder schwarz
gemacht hatte; ich werde ihm eine Ehren
kette um den Hals hängen."
Und ich werde daran ziehen, bis er
genug hat", rief der Schneider; o,
man soll noch von meiner Rache in den
Zeitungen lesen."
Ja, aber dann werden diese auch den
ganzen Borgang von heute Nacht
bringen", bemerkte der Lackirer. Du
hast doch Durst und der Lehrling ist eben
mit dem halben Dutzend angerückt; ge
nießen wir jetzt im Frieden den Versöh
nungsschluck." Der Schneider widersprach nicht, son
dern ließ stch sanft von seinen Prellfreun
den in das Nachbarzimmer ziehen.
DaS ist eine Geschichte vom Peter im
Gesängniß, Wem sie zu trocken ist, der
mache es der lustigen Gesellschaft gleich
und feuchre auch feine Zunge an. prud
tum el!
Die rothe Geige.
1! 0 11 !h, d c B a II v i I l c.
0, vie freuen stch die Kinder über die
kleinen rothen Geigen! Sie sind so hübsch
ud kosten nur 25 Sous; selbst ein Dich-
ler kann das Geld erschwingen, um sich
ein solches Jnstrumenl zu kaufen. Wie
die Blumen, wie der Wein aus den
Schänken, wie die Hampelmänner kosten
auch die kleinen rothen Geigen nicht viel
und machen die Besitzer doch unendlich
glücklich.
Bor wenigen Tagen sah ich in Bieetre
einen Irre, Namens David, der auf
einer kleinen rothen Geize spielte. Er
ist kaum SS Jahre alt; eine große,
schlanke Gestalt; ein regelmäßiger Kopf
von wunderbarem Typus, der noch jetzt
Spuren einstiger Schönheit zeigt; aber
ach, der Blick ist verschleiert! Ich habe
Daoid längere Zeit beobachtet, denn ich
wurde nicht müde, daß Glück zu bemun
dern, daß auf seinem Antlitz lagerte.
Der kaum wahrnehmbare Ton, den er
durch daS Reiben de Bogens aus den
rohen Holzstück.n hervorbrachte, versetzte
ihn in eine wahre Ertase; und auch ich
war nahe daran, in Thränen ausru
brechen, so tief rührte mich das Elend
des Aermsten!
Ich wollte David's Geschichre kennen
lernen. Eine arme Waise, war er aus
Mitleid in einer Pension erzogen worden,
wo seine Schüchternheit und seine Körper
schwäche ihm nicht gestatteten, sich an
den Spielen der anderen Schüler zu
betheiligen. Jn den Freistunden irrte er
einsam und allein umher; er wußte ja
nicht, wem er seine Liebe zm Freiheit,
zu den Wäldern und Blumen anvertrauen
sollte.
Eines Tages erhielt der Sohn des
Direktors, ein kleiner, unbegabter
Bursche, der sich seine Schularbeilen von
David machen ließ, als Belohnung für
feine Leistungen, einen größeren Peilen
Spielzeug, darunter auch eine rothe
Geige. Da er dieses Instrument seiner
unwürdig sand, so schenkte er es David,
und von diesem Augenblick an hatte David
einen Freund,
War der Unterricht beendet, so ging er
in den Garten und spielte aus feiner
Geige. Jedenfalls glaubte er schon da
sragt, wer ihm da Spiel lehren würde;
er begriff nicht einmal, daß man da
überhaupt lernen müsse; er wußte wohl,
es würde ihm gelingw, durch unbekannte
Mittel die Stimme seines Herzens
diesem rothen Holz zum Tönen zu brin
gen, Drei Jahre lang lebte er in wah
rer Verzückung, und sang nur für stch
allein die Seufzer und Klagen sein,
Herzens; dann mußte er zum Militär
und wurde Soldat.
Drei weitere Jahre lebte David eigen
sinnig seinen Traum; wie ein Einsiedler
in der Wüste, legte er stch in seinem Re
giment unerhörte Entbehrungen auf;
nicht einen Tropfen Wein oder Schnaps
trank er in dieser ganzen Zeit, aber da
für scharrte er Geld, Pfennig um Pfen-
nig, zusammen. Räch drei Jahren
konnte er reisenden Seilianzern, die aus
einer Dorfmesse ihre Künste zum Besten
gaben, eine Geige, ein schlechtes Jnstru
ment, abkaufen, das er mit Müh' und
Rath wieder in Stand setzte! Und wie
der begann er zu flngen. Könnte die er
stickende Seele aufschreien, konnte sie sicht
bar den Himmel schildern, nach dem sie
sich'so unendlich sehnt; halten die Liebe,
die Eifersucht, das Verlangen Stimmen,
man würde etwas Aehnliches in jener
Musik hören, die seine ureigenste Schö-
p,ung war, und der die Soldaten manch
mal neugierig zuhörten.
Als David seine Mililärzeit abgedient
hatte, dachte er nicht daran, daß der
Mensch auch einen Beruf haben müsse.
Er kehrte zu Fuß nach Paris zurück
und fristete sein Dasein, Er irrte aus
den Feldern, im Bois de Boulogne um
her, und berauschte sich an dem Anblick
der Sonne und des grünen Laubes; dann
ging er in die Champs-Elysees, kauerte
sich unter einen Baum, und spielte dort,
alles um sich her vergessend, stundenlang
Geige,
Nur wenige warfen ihm ein SouSstllck
u; denn wer verstand die himmlischen
Töne dieses Poeten. Diese wenigen
Sous reichten hin, sein Nachtlager und
das, was er hie und da aß, zu bezahlen.
Eines Tages verliebte sich eine kleine
Bettlerin aus den Chanips - Elpsees,
deren Schönheit aus den sie umgebenden
pumpen keroorleuchtete, m ihn. Seit
frühester Kindheii hau; sie wie er verein
kamt gelebt, wie er liebte auch ste da
Grübeln und Träumen, Sie setzte sich
dann am Fuße des Baumes nieder und
lauschte seiner Must!, Nie wird man
erfahren, was diese beiden Wesen mit
eininder sprechen. Endlich miethete ste
sür ihn eine Dachkammer, die die Ratten
und Mäuse verschmäht hätten. Sie
betete den men David an, und er, der
eine Seele gesunden, d:e ihn verstand,
ließ seine Geige nur für ste erklingen.
Im letzten Herbst starb die Bettlerin
an der Schwindtucht, AIS ste todt war.
suchte Tav:d seine Dachkammer nicht
mehr aas. Auch Nachts blieb er in den
Champs-Ely''eeS und spielte für die
T.'dte. Eines Tages wurde er wegen
Landstreicherei arrerirr, und die Polizei
nahm ihm seine Geize, ' ward er
toll.
Als er nach Bieetre kam, hatte er die
selben schmerzlichen Empfindungen, wie
in der Penston; wie er aiS vereinsamtes
Kind gelebt barte, so lebte er auch jetzt.
ftr.Fv h.n ,,rn .i. 'i.Jn.
malS, wie heute, da er wahnsinnig &, rothe Geiae, und der Ant erfüllte seinen
die Geige erzähle seinem Ohr all den Wunsch. Nun spielte er den ganzen
Schmerz und all die Leidenschaft, dies Tag.
seine ginger ihr vertrauten. Daoid hatte Jetzt ist Daoid vzr der Bosheit der
keine Müller, die ihn küßte und in ihre! Menschen geschützt. Niemond nimmt
Arme nahm, keinen Bruder, keinen ! oder zerbricht ihm seine rothe Geige, der
Freund, keinen Hund; seine kleine Geizes er feine Liebe zu der todten Freundin er
war ne gamit. r tevre gtuektich. zahlt.
Er ist glücklrch.
Jolge der SSwatikasttgkeit.
Die Frau Meier muß nach Neustadt
bis zu dem Tage, da ein Lehrer, wüther
darüber, daß er in der Kneipe, in der er
seine Freistunden zubrachte, beim Domi
nospiel sieben Soui verloren, die geliebte
Geige mit rohem Fauftschlaze zntrüm
merte !
Man kann sich die Verzweiflunz des , fahren. Im Coupe haben stch einige g
Aermsten denken! Bis zu dem Tage, da duldige ZuHörerinnen gesunden, und ihr
er diese Hölle verließ, hatte David nur' Mundwerk geht unun:erbrochen wie eine
noch einen Gedanken; er wollte, wenn er l Klappermüble. Deshalb überhört sie
erst groß fein würde, eine ricbtige Gerze den Rus des tkondukreur und fährt fünf
besitzen, der er alle seine Schätze von ! Stationen üb ihr Ziel hinau. Nun
Liebe und Bitterkeil, die er in seinem ' gibt es großen Jarnrner, Sie muß
Busen ausgehaust, anvertrauen konnte. ' nachzahlen, eine neue Karte nach Neu
Endlich kau, der Tag und der Wohllhä- stakt lösen, und
ter", der den Kleinen in die Pennon e- Zuge zurück, Z
bracht, schickte ihn zu einem GkLkjkrS- j nur ihr passiren und gibt ihr trefflichen
m im Quartier MouffetarS in der ! Anlaß, n $!w. ihr Znitgenfaligkeit
Lehre. Die Tochter de Gewürzkr ämer iu zeigen. S ie sörvätz! und schwätzt und
sang Schubert und spielte Klavier; der' tährt über Neustadt hinaus drei Statio
Lohn lernte Geige und bildete dn nen weiter, Lesdersdirf !' ruft der
schricten fammtricher Katzen aus den! Conducteur,
Nachbarhäusern. Ein größerer D ichler
er; der hält ja nicht in Neustadt, so
dern erst in Neunkirchen !"
Frau Meier will dem Revisor in',
Gestcht springen, aber der Schreck lähmt
ihre Glieder. In Neunkirchen, wo sie
wieder nachzahlen und ein neue Billet
kaufen muß, erzählt sie dem Station,
vorstand unter Thränen ihr Mißgeschick.
.?!," tröstet sie derselbe, jetzt sind
Sie ja schon bedeutend näher an Reu,
stadt ! "
kShenianz.
Daß die Vögel, wie viele andere Thiere,
ihre eigenen Spiele und Vergnügungen
haben, die neben der harten Arbeit des
Nahrungssuchen ihre Zeit besonder in
den Hundötagen verkürzen, dS ist eine
bekannte Thatsache. Man erzählt e on
den Störchen, den Schwalben u, s, m.
Noch aber konnte ich es so schreibt den
M, N. N." ein Lehrer aus Burgbern
neim nicht beobachten bei den Krähen,
diesen sonst so ernst und gravitätisch aus,
tretenden Vögeln. Heute hatte ich diese
Glück, Es war aus einem Spaziergang
nach dem Peterberg lFrankenhohe). Da
sah ich auf der mit Reben bewachsenen
Südseite eine Schaar Krähen nicht hoch
über dem Erdboden stch in den ziemlich
bewegte Lüften schwingen. Jetzt sitzen
sie. Da steigt eine auf und stößt den
bekannten Schrei aus. ES folgt eine
zweite ach und antwortet, Sie wiegen
sich im Morgenwind. Bald ist die eine
oben, bald unten, bald rechts, bald link,
kurzum ein ganz ausgeprägter Walzer
:n langsamen Zeitmaß. Andere tanzen
Polka, indem ste bald vorwärts, bald
rückwärts fliegen, sich in der Luft über
stürzen und darauf ruhig einander um
kreisen. Dazwischen tönt, ganz wie bei
srohen Tänzern, von Zeit zu Zeit ein
lustiger Jauchzer, natürlich in der
Krähensprache, Zum Schlüsse fliegen
alle gleichzeitig auf ; zwei, drei fliegen
feitwärts und wieder zurück, während die
anderen ruhig kreisen, bis schließlich der
ganze Schwärm unter lautem Gekrächze
auseinander stiebt, um sich in wögllchst
schön gezogenen Linien wieder zu ver
einigen. Man denke sich noch eine rich
tige Krähenmsik hinzu und die Krähen
Fran9aise ist fertig.
Sin Geschastsman.
Ein in Schulden gerathener Aristokrat
erinnert sich vor seiner Abreise on Wien
nach Deutschland eines ererbtenMiniatur
bilde auf Elfenbein, das, von einem be,
rühmten Meister stammend, in seiner
Familie stets auf 20,000 'st. gewerthet
wurde. Gleichzeitig fällt ihm dte Adresse
eines reichen und kunstverständigen An
lrquars in Frankfurt a. M. ein. Er
packt also das Bild ein und reist mit dem,
jelbenu dem Händler. Dieser besieht
lange mit der Lupe das Gemälde, dann
sagt er: Herr Graf, das Bild ist schön.
aber es ist keine Zeit für solche Sachen!
Wer kauft so was? Das kann mir 80
Jahre daliegen ! Damit sie aber sehen,
daß ich Jhrien gefällig sein will, geb' ich
Ihnen 10,000 ft," Empört über ein
so niedrige Angebot, entfernt sich der
Verkäufer mit seinem Bilde.
Wenige Monate nachher hat derselbe,
nach Wien zurückgekehrt, im Spiele viel
Pech gehabt und erinnert sich deS An,
tiquars und der 10,000 fl,, die ihm nun
sehr willkommen schienen. Da Bild
wird verpackt und mit den entsprechenden
Zeilen abgeschickt. Statt des heißersehn
ten Geldes kommt aber endlich vm
Frankfurt ein Brief, dem ei versiegeltes
Kistchen folgt. Der Brief enthält nach
stehende Zeilen: Herr Graf! Die Zei,
ten stnd noch schlechter geworden. Wenn
Sie das Bild für H000 fl. geben wollen,
so senden Sie das Kistchen ungeöffnet an
mich zurück und erheben bei der Credit,
dank den angewiesenen Betrag. Hoch,
achtend O. Füchsle." Voll Zorn und
Empörung wirf! der Empfänger die Zei
len von sich und erbricht die Kiste. Zu
seinem Erstaunen findet er jedoch in der
selben nicht sein Bild, sondern einen Zei,
tel, auf dem zn lesen steht : Ra, dann
geb' ich doch 10,000 fl. !
'äyrt mir dem nächsten
j wiS kann natürlich
?t teilende tventtucr
hat eine Dame kürzlich auf einer Eisen
bahnfahrk erlebt. Die Dame fuhr
zweiter Klasse und nebe ihr saß ein
sinster aussehender Herr mit schwarzem
Vollbart, der die Dame öfter in so aus
fallender Weise firirte. daß ihr bange
wurde und sie mit Angst daran dachte,
daß der Zua nun bald einen gröbere
Tunnel zu vasflren haben würde. Der
Tunnel kam, und in der Besorgniß. der
wmui ooe moqie e aut ikre aar.
schast abgesehen haben, griff die Dame
nach ihrem Portemonnaie in der Kleider,
lasche. Wie erschrak sie aber, als ste in
der Tasche bereits eine Hand fühlte, die
sogleich die ihrige ergriff und heftig
drückt. Jn ihrer TodeSaaast und um
durch Schreien den Dieb nicht noch zum
Mord zu reizen, rührte sich die Dame
nicht; sie wollte Lärm machen, sobald der
Zug den Tunnel wieder würde verlassen
haben. Ali nun nach qualvollen Säur?
den, die la Geängstigien zur Ewigkeit
wurden, endlich das Tageslicht wieder in
da Zlupee drang und die Dame ihre
Hand anZ der Umklammerung befreien
Wa ? Leüberödorf i" schrei! grau as"x-t neun ,ie er,,, dz ste ra dte
a! ich mag schildern, durch welche Er-: Rein entseyt. .Herr Sindueteur, ich ; 'M ut kederireyer s itzre Reife,
gebenbeit, durch welche Bimühunaen. bäi,' ja in Neustadt auZneiacn sollen !"! gayrier: gezrinen va.te. Ausklärung
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durch welche ii,emüthigungen, durch So Ja, ivarum rx mm!;"' w; " ""
welche unschuldi, und verzweiselteu .nicht ausgestiegen ? Ich brre die Sta " "den .., denn auch I5r
Ränke und Schliche David sich di,:ion laut enuz rusen!' ewgegne, ' 4" "-"'.annie ade
ikreuvdschakt de, (finMauriofiat , derkelbk. ! "rm .--5" Wir wollen
erwarb, und wie er ihn endlich unters Kein Schelte?, un': fameelrun hilft.
Killern und Beben a!Z Belohnuna ürihr. Sie man wieder ::cchray,en, ioit ,
so viel Dienste um die Erlaubniß bat, ' sich zum zseitcn Aale ein Billet nach
zehn Minuten auf dem Instrument spie , ftadt und steigt in den eben anze-;
len zu tüisen. kommene Gezeriug. Die Lrst zum,
Endlich wx ti txntx Ueberrikv'gj, , Schwätz ,ft ihr ergmae. iktt ver-'
kunft gelungen, den Sohn d Gewürz-j drießlicher Miene schau! sie iizi Fenster,
krämer dstun zu bestimmen, daß dieler, hinaus. i
ihm die Geige täglich auf eine halbe Da kommt ein Remfor. t. re konn-
etunce userliez. Er hatte stch nicht ge- !e Sie dreien Zug eigen r tragt
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Ei 'Lro',"?r, der angeheuert
ist, wird der einem Festmahl zu einer
Rede aa'Z!l:rZert. Er erhebt stch und
sagt zu seineir Nebenmann: Pille, lie,
der College, stenegrcpblrea Sre. wa, ich
sprechen werde und theilen Sie ira',
mvraen s ch Znend mit!"