Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 22, 1893, Image 9

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    in Vermächtnis.
vegedenheil anB der (rofniabt. iuuijU von
llini X 11 a u f ',
Im Centrum der Stadt wohnte in
incr der dunklen engen Slrahen, welche
mit ihren alten, Wetterspuien und Ban
sülligkeit errathttiden Gebäuden ganz
abseits von dem allgemeinen Geschäfts
verkehr liegen, hch oben in einem Wie
belstübchen, den Sbiigen Hausbewohnein
entrückt und dem Himmel schon etwas
nSher, eine alle, hinfällig erscheinende
Frau. Sie mochte wohl an die siedenzig
Jahre zählen, doch eS ließ sich nicht genau
feststellen. Ihr schneeioeißiS Haar, ihre
tiese, liefen Runzeln, ihre melken
Hände, die wachSsarben und zitlernd
ängstlich nach dem Geländer lasteten,
weim sie die Treppenstufen erklomm oder
hinabstieg, deuteten auf den Verfall, den
das Greisenalter mit sich bringt, Ein
Mütterchen" war nun unsere Greisin
nicht so eigentlich, denn sie gehörte den
.Ledigen" an, romde auch von der ganzen
Nachbarschaft, der sie seit Jahren bekannt
war, immer das alte giäulein" genannt.
Vor langer, langer Zeit war sie als
Nichtortsangehörige in's HauS gerathen,
hatte damals als Miethern, Besitz von
dem Giebel genommen und, erinnernd
an das Mädchen aus der Fremde, wusste
man auch nicht, woher sie kam. Gaben
brachte sie allerdings Niemandem, im
Gegentheil: arm schien sie zu sein, arm
wie eine Kirchenmaus. Wovon sie den
Unterhalt bestrül, ließ sich nicht genau
bestimmen; man vermuthete nur, daß
milde Stiftungen und Wohllhätigkeils
anstalten dem alten Weiblein Hilfe und
Unterstützungen angedeihen liehen. Auch
besaß das Fräulein an Toiletten und
Hausgeräth blutwenig; ein Rock und ein
Gott wie die alte Redensart heißt, mau
sah die Betreffende nur immer in dem
selbe,, sadenfcheiiiigen dunklen Gewände,
Sommer wie Winter.
Um so mehr war den Hausbewohnern
und auch der Nachbarschaft in den gegen
überliegend! Gebäuden ausgefallen, daß
der weibliche Sonderling ein Klavier
besaß. An Sommerabenden, wenn es
stiller geworden und der Lärm des ge
schädlichen Verkehres allmählich ver
hallte, klänge aus der hohen Dachstube
für den Hü, er, der sich die Mühe gab, zu
lauschen, halblaute, zitternde, allerdings
sehr verstimmte Töne eines Klaviers über
die Dächer und über die Straße hin. Es
klang nicht wie Aeolsharsen, nicht wie
wohllautende Musik, eS war wie ein
leises Weinen, zuweilen wie schmerzliches
Stöhnen traurig und jammernd,
t wenigstens dünkte es den Leuten so und
erzählten sich gegenseitig mit milleidigem
Achselzucken: .Unser Fräulein hat heule
wieder ein paar Stunden an ihrem alten
Klapperkasten gesesien und gar zu kläg
lich geklimpert." Im Laufe der Jahre
hatte man sich aber daran gewöhnt und
es galt nun für die komische Spkzia
lität des Hanfes: das arme, greife
Fräulein im Giebelstübchen mit ihrem
Klavier.
Eines Svmmerabends, als eben die
letzten Sonnenstrahlen zitternd über die
Dächer huschten, brach das leise Klavier
spiel plötzlich mit schrillen, unharmo
nifchen Aecorden jäh ab. ES war, als
ob ein paar Saiten des Instrumentes
gesprungen oder etliche Tasten gewaltsam
zerbrochen wären.
Am andern Morgen fand man die
Greisin todt, mit dem Kopse aus der
Klaviatur liegend. Ein Herzfchlag hatre
ihrem Leben und ihrem Musieiren ei
schnelle Ende bereitet. Still und trau
rig war das kleine Begräbniß, als zwei
Leichenträger den grob gestrichenen Hölzer
nen Sarg, der die Leiche der Alten barg,
die Treppe hinuntertiugen und aus den
einfachen Leichenwagen stellten, der dann
ohne weitere Begleiiunq Trauernder aus
dem holperigen Straßenxflaster davon
wackelte. Die Kinder deS HaufeS ließen
S sich nun nicht nehmen, in das plötzlich
erlassene Dachstübchen hineinzustürmen
und mit ihren Händen auf den morschen
Tasten des KlavieiS herumzupauken.
DaS Instrument gab somit noch einmal
TZue von sich, aber ohrenzeneißende, die
wie die qualvollen Schmerzenslaute einer
arme Seele klangen. Dann kam der
BezirkSoorsteher, da keine Angehörigen
der Verblichenen vorhanden waren, oei
schloß und versiegelte einstweilen alleS
und nahm von den vergilbten Skriv
luren, die sich noch vorfanden, Besitz.
Somit halte die Welt ihren strich über
das alte Fräulein gemacht und der
Todtengrä!er ergriff nun als letzter die
Beute, um wieder ein Leben mil feinen
Geheimniste für immer einzubetten, ,
In derselben Großnadt, zu derselben
Stunde, als der Leichenwagen forlhol
peite, befano sich der reiche, hochbetagle
Jnstrumentenmacher Martin in feinem
Piunkemache des ersten Stockwerkes.
Mit allgemein zur Geltung gekommenen
Verb.sseiuiigen der PianoorleFabri
kalicn, bei welcher er gan, neue Prin
cixie eingeführt, hatte der Genannte ein
folcfialt Vermögen erworben, jetzt aber
das Geschäft seinem Sohne, einem auch
bereils in reise, m ManneSalier stehenden
Heiru, übertragen. Der intelligente
Sohn vertrat die Firma mit demselben
Glücke und da beide unvermählt, der
Vaier Wittwer, der Sohn noch Garton,
s hj,nnnttn , l'rfrti. f.it
V ...... f lw. ,11. O-
ren, zusammen wirthschaftend, das stall
liche Gebäce, u,elches an der eleginien
Piomenaoe Des -parres lag uns unier
dem Namen: MariinS Palais bekannt
war. Marlin der Aellere war vor lan
ger Zeit aus Oesterreich nach dem
jetzigen AufenihaISorte übergesiedelt;
seine Eltern sollten schon mit Fabri
kation mui!alucher Instrumenten den
Wohlstaid der Familie beenünret baben.
Der alte flhef faj, ic erwähnt, in
feinern Prur,!zemache, a'.i rr.:n tu
tci'.t Fräulein wen haue er. in dir
öirEerftfn erstatt r.-.jt t:w nirt:'!
Der
Jahrgang 14.
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
Ro.
fuhr, und starrte nachdenklich und giäm
lich, mit sorgenschmeren Wolken aus der
Stirne, zum Fenster hinaus. Es war
die alte Geschichte, die ihn quälte, eine
Geschichte, die sich so oft im Leben wie
deiholt! Sein Sohn fein Einziger,
fein Stolz, der Repräsentant seines viel,
geehrten Namens der bis jetzt für alle
vernünftigen HeiraihSvorschläge ein ver
schlofjeneS Ohr Halle und dem Bater
seither nicht die Freude bereitet hat,
sich eine eigene Familie und ein eigenes
Heim zu gründen, verliebte sich plötzlich
in ein ganz armeS Mädchen und daS
Peinlichste für den Alten wollte eine
Mesallianee begehen! Er wollte die
schönste und jüngste greifchülerin des
städtischen Konservatoriums, Elisa Bern,
die Tochter eines Handwerkers, ein
zwar unbescholtenes, aber sehr einfach
und recht kleinbürgerlich erzogenes Mäd
chen, heirathen, Ein harter Eisenkopf
war er gleich dem Allen und bestand auf
feinem Willen, erklärte dem Vater rund
heraus: er fei so alt geworden, habe so
lange gewartet, daß er nun wohl wissen
werve, was ihm anstünde; die oder
keine andere! Martin senior hatte ge
antivortet: Meine Einwilligung be
kommst du zu dieser Verbindung nicht !
wähle eine der Töchter unser Reichen und
Angesehene,," und der gamileinkonfliki
war da.
Der ältere Chef des Haufes hatte
wohl schon eine Stunde so in Grübeln
verloren dagesessen, als der jüngere ein
trat und ohne ei Wort zu sprechen, sich
ärgerlich in den gauteuil vor dem großen
Diplomatenschreibtisch warf. 'Nun,
hast du dit's überlegt?" schien der Vater
eine shnlängst abgebrochene Unterhaltung
wieder aufnehmen zu wollen, Vater,
ich kann nicht mehr zurücktrete,! !" lautete
die erregte Antwort, denn ich hänge mit
aller Liebe an dem Mädchen, habe ihr
mein Wort verpfändet und weiß, daß es
der Aermsten Tod märe, wenn ich sie ver-
ließe! sie würde sich das Lebe nehmen!
glaube mir: derartige Gefühle sind kein
leerer Wahn!" Ah bah!" machte der
erste Ehef der Firma jetzt vetächtlich, in
dem er die Hand wie abwehrend aus-
Itreckte, wenn Nicht der Wille meine
strengen, aber sehr vernünftigen Vaters
mich vor Jahren bewahrt hätte, wäre
auch ich einem sehr unvorsichtigen Sireiche
zum Opfer gefallen. Jugendlhorheiten
sind wie Kinderkiankheiten. Einer macht
sie fiuher durch, der andere später. Ich
glaubte damals auch ein Mädchen zu
lieben, verlobte mich mit ihr im Liebes
rausche und wähnte auch, daß der Bruch
mil mir ihr das Leben kosten würde. Sie
galt als der Stern einer Singspielhalle
in Wien, also ähnliche Verirrungen, als
dich heule umfangen halten. Ich würde
mir allerdings Vorwürfe gemacht haben,
wenn ich ein Menschenleben ernstlich ge
fährdet und auf mein Sündenkonto ge
laden hätte. Aber ich bin überzeugt:
meine einstige Liebe hat es sich nicht zu
Herzen genommen, daß ich sie verließ,
denn sie wiffen sich alle zu trösten ! Sie
ist heule jedenfalls eine in Wohlsein und
Fülle strotzende Haussrau, eine behäbige,
glückliche Familienmutler. A:i derartige
Liebe, wie du sie wähnst und Poeten sie
schildern, glaube ich schon lange nicht
mebr!"
Als das Zwiegespräch zwischen Mar
lin senior und junior bis hierher ge
führt war, ließen die Leichenträger auf
dem äußersten Kirchhofe der Stadt eben
den Sarg des alten Fräuleins in die
Gruft hinab und der Eine ftüsterle halb
lau, und spöttisch seinem (geführten zu:
Das arme zusammengeschrumpfte We
sei, muß nicht mehr als 20 Pfund gewo
gen haben; Der Kasten ist so leicht, als
ob ein Kätzchen darin läge." Der Strick
wurde zurückgezogen, eine Hand voll
Erde, und aus war es.
Mailin junior erließ jetzt heftig das
Ziemer; in seinen Mienen las man
eine energische Ovposition gegen den aus
gesprochenen Wiiien des andern. Allein
nun schien es doch, als ob den Vater
mildere Stimmungen überkämen, sorgen
voll ließ er das Haupt sinken und gab
sich neuen Grübeleien hin. . . ,
Acht Tage später ging durch die Aei
tungen eine kleine Notiz, welche alle
Lacher auf ihre Seitehitte. Man schrieb:
Im Nordoierlel unserer Slad! ist in
einer ärmlichen Dachwohnung eine greise
Frau, eine Älmofenempfängkrin, wie eS
heißt, gestorben, Sie hinterließ außer
ihrem allen Klaviere nicht Nennensmer
iheS; nur Gerümpel erbärmlicher Möbel.
Zai lavier aber ein ganz wurm
stichiges Klaoperkäsichen vermachte
sie testamentarisch (der Bezirksvorstchcr,
dem die Pflicht deS Bersiegelns oblag,
Hai eine Art von geschriebenem Testa
menie vorgefunden " irnd dem Gerichte
üoeigebeniunferem bekannten Millionäre,
dem berühmten älteren Inhaber der
großen Lianolortisabrik Martin & Son,
ker glückliche Erbe hat die erwähnte
Hinteilasien' chaf! bumiristischermeise an
getreten und man ist gespannt, was das
alte Fräulein zu dteler Vtr'üaunij ver
l,nlacn formt und ob tttlleiii ein ur,
jt.nttr Wn:h in der Konstruktion te?
t3 auffäüiz ,tzi ans Licht des Zteti ge.
:."!:nen allen Klägers I,,,::. Alle Well
r-.ii; ein,! Sin:;?, rcr wie !!
zwischen den Saiten schlummern könnte
und den der Erbe heben soll. "
Dieses komische Intermezzo, die plotz
liche Erbschaft, Halle die beiden Martins
in ihrem ernsten, geschäftsmäßigen Leben
angenehm aufgeregt. Sie vergaßen alle
Sorgen und lachten herzlich über daß
drollige Bezebniß. Am heuligen Abend,
wo in den Prachtsölen des Hauses sich
eine größere Spielgesellschaft munterer
Gäste versammeln sollte, wurde auch das
alte, von der ganzen Stadt besprochene
Instrument erwartet und der ältere Ehef
halte befohlen, es unverzüglich, sowie es
von den Leuten, die er dazu beauftragt,
gebracht sei, in den Empfangssalon zu
trankportiren. Aller Interesse richtete
sich natürlich aus das seltene Objekt der
Erbschaft. Es war eine kleine Sensa
lionSassaire. Willen in den heiteren, sich geräusch
voll unterhaltenden Kreis triigen auch
Abend, als die Gefellschast vollzählig
die Hausdiener das hellbraune, unsäglich
abgenutzt und politutlos ausschauende,
urallmodifch geformte, tafelartige Kla
vier, dessen wackelige Füße kaum noch
das Uebrige zu tragen vermochten, und
stellten es vor den Hausherrn nieder,
der sein Augenglas zog und mit spöttisch
herabgezogene Mundwinkeln den alten
Kasten betrachtete, während die Gäste
stch alle lachend und scherzend näher
drängten.
Hier ist ja etwas in das elende Hacke
brettchki, eingekratzt eine Inschrift,
hört ! jetzl wird dasRälhsel gelöst!" rief
plötzlich der jüngere Martin und beugte
sich lachend üoer den Deckel des Klaviers.
Er las laut vor: Geschenk meines Ver
lobten im Jahre 1845, als ich in der
Singfpielhalle zu Wien als Sängerin
debülirte. Ich habe eS stets heilig ge
halten, auch noch als verlassene Lettlenn,
Amelie Winterberg " Eine entfesselte
muthwillige Heiterkeit durchlönte jetzt den
Saal. So sind die Menschen: was ihnen
gar zu fern liegt, rührt ihr Emxsinden
nicht mehr! Was kümmerte die Glück
lichen das Schicksal der Amalie Winter
berg! Ach wie komisch!" Es ist eine
alle Geschichte, doch bleibt sie ewig neu!"
,.Das scheint ein Roman!" Dss alte
Fräulein war also eine Chansonette!"
Der böse schlechte Mensch, der sie ver
lassen hat!" lies die empstndsame Seele
der Gesellschaft, lieber Herr Kommer
ziemaih Martin, untersuchen Sie doch
Das Instrument. Ist es ein Erard? e,n
Blüthner? ein Streicher? jedenfalls steck!
noch elroas Merkwürdiges dahinter!"
Der alte Martin aber hörte kaum.
Eine leichte Blässe hatte sein Gestcht be
deckt und märe die Gesellschast nicht so
vollkommen von dem lustigen Abenteuer
in Anspruch genommen worden, man
halte die zuckenden Lippen des Hausherrn
bemerken müssen.
Ader dem S?hn: entging die gewalt
sam bemeisterte Aufregung des Vaters
nicht. Er ahnte sofort den Zusammen
hang und was die Jnfchriit an'S Licht
Des TageS zog. Leise trat er zu dem
Ergriffenen, drückte ihm unbemerkt die
Hand und flüsterte: Laß gut sein!
Mögen die Todten ruhen I Denken wir
an die Lebenden!" Der Alte erwiderte
zärtlich den Händedruck und es ging
plötzlich wit ein Sonnenschein weichen,
warmen Empfindens über das sonst so
strenge Antlitz, als seine Augen setzt
liebevoll aus seinem Sohne ruhten,
Leide verstanden sich nun ohne weitere
Aussprache, Die allgemeine Unterhal
lung der Gäste ienkte dato wieder in an
deres Fahrwasser. Das alte Klavier und
das alte Fräulein wurden veraessen und
der Abend verging, wie solche Feste unter
glücklichen Mentchen vergehen.
Nach einigen Tagen wurde durch die
Zeitungen, welche unlängst von dem seit
somen Testamente berichteten, die Ver
lobung des längeren Martin mit der
bildhübschen, wenn auch armen Musik
schülerin des Konservatoriums " publizirt.
Alle Welt wunderte sich, daß der Erbe
einer Million nicht unter den vornehmen
Töchtern des Landes gewählt.
Martin junior aber sagte ernst, als
er sein endlich errungenes Bräuichen
zärtlich ans Herz druckte :
Ich kann dir seine plötzliche Eittwilli
gung in unsere Verbindung nicht et klären.
ES steckt da ein kleines Geheimniß hinter
es ist etwas wie eine uhne. Er nt ,
jetzt so milde und glaubt an unsere,
Liebe!"
Wie zufrieden würde aber das altej
Fräulein gewesen sein, hätte sie ahnen j
können, daß ihr Tod so versöhnend ge-!
wirkt, und wie zwei glücklich Liebendes
sich über ihrem Grade die Hände reichten! i
Martin, der Vater, sagte auch stets,
wenn er von den neugierigen Freunden
über daS ererbte Klavier iiiteipillirt j
muide : Ja, ja, eS war wirklich etwas
Besonderes mit dem Instrumente ! Ich j
habe in meinen alten Tagen noch daran ;
gelernt!
Was er gelernt, welchen Schatz e,j
iwiichen den Saiten hervorgeioaen, es
iar d,m liebenden P rare zu Gute ze
!omi::en ! I
Ter ihica zo Turndeiirk beüebt
Tcmn-ws tül :i Vereine mit illlj
I
Ein Kncippiancr.
Mar Siedler war ein Prachlkeil erster
Ordnung, jung, hübsch, nett, sidel, nur
der liebe Mammon fehlte, oder richtiger,
er war rncht mehr da, denn Märchin
Halle zuerst ein väterliches Vermögen
klein gemacht, d. h. in Wiin, Spiel und
Liebe umgefetzt, und dann noch zwe, Erb
schasten denselben Weg deS Geldes ge
schick!, bis er eines Morgen gegenüber
dem Nichts stand.
Was thun? sprach ZeuS, oder viel
mehr der abgebrannte Mar.
Er beällgelte sich von allen Seiten in,
Spiegel und konnte dabei nicht den Ge
danken unterdrücken, daß er doch eigen!
lich ein riesig fescher Kerl sei, noch immer
trotz seiner fechSunddreißig. Das Beste
ist, ich sehe mich nach irgend einem Re
präsentationspostcn um, dachte er. Ja
wohl, er sah stch um, oh,,! etwas Passen
des zu sinken. Alle die VersicherungS
geiellschasle und ähnliche Institutionen
waren nämlich so impertinent, doch
wenigstens einige Fachkenntniss! zu ver
langen, die der Bewerber natürlich nicht
befaß.
Märchen setzte d'rum eine beleidigte
Miene auf und ging.
Zwei Tage später treffen wir ihn wie
der in gehobenster, freudigster Stim
münz. Sein Stern hatte ihn am
Wiithshaustisch mit einem reichen Ren
tier, ehemaligen Wursthändler, bekannt
gemacht, der natürlich eine hübsche Toch
ier halte reiche Wursthändler sind nie
kinderlos,
Märchen hatte seine ganze Liebens
Würdigkeit aufgeboten, Halle den Allen
bei der besten Fcttdarmskite gepackt, und
welcher Wursthändler könnte dem wider
steben? Kurz, cr lud seinen reizenden
Bekannten ein, ihn sobald als möglich zu
besuchen, Märchen kam sobald als nur
möglich, kaum IS Stundet! später näm
lich! Natürlich traf er daS reizende
Kleinod der Wurstbändlerliebe, einen
allerliebsten kleinen Pussei von achtzehn
Jahren, vor PapaS EmpiaugSfalon,
Bitte stch nur herein zu bemühen,
Papa ko,mt gleich," erröthite sie fcham
haft, und nach diesem ErrötKen tarirte
sie Märchen aus ca. :!0,G0 Mark Mit
gist, ungerechnet das Haus, daß sie doch
auch 'mal mitbekommen wußte.
Der schlaue Brautwerber spann den
Faden so geschickt, daß er dem allen Leh
mann, seinen künstigen Schwiegervater,
vollständig duxir!: und sein Töchterlein
mit schönen Worten ebenfalls hinriß.
Nach drei Wochen war Märchen be
reits so weit, daß er bei dem Alten einen
vorsichtigen Fühler hinstchllich skiner
)!Ir,i,lpti niifillrpff pn fnnnte. (fr hatte
sich als Agenl und Vertreter mehrerer !
angesehenen Gesellschaften vorgestellt
und den einfachen Mann durch allerhand
Geschäfts- und Reklamekarten zu über
zeugen gewußt. Außerdem schien Herrn
Lehmann seine werthe Persönlichkeit zu
gesallen und da er Geld genug halte, um
einen Schwiegersohn zu ernähren, so
kümmerten ihn dessen Verhällnisse nicht
allzusehr. Schließlich ging der Mensch
ja immer so nobel, es mußte also doch
elaiiis d'ran sein!"
ÄlS nun Märchen direkt aus's Ziel
loZging und um Mieze Lehmann'S wurst
lich runde Hand bat, da bemerkte er zu
seinem Erstaunen, wie ihn sein vic-a-vi
schar s strikte.
Hören Sie 'mal, sind Sie auch ganz
üksuiid?"
Ter Bewerber bekam über diese uer- j
warteten Worte einen lolchen ochieck,
daß er, unfähig zu sprechen, verlegen
hüstelte.
Aha, aha, da hab'n roir's ja!" eiferte
jetzt Herr Lehmann, und es bedürfte von
Seilen seines künstien Schrviegersohnes
der heiligsten Versprechunzen und Eide,
um ihn 091, seiner völligen Gesundheit zu
überzeugen.
Sehen Sie, ich kann r,ä,lich die
Krankheiten nicht leiden und würde mrin
Kind nie doch nun zur Sache! Sie
sollen die Mieze hoben, doch will ich ihr
Bedenkzeit geben, acht läge, da Rind ,
noch jung. Ueber acht Tage bitte ich dann ,
um Ihren Besuch und dann hoste ich, j
lieber Herr Fiedler " !
Er konnte gar nicht weiter sprechen, !
denn den Angeredeten schien die Rührung '
io übermannt zu haben, daß er dem Er
Wurstsabrikanten fast schluchzend um j
den Hals nel,
Tann verließ er daS zu erheiraihenoe
Haus, Das Gestchl aber, daS er hun-',
der! Schrille davon entfernt schnitt, I
hatte übrigens nicht die Spur von Aehn.
lichkeit mit jenem Anfall von Rnhiunz
Himmlische Soldaten, noch acht lange j
Tage ohne einen Vor'ebuß oder Pump i
chne die sichere Gewißheit! Und metn
Magen, wird er die letzte Probezeit
überstehen? Nun, ich werde hungern,
wie ein Held. Aber He Stiesel, d;e
'tiefet -
,a. die Träger keiner substantiellen
Er,'!!!, üe kündeten den schönen Bn:
Wenn Stiehl attsinanrer geh n,
ffUjJt man du Sli:': vi.i.U't'V
i'.idev stand die-l Fjftum unrnitlHcr
bevor, und Märchen haue natürlich
kein zweites zu versenden. Woher aber
ein solches kriegen ohne Geld und nichl
stehlen?
In düsteren Gedanken verloren schritt
er fürbaß. Dir Straßen Iaq,m bald
hinter ihm. Ach, verehrter Leser, Du
denkst nun, er wird bei Mutier Grün"
logiicn? Weit gefehlt! Eher hätte er
ohne einen Pfennig, in einem ersten
siotcl den Wiith um ein NachtlogiS ge
prellt !
Nein, der künftige dreistöckige Hang-
besiger hatte nämlich, um Lehmann'S
gegenüber reuommireu zu können, eine
Wohnung in dem feinsten Viertel ac
miethet, Sie bestand aus einer einzigen
tuve, vor der et kleines Garlche lag.
Die Möbel gehörten natürlich der
Wirthin.
Nach diesem Eldorado machte er sich
auf den Weg. Plötzlich aber blieb er
stehen, nur einen Augenblick, dann lenkte
er den Schrill zu dem Laden eines klei
nen Flickschusters, den er stch für morgen
hinaus bestellte in leint Wobnung.
Dort überreichte ihm Märchen die
defecten liesel, orgfatti eingewickelt,
indem er ihm auf die Seele band, die
selben ja bis morgen früh um dieselbe
Stunde wieder abzuliefern.
Nun aber die Hauptsache. Märchen
wusch sich, kleidete stch um, trank den
Kanee, den seine Wirihm, ina Lemke,
gebracht und stand nun da zum Ausgehe
fertig. Er ossnetc die Thur zum Kor
ridor, da stand gerade die biedere Haus
dame, und je näher ihr Ehambergarnist
kam, je größere Augen machte sie,
Herrgott im Himmel, Herr Fiedler,
was ist Ihnen denn, Sie lausen ja bar
fuß?" Würdevoll, mit leisem, schmerzlichem
Anklang entgegnete der Gefragte : Lei
der, Frau Lemke, habe ich mir einen
Rheumatismus zugezogen, und da bat
mir mein Arzt eine Kneippkur empfohlen."
Eine Knei kneipxkur, nein so was,
was ist',, das?"
Na sehen Sie, verehrte Dame, ich
werde heule Vormittag etne Stutide aus
dem Rasen Ihres Gartens spazieren
gehen, mich dann zu Bett legen nd
Nachmittags dasselbe Erpcriment wieder
holen, verstehen Sie?"
Er war schon im Garten und schritt
jetzt mit aufgeschlagenen Beinkleidern
auf dem Rasen aus und ab, wie ein
Storch im Sala! I Und schließlich ge
fiel er sich selbst in seiner Rolle : die
Sache war ein Kapilalwitz, unstreitig
einer leiner besten Einfälle nächii seinem
HeirathSvrojekt mit Mieze Lehmann,
Ach, wenn ihn Bater und Tochter hier
sähen, aber wer kam denn überhaupt in
diesen wcllverlasscnen Winkel, und wer
machte sich obendrein noch die Mühe,
durch den dichten Heckenzaun zu blicken,
der den Garten umschloß?
Nachdem Märchen am Nachmittag daS
Bett wieder verlassen, ging'S aufs Neue
hinaus und aus'S Neue auch spielte er
den Storch im Salat, Er konnte sich
da bei seiner guten Gesundheit ja leisten.
Als er später sein Zimmer wieder be
trat, fühlte er aber doch ein leises
Frösteln.
Dennoch legte er sich zufriedenen
Sinnes schlafen, denn die Sache war,
wie vorhergesehen, ganz zur Zufrieden
hett verlaufen, Morgens käme dann der
Schuster und beim Anblick der auf Pump
geflickten Stiesel würde der RheumatiS
mus sicher verschwinden!
Als er sich cm nächsten Morgen um
halb neun llhr erhoben, reichte ihm seine
Wirthin einen Brief durch die Thür.
Schnell riß er den Umschlag auf und
las :
Sehr geehrter Herr Fiedler!
Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen
mittheilen, daß aus Ihrer Heirath mit
meiner Mieze nichts werden kann, denn,
oerehrter Herr, sie haben ja RheumatiS
muö! Ich wollte Ste heute Nachmittag
besuchen, da eizältlte mir IIe Wirthin
die Sache. Stilen Sie, ich hib's Ihnen
gleich angesehen, llebrigcnz, glauben ,
Sie denn wirklich, daß das Bariußlau
sin baqer-.tr, httsi? Wenn Sie mir er, j
landen, g.'be ich Ihnen später einmal ein
Mittel, das meine Großmutter selig er-
funden hat. Mte-.e lafii itc grupen, ;
aber sie hält auch d.n Rheuma:, 5,nuZ sür j
erblich, darum beöau " j
Mi! einem Ruck ballte d,r brave Mar !
las Papier zuiammen und ich!eude-.te es!
in den entserntlsten Winkel,
,N,ch:e:müir,ge, Wmstl?fn, oh,
hätte ich da-i aahn: oder ich dachte j
a und nun habe ich r.r noch einen
gi Zßliche S chauz, geboli obendrein . . . I
Ha;i -. . . ! Hapü ! " I
Seit jene, Ze; haßi MZrien Siedler l
alle Waiierireuiide ur.d Barfaßlaukr. '
geschieh! Ihnen !chon Recht! !
5,n ÜUeivklie,.
Ein ja, bar bat ischertitU soll nach neue- j
ren Becbacbtun,;m cer Krebs sei, Läh
rend wir ui 4 ,?terer e nmal imMonal ohne
r" beenden, in selchen, bekanntlich 6t,
harmschte Rüijititiiet tatIähia
;..iC. trn-:iit gerade tme Mitidiilung It?
keutichen Fifchnn-tLnem recht, n,r.
i .1. gesagt wird, daß Sti BmIcht Viel
3..&eK, tieidt. Aber man hat noch ir.thr
beobachte,, können: nämlich, daß der
Krebs tin Kannibalt ist, de, feine eigenen
Weiber aussrißt, Zu diesen Beobachlnn
gen besetzte man im September vorigen
JahreS einen Quellnieiher, t dem jeder
Schlupfwinkel beseitigt war und in den
man zur Bewohnung I,, ,'rti, weite
Thon, oh, stücke gelegt hatte, mit 1
Männchen und der gleiche Anzahl
Weibchen, die durchschnittlich schmäebtr
und kleiner waren als jene, wurde
täglich reichlich mit Fischen gefüttert, und
die Krebse nahmen auch de ganzen Win
Ier über Futter an. Bei der Absischung
im März dieses Jahres ergab sich, daß
nach Abzug einiger gestorbenen Thier
l l:i Weibchen trotz der guten Fütterung
aufgefressen waren, und eö sanden sich
am Boden reichliche Reste der gefressenen
Krebsweibchen, amenllich Scheeren, de
ren Bewältigung dem Männchen die
größte Schwierigkeit zu bereiten scheint.
Aber man hat auch beobachten können,
aus welche Weise der Böscwichl seiner
grausamen Neigung fröhnt. Er packt
das Weibchen mit den Scheelen In der
Gegend des RückenschildeS dicht hinter
den Augen, wo daö Gehirn liegt, reißt
ihm hier den Panzer aus und tödtet es
so. Dann dreht er es um und reißt ihm
die Haut aus der Bauchseite zwischen
Schwanz und Brust aus nd frißt von
dieser Oessnung auö sowohl den Schwanz
wie de Leib mit den Scheeren aus; ja
der Panzer, wenn er ich! zu hart ist,
wird häusig auch och zerstört.
Hosrath un Herzog.
Bei einem furchtbaren Brande zu
Dresden, im vorigen Jahrhundert, fehlte
es an der nöthigen Hülfe.
Es war Winter, die Brunnen waren
gefroren.
Zuschauer gab es i Menge, aber
Jedermann scheute die Kälte, um helscnd
einzugreifen.
Unter den vielen müssizen Gaffern
stand auch ein dicker Herr mit einem
mächtigen Pelzmantel und riesiger Zopf
perrücke und sah dem Feuer wie tintm
interessanten Schauspiele zu,
Vorwärts, helsen Sie hier Wasse
tragen!" rief plötzlich eine Stimme aus
den Wasserträgern ihm zu.
Ich bin der Hofrath von Schntid
mühl I" antwortete der Angeredete, sich
in die Brust werfend.
Und ich der Herzog Karl von Kur
land!" erwiderte der Wasserträger und
goß dem verblüfften Herrn Hofrath den
vollen Eimer über das würdevolle Haupt.
?ö lebe die ffretlieit!
Als Napoleon I. zum lcbenöliing
lichtn Konsul gewählt werden sollte,
ließ der General Samt Hilaire seine
Truppen versammeln und hielt ihnen
folgende Ansprache : Kameraden ! ES
soll darüber abgestimmt werde, ob der
Gtntral Bonaparte Zeit seines Leben
Konsul sein soll oder nicht : Die Met
nun gen sollen ganz frei sein, und ich will
in keiner Weise Eure Stimmen beern
flussen ! Ich muß aber hinzusügen, daß
ich den Eisten, der nicht zu Gunsten Bo
naparte's stimmt, sofort vor der Front
in Gegenwart des ganzen Regimentes
erschießen lassen werde. Es lebe die Re
xublik! Es lebe die Freiheit !"
(Hin gefällige Conoiicttur.
Fräulein, bitte, steigen Sie doch end
lich einmal ein! Der Zu acht soaleicb
ab!"
Aber ich muß meiner Mama dock,
noch einen Kuß geben!"
ureigen .sie nur ein vag rvero
schon Ich besorgen!"
Bittere Enttäuschung,
Ein RechtSamalt hat seinen des Dieb
stahls bezichtigten Elienten so warm und
eindringlich vertheidigt, daß das Audi
torium ganz ergriffen ist und der Ange
klagte selbst sich mit einem eleganten
Foulard die Äugen wischt. Da blickt der
wall zufällig in seiner Rede auf ihn
und ruf: verblüfft: Wie! Der Kerl hat
ja mein Schnuxstuch!"
Unbeat'sichliate (5rc!i)cit.
..P' tlifft VnnMllft hffnmnl mt..
ausgezeichnet! Ich werde von Tag zu Tag
lunger.
Gnädiges Fräulein sind wobl nock,
nicht lange Hier?"
Mimen fall'?.
T o r u i st litrvaS miütrauifck, ., feinern
Reisebegleiter, einem Schauspieler):
iiennen Sie aber aucb den Wen nh'
Feiiler-Ear nach Hallstadt?"
Schauspieler: Himmel und Erde
werden vergehen aber wir we,dtn un
nicht vergehen!"
In der Seif'chult.
Wach t meist er: Was sind Sie
denn eigentlich, Einjähriger?"
Einjähriger: Dramatiker!"
Wachtmeister: Darum geht
Ihnen auch jede Reitstunde so traurig
n a u 6 ! "
rne ftefaifie Mutter.
An einem schönen sonnigen Februarlaz
wird ein Spaziergang gemacht.
Der reinste Frllhlingztng!" bemerkt
ein Herr; und Ämanda, d,e eist au dem
Institut zurückgekommen, ru'l schziärmt
tuch aus: 0 wart doch trst die schöne
Zeit wieder da, wo Waudelnund Pfirsiche
blübin!"
Aber, Kmd", verweist die Muller,
.wer wild denn immer gleich an'
Eise n denken!"
Erralritn.
Sp.zdui't Gnaden, Herr Richter
ich d',n ur,ich.ilc,g! Ich bad' das ianfeil
a'raf a' di'ieil g ii'eicbelt und im
H a n d u m d r t h t n ai'I hin !
Richte:: TaS scheint mir schon eher
n Hals umdrehen geschehen zu fein!"