Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 05, 1893, Image 4

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    Ncbra5kaStaatS-Nnzcigcr.
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V 2ic ciftn. Ivifoto.
t,i,tul' !c H.'ll U il-.-lrl.l.
D r Noth gehorchend, nicht btm eiste
um Triebe, tont ich auf die nxltbebeu
tenben airttlct klangt. Zwar hatte
wir bis 'Jiatur eine schont, um anntei
che Wefangustiiiune imb mufitalifcheiJ
JaUut verlüde unb beide war sorg
faltig ausgebildet worden, allein lei
esweas au BauU und Erwerbzwe
den, fonb.rn lebigUH, um oU tjettlich
iiit toiiiimitt des eb.n jtu bieueii. Ter
plötzliche -lob meine toata, eines
tjülM eami.n, hatte einen jähe
!liiechel m bta üeit)altmen emet
jiirmuieMicbtiKii lynmtlie hetveige
nhil. ve itch plotznd, in bedrängten
Uiniunb.n ioermba.cn war nicht
tiüitjiiiioeii uns bie ichmuie W,ttwen
peiifio mein.! Mutler etiuies jich als
uiijine.chciiD, um )ie und ire brei Hin
b-uiiiei mir waren noch jioei jüip
gere Geschwister vorhanden zu wal
le uno j erziehen.
Vlt bie emj.fle Erwachsene em
pfanv ich t Kühnst, bah es meine
Pfluljt war, meiner lränlelnben 'Mut
ier naa Jitn(ten bei.iusteli.n unb ihr
sorgen zu erleichtern. iuiefe tonnte
u wirtjame Weiie nur durch bie er.
wiTtl)ini, mein. niufilalifd,en ÜJermb
gnis ncä,eijeu, indem ich enuuebei Mu
iiticl;rrru ober Bühnenfangerm wnt
ve. VI lö Leiterin würbe ich lautn ge
niij (üt mich selbst erworben haben, als
jpunauu,eim aber biufte ich, wenn
ich ur ei ivenig Glück hatte, hoffen,
meinem Müttetlet einen sorgenlosen
Let nsabenb zu bereiten. Dieses be
gliiiieube Ziel liefe mich über manch.'
ict Bedeuten aeaen b,e iUüljnenlauf
bahn und namentlich auch Übet meine
große tod)iirt)tenil)eit iiiumegienen.
ü)ei LMjrcT stimme, Ihrer litschei.
nuna mufi es Ihnen auf der Bühne
lüden " Kmle man mir bon allen Sei
ten, unb so war beim mein ISntfdilutj
bald gefasst unb ich ftubtrte eine An
inlil von Lvernrotle ein.
Da Glück uxir mir günstig. Die
(smvfelilunarn meiner Lehrer unb ein
"HiebenUiilenbeS Probesingen ber
schafften mir ein für eine Anfängerin
redit aünHiaeS Engagement an, Stabt
tliealcr in L.. Wohin ich mit Mutter
unb Wefdnoiitet übersiedelte.
Run aina's an' Arbeiten, und ba
erwies jid) nun bod) meine unüberwind,
liitjc Schüchternheit als ein beägsli
geubes Hindernis!, Singen lonnte ich
und wenn ich lang, suhlte ich mich ge.
borgen, aler desto schlimmer staub eS
mit dem Smel. Wie gelahmt war IM,
jvbalb ih mich auf der Bühne befand,
und Onnderie von beit'at mten uno un
dcwafineten Augen auf mich gerichtet
imilile. Ich g,g und bewegte mich
wie ein Automat, und selbst mein l)e
l,,a. obichon st, IS torretl, wurde kalt
und auSdrudöloS. Wieder einmal
külil bis an' Herz hinan!" rief mir
der alte originelle Opernrcgifseur oft
araerlid, ad, dem Abgänge zu. ,0
tuen, mehr in' Zeufl gehen, Fräulein
dien! Jammerschade ist S um Ihre
dione stimme unb Ihre chone Au
gen! Das ganze Parterre könnten Ste
damit in flammen sitzen, wenn Sie sie
ur in aedrauchen wufUeii, Aber an
Halt weiter, gießen sie kalte Waffe
au. Hat Ihnen der liebe Gott die
strahlend,,, Sterne gegeben, damit Sie
sie bestand, niederschlage, anstatt sie
leuchten zu lassen? Haben Sie die scho
ne svühiiensigur dazu, um wie ein Stock
baziiitcijeiU Wen Sie, alademifch
torreit, aber kühl und gle,d,giliig vorn
Himmel hoch jaudizenber Freude unb
ber ZodeSberziveiflung singen, glaubt
Ihnen kein Mensch ein Wort von der
anten Uesch.chle. Wem aus den Brei
lern glüden soll, ber muß nun einmal
den geivifsen Bühnenteufel im Leibe
haben und versichen, iljii im rechten
Moment loszulassen. Ja, lachen Sie
nur e ist doch so und md,t anbei,
unb ich meine e gut m t Ihnen, wenn
ich Ihnen bie Wahrheit sage unb Sie
in biffel aussdielte.
Wohl ivufjie ich, daß er redjt hatte
und e ant meinte, der alte, vrave Poi
lerer, unb wenn ich auch lachen muhte.
so lag mir doch eigentlich ba Weinen
viel naher. Halten mir voch meine
Mängel, bte ich selbst nur zu genau
kannte unb um so bitterer empsanb,
all ich wuijle, bah sie nur au meiner
albernen, voch uiiuberwinoilcyen
Schüchternheit liervoreiinaen. Ichon
nande heimlid,e Thräne erpreht. Ich
empsanb lebhaft, verstand es, mich
ganz in bie Personen unb Vorgänge
i verfiken, bie ich varzu neuen harte
leider aber verlies; mich diese Fähigleit
und die richtige Stimmung stet va
wo ck sie am nöthigsten brauchte au
der Bühne. 0, ütna, warum singst
und spielst Du nicht im Theater wie
hier zu Hauses' sagte 0,1 genug ,eus
end meiit yjtutlet ein. ixa. warum
Zuerst halte die Kritik Nachsicht mit
der .Anfängerin," dann aber hieß ti
tmmcr häusiger: E ist zu beklagen,
das; es Fräulein S., die nach Stimme,
muftlaliidier Sicherheit und Vortheil
basier Ersdin,mg zur dramatischen
Sängerin berufen wäre, so völlig an
Zemveranient und Leidensdiaft ge
bricht." Ein anderer Recensent nannte
micti sogar eine zweibeinige Stimme,"
worüber ich bitterlich weinte.
Ja. sie hatten recht; ich sang auf
der Bühne wenigsten nicht wie ein
fühlender Mensch, sondern wie ein
todte Instrument.
.Sie singt gut. ober wie ein EiZza
psen." hörte ich einst, nachbem ich eine
Arie beendet, einen Herrn in der kleinen
P .ofcer'uniMoge dicht an der Bühne zu
seinen' Navar sagen.
Alk, diese tabelnden Stimmen, bie
ich vernahm, machten das Uebel nur
ärger, meine Angst wuchs mit jebem
Austreten, unb nicht ohne Zittern ver
mte ick mehr bie Bühne zu betreten.
Bereits buchte ich mit Schrecken daran,
baß ich bie Bühnenlausbahn würbe
aufgeben muffen, wenn das so weiter
ginge. Aber was sollte dann aus mei
nein Mittterlcin. aus Bruder und
Schwester werden? Nein, ich muhte
ausharren, aus alle Fälle ausharren.
Da trat ein Ergebnik ein. das mich
vollend aus allen Fugen zu heben
drohte.
Die Direktion hatte beschlossen,
Glud's erhabene Ope: Orpheus und
Eurydice" neu einustudiren, und mir
die Partie des Orpheus anvertraut.
Eine herrlidie Rolle, aber o Entsetzen!
ine Manner, eine Hosenrolle, w
vor ich von jeher ine besondere Abnei
un gehabt halte. Mühte meine
Blödigkeit, meine Angst sich nicht der
doppeln, wenn ich zum ersten Mal in
meinem Leben in Tricvi auftrat?
An ein Ablchnung war nicht zu
denlen: sie würde mich meine Stellung
gekostet haben. Der Gedanke an die
Meinen machte mich stark, und Ich such
' te mich mit guter Miene in das Unab
änderlich zu fügen. Zudem begeisterte
mich de aeuiaie Muiik, und bie !Koue
eignete situ vorzüglich für mein ii
i. d.,er i,i,ich! we,ii,,r
orauchi ich nicht ve einigste tutuJl
zu haoi unv hatte i auch nichi.
n oeil Prooen ging venn auch w
ic ganz gut, ja, man war sogar Uv
louucca uciicuigi von meiner iuuiiu
tiiiKU ei,ug unO falio, vag liu v,e
uegiiueu lagen v. griechischen N
er eur uiifluueiien louoeigaoe.
Ane viel ichiuietige Au, gab aber
Ui mich war ve, nuch an vie gtiechi
Iche IKunututacht zu yeiuouueii, oie
mich entlchch gcnnie, oogieich sie
itotf ver ji.tn.oi6 eigentlich viel vece
iet lout ai Die müuetue, lief Detouet
litte wüUtotatte unv mit, wie nur oei
pieacl fagie, gar ich! uvel fiano
täglich verocachie ich bei folglich et
tituciiei Aijut uuuen uauiii, mich
an oa ungewohnte Uolul zu gewoy
neu, unv ciiulich lernte ich e, um emi
act ivteuieit outm zu liefen, zu geen
NO mich fonii zu oewcgc. xuk t
av.r an, bei lUne vanni l.m louro
vara wagte ich iaum zu venien.
.eil oer taoauinotove ging e o ieiv
Ua;j nur wuiichi man im leijuu
in leioenichaiiiichere uno ergeeie,ioe-
res topul, um Orpheus B.rzioeiiiuiig
uverzeugenver audzavruden. ch ve
pra), obwohl t md)t viel eivi
oeriraiien. mein inogii te, zu ii)u.
So tarn beim ber Avenb bet Botuei
lung y.ran; bafl Hau war ausoe
,an,t, va die iper feil langen ayien
nicht gegeben worden war.
Mu erzttopien vertat ica vie uy
ne. inchie mich aver zu tancn, mich vol
l,g in meine lu, gäbe zu ver,enren unv
vi Publikum zu oergeen. zq iuyi
te. tatt e mit trotz iunUa unv in
cot besser gelang als je, und meint
Antrittsarie btachie mir erinunternden
Bei all.
,at noch bc et verlief ver zweite
!. in bem ich die Entrissene, dem
Schrecken der Unterwelt zum Trotz, be
freite und auf die Oberwelt zurud
,uhrle. '.,e herrliche (Uit, oer lich
Itet fieigernde Beifall des Publikums
dies alle rik mich so hin. vak ich be
ungewohnten Kostüm fast vergah, unb
mich sreier auf ber Büune bewegte, als
ich es sonst in Jrauenttacht geiyan,
Heute schalt bei alte Regisseur nicht,
wenn ich abtrat, sondern niate mir zu
frieden sdimunzelnd zu.
So ah ich denn ohne angen oern
dritten und letzten Alt entgegen. Doch
man soll den ag nid)t vor dein Aveno
loben.
Die entseelte Gattin lag zu meinen
ftünen unb ich drückte meinen Schmerz
,n der berühmten Arie au: .ch. ich
bade sie vorloren!"
Den ersten Bers hatte ich flehend zu
singen, währenb bes zweiten muhte ich
mich, von Verzweiflung überwältigt,
auf ben leblosen ttörp:r der Gelieb:en
niederderwerfen.
' ' that es; aber hierbei geschah et
waS, was mich mit Schrecken erfüllte.
Bei der heftigen Bewegung des Rieden
sturien vernahm ich ein aem, e ikra
chen unb glaubte beutlich zu fühlen
bah der Gurt, der die Tricots in der
Taille festhielt, nachgab.
Blitisdinell übersah ich die Folgen,
die dieser boshafte Zufall herbeiführen
konnte. Zwar reichte die Tunica über
das Knie hinab, allein trotzdem konnte
daS Mihgesd,ick bemerkt werden und ich
war dein Svott und ohn ausgesetzt.
Hätte ich wenigstens bis zum Schlus
se des AktcS liegen bleiben können
Aber ich muhte ia wieder aufstehen
wenn Armor als Retter nahte, und mit
ihm und der wieder in's Leben geru
fenen Gattin ein Terzett singen unb
diese dabei in meinen Armen halten
Glücklicherweise verlor ich, obgleich
alle diese Gedanken und Borstellungen
blitzschnell- durch meine Seele zogen,
doch nickt den musikalischen Faden unb
ich sang mit Tobesverachtung weiter
War o war ich nie geboren,
Weh' bah ich auf Erben bin!
Ich fühle es sie rutschen
Ach mir leuchtet keine Hoffnung
Unb kein Trost in biesem Leben
Vor Angst schrie ich förmlich.
Doch was war das? Welch ein Ge
löse erhob sich? War es Hohn unb
Spott? Nein e war stürmischer
anhaltender Applaus. Und doch wuh
te ich selbst nicht, wie und was ich ge
sangen hatte.
Nun erschien Amor als dcuS ez ma
china und eS half nicht ich mu
te ausstehen schrecklich!
Gan, langsam und mit öukerst
Vors'dit die unheilvollen Tricots so
gut eS anging festhaltend, erhob ich
mich.
Dem Himmel sei Dank ich stand
und sie sahen noch.
Nun war die gröhle Gefahr vorüber
und ich fahte neuen Muth. Euridice
fest an mich pressend wurden daburch
doch zugleich die Tricots keitgedalt
j ubelte ich im Dankgefühl glücklich
uberstandener Gefahr daS Triumph,
Triumph! im male hinaus. Ta
rauf senkte sich der Vorhang; ich war
erlöst.
Mit Ungestüm wurde ich herauSge
rufen, doch bevor ich nochmals vor dem
Publikum erschien, schlüpfte ich schnell
in di Garderobe, um mir die treulosen
TricotS befestigen zu lassen.
Aber. Fräulein, was wollen S
denn? saate bald beleidigt die Garde
robiere, nachdem sie nachgesehen. ES
ist ia aar nichts geplatzt und alle
Orbniing. So was kann überhaupt
bei mir aar nicht vorkommen.
Nicht ohne Beschämung sah tch ein,
bah ich mir alles blos eingebildet hatte
Von allen Seiten wurde ich zu mei
nem Erfolge beglückwünscht und der
alte Regisseur sagte, mir die Hand
drückend: Heute, im letzten Akt hatten
Sie wirklich den bemühten Buhnenteu
kcl im Leibe. Das war bas richtige!
Ja, wenn du nur wüßtest, dachte ich,
hütete mich aber wohl, etwas zu verra
tyen.
Am reichverzierten, offenen Fenster
eine Prad)tgevaube sitzt eine retzenbe.
junge Danje unb lausch, mit Perz uno
toinn ben Tönen, weiche vorn machbar-
Hause, burch Meiflerhanb einem la
vier entlockt, zu ihr herübertlingen!
Sie ist so in sich selbst versunken, vag
ie erichrocken au fahrt. we ihr aier
u ilir in s Xiinrnet tritt.
Zch yaoe NI r zu ,perei,c rneu
bringe Dir gute Nachricht, mein liebes
inv!" redete er das junge Mäd-
chen an. In diesem Br.efe hält
mein Freund Daller bei mir um Deme
Hand an! Daller ist Wittwer, ein
Mann von groher Herzensguie uno
Besitzer eines Vermögens, weiches Dich
mit dein meinen zu ver reichfien juurne
im Lande machen wird."
Da junge Madck)en erblahte bei der
Erklärung ve Vater und es dauerte
eine Weile, ehe es zur Besinnung kam;
tiesaufathmend erwiverte es vann: ,ch
achte und ehre Herrn Daller und fuyte
mich durch feinen Antrag yoq geeyrt,
aber annehmen kann ich ihn nicht!
.ürne mir nicht, lieber Vater! mein
jotr hat mon et leven!
Du liebst einen vtnoern uno qai
Dich hinter bem 'Rucken Deiner Eltern
verlobt tuhr ber Vater ye mg nur
Niemals Kälte ich geglaubt, dag Du
un so hintergehen tonntest!"
Ich habe mich nicht verlobt, unb es
ist noch kein Wort über unsere gegen
seitige Neigung zwischen bem Manne
meiner Wahl unb mir gesprochen wor
den, unb boch fühle ich, bah wir einig
mit einander für das Leben sind. Ich
werde baS gludlidifie !Diavchen von ver
Welt fein, wenn ich mich nicht in un,e
rein Nachbar, dem Herrn Lindner, ge
täuscht habe.
WaS. der Ta tcnliopfer gegenüber
ist der Lump, der meiner Tochter den
ovf verbrebt hat! bornierte der
enttäuschte Vater. Nie werde ich mei
ne Einwilligung geben: Have ich ein
Berinogen erworben, vamit es vurch et
ne Musifantenscele geht! Lumpen
gesinbel sinb sie alle! ; Mein einzig
ter Bruder hak auch eine Ta lemio
pferin geheirathet unb aus Dank bafür
nichts wie Elenb unb vierzehn rvtyyaa
rt"e Rangen m s Sau gekriegt!
Mit dieser jedenfalls etwas merk
würdigen Beweisführung für feine Ab
Neigung gegen die Musikanten" verlieh
der sonst so liebenswürdige Vater das
Zimmer.
ki,nach,.kvcirakchi,gcn.
Lächeln muhte ich, als ich am nach
sten Tage die folgende Stelle in der
Recension Über die Vorstellung las:
.Fräulein S., hat uns im Orpheus
eine Leistung geboten, die uns wahrhaft
überrascht hat. Daß wir eine technisch
korrekte musikalische Darbietung zu er
warten hatten, muhten wir vorher, aber
diese innerliche Beseelung des Gesanges
hatten wir nach den bisherigen Proben
keineswegs gehofft. Namentlich im letz
ten Akt war ihre Darstellung, auch
nach ber schauspielerischen Seite hin,
eine wahrhaft meisterhafte. Die er
schüttelnden Klagen an der Leiche der
geliebten Gattin kamen aus einem von
Angst und Verzweiflung durchwühlten
Herzen und wurden in ihrer Wirksam
keit noch erhöht durch das ergreifende
Spiel. Das mühsame Erbeben von
dem entseelten Körper, die schmerzge
brachen Haltung, dann der Uebergang
zu triumphirtnder Freud bie alles
kann überzeugenber und ergreifender
kaum dargestellt werden. E war in
Gesang unb Spiel eine hochbramati
sche Leistung "
So waren mir denn die gesürchteten
Tricot zum Segen geworden, denn
jetzt wuhte ich au eigener Erfahrung,
wie man singen und spielen muh, um
da Publikum hinzureihen. Das Ei
war gebrochen, und wenn ich je wieber
in meinen alten ffehler zurückfallen
wollte, so brauchte ich nur an meine er
sten Tricots zu denken, um ihn zu ver
meiben.
Ein Zufall hab ihn und seinen
Freunb, ben er am 1. Juli vom Zen
traldahnhofe abholte, als sie burch die
Anlagen promenirten, nach dem Bank
gebäude geführt. Sie waren der Mei
nung, das Haus sei v Börse, weil so
lei Berkehr da war. Au 'jieugier
seien sie eingetreten, und jetzt entdecken
e, dak es e ne Bank sei. Was nun
dort im Inneren der Bank passirt ist,
erzählen wir besser mit den Worten des
lleberfallenen. Es ist der fechözeyn
jäbrige Lehrling Jean Müller aus dem
Geschäfte von Gebrüder Wolff. Die
ser kam am genannten Tage, l. guu,
auf die Reichsbank, um einen Check
über 224,000 Mark umzusetzen den
man dem jungen Menfdien anvertraut
hatte. Er holte die grohe Summe in
einer ledernen Mappe. Er erhielt sie
in elf Bündeln zu 100 Markfchern.n.
Dah ihm Jemand beim Heimweg
folgte, hat er nicht bemerli. Als er
im Geschäftslokal seines Hauses bie er
sie Treppe hinaufging, merkte er, bah
ihm zwei Herren nachfolgten bis auf
ben Vorplatz, vier wurde er am al
se gewürgt und niedergeworfen. Er
ward bewuhtlos und kam erst wieber
auf einem Stuhl im Kompio.r zu sich.
Es wurden noch vieruno emiig Tau-
senbmarkscheine neben ihm auf bem
Vorplatze verstreut vorgefunden. Ein
Buchhalter von Wolff, Richard Hegele.
welcher ben Flüchtling ver olgt hat, ve-
kündet, bah aus dem Ro maril oer
Fliehende Halt machte, einen Revolver
ausstreckte unb sich langsam rückwärts
konzentrirte. bis ihm ein Ten tmann
entgegentrat, dem er die Waffe auf die
Brust hielt und feuerte. Schutzmann
Eherlein ist der Ansicht, das, es nur
Zufall gewesen sei, wenn ber Dienst-
mann nickt getroffen wurve.
In ben groken Manteltaschen O'
Eonnels sanb bei Zeuge IoV.uoo 'M.
in Tan Mnb-Maik.echeiuen. Attcy
falsche Schlüssel wurden in der Diebes
tasche gefunden. Andere Gegenstände,
wie falsche Bärte. Aetzmiitel für
chlösser etc.. wurden in seinem auf
der Eisenbahn abgegebenen Koffer ge
funden. Er leugnete, dah sie ihm ge
hörten. Das Gepäck aehore seinem
Reisegescllschafter. Theilweise erkann-
te er aber den Be , an und wunie ,ur
jedes Jnventarstück aus dem Diebesar
senal eine Erklärung, oft so humori-
stischer oder frivoler Art. dah der Vor
sitzende sich die Heiterkeit im Publikum
verbitten muhte.
Weihnachten steht vor der Thüre
und 'Mutter und Tochter Erstere
mit der Letzteren einverstanden sitzen
ihren Gedanken nachhängend, mit einer
Handarbeit beschäftigt, zusammen
'Mutter " saate da ihre Arbeit un
terbrechend, daS junge Mädchen ich
habe eine Idee, wie wir ben Vater, bei
einem guten Witz nicht abholb ist unb
im Grunbe meinem Auserwählten nur
ovrionirt, um zu opponiren, herumkne
gen können." Unb nun entwickelte
unser Evatöchterchen einen Kricgsplan,
welchen wir balb kennen lernen werbe
Balb nach dieser Unterredung be
sprach nach alter Sitte der Hausherr
mit der Gattin genau, was für Weih;
nachlsgeschenke den Angehörigen des
Hauses gemacht werben sollten unb
dann fuhren bie Gatten in bie nah,
Hauptstabt, um solche einzulaufen. Für
die Tochter wurde neben anderen
prächtigen Sachen ein Blumentisch
ausgesuck,t, wie sie sich ernen solchen ge
wünscht hatte und gut verpadl v
besörbernben Fuhrmann übergeben.
Der Weihnachtsabenb rückte heran,
doch nicht der Blumentisch und schlich
lich muhte ohne denselben die Beschee
rung vor sich gehen. Schon waren
b!e Familienmitqlieber um ben licht
glänienben Baum versammelt, als bie
Diener ein grohe Kiste in bas Zimmer
trugen. Alle Anwesenden versammel
ten sich um dieselbe! Mein Kind"
sprach der Vater zu seiner Tochter
.den Inhalt dieser Kiste hast Du D
gewünscht; ich hoffe, daß Du mit mei
n:r Ueberraschung zufrieden sein wirst
Doch die Kiste enthielt die gröhte
Ueberraschung für ben Vater selbst,
denn ihr entstieg der nachbarliche
Tastenklopfer, und bald darauf ist
Hochzeit.
Wieder steht Weihnachten vor der
Thüre! Der junge Ehemann hat sich
in der Hauptstadt eine brillante Sieb
lung erworben und lebt dort glücklich
und vergnügt mit seiner jungen Frau
Die Eltern sind zum Weihnachtsfe
eingeladen und kommen eben recht zur
Bescheerung. Wie der Baum im hellen
Glänze erstrahlt, führt der junge Mann
seinen Schwiegervater zu einer kleinen,
bedeckten Riste unb sagt: ,.E?chon n
mal hat eine solche eine große Ueberra
schunq für Dich enthalten unb zwar
mich; und wieder wirst Du die Augen
verwundert aufreißen, wenn Du den
Inhalt dieser Kiste siehst." Der Vater
sollte sein blaues Wunder erleben, benn
aus bem Kistch.n zwinkerten ihn vier
blaue Augen an unb vier Faustchen
ruhten aus zwei schmatzenben Maub
chen.
Und Durst haben die kleinen Mu
fikantenscelen natürlich auch schon
rief der gänzlich überraschte Grohvatcr,
e ist die bekannte Rasse, an der nur
noch zwölf Stück zur Schlußüberra
schung fehlen!
f!n Bankräuber.
Der Bankräuber Charles O'Connel,
auch Ward genannt, der am 1. Juli
d. I. in Gemeinschaft mit einem ent
kommenen Genossen, einem Lehrling
des Bankhauses Gebrüder Wolff in
Frankfurt a. M., einen von der dorti
gen Reichsbankhauptstelle erhobenen
Betrag von 224.000 Mark geraubt
hatte, ist, wie bereits gemeldet, zu zwölf
Jahren Zuchthaus derurtheilt worden.
Der 27jährige Angellagte ist in Syd
ney geboren. Ein Dolmetscher ver
mitteile vor dem Frankfurter Schwur
gericht den Verkehr zwischen dem Vor
sitzenden und bem Angeklagten, der des
Deutschen nicht mächtig ist.
Der Angeklagte ist in Deutschland
unbestraft, schleppt aber ein Convolut
von Strafen nach sich, die er in den
Vereinigten Staaten empfangen hat.
Er kam im Februar dieses Jahre? über
Liverpool nach London. Hier machte
er die Bekanntschaft eines Bookmalers
Enz, und beide besuchten dann die
Wettrennen einige Monate hindurch.
Daß dieser der Hehler seiner Diebs
geschäfte gewesen, stellt der Angeklagte
in Abrede. Er hat sich dann nach dem
Kontinent begeben, zunächst nach Va
ris. Hier habe er seinen nachherigen
Gesellschafter kennen gelernt, aber nicht
unter dessen Namen. Die That in
Frankfurt muß er natürlich zugeben,
betont aber, dah er keinen wirklichen
Raub ausgeführt, sondern nur einen
Versuch dazu gemacht habe. Er kam
nach seiner Angabe allein nach Frank
furt und logirte im Unionhotel unter
falschem Namen, wie er e! denn übet
Haupt liebte, seinen Namen zu verLn
dein. Er giebt zu, sich in Amerika und
England balb Harty, bald Horbing,
balb Wilson etc. nannt zu haben.
Da sei auf Reisen in Amerika Mode,
bei
Onliviekclung er cuiigcn Zcstn
flfii.
RÖliiii.be ieiialij.
berstanb zu leisten vermögen. Bei
einem soldien Betfahren fällt auch bie
jenige Unterstützung fort, welche die
nunmehr durch eiciene Truppen was
irrten Geschütze der Stadtuniwallung
zu leisten vermochten. Bei der großen
Entfernung der Forts von der stabt
it sreilich ein solches Eingreisen ohne-
hin bei den meisten Festungen bereits
unmöglich geworden.
Derngcmak besteht die Ausgabe des
Vertheidigers darin, in der vorderen
Linie seine vollen Kräfte zu entfalten
und einzusetzen, und er muh bestrebt
sein, dort ine geschlossene, zusammen-
hangende Stellung sich zu schassen,
möglichst gleichwertig derjenigen Um
Wallung, wie sie bei den alten Festun
gen vorhanden war, die jetzt den Kern
dilben. Der Werth einer solchen be
ftanb in ihrer Sturmfreiheit. Der
Angreifer bürste es nidt wagen, m
den Graben zu dringen, um mit Leitern
turmend den Wall zu erfteicien, bevor
durch planmäßige Besdzichnng die Be-
fatzung erschüttert und betradztliche
Theile der Werte zerstört waren. Den
gleichen Grad von Sicherheit genießt
der Vertlibiqer in seinen Forts. Für
ferne außerhalb kanipfenben Theile
muh das abfd)lichende Hindcrnih erst
bei Ausbruch bes Krieges etridjtet werben.
Die Forts bilden gewissermahen vor-
springende Bastionen in dieser vordem
Linie und ihr Geschütz bestreicht die
Zwischenräume, deren grohe Ausdeh-
nung jedoch daran mahnt, dah ein ge
wallsames Durchbrechen des Angrei-
sers möglich blieb. Jebenfalls konnten
di Mengen schwer beweglicher Ge
schütze der Zerstörung durch den Geg
ner babei anheimfallen. Diese Gefahr
bewog zur Einsd?iebung neuer Werke
m bie Luden. Gleichzeitig erkannte
man, bah i dem Kampf gegen eine
määiiige Belagerungsartillerie die
Truppen außerhalb der Werke nur
aushalten können, sobald sie in sichern
Räumen verharren, bis ein Sturman
gr,ff sie an die Brustwehr ruft. Die
fo!ert)cit vor den heutigen sprengge
schössen gewähren nur sehr starke Ge-
Wölbeschichtungen, die nicht in kurzer
Zeit fertig und fest werben. Mit der
Erbauung dieser Unterkunftsräume
sind neue Glieder in die Befestigung der
äußeren Linie eingeführt, bie so den al
ien UmWallungen immer ähnlidier
werden. Es bleibt nunmehr noch die
Bedingung der Sturmfreiheit zu er
füllen. Bei dem ungeheuren Umfange
entsteht hier eine um so größere
Schwierigkeit, als Wall und Graben,
die den wirksamsten Sdrntz gewähren,
nur in geringen Abmessungen schnell
hergestellt werden können.
kannt gemacht. Dadurch fand sich der
Kaiser Franz der Erste, veranlaßt,
dieses Gesetz im Jahre 1764 zu er
neuern und darüber 1772 ein nochma
iges Reichsgcsetz publiciren zu lassen;
in vielen Orten ist es aber trotz alledem
beim Alten geblieben. Der Kaiser Jo
scph. der Zweite fand sich gleichfalls
noch veranlaßt, den blauen 'Montag"
und andere willliirlidie Festtage bet
Handwerker zu beschränken und zu ver
bieten, allein der Erfolg war kein all.
gemeiner. Wie eS heilt zu Tage damit
fleht, mag sich jeder selbst beantworten
sagt er.
Leuten.
ehrlichen und unehrlichen
Wer um die Mitte dieseS Jahrhun
derts durch die Werke einer preußischen
Festung schritt, dessen Blick siel au
lange von Schießscharten durchbräche
ne, oft noch mit Zinnen gekrönte Mau
ern. Die Thore waren vielfach ragen
de Kunstbauten mit Erkern und Gale
rien, die an jene Tage erinnerten, wo
man den sturmenden Feind mit sieden
dem Oel und Pech aus Wighäusern
Machicoulis, Pechnafen, oder w.e d
Baute alle heißen, herunter übersahüt
tete. Merkwürdig genug ist es zu be
obachten, wie der Gedankenkreis de
Romantik sich in seinen ungeschichili
chen Vorstellungen auch in die Kriegs
Architektur eingesdzlichen hatte. Doch
der stete Kampf zwischen der Artilleri,
und dcr Befestigungskunst schaffte hier
Wandel.
Die Wahrnehmung, dah die mächti
gen Sprenggeschosse jedes gezackt,
Mauerwerk, aus bas sie schlagen, al:
Splitter nmhs.rfchleudern, führte zu
der Anwendung unscheinbarer Linien,
glatter Flächen und versteckter Hohl
räume. Eine moderne Festung Hai
mit einer Ritterburg nichts mehr ge
mein. Die vielfach angewandte Pan-
zerkuppel laßt manche Theile erner
heutigen Festung eher einer afrikani
schen Negeransiedlung gleichen, die sich
kaum vom Erdboden abhebt.
Festungen, die mit ungeheurem Auf-
wand bon Mitteln und Kräften einmal
hergestellt sind, müssen freilich ihre an
fängliche Gestalt auch bei den gestriger
tenAnyriffsmitteln imWesentlichen bei
behalten, und wenn man ihre Wider
standssühigkeit vermehren will, kann
es nur durch Einfügung neuer Schutz
Mittel in der ursprünglichen Anlage
geschehen.
Aus den Erfahrungen des franzö
sischen Feldzuges leitete man für den
Festungskrieg etwa folgende Grund
sätze ab. Kleine Platze mit geringen
Hohlräumen können eine Beschießung
nicht aushalten. Der Bau dicht hinter
einander liegender Reihen von. Werken,
wie sie Vauban geschaffen hatte, ist
zwecklos, weil die neuern Geschütze aus
weiter Entfernung zerstören und auf
diese Weise die einzelnen Abschnitte
des frühern schrittweisen, um eine Li-
nie nach der andern geführten Kampfes
gewissermaßen überspringen.
Es ist bekannt, daß diese Erwägun-
gen die Aufhebung einer Anzahl Fe-
stungen veranlaßt haben. Allein auch
die großen Waffenplätze bedurften einer
Umformung. Das Fehlen fclbststan
diqer Auhenwerke (Forts) hatte die
Vertheidigung bon Straßburg beein
trächtiqt, bie Pariser Forts hatten an-
beiseits bie eingeschlossene Stabt nicht
vor ben Schrecken der Beschießung be
wahrt. Obgleich nun weder der Fall
von Straßburg noch die Uebergabe
von Paris durch Bombardement nach
weislich beschleunigt worden war, galt
es nach dem Kriege doch als eine
Hauptaufgabe der Neubefestigung, das
Stadttnnere für die feindlichen Ge
schösse möglichst unerreichbar zu ma
chen. In diesem Bestreben gewannen
die Fortsgürtel jenen gewaltigen Um
fang, wie ihn das heutige Paris,
Toul, ebenso Straßburg u. f. w. auf
weisen, zu deren Vertheidigung nun
mehr ganze Heereskörper erforderlich
worden sind.
Daneben hatte noch ein neuer Ge
danke sich Bahn gebrochen, der an und
für sich überhaupt einen Widerspruch
gegen das Wesen der Festungen zu ent
kzalten scheint. Jedes vorgeschobene
Werk, auch wenn es von seinen Nach
barn durch Geschützfeuer unterstützt
werden kann, ist an und für sich einem
umfassenden Angriff aus Belagerungs
batterien ausgesetzt, dem es fchliehlich
erliegen muh. Gegen diese Ueberle
genheit kann die Festung nun in den
Zwischenräumen der Werke ihrerseits
Batterien herstellen. Diese sind nach
ihrer Bauart den Angriffsbatterien
immer noch mindestens gleichwerlhig,
während die Herstellung selber und die
Ausstattung vermöge der im Festungs
bereich vorhandenen Hülssmittel und
Straßen sich leichter vollzieht. Man
ist dann weiter gegangen und hat au
ßen an die Werke bereits fertig gebaute
Batterien angeschlossen.
Die Anlage der übrig? kann natur
gemäß erst im Lauf dr Belagerung
vor sich gehen, da der Angreifer doch
nur gegen inen Theil des ganzen
Fortsgürtels seine Geschützmasse eni
wickeln kann. Indem der Bertheidi
ger somit den Hauptartilleriekampf
au den Werken in das freie Feld ber
legt, stellt er seinen Truppen eine schwe
re Aufgabe, bie bem Festungskriege
bisher fremd war. Denn e galt
früher als Grunbsatz, daß hinter Wall
und Graben auch weniger zahlreiche
und minbkrwerthig Strkitkräfte Wi
Ci
Tns ro,!''Lo!ic.
Ein Herr H. hat ben glücklichen Ge
winner der Viertel-Million der Mühl
hausener Lotterie, den Rentier Haamels
in Frankenhausen, in dem idyllischen
Har'stadichen, aufgesucht und wei'
nun folgende Einzelheiten zu berich-
ten: In der Nacht vom 28. zum 2g.
Ottober g. I. wurde ich wir lassen
Herrn Haamels selbst erzählen durch
li stiges Klop'en an der Tyur geweckt
Mit dem Revolver in der Hand öffne
ich die Hausthür, unb stehen mir zwei
dollig unbekannte Herren gegenüber,
von benen der Eine eine blaue Brille
irug. W'.r wünschen sie in dringender
Angelegenheit zu sprechen," meinte der
Eine der Fremden, und als ich erwider-
te, das hatte doch bis morgen früh Zeit
erklärte der Herr, das ginge nicht
hinn hf'i ,inS fthcn dtp IIhififnntn !"
So kam es, dah ich mich balb mit mei
ern nächtlichen Besuch in ber guten
Stube fand. Spielen Sie in der
'Mühlhausencr Lotterie?" schnauzte
mich der bebrillte Herr an. Zu Be-
fehl, Herr Eriminalcommissarius
denn für einen solchen hielt ich na,
seinem Auftreten den Mann. Mensch
dann haben ie das große eüoos ge
wonnen; doch darüber später; zeigen
Sie uns Ihr Loos." Zu Befehl,
Herr Kornrnissarius!", und mit zittern
den Handen suchte ich nach demselben
Während ich damit beschäftigt war,
zählte der Bebrillte ohne Weheres aus
seiner Brieftasche einen Tausendmark
schein nach dem andern auf, und als ich
die Nummer 25,982 zum Bor chem
brachte, nahm der Kommisscrrius das
Loos sofort an sich aus Nimmerwie
dersehen. So hatte der Herr 230 sol-
cher (scheine auf den Tisch gelegt. ,,'Jca
sind es schon 250,000 Mark!" meinte
ich unschuidsvoll, und erhielt die Ant-
wort: So ziemlich. Herr Pyra ist
nur müde vom Aufzählen, sehen Sie
sich mal die Geldphramide an." Dann
standen die beiden Herren wie die Oel-
qotzen und ich zahlte immer wieder
mehr als 230,000 Mark wollten es
aber nicht werden! Ja, meine Her-
ren, die Oper ist doch noch nidt zu En-
de. da fehlt doch noch der letzte Akt,
von wegen der restlichen 20,000 Mark,
davon. Sie wissen doch, die Viertel-
ilmllio ist baar und ohne Abzug zahl
bar!" Nun ergossen Herr Pyra und
Kollege die Suada ihres Mundes über
mich und zwar dergestalt, daß ich zu
letzt annahm, der heilige Crispin sei
,m Vergleich zu Herrn Pyra ein Stra-
ßenräuber, und sie setzten mir unw',der
legbar auseinander, dah ich nur hoch
stens Anspruch auf 230,0 Mark ha
be. Ihr Chef in Berlin, für den sie
lämen, sei in Folge eines Hotelkraches
klamm und er wisse nicht, was er vor
Dallas" machen solle." So geschah
es. daß ich mir 2, Mark abziehen
lieh und jedem der beiden Glücksboten
n" 400 Mark ertra w dmete. Unter
Händedruck und Verbeugungen verab-
schiebete ich mich von meinen neuen
Freunden, die mit der nächsten Post
nach Berlin zurückfuhren. Das Geld
habe ich dann auf der Bank deponirt."
Bon blniie Ni,'Nag.
Der X?olnc?'s,c ,!?!.
Für ben itometen evolmes, ver in
Folge seiner anfänglichen irrigen Jden,
tificirung m t dem Biela'sdzen Korne
ten und den daraus gefolgerten Zusam
rnenireffens mit der Erde eine gewisse
Aufregung nicht nur in astronomischen
Kreisen hervorgerufen hatte, sinb jetzt
von Professor Weiß aus Beobaditun
gen, b.e einen Zeitraum von 9 Tagen
umfassen, Elemente abgeleitet worden,
die schon ziemlich der Wahrheit nahe
kommen dursten. Dieselben weichen
von denen des Biela schen Kometen
völlig ab, sodass es also nur Zufall
war, daß der Komet Holmes an einer
St.lle des Himmels entdeckt wurde
in der Andromeda , von wo aus die
am 27. 'November zu erwartenden
Metcore des Biela'schen Sternschnp
penschwarms auszugehen sdieinen
Nach diesen Elementen hat d.r Komet
Holmes seine Sonnennähe bereits um
die 'Mitternacht des 19. April d. 3.
passirt und besinbct sich also längst
wieder auf der Wanderung von der
Sonne weg hinaus in den Welten
räum.
Es erscheint nun sonderbar, daß der
Komet nicht früher schon entdeckt wur
de. Rechnet man den Weg, den der
selbe nach den jetzt abgeleiteten Ele
menten seit Ansang dieses Jahres be.
sckirieben hat. nach, so findet man aller
dings, daß er anfangs zu südlich und
dann der Sonne zu nahe stand, um
von den gewerbsmäßigen Kometen
jägern, die alle auf der Nordhalbkugel
der Erde postirt sind, entdeckt werden
zu können. Am 21. Mai passirte bei
Komet ben Himmelsäquator nach Nor
den zu eilend und kam dann bald an
Punkte des Himmels, wo er hatte ge
sehen werden können. Daß bis zu sei,
ner Auffindung noch über fünf 'Mo
nate verstrichen, erscheint um so sonder
barer, als der Komet um diese Zeit der
Sonne und der Erde näher stand, als
zur Zeit der Entdeckung, und theoro
tisch 2 3 mal Heller gewesen sein muß
Ta seine Auffindung außer durch Hob
mes auch durch einen Liebhaber der
Astronomie, Andersen in Edinburg,
den Entdecker der Noca Aurigac, mit
unbewaffneten Auge erfolgte, so er
sd,eint es noch räthsel'after, daß man
ihn vorher nicht sah.
Man darf mit Gew.hh?ii behaupten,
daß seine Helligkeit zu d r der Ent
deckung vorangehenden Zeit newiß b.
trachtlich kleiner war, als die rechne,
risch gefolgerte, denn es stehen äugen,
blicklich Kometen am Himmel, die noch
nicht den hundertsten Theil des Lichtes
nnserers Kometen haben und den eifrl
gen Konietenjägern doch nicht entgan,
gen sind. Wir haben cs also hier o
fenbar mit einer besonders bei hellen
Kometen nicht gerade seltenen Erschei,
nung zu thun, daß sich. Große, Aus
se" innerer Bau eines Kometen und
damit seine Helligkeit oft sprungweif,
und ganz willkürlich andern. D,e!
zeigt auch das Verhalten dieses Kome
ten nach der Entdeckung.
Einige Tage lang war er mit bloß
Auge bequem zu sehen, zeigte aber im
Fernrohr bisweilen rasch wechselnde
Veränderungen an Kern und Nebel
hülle. Jetzt ist er schon so schwach,
daß ihn ein Fernrohr von 6 Zoll Oeff
nung nur noch als ganz verschwömme
ne kleine Masse zeigt. Zwar muh die
Helligkeit abnehmen, aber lange nicht
i dem beobachteten Mas,c: man hatte
ihn bequem noch einen Monat lang
mit freiem Auge sehen müssen. Der
Komet gehört zu den fonnenscrnen, m,
dem er auch im Perihel noch 255 Mill.
Kilometer von der Sonne entfernt
bleibt, etwa 1 710 Mal so viel, als
der Abstand der Erde von der Sonn-
betragt.
Eduard Keen durchreiste als ein
fliegender Händler mit Landkarten den
Staat Jndiana und fand bei einzelnen
Schulvorständen für seine Waare Ab
satz. Bei der Ablieferung der Karten
an die Lehrerinnen sagte er einer jeden
im Geheimen, daß er im Besitze der
Fragen für die nächste Lehrerinnen
Prüfung und geneigt sei, Abschriften
derselben für vierzig Dollars zu ver
kaufen. Verschiedene Lehrerinnen gin
gen auf den Leim, aber eine machte dem
Staats-Schuldireltor Vories-von dem
beabsichtigten Betrüge Anzeige. Auf
Bories' Wunsch setzte die Lehrerin die
Unterhandlungen mit Keen fort und
traf schließlich mit ihm in C r aw-
f o r d v i l l e zusammen. Dort sagte
ihr Keen, daß er durch Bestechung eines
County - Schuldirektors in den Besitz
des Fragebogens gekommen sei, und
mehrere Lehrerinnen waren mit der
Abschrift der Fragen beschstigt. Diese
hatten ihr Geld umsonst weggeworfen,
denn der Staats - Schuldirektor ar
beitete neue Prllfungsfragen aus, wel
che sodann bei der Prüfung den Lehrer
innen vorgelegt wurden. Keen entzog
sich seiner Verhaftung durch die Flucht.
Im sechzehnten Jahrhundert wurden
die meisten deutschen Kirchen in ver Fa
stenzeit mit blauem Tuche ausge
schmückt, und um eben diese Zeit fingen
die deutschen Handwerlsleute an, vie
Fastenmontage durch die Unterlassung
aller Arbeit zu feiern. Dies thäte
nicht nur die Meister selbst, sondern sie
ertheilten auch ihren Knechten unb Ge
sellen eine gleiche Erlaubniß. Diese
vertrieben sich die Zeit am Tage mit
Eilen und Trinken und ermunterten
sich dazu gegenseitig durch den Zuruf,
daß blauer Montag" heute sei. Was
anfangs nur während der Fastenzeit
stattfand, erfolgte endlich auch auher
derselben und wurde aus alle !ll!oniage
das ganze Jahr hindurch ausgedehnt.
Bald entstanden jedoch arge Miß
bräuche; die größten Ausschweifungen
wurden an den blauen Montagen"
verübt. Dies machte die Regierungen
aufmerksam und veranlaßte den Kaiser
und baS Reich zu Beratschlagungen,
wie bem Unfug zu steuern fei. Die
Sache kam beim Reichstage enblich zur
Sprache unb 1731 kam ein Neichsge
setz heraus, kraft besten nicht nur an
dere Mißbräuche, sondern auch der so
.nachtheilige blaue Montag" abge
srfiafft sein sollten. Der König von
Preußen war der Erste, der daraus
drang, daß dies in seinen branden
burgischen Ländern durchgeführt wur
de; in den meisten anderen Reichslan
dern ward dies Gesetz aber nicht streng
befolgt, ja in vielen nicht einmal be
Tttsanna Im Bade.
Der südliche Theil von Allen
C o u n t y, O., leidet unter der Räu
berplage. In der Dienstag !achl
wurden Martin Clum und William
Lippencott gebunden und geknebelt und
ihre Häuser rein ausgeplndert. Ei
nem anderen Farmer Namens French
wurden alle Werthsachen geraubt. Les
lie Harrod wurde auf der Straße an
gehalten und um seine goldene Uhr und
all sein Gnld beraubt.
In W i l rn a n i i c, Conn., wur
den Polizeikapitän Frank W. Newell
und der angesehene Anwalt James S.
Lynch unter der Anklage verhaftet, in
einem verrufenen Hause bei einer
Schlägerei betheiligt, gewesen zu sein
in welcher zwei Personen beinahe todt
geschlagen wurden. Die Verhafteten
behaupten, daß die Anklage ein Rache-
akt sei, weil Newell gegen die Profti
tutlon energisch vorgegangen und hier
bei von Lynch unterstützt worden sei.
Chas. A. Benson, der zum Tode
verurtheilte Mörder von Frau Mett
mann, machte in der Jail von L e a
v e n w o r t h, Ks., einen wüthenden
Angriff auf den Gefängnißwärter
Ncorgan und brachte ihm eine furcht
bare Wunde mit einem Dolche bei.
Dann stieß er sich selbst den Dolch zwei
mal in bie Brust. Er wirb seinen
Wunben erliegen.
Fräulein Annie Green von East
Haven wurde auf dem Markte von
New Haben, Conn., von David
Burleigh in gemeiner Art beleidigt.
Sie ergriff eine Peitsche aus ihrem
Buggy und prügelte ben Benc'l mitx
dem Beifall der Marktbefucher so lau
ge, bis sie nur noch den Griff der Peit
sche in der and halte. Die Polizei
sucht '"'t nach Burleigh, der sich mit
von Blut Überströmten Gesicht rettete.
Ur.tdm rfu: rutciii llrlticll iuVrott
tfi'li l.ut'uttkfr l.elti.lrnt'l.
Die Sonne ging in diesem Sommer
Tag um Tag mit einem solchen Feuer
an ihr heißes Tageioerk, als ob es sich
darum handelte, die Erde ans kürzestem
Wege in einen glühenden Pfannkuchen
zu verwandeln. Ueberall rüstete man
di zur nothwendigen Eryolungsrei e
in die lieblichen Soinierfrifden Thü-
riuaens. an die wildbrau enben Wo
een der See. oder in die stolzen Berg
nesen Oberbayerns, TyrolS over ver
id)weiz.
Auch in dem Sause bes Feuer-iisocie
läts-Direktious-Sekretariats-Assisten
Ien Schmalhans in dem Provinzstädt-
chen Z). wurde die Frage erörtert: wo-
hin? Freilich gestalteten die Mittel tx
ne Erholunqsrei e der ganzen Familie
nicht, aber für die Sommerfrische des
lochterchenS fonlanna hatte die Mut
tcr einige Spargrofdien gesammelt;
oas 'jjcaddien sollte eine Luftverande
nq haben, das war deichlonene toa
che. Denn Snsanna war bereits zwei
imdzwanziq Jahre alt. Nennt mir
aus dem weiten Erdenrund ein Mut-
terherz, das im Besitz einer erwadfencn
Tochter sich nicht i der bangen sorge
ocrzehrt: wann endlich wird der
Schwiegersohn kommen? Ei Vater
auge, das sich nicht urndüstert bei dem
Gedanken an die Zukunft der Toazter!
Susanna war nicht hervorragen
hübsch und ein Bischen schwer an den
V!ann zu bringen, aber sie besaß eine
recht vortbcilhaste Figur und ein fro
hes Gemüth. Auch konnte sie mit Fug
und Recht eine höhere Tochter, ge-
nannt werden, denn sie hatte bie erste
Klasse ber fünfklassigen Schule mit
dem Zeugniß recht gut" verlassen unb
war auch in ber bestehenden jtoch unv
Saushalwngsfchule thatig gewe en
ES schien, baß sie alle Eigenschaften
hatte, um einen Mann, ber weniger
auf irbische als auf geistige Guter sah,
gllldlich zu machen. Dieser Meinung
war auch Mama Schmalhans, benn sie
nidte oft unb voller Öffnung im
Blick ihrem Gemahl zu unb tröstete ihn
Es wirb schon gehen, pass' auf, Alter,
es wirb vortrefflich aehen.
Man muß dem Glücke die Hand die
ten! so dachte Mutter Brigitte, sie
fakte sogar dem Glücke noch recht fräs
tig unter die Arme, d. h. sie erstand im
standigen Ausverkauf des 'cooemaga
zins für Susie Stoff zu zwei nagel
neuen Waschkleidern einen Sonnen
schirm, einen billigen Regenmantel, ein
Paar elegante Schuhe mit englischen
Absätzen und einen allerliebsten Hut
dep" Veilchenkranz zu dem hellvlon
den Haare Susie's paßte. Nachdem
der Herr Papa mit gemischten Gesuh
len recht tief in den Beutel gegriffen
hatte, durfte Fräulein Susanna untkr
der Obhut ihrer Tante Amalia den
sonnigen Gefilden, in denen sie iy
Glück zu finden hoffte, entgegenkam
pfen.
Eine Weile hatte der besorgte Vater
dem Gedanken Ausdruck gegeben, ob es
nicht kluger sei, seine Tochter nach
Marienbad oder Ems aus die Damen
Ausstellung zu schicken, aber die Ma
ma hatte diesen Einfall sofort durch
die verhangnißvollen Worte beseitigt
Da mußt Du 100 Mark unb noch ein
Kleid zulegen, außerdem kommen
viele Damen dahin, daß unser Sus,
chen da ganz verschwinden würde.
Nein, nein, wir wollen mit Gottes Hül
fe das Beste von Glücksbrunn erhof
fen.
Und so reiste Susanna, nachdem die
Eltern sie recht eindringlich ermähn
hatten, möglichst verlobt in's theure
Vaterhaus zurückzukehren, noch ehe die
250 Reichsmark aus dem Altar de:
Glücksbrunner Kurhauses geopfert sei
en. Sollte dieses Ergebniß bereits in
der zweiten oder dritten Woche eintre,
ten, dann wäre bon ihrem töchterlichen
Nflichtgefühl zu erwarten, daß sie
schleunigst heimkäme, damit für den
Rest der Krieqskasse das für die Mut,
tcr nothwendige Seidenkleid gekauft
werden konnte.
Susie gelobte, die elterlichen Lehren
aus das Beste zu befolgen und dem er,
sten '1!anne, der die geringste llnvor
sichtigkeit gegen sie beginge, um den
Hals zu fallen, das Opfer seiner Lau
ne unverzüglich den theuren Eltern zu
führen, damit diese dem durch innige
Liebe verbundenen Paare bei Kalbs-
braten und billigem Rothwein ihren
(siegen ertheilen können
In dem mit stolzen Worten Villa
Hoffnung" bezeichneten Bauernhäus-
chen zu Glücksbrunn miethete Tante
Amalia zwei armselige, aber saubere
Zimmer für billigen Preis, zunächst
vorsichtshalber für eine Woche. Ob-
wohl Susanna sich einer brutalen Ge
fundheit erfreute,, wurde dennoch der
Badearzt wegen der einzuschlagenden
Kur" zu Rathe gezogen. Nach gründ
licher Untersuchung konnte der Arzt ei-
ne augenvlidllche Gefahr für das Le-
ben nicht feststellen, er verornete des
Morgens zwei Becher der von den be-
dcutendsten Chemikern der Gesunhcii
als nicht schädlich bezeichneten Edel-
quelle wöchentlich drei Fichtennadel-
bäder und einen mindestens dreimal
hinter einander zu erfolgenden Besuch
Glucksbrunnen. Wenn Susanna diese
Verordnungen pünktlich befolgen wür-
de, dann könne Ire auf eine recht statt-
liche Anzahl von Lebensjahren rechnen,
andernfalls vermöge er vafur die Ge
währ nicht zu übernehmen.
Am nächsten Morgen ließen sich in
der Badegesellschaft die neuen Gäste
unter den Klängen der schönen blauen
Donau vorstellen, die mit gebührender
Kunstfertigkeit von der Kurkapelle, die
in der Hochsaison einschließlich des Di
cigenten aus acht Mann bestand, aus
geführt wurde. Susanna hatte zwi
schen einem pensionirten Lieutenant ir
gend eines hinterpommerischen Jnfan-terie-Regiments,
einem Pfarrer vom
Lande, zwei Candidaten der Theologie
und einem Polizei-Lieutenant aus der
Hauptstadt zu wählen. Nebenbuhle
rinnen waren nicht zu fürchten. Die
Damenwelt bestand ans der Direktrice
eines Modewaarengeschäfts in älterem,
aber gut konfervirtem Zustande, aus
zwei mageren Gouvernanten mit star
ker Bleichsucht, einer schwerkranken Fa
brikantentochter und einem weiblichen
Zahnarzt, dcr in seiner Grausamkeit
erklärte, er würde unbarmherzig selbst
der eigenen Schwester die-Zähne ziehen,
wenn sie schlecht waren.
Der erste Brief, den Susanna an die
Eltern schrieb, war voller Zuversicht.
Er lautete am Schluß: Zwei und
zwanzig Mark und fünfzig Pfennige
sind erst verbraucht, und ich habe bereits
an allen fünf Fingern Verehrer. Wen
soll ich bevorzugen?"
Papa Schmalhans machte seinem
väterlichen Herzen also Lust: ,Menn
der Polizei-Lieutenant reelle Absichten
hat, dann greife zu, denn die Wächter
der Ordnung verbrauchen gewöhnlich
allen Aerger, der in ihren Seelen
wohnt, im Dienst, so daß sie im Pri
datleben oft recht nett und liebenswür
die, sind, ein Prediger dagegen, der in
seinem Berufe stets sanft und mild sein
muß, hat keinen anderen Ausweg, als
seinen Verdruß in seinen vier Pfählen
auszulassen."
Bisher hatte in Glücksbrunn ein
VergnügungSComite nicht bestanden.
Die Zerstreuungen waren dreierlei Art.
Erstem: allgemeine Kaffeetrinken
beim Fuchswitth, zweitens: ei Wett
laufe zivifdien Veit beiden krummbei
nige Teckein des hiiitcrpommerfchen
Lieutenants, und vrmenö: tu Bepd.
tigung des Eichhornchens bei, Unate
lalivaareiihaiidier ischlaiimcier m ver
Stadt, der eigen zu bei Zwecke eine
Früyflüdsftube emgeriditet hatte. Man
kann sich Deuten, vag bei solcher Av
wedifelimg die ümheitliditeit der An
Ordnungen fehlte. Wenn der Lieute-
ant a. . zumBeifpicl ein Weliren
ne feiner Hunoe velanfiaile wollte,
hatte Susanna dem Pafior bereits vcr-
Iproche, da E,d)yornd)e zu vc-jichli-
gen, und iven vcr POiizei-vicuienani
nfanna zum Eid)hönnlen ingela-
be hatte, schwärmten bie Kanbibaien
für ei Kafiecltanzchen betn, Fudis-
ivirth. Ei Jeder fühlte, bah hier ein
Mangel herrldile. bei aber 'Niemand
abzuhelfen vermvckitc.
Da kam plötzlich Viel,! in bas v yaos.
iiii neuer totem ging an Glus
brunn'S orizont ant. Aus der
Hauptstadt ai der Agent Fritz Fied
er an und miethete oas oonieymiie
Zimmer bcS BadcholclS, zu gciooynl,
chcn Zeiten die gute Stube" de Gast
iuirtifi, gleich )ur einen ganze JJio
mit. Nach die, er Thatlache war es
daher te, Wunder, wen ganz Glucks
brem erwartungsvoll große Ereignis-
en entgegensah.
Der Agent war ein och junger
Mann in it gebranntem Haar, da ihm
tolett nach Wiener 'Mode auf die St,r
herabhing, mit einem, wie die Glücks
vrunuer iDaiucn sagte, ideal schönen"
durch Bnllantine und Bartbinde wohl
gepflegten Sckinurrbart und einer gan
zen Anzahl der kleidsamsten Sommer-
anzuqe. lind wie laßen ihm vie iira
vaile! Wie edel war der sd)Nltk der
Benlleider, wie eng schmiegte sich die
untere Partie an die mit Knöpfen be
setzten Duellfchuhe mit den gefahrvollen
Spitze! Mit welck)em Ausland wußte
er seine hellen, ganz kurzen Sommer
Überzieher zu trage! Kein Wunder,
wenn ihm die verschiedenfarbigsten
weiblidien Augenpaare mit verlieb,
ten, begehrenden Blicken folgten.
Der Wirth des Badehotcls Halle
Benutzung des Badcpubiitums ein
Palmenhaus" eingerichtet. Es war
dies eine offene, an das Gasthaus
stoßende Veranda, in der zwar lerne
Palmen wuchsen, die aber an der
Länqsioand wuckisen, die aber an de
das, wie Herr Huber, der Wirth, er
klärte, eine afrikanische Landschaft,
von einem unserer berühmtesten Mu
ler geinalt, darstellen sollte. Hier
versammelte sich die Badegesellschaft
nach genossenem Eonzcrt und allall
schein Sauerbrunnen zum Ncorgen,
kaffee.
Beim ersten Frühstück, das Herr
Fiedler mit nachlassiger Grandezza ern
zunehmen geruhte: erklärte er in be
stimmten Tone: Hier muß ein Unter
hpltungs- und Vergnügungs-Eoinite
emgeriditet werden!
Wie ein Blitz zündeten diese Worte
in der Ge ellschaft. Ach ia, ach bitte,
Herr Fiedler!" schrieen die Damen
durch einander.
Aber die Hauptsache ist, daß bei
den Vergnügungen, ein vornehmer
Ton herrscht," lispelte Eolestine, die
magere Gouvernante.
Der Pastor wollte natürlich nicht!
von solchen Dingen wissen. Das ist
ein nichtiges Beginnen," sprach er mit
Wurde und ging davon. Der Bade,
arzt aber erklärte: Das ist eine gute
Idee, und dabei blieb es.
In das Vergnügungs-Comite wurde
alsbald die verwittwete ?rau Gehet
nie Kanzleiräthin Leichtfuß, geborene
von Dürrwitz, wegen des vornehmen
Tones, Fraulein Susanna Schmal
Hans, der pensionirte Lieutenant und
natürlicher Weise Herr Fiedler gewählt
lös folgte eine ununterbrochene Rei,
be von Kaffeekränzckien, Ausfahren,
Rcunions und Dilettantenvorstellun-
gen, in Folge besscn verloren Dachs
unb Faz, bie Lieutenantshunde ihre
bisherige Anziehungskraft, und bas
Eichhörnchen grübelte, wahrsd)einlich
vergeblich nach der Ursache, warum
man es so schnöde bei Seite lasse.
Herr Fiedler erwies sich unermüdlich
in der Erfindung neuer Berqnugun
gen. Bald mußte die Badeqesellschaft
als neapolitanisches Fischervolk ver
kleidet, im Hain beim Fuchswirth sich
von den unzähligen 'JJmden an Ar
men unb Beinen zerstechen lassen, balb
sollte die Damen unb Herren ihre Ge
sichter anzuschwärzen und als Zigeuner
den Weid unsicher machen, dann wie-
der riß bas Vergnügungscomite aus
dem Kursaal die schwärzlich-weihen
Gardinen herunter, hüllte Fräulein
Susie vom Vorstand in diese unb legte
bie junge Dame, die in solcher Verpa
ckung kaum ein Glied rühren konnte,
aus moosiges Gestein im Walde nie
der. Die schlafende Brunhild," sollte
vies Bild nach errn Siedler vorfiel-
len. Natürlicherweise sollte auch ein
Bazar für arme Kranke" veranstaltet
weroen. ju dem Zwedc muhte selbst
die verwittwete Frau Geheime Kanz-
ieiraimn eicyiiun, gevorene von Durr
Witz, trotz ihres anfänglichen Protestes
in einem von Herrn Fiedler entworfe
nen Phantastelostiim erscheinen. In
der Lotterie konnte man einen aroken
Pfefferkuchen gewinnen, unb bas Glas
iselterwasser kostete fünfzig Pfennige,
bafür wurde eS aber eigenhändig von
der Frau Hauptmann Dümmling ein
gefchänkt. Je häßlicher und magerer
die Damen wurden, desto aufbringn
cher suchten sie d!e anwesenden Herren
zum Kaufen zu veranlassen, ja die
Frau Steuer-Einnchmer, die nur ein
halbes Jahr verheirathet gewesen war,
zeigte so viel Opsermuth, daß sie zum
Besten der armen Kranken sich vom
hinterpommerischen Lieutenant küssen
ließ. Und im Hintergrund des Saa
les lagerte hinter einem Rohrgebüsch
Fräulein Susanna mit aufgelöstem
Haar, im Weißen Mousselinkleid ohne
Aermel als Najade des Brunnens. Die
Besichtigung kostete fünfzig Pfennige.
Herr Fiedler sprach in Frack und wei
her Halsbinde ein Festgedicht, da er
mit Stentorstimme und theatralisch
gespreitzten Handbeivegungen vortrug.
Als sich das-Fest seinem Ende zuneigte,
spendete man ihm für sein geschicktes
Arrangement begeisterte Lobreden. Die
Musik blies einen Tusch und Herr
Fiedler war von bezaubernder Liens
Würdigkeit. Und als Susanna sich aus ihrer
Wassernymphensälle herausgeschält
hatte, war der feierliche Augenblick ge
kommen, wo der unmidersteljliche Herr
ihr seine Liebe erklärte.
Susie blickte in ihr Portemonnaie,
und siehe da. es waren noch siebenund
vierzig Mark und fünfzig Pfennige
übrig geblieben. Nun war die Sache
geordnet, ein Brief unterrichtete die El-
lern von Esulie s Gluck und ihrer An
kunft im elterlichen Hause mit dem Ge-
liebten ihres HerzenS. Der 5nerr Nava
hatte nichts dagegen einzuwenden.
Am nach ten 'Morgen überbrachte
der Doktor die allerbesten Grüße von
Herrn Fiedler an sämmtliche Kurgäste.
Der arme junge Mann war ganz plötz
lich durch ein Telegramm an das
Todtenbett seines Baters, des Majors
Fiedler", gerufen worden. Er hatte
nicht einmal von Susie Abschied neh
men können.
!
.
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Unb Susairna kam betrübten Her
zens nach Hause und erzählte den El
lern Alle, was vorgesallen war. Herr
ieschrnalhanS lieh sich die !v!ilitar
Ranglilie: ein 'Major Fiedler war nicht s ,, ,
fziiiinden, und auch der iunge hoff !
nnngsvollc Sprößling lieh nick)! von ;t
sich hören. Der hlerpoiicr'fche
Lieutenant unb der Landpsarrer vcr-
gahen alliiiählig Fräulein Susie, aber
vci bem Polizei-Lieuteiiaiit vor Amor'S
Psü doch ticet gedrungen; er lam ei
es fdionen Tage z Herrn isd,,nat.
hau und bat n die Hand infie , die
ilmi nebfi innigen Umarmungen des
Batet und vielen Küssen der Mnttet
gewährt winde.
toiifaniia war nach sechs Wochen fei
ne Frau. .
Natürlich inaditen sie auch eine Hoch V
zeitweise, und zwar nach der Reichs '
Hauptstadt, wo sie am ersten Tage ihr
iiriihfliick im Ausstellungspark einzu
nehmen gedachten, 'Mit zusriedcner
'Miene llopfte der Herr Polizei-Lieute
nant auf den Tifdi.
Ein bunlellodigcr, gewandter Gany
nied mit einem Ohrfcigeiigcficht stürzte
mit saufendem ffraek herbei.
Alle Teufel! schrie der Ganymev
beim Anblick feiner Gäste.
sprad,loS starrte der ge trenge
Wäd,ter der Ordnung ihn an und:
O, mein Gott! kam eS von den
Lippen Snsanna', die ihr glühenbe
Gesicht in den Händen verbarg.
Der gewandte Kellner mit bem Ohr
scigeiigeficht hatte sich eilend an dem
Stande gemadit.
3!!u iHuUlnjlfi. f.
Aus der soeben erschienen Biogra
ph,e Aiiion vcuviniiein s von E. Zabel
lhciit das 'Neue Wiener Tageblatt"
folgende mit: Riiviiiftei, der Russe,
tarn bereits als Knabe in die Fremve,
ach dem gebildeten Westen", und als
er das zwanzigste Jahr erteidit hatte,
lehrte er wieder zurück, um sich im Ba
terlande einen Wirkungskreis zu fchaf
en. Die Hcimtehr war nicht sehr er
neulich. Rubinftein war, weil er leine
Paß initvract)le, von einem Amt in'
andere, von die, cm Polizeinieifler zu
jene, gefdiidt worden unv iiißie dabei
eine coiofale Anzahl von Grobheiten
aller Schattirungen einstecken, ifcach,
lanen wir ihn selber erzählen: Ich
yöie und deute bei mir, weshalb regst
Du Dick) den so au Hier giebt es
ja eine BeHorde, die höher sieht als
Du. Jd) gehe zum Generalgouverneur
!ttamenS d)utgi. Jd) lonime zu
ihm. Kaum have idi den 'Mund vor
meiner Herrlichleit geöffnet, als er mir
entgcgenvrüllte: In Zielten! In Ket
len werde ich Dich fchliehen lassen! Nach
Sibirien sollst Du mir kommen!" Da
mals sagten bei uns in Ruhland die
Generale zu Leuten in meiner Stellung
immer Du. 'Mir fdiwanden die Sinne.
Ein junger Ncann von zwanzig Jahren
kommt aus dem 'Mittelpunkt der euro
päischen Civilisation, aus der Welt der
Kunst, der Malerei und der Wissen
sdafl in die Heimath zurück und ihm
wird ein sold)er Empfang zu Theil!
Wie ich von Schulgin forttam, ist mir
nidt genau erinnerlich. Ich weih nicht,
weshalb er seine Drohung nicht aus
führte Die Tage vergingen, aber
der Paß kam nicht an. Ich halte
mich bei Freunden auf, die sich als
solche bei dieser Gelegenheit auch erwie
sen haben. Ucberall spricht man davouF
was mit mir vorgefallen ist.Mittlerwei
le fand aber bei Hof ein Concert od. ein
Gesellschaft stall, ich kann das nicht ge
nau sagen. Alle, denen ich die Ge
sckiichle von Schulgin erzählte, fielen
über ihn her. Was mad)en Sie mit
Rubinstein? Er war bei Hof empfan
gen, gab Concerte in der kaiserlichen
Familie. Wie können Sie mit ihm so
verfahren! Kurz und gut, sie setzten
ihm tüchtig zu Am andern Tage
lonime ich zu Galochoff. Ich warte
während der Audienz in, zwei, drei
Stunden und immer stehend. End
lich ruft man mich in's Cabinet. Nun,
Brüderchen, von Dir hat man mir bei
Hofe erzählt. Du bist so eine Art Mu
fiter. Aber das glaube ich Dir ohne
weiteres nicht. Geh' sofort zu meinem
Bureauchef Tschesnol und spiele ihm .
etwas vor, damit wir bestimmt wissen,
daß Du auch wirklich ein Musiker bist.
Denn Tschesnol, der versteht was von.
Musik!" das Alles wurde vom Obsk?'
polizeimeister in einem unsagbar ver
ächtlickien Tone gesprochen. Man
bringt mich also zu Tschesnock. Bei
ihm befand sich ein jämmerliches Cla
vier. Er fetzte sich und ich setzte mich.
Alles, was in meinem Herzen an Bit
terkcit, Wuth und Unwillen über diese
Art der Behandlung enthalten war,
drückte ich dadurch aus, daß ich die
Claviatur des Instruments zu bearbei
ten anfing. Ich habe dabei dermaßen
eingchauen, daß das Clavier unter
meinem Anschlag erdröhnte und jeden
Augenblick in tausend Stücke zu zer
springen drohte. Das Instrument
war so erbärmlich, wi nur möglich
und meine Raserei kannte keine Gren
zen. Tschesnok hörte aber geduldig
zu und begab sich mit mir zum Ober
polizeimeister. Ganz richtig, Excel" .
lenz," bestätigte der Bureauchef, Ru
binstein ist wirklich ein 'Musiker, denn
er kann spielen..." Dann gewähre
ihm eine Frist von drei Wochen." brüll
te Galachoff. Ich entfernte mich mit
der Bescheinigung."
Daß Alter nicht vor Thorheit
schützt, ist eine alle Geschichte, die ewig
neu bleibt. Vor mehreren Jahren
machte der sechsundsiebzigjührige reiche
Wittwer Fieldings Burnes die Be
kanntschaft der jetzt sechsundzwanzig
jährigen Gertrude L. Bangs aus der
Bundeshauptstadt Washington
und heirathete sie im vorigen Sommer
ivg vcs oeoeurenoen Aiiers unier, r
schicdes und der Einsprache des Vaters A
desMcidchcns sowie seines Schwieger ' "
soynes Bremmermann. Tas Eheglück
war aber nur von kurzer Dauer, denn
schon im September verlieh ihn die
junge Frau, zog zu ihrer Schwester, der
Frau Bremmermann, nach KansaS Ci
ty und hat jetzt wegen Grausamkeit auf
Ehescheibung geklagt. Der Verklagte
dagegen wirft der Frau vor, daß sie
verflicht habe, ihn zu vergiften und daß
sie ihn in Gegenwart Anberer wegen
feiner Greisenhaftigkeit verhöhnte.
Burnes war früher schon dreimal ver
heirathet und hat drei erwachsene Kin
der.
Die Austernbeete nrn User Bon
P'erce C o u n t y. Wash.. fangen
an, beträchtliche Aufmerksamkeit auf
sich zu ziehen. Während der letzten
beiden Wochen ist ine Aninbl hnn 20
Acker Claim notirt worden, besonders
an ver nayegeiegenen aughan Bay
und bei Gig Harbor. Die Produktion
der Austern wirb bafelbst in Kroßem
Maße betrieben werben. Die Jndustr
beweist sich als sehr gewinnreich mit
ber einheimischen Auster und man rech
nct auf noch bessere Resultate von der
Verpflanzung der östlichen Auster.
I
-In A l b a n h. Oregon. ward ein
Helles Meteor beobachtet, da sich rasch
näherte unb zur Erbe fiel. Es war
ein 14 Zoll im Durchmesser haltend!
Stein, ber noch ganz glühenb war iirb
ein Loch in da Brett brannte, auf daS
er gelegt wurde.
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