Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 25, 1892, Image 4

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avUi niedrigere Preisen versaust, als in irgend eine, anderen Gcsckäste der
:. Wir ve'n giüijte Lager in arerberkeln für Arbeiter,
Kaufbedinqungcn: Baar.
.kZaus Altcttlir.il: und
leine Siihne.
?!oman von H. ßkll,r.
! (ortjcttung.)
e;e,I,,ii,g, wenn ich siiirc," sagte
sie liiit ebeii',irdigci kacheln, ici,
wollle Tir. lielier '.'.iiiuni, mir eine eilige
Dcpesllie luiihicn. iMtre. lies, vieiieich
ist gleich eine '.'Immun noilii."
Z ie i ciilili' i (Anteil bis ?evesilie,
iveicke diese, fast meelmiiisch binuainu,
Ater pli'vliä, livg c 1 11 'Auodiu der
Ueberasll,uiii über sei iesiilii, sei
Äuge begegnete deut srigei,dei, Blik
seiner laiiui ; dann ivaiidte er sirti au
Marglierita, i,ud seine 3 1 iiiimo haue
jet)t ritten teste reu !,tiig, n er sagte :
,,J,A) ums; eo Linien iiberiasse, a
o 1 1 1 c 1 1 i . ,l!ie ','as;egelii ;n Irenen,
xd Iiabe .Uiiieii gegeiiiiber meine Pslicht
getliaii, 2.W iHibeii ,eiuc Hilse ziiiintge
wiese, da? weitere in allein ,irei
klieben anbei, ugesielll,"
i'Srt ii'i die iviitii ?" sragie sibeiubar
et stau ut üivgatia. aber Margberila lieit ie
daeli den Vo!,,i aiio dein i on s all der
ilinime lji tu itv .
.'.' ein '.'irtiiie ist Marglierita v. '.'11
teitluaf," riiigeguete sie stvl, ann
iieigte sie leiihi gi iiseiid das Hanvt iiiid
jchntl nii'j dem Zimmer, h' beute
ontjiliteieii mvgen mi' bitterem, beider
reiiiciidein ichmeii, nur iduim und
liiittitiiulmiig. Äbcr nii pteffle sie die
Hand ant da bestig pnchcndc Hcr, fest
bis; sie mit den ,al)iien ans die Vil'Ct:!,
das, ilincti nicht nnivilllitilich ein Schmer
jenüünm enisiliUipttt ; doch wenn sie
ancb jede Vitnt nntridriickcn konnte, die
?I,tanctt vermochte sie nicht znriick',
!,,ilten, Vangsaui und i,tiat,sl,vrlich
ve, lle,t dieselben über die bleiche tätige.
2o schrill stf. ein bleich, weinendes,
siiimme y'ilo der Trat, er niid des
-chmerzcs durch die ballende Wiimic
de chlofieo. Ter ? jener ossuete it,r
bbslilb die T Kuren, und anfatlimeud trat
sie iu den vvm belle warmen Sonnen,
iicht iibersliitlieten chle'sibaf.
Heiuriel, laut i!,r entgegen. Ein Blick
in ilir -Jtutiiy belehrte il, was iltr
widetsabien, t!r molltc ilir einige theil
nehmettde aorte s eigen, sie winkte ihm
mit der Haiid Zeliweigc z, bestieg den
iikiU'it und sagte nur : jnnut mich
der ihnion." rn 'g sie den dich
ie, silvar;c,t Wiiilvcnselilcier über da
".'liilliu uiid leimte sich i'tiimm iit den
iitj zniiiel, rer iiitsrher kiaischtc mit
der Peitsche, die Pferde zogen au, und
da 'ciuhrt holperte über da Pslasxr
des Hofes zu dem alten düsteren Thore
hiimiiü.
Ta-J polternde (eransch des davon,
fahteiideit Wagens drang bi! in da?
'ArbeiliZzimuier de Barott?, Li tiefer
3 cttfjcr flieg ans ü-ittiji Artist, und er
jagte mit einem anklagenden Blick auf
feine (Attliii leise : li ist twllbtacht,
yfogalla! r haft iein Ziel erreicht
und mich nun Ehrlosen gemacht, Bist
?t besriediat 'i"
;ui. ii.:illi). ich bin befrichigt. Veif;
die iliiiiiicliliilu'n iclagcii! Xos Tete
araiiim Tilschnero turn zur rechten
rfeit I"
Und sie nahm die Tcpcschc nud ta5
laut : Crigiimlnrfiinhe befindet sich iu
meinem U'eüu. Trete sofort diitifrctfc
an. Xirfdmer."
Tic beiden wallen sahen sich an.
iiMllt)0 Blick untf scheu tiiid düster, aber
stolz richtete sich !ügalla empor, Jchr
Äuge blitzte siegesgewif;,
,U'l't bin ich ruhig' sprach sie,
z'llteubrak iit nuser,"
II. a p i t e l.
Ans der Heiiiireife ach chrem kleinen
Hanse in ,vtiedrichchage halle Ä,'ar
gherita versucht, sich klar zu werden,
tvaj sie jeut zu thu habe. Halle sie
vor einigen lochen noch die Absicht ge
habt, i ihrer stillen Eiusanikeit nud
'erborgeiilieil ruhig weiter zu leben
nd jede erii derung ihres Gebens dein
Ochiitsat zu iiderlasseu, so stand es jett
bei ihr feit, daft sie unter allen Ninstan
den den amps für die Rechte ihrer
Hinter ansnehmen iuiisse. ;it letzter
Zeit hatte sich ihr orper mehr und
mehr gektafiigt, dadurch ,ae auch ilir
Mist slitj'iJ '.'leite die alle Zvatnikiasl
nhaUeu, und die tesellfchafl Heinrichs,
der sich in ,xiiediichshagen eingemiethet
hatte und ii, feiner dci b giitiniithiacn
'cisc die arme ,vrau zu krönen suchte,
hatte das ihrige gethan, mit ihre O'edau
keu wieder dem vrattischen Veben znzn
wenden,
Wohretid der Eisenbahnsahrt nach
Berlin war wenig zwiselieii Margherita
ttiid Heinrich gesprochen worden.
war bereite '.'iachl, als sie i Friedrichs
Ijüiien (liilniigteti. ?te alle Torotljca
öffnete die Jhiir und geleitete ihre Her
ritt iu ihr Wohnzimmer, Heinrich wollte
sich verabschieden, doch MarMriia hielt
ihn zurück.
Bleiben Zt noch einen l'lngeubliek,
Heinrich," sagte sie. Jch mochte noch
etwas mit hueu besprechen, ihMcift'tf,
Dorothea, schlasen die iteineu schon
!a, gnädige ivraii. 2ic schlafen
schon seit einer stunde."
iut. tchc zu ihnen. Ich brauche
Dich heute Abend nicht mehr."
Tie alle ?icucriu entfernte sich itd
man hörte sie die Treppe zum ersten
stock emporsteigen, wo sich die Schlaf
zimmer besanden,
Marghetita legte Hnt und Mantel
ab, gofz sich eine Tasie Thee ein, trank
dieselbe hastig ans und sank dann in
einen Sessel, gedankeitvoll vor sich hin
starrend. Heinrich stand an der 'Thür,
verlegen feinen Hnt in den Handen hin
und her drehend, iir schien vergessen
zu fein.
Endlich rausperte er sich, (z'uädigc
,vrau wollten mir noch einen Auftrag
gebe - "
Margheiiia sah anf. Ach ja, ich
vergast ganz verzeihe ic, Heinrich !
!a, ich wollte Zic fragen, was mm ge
schelten soll."
(Gnädige Jyiun, ich weift ja gar nicht,
was dem, eigentlich geschehen ist."
.'.l'i'aii erkennt mich nicht als dir t Alt
litt des Rittmeisters v. '.'lltenbrak an,"
Man mf; es. gnadige ,vrat." ver
ette Heinrich fest. Es ist doch so ein
fach, eine wirklich geschlossene tihe zu be
weisen. Ta? Standesamt gibt doch
den sicherste,, Beweis."
Allerdings, und schon morgen werde
ich nach Jiülien reise, um mir diese
Beweisstücke zu verschanen."
Jiiich Italien, giiödigc jvrau ? Das
ist fohr weit, nd Sie sind noch sehr
schwach. Thäte es nicht auch ein Brief ?"
Ein Brief kann verloren gehen,"
Aber die Minder, gnädige Frau !
Wollten Sie die ganz allein lassen eine
so lauge Zeit ?"
Sie haben tKerfit, Heinrich, Ich
kamt ,eyk nicht reifen. So mag es denn
brieflich versucht werden. Aber ich weiß
den '.'iamcn des Beamten nicht mehr."
'JJicin braucht ja mir an das hetref
fcndcÄint ; schreiben. ?cn ,'arne:,
des Citts, wo die Trauung stattfand,
wissen Siedoch och?"
Ja. Xcr Bürgermeister des Tor
fco ran bei Palermo vollzog die Tran
nttg. Gleich eine Abend och werde
,ch an ihn schreiben. Und Sie, Heilt
liii), besorgen mit morgen früh' den
Briet zur Post."
'Mtvist, gnädige ?tan, das ist da
Be,tk."
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Heinrich hatte ant anderen Tage den
Bttf jnr Pos, gebracht, und es folgten
tan für ihn sowohl, wie auch für Ma
jhcrita Stiftertich fchtnibar ruhige Tag
attd Wochen, welche aber von innerer
Unruhe und etwarlnngvoltcr pan
it ti n g erfüllt waren, Marghcrita ve?'
iicfz kaum da Haus, um so öfter eilte
'ie an die Gartenpforte, nm den Weg
i'.'tlnng ; ,'hn, oh der B.ic,f.räger ihr
nicht ein Schreibett bringe. Aber Tag
am Tag verging, es kam keine ?,'acd
richt.
Bon Tag z Tag gestaltete sich diese
sergebliche Warten für Margherita quäl
voller. Bon nervöser Hnt gepeinigt,
nng sie rnhclos nniher, Wenn sie sich
spat Abends zur !)he legte, konnte sie
leiucu Schlaf finden. Schlossen sich
ihre Auge gegen 'ttjorgeti zn einem
kurzen Schtnnnncr, so nnigankclten ihre
Seele bald phantastische, bald schreckliche
Traumbilder, Ihre Mfnndliett, ,,lche
sich iu tepter Zeit so bedentetid gebessert
hatte, verschlechterte sich ant's ',',ec
dnrch diese unerträgliche Cnal des War
tens. 'And) ihre Stimmung und ihr
Berhaltett den mindern und der alten
Dorothea gegctiiiber spiegelten diese fec
tische ivolterpein wider. Selbst das An
denken des verstorbenen (Anteil vcr
iiioditc sich in ihrer verbitterten Seele
uiclit mehr rein nud makellos zu erbat
ten. Sie beschuldigte in Stundender
Perzweiflung, der Angst und Sorge
ihren Mann der ,ce,gieit. Der Danton
des '.i.tcis'traneus nistete sid, in das Herz
des armen Weibes immer fester ein.
Wie, wenn die Venlc doch Recht hatten ?
Wenn tidimrd sie betrogen ? Wenn
diese Traiinug nur eine omödie gewc
seit wäre ? Wenn sie nickst die gefet.
mit füge (Antin Eduards war ? O,
sie ertrng es nicbt länger, S ie brach
zusammen unter der qnatvotlcn Vaft der
tlugcwisiheit, tvcldic die grausamste Fol
ter ihrem Herzen und ihrer Seele aufer
legte ! Vaut aiifstohiicud verbarg sie
das Antlitz in die Hände nud saß
regnngslos da, nicht einmal im Stande,
z tveincn, zu klage.
Die sinkende Sonne überstrahlte
den (harten tittd das Häuschen mit gol
digcni Sdic'i. Die Blumen blülstett
tttid dlifteten ; an den Bänmen reiften
die Aepfel, an den Spalieren die Trau
ben und Aprikosen. Ein lauer Wind
säuselte iu dem dichten (Gebüsch, wcldics
den 'arten umkränzte; Frieden und
iKiilic des Spätsommers, der die Frllchtce
im (Karten und anf den, Felde reifen läßt.
Dod, das arme Weib dort in der ein
fainctt Stube empfand ttidits von dem
fric'denfpendenden Eittdrnck des Herr
lidten 'SvitlmerabendS, Ju starrer Ver
pest'lnitg fast sie da. In Ihrer Traner,
in ihrer ')cvth nild Sorge Horte sie nichts
von dem leisen, flüsternden Gezwitfdicr
der Böget, wcldic in dem breitästigen
Baiiinc vor dem Neuster des Gemaches
nisteten. Sie hörte nicht den jubeln
beu Schrei der Schwalben in hoher yuft,
ja selbst nicht den -ton der lachenden
Stimmen ihrer Minder, die brausten in
den Wegen des Garten sid) suchte und
Haschten.
Doch jrtt traf ein ait das Ohr der
einsame Ffau. der pe emporfchreckcn
lief; aus der dumpfen Erstarrung, Die
Warteuthiir erklang schwere Schrille
knirschte auf dem Mies des Weges
Margherita stürzte aus dem Haufe
cs war der langersehnte Brief, den ilr
der Postbote einhändigte.
Margherita prcs.te den Brief, der den
Poststempel Palermo trug, in furcht
barer Aufregung an ilr Herz. Ihre
Wange erbleichten, und es ward ihr
schwarz vor den Augen. Erstaunt
blickte sie der Postbeamte au,
Sie sind ttttwoht, Frau BcouteUi."
sprach er dann mitleidig, soll id) Ihre
Dienerin rufen V"
'Ji'cin, nein, ich danke, es geht fdion
vorüber,"
Mit fliegenden Sdirittett, den Brief
fast zerknitternd in den fieberhaft zik
terttden Handen, eilte sie in dasZinttner
zurück. Mannt vermodtte sie das Sdirei
bett zn vffttett. Einen hastigen Blick
warf sie hinein die Augen vergrößer
leu fid zu ttnnatitrticher Starrheit
Veidienliläfie bedeckte ihr Antlitz der
Hcrzfäilag stockte, und mit einem Auf
schrei sank sie z Boden.
o fand sie nacli einiger Zeit die alte
Dorothea, welche bei Anbriich der Tun
kelhc'it die Minder zur Riihe bringen
wollte. Mit Hilfe des Dienstmädchens
bradstc die erschreckte Alke ihre Herrin zn
Bett, dann säiicktc sie das 'Mädchen zu
Heinrich Tiedeinann,
WA) füitiit' es mir dettkett, das; cö so
komnten würde," sprach tiefbeknminert
der brave Bursche. Aber tut, Dorv
thca, sage Sie mir, was in den, Brief
da steht,"
Dorothea indessen konnte ebenso
wenig tlng ans dem Briefe werden, wie
.Neiuridi. Der Brief war in italienischer
sprackic gcfdiricbcn,
H,cr ist ein Stempel," fprad, sie.
Wie mir scheint, ist es ein amtltd)cs
direibett,"
Zeigen Sie einmal, Dorothea, ob
fein Schein oder so etwas darin liegt,
dkr 'Jiiime des Herrn Rittmeisters muß
dodi zn lesen fein,"
Heinrid, prüfte das schreiben auf
das (Genaueste. Er vcrfuditc sogar mit
Hilfe des bisdicn Französisch, das er in
rankreid gelernt, einzelne Worte zu
entziffern vergebens ! Aber Eines
ward il,nt doch klar, daß es keine gute
'cadiriclik gewesen, wcldic Margherita
empsctugcii hatte,
Es ist nichts zu niadictt," flüsterte
Heinrich mit liefbctrübtcm Blick ans die
tu Fiebcrphantafien daliegende junge
Frau, ilicnt hat Did betrogen, oder
eine elende dinrlerci will lich jetzt nm
Dein Ittedit bringen. Aber wen alle
Welt Dich verlassen hat. so will ich Tid)
nickst verlassen. Wen id) auch mir ein
elender Mrüppel bin. so habe ich doch
och zwei gesunde Anne, die schaffen
und arbeiten können, lind für Dtcki,
Du armes, betrogenes Weib, sollen sie
schaffe und arbeiten, für Dich und
Deine Minder !"
Er ergriff die ficbcrbciße Hand Mar
gheritaö und in seltener Berchrnng
drückte er einen Mus; daraus.
Da schlug Marghcrita die Augen
ans, sah ihn groß an und sagte teife-.
Mommt Edtiardo bald ? O, ick, habe
ihm so viel zu sagen !"
Ach, gnädige Fran," cntciegnete
Hcinriä), dem Weinen nahe, die Todten
kehren nidtt wieder."
Todt ? Was sprichst Du von Tod
ten 'i Eduards ist nicht todt sie hal
ten ihn gefangen in den feuchten
Mauern des Thurmes auch mich
wollen sie dort einsperren lebendig
begraben o mein owtt, mein Gott,
habe Erbarmen habe Erbarmen !"
Die Stimme der Armen ging in
einem hcrzrrciftcndcn Schluchzen rni
ter. Abcrdicfc Thränen fckzicncn die
fnrditbare panuuug in ihrem jiörpcr
heilsam zu lösen. Veichter und leichter
ward da Weinen, und enMidt senkte
sich ein tiefer, fester Schlummer auf die
heißen, zuckenden Augenlider. Mar
gherita entschlief, und da leise Lächeln
auf ihren Zügen verrieth, daß ein glück
licher Traum ihre Sccle nmfdiwebte.
12. Kapitel.
Ein hcrrlidicrFrnhliiigSmorgen strahlte
über der frnditbaren Ebene. dnrd welche
sich das silberne Band des Elbstromc
i inaiestätisdier Breite hinzielst. Unab
sel,bar, in dichten Rebelfchlcieni sich ver
lierend, erstreckte sick, die Ebene nach
Rordett und Osten, während im Westen
sich bereits einzelne wellenförmige Bo
denanfchtvelltnigen bemerkbar niadttcit,
welche später in die Berge des Elms und
des Harzes Übergingen. Im Süden
erhoben sid) die schlanken Thürme des
allen Magdeburger Dvines ; ringsum
taiid)tcn die Thürme der anderen jiir
dien ans dem Morgenttebel empor nnd
die Zinnen und Dächer der hohen in
deinen Häuser erglühten in dem strah
lenden Morgenlicht der Sonne. Aus
dem 'Ji'ebrtduttst am Horizonte tauchten
hier und da die dunklen Umrisse großer
Bauten empor, hohe, thurmähnlichc
Schlote entsandten dunkle Dampfwol
fen, nnd in den Trillerfchlag der Lerchen
mischte sich ab und zn der schrille Pfiff
einer Dampfpfeife oder das duiupfe
Brausen einer Dautpsmaschine.
Bot, der reichen Äcagdcburger Ebene
hatte neben der vandwiithfchaft and, die
Industrie Besitz ergriffen, die uad, der
R'cubcgründuug des deutsdien Reiches
so inädnig ernpörgeblllbt war, uud zahl
reickie Fabriken, hauptfädilid) solche, die
laudwirthfdiaftlidtc Produkte verarbeite
tcn, als Zuckerfabriken, Branntwein
und Spirittisbiennereien, wies jetzt,
achtzehn Jahre tiadt der Gründung des
deutschen Reiches, die Magdeburger
Borde," wie die fruchtbare Ricdcrnug
genannt wird, aus. Die meisten tst,ts
bcfitzcr Halten eine derartige Fabrik ein
gerichtet oder betheiligten sich durch Rüben-
nd Martofsclticfcrnugcn an den
industrielle Unternebmnugen. Die
alte Stadt Magdeburg hatte sich bedeu
teilt) erweitert ; zu dem Ruhme der ftar
keu, niibcrwidlid,en Festung kaut das
Ansehen einer der größten Handelsplätze
')corddetfd,lads dessen Markt befon
dcrS i der Znckcriudiislric iaßgcbciid
geworden war.
lim den engen, winkeligen Mern der
alten Stadt hatte sich ein Retz breiter
uud vornehmer Straßen gezogen, und
weit über die Feflnugswalle hinaus
dehnten sich die langgestreckten Pororte.
Grüne Gärten mit frenndlidicn Häus
chen umsäumten mit lieblichem M ranze
die Mauert! der Stadt, Ans dem drei
ten Rücken des Elbftromcö glitten
Dampfer und schwerbeladene Mähne acrf
und ab, und gntgehaltene Straßen
durchzogen, die Ebene und verloren sich
int Dunst der Ferne,
Auf einer dieser Straßen, welche nach
Rordett führte, ging mit rüstige Scheit
teu ei junger Mami sürbaß, indem er
fiel) öfters nach der mehr nud mehr eilt
schwindende Stadt umsah, als wolle er
nochmals Abschied nehmen vöit den Vie
ten, die er dort verlasse.
ES war eine stattliche IünglingScr
sdicinung. Die hohe, 'kräftige Gestatt
mit den breiten Sdniltcru hatte uod)
nidst die volle 'Männlichkeit der Formen
erlangt, aber man sah es ihr an, daß
frisches, gesundes Leben in ihren Adern
pulfirte. Die großen blatten Augen
blitzten tttttthig ; auf dem offene Ant
litz lagerte jene gesunde braune Farbe,
wetckie längerer Aufenthalt in der freien
Ratur hervorruft ; um den feingeschnit
tenen Äl'uno mit den prädiligcn weißen
Zähnen schmiegte sid) ein jugendlich wei
cher Bart, und das goldbraune Haar
hing in natürlidieit Vocken nm die freie
Stirn uud den kräftige Rcuscu. Die
Mleidnng des im Anfang der zwanziger
Jahre stehenden jtttigett Matt es war
einfach, aber anständig und kleidsam.
Eine schwere Tasche hing ihn, an einem
Ledergurt über der rechten Schulter ; in
der Hand trug er einen Stock, mit dem
er oft in fröhiidier Laune einige knnflge
redne Lunhiebc ausführte.
Die Straße vcrfdwand in einem Bn
chcmvatde, der fiä) weit in das Land
hinein erstreckte, AIS er diesen dnrck)
wandert hatte, bot sich ihm eine liebliche
AiiSsidit dar.
Die Gegend war bergiger geworden
und einzelne der Anhöhen krönten grüne
Bttdeuwälder, Zur Linken des Be
fdtaners wand sich -der Elbftront durch
Wiesen und Felder ; zur 'Rechten dehnte
sich ein niedriger, waldreicher Höhntzug
ans. Zwischen den Feldern am Ufer
des Stromes ruhten inmitten freund
licher Gärten die Dörfer mit ihren roth
gedeckten Häusern und Scheunen ; links
am Rande des Flusses ragten die mäch
tigett Sdilole einer großen Fabrik em
por, wahrend ant Fuße jenes Höhettzu
ges der graue, gewaltige Bau eines al
ten Schlosses, dessen zahlreiche Fenster
in der Sonne blitzten, sich erhöb.
Hier werde ich ausruhen," rief der
Wanderer und warf sid, iu das Gras
unter einer mädstigeu Buche, Mit leb
haftem Interesse ließ er seine Blicke über
die Gegend sdiwcifen, ein Auge blieb
an den schimmernden Fenstern des
Sdilosscö hasten, und Plötzlich verdat
fterte sich fein fröhlicher Blick, eine
Wolfe flog über seine offene tirn.
Lauge schaute er nach deiuSchloß hinüber,
bis es ihm vor den Augen flimmerte.
Dann packte er seine Tasche wieder und
wollte sich von seinem grünen Sitz er
heben, um die Wanderung fortzusetzen.
Als der ausgeruhte Wanderer gerade
weiter gehen wollte, ransdste cs in dem
trockenen Land, welches den Boden des
Waldes bedeckte, und eine mächtige
langhaarige Dogge sprang aus dem
Gebüsch. Der junge Mattn erfaßte
unwillkürlich fest feinen derben lock,
aber der Hund machte durchaus keine
Miene, sich ans ihn zu stürze, sondern
blieb stehen, bald den Fremden mit sei
neu großen treuherzigen Augen fast
fragend aufdornend, bald den dicken
Mops nach dein Walde zurückwendend,
als erwarte er, daß Jemand ans den,
Gcbllsd) hervortreten solle.
Den jungen Wanderer interessier
der große, prachtvolle Hund, dessen
Racken durch ein wie über glänzendes
Halsband geschützt war, ein Zeickien,
daß das Thier einen wohlhabenden
Herrn besitzen mußte. Mit einer ge
wissen Reiigier wartete der Fremde aus
das Ersdieiueu des Letzteren.
Lange sollte er nicht ju warten haben.
Wiederum rauschte und rasd;elte e in
Bnsd) und Wald, ein Sdinanbc und
Wichern erklang, nnd Plötzlich fetzte mit
einem kühnen Sprunge eine Reiten
über den Graben, der den Wald be
grenzte. Fröhlich bellend sprang der
Hund an dem herrlidien Pferde empor.
Hör' doch auf mit deinem häßlid,en
Gebell, Hcktor!" rief mit fröhlichem
Lachen die junge Reiterin, indem sie mit
der 'Reitgerte dem Hunde einen Iciducn
Sdstag versetzte, den dieser kaum gefühlt
haben konnte. Trotzdem gchordte das
Thier augenblicküd) und streckte sich
ruhig in das Gras nieder, mit aufinerk
famen Augen feine Herrin bcobacrttcnd.
- Jetzt wandte sich die junge Reiterin
zu dem Fremden, Hoffentlich wird
Hektor Sie nicht mit ebenfold,em sliir
misdien Gebell begrüßt haben, mein
Herr," sprad, sie lad)elnd. Ich bitte
um Eittsdinldigung. sollte er Sie er
streckt haben,"
Ick, bitte, meine Gnädige, der Hund
war anßerordcntlid) höslid) ; nur sehr
verwundert angefdiaut hat er mid."
Ia.ja. Hektar vermuthete hier zu so
früher stunde keinen Fremden, cbcti)o
wenig wie ich."
Es kau dock) nickst so früh mehr
sein, daß id) Sie, gnädiges Fräulein,
schon ans einem Spazierritt treffe."
Ich liebe die frühen Morgenstunden
über Alles," eutgegnete die junge Dame
und ein flüchtiges Roth huschte über ihr
Antlitz, Im Schloß ist es selbst am
frühen Morgen so dumpfig, so heiß."
Sie gehören dort iu jenes Sdiloß?"
fragte der Wanderer, und es war, als
tage ein finsterer, fast drohender .on in
dem lange feiner Stimme, so daß die
Reiterin iiberrafdit anffdiante.
Allerdings, mein Herr," entgegnrte
sie dann, ich bin die Tod)ter des' Be
sitzer von Altenbrak."
AI), ick, hätte es mir denken können !"
Mit einem verwunderten stolzen Blick
maß die Reiterin den jungen Mattn.
Verzeihung, meine Gnädige," fprad)
der Fremde dann hastig, mein Raute ist
Eduard Moutclli, 'Mafdiinciiingcnirnr."
Die Reiterin verbeugte sich leicht.
Dann sagte sie gleichmütig : Montelli
ist ein italienisdicr Rame. Sie kommen
wohl ans Italien, mein Herr?"
. Rein, nur meine Mutter. Doch
j id) bitte, mich zu cutschuldigen, mein
j Weg führt mich dort hinunter nach der
Fabrik."
Ah, Sie sind wohl der neue Inge
tiinir, der aus der '.'ccuroder Fabrik er
1 wartet wird !"
Allerdings."
: Mein Pater fprad, davon mit dem
; Inspektor. Ich hörte es zufällig ; mein
j Boter hat ebenfalls eine Zuckerfabrik
anlegen lassen und wünscht auch einen
Ingenieur z engagiern, da die AiTlagnt
I nicht mehr genüge. Ich verstehe ja
! nidits davvn, aber man hört doch zu,
: wenn die Herren sich über ernste Sachen
nuterhallcu. Mau taun stets etwas
lernen,"
! Ievt war es an dem Fremde, über
rafdu zn der ,ngei, Dame aufzusehen,
denn die Spradic derselben klang so
ganz audcrs, wie diejenige anderer jun
gen binnen ans der vornehmen Gesell
fibait. Aber bei,,, Anblick dieses schö
nen Antlitzes, dieser herrlidien dunkel
blauen 'Augen, dieser freie, offenen
Stitu, welche braune Locken in üppiger
Fülle umwallten, vergaß er zu antwor
ten, ?ie n nge Dame mußte die Be
tviinderiiiig ihrer Person i den Augen
des Mannes lesen, denn eine dunkle
'Rothe stieg langsam in ihren Wangen
empor, und sie senkte die Auge auf den
Hals ihres Pferdes nieder, indem sie
tiiit der 'Reitgerte leise den fdstaitketi
Racken des Rostes streichelte. Dann
sah sie pldtzlich wieder auf.
Wenn ie längere Zeit in Renrode
bleiben," rief sie, werden wir uns wohl
noch öfter begegnen. Ich bin eine eifrige
Reiterin und liebe auch weite Spazier
gänge. Ans Wiedersehen denn, mein
Herr !"
Aiiniuthig neigte sie das stolze Haupt,
zog die Zügel an, gab dem Pferde einen
leichten Sdgag mit der Gerte und
sprengte davon, während der Hund
luftig, bellend voraus sprang.
Der fröhlide Ausdruck war von dein
Gefidst des jungen Mannes verfdstvttn
beu, als er der schönen 'Reiterin ttack)
blickte. Fast Haß nnd wilde Leiden
fchast spiegelte sich jetzt in den vorhin
treuüdluhe Zügen wider, und einmal
säiieu er sogar die Hand erheben zu
wollen, um nach dem Schloß hinüber
zu drohen. Aber rasch ließ er den Arm
wieder sinken,
Ich bitt ein Thor," murmelte er vor
sich hin.
Dann warf er seine Tasche über die
Schulter nnd ging langsamen Sdtrittes
und gesenkten Hauptes deut Dorf nud
der Fabrik '.'ieurode zu,
13. St a p 1 1 c I.
Das Mittagsmahl vereinigte die Fa
mitie des !aros Willi) v. Allenbrak
an jedem 4.age in dem große Eßfaal,
dessen Flügelthüren auf die freuttdlide
Beranda der Parkfeile deö dstoffeS
hinaiisführleit. Auch der Inspektor
des weitläufigen Besitzes erschien stets
zu Tische, da es Barott Willy liebte,
sid) iu leichtem Gespräch von seinem er
stcn Beamten über den land der
Wirthschaft 'Auskunft gebcn zu lassen.
DaS übrige Personal, der ckretär, die
Berwaltcr und die Haushälterin, atz
nicht im chtossc, sondern in dem soge
nannten Amtshaufe" des WirihsckaftS
Hofes, in dem znr Zeit der feudalen
Rechtspflege der Ämtmann des Gtttsbc
zirkcs gcwohut halte, und das jetzt die
Wohnungen der Bemalter und anderer
Beamten enthielt. Die Gunst, mit der
Herrschaft im Sdstoß zn spciscn, hatte
der Oberinspektor Fcldncr sid) indessen
durch seine langjährige Dienstzeit er
worben, tvar er doch schon zur Zeit des
alten Herrn v, Altcubrak aus dem Gute
gewesen. Hcrr Fcldncr konnte sid) denn
and, schon einiital ein offenes Wort er
lauben. Mit dem Barern stand sid) der alle,
jetzt fast sechzigjährige, ost etwas eigen
willige, aber stets brave uttd ehrenwcrlhe
M'mi recht gut ; dcr Baun ordnete
seine geringen laiidwirthfdaftlid)en
Meiiutuisie den Erfahrungen des In
spektors iniler und stand sich nicht schlecht
dabei. Aber mit der Baronin vermochte
sich der Inspektor nickit zu vertragen.
DaS stolze, bcrrsd)südstige Wesen der
Baronin verletzte den alten trenen Die
ner d Hauses, und die hockiflicgenden
Plane der Dame in Betreff der Be
wirlhfchafltiitg der Gitter entlockten ihm
oftmals ein verächtliches Lächeln, Außer
dem sah er, daß die rasende Perschwen
dungssttdu der Baronin, die eö liebte,
mit alte! Pomp einer kleinen Fürstin
aufzutreten, die Einkünfte der Güter
verschlang, das! fast nidctS zur Aufbes
serung des BodcuS verwendet werden
tonnte, und daß die Wirthsthaft nnfehl
bar dem Ruiu entgegen ging, wenn nidst
der Verschwendungssucht dcr Baronin
gesteuert odcr neue Hilfsquellen eröffnet
wurde.
Der erfahrene Mattn hatte diesen
Tkattd der Dinge bereits vor Jahren
de-m Baron eröffnet, und dieser hacie in
der That den Muth gewonnen, mit fei
er Gattin über diese Bcrhältniffe Rück
fprackie zu nehmen.
Anfangs hatte die Baronin ihren
(hatten erstaunt angeblickt, und dieser
mariste sich schon auf eine kalte, hoch
müthige Abweisung gefaßt; dann aber
war plötzlich ein cttvaS spöttisches Lädicln
über das Antlitz dcr Dame gchttfdst und
sie hatte cutgeguct : Dein alter In
jpeltvr hat Rccht ; das Lcbcn hier in
Berlin" Baron Willy stand damals
nod) als Major bei den Gardekürassie
reu ist zu kostspielig, ziehen wir uns
nack) Allenbrak zurück. Ich sehne mid)
and) nach der Ruhe des Landlebens."
Ersrent nud fast gerührt hatte Baron
Willy feiner Gattin die Hand geküßt.
Es war schon lange sein Wunsch gcwe
fett, den Abschied zu nehmen uud sid)
auf feine Güter zurückzuziehen. Er
fand schon seit Jahren keinen Gesdmack
mehr an dem tauten Treiben der vor
nehmen Welt odcr dem glänzenden Was
fcnfpicl. Er tvar cin stillcr, ncrvöscr.
kränkctndcr Mann gcwordcn, dessen
scheues Auge kaum den stolzen Blick fei
ttcr Gattin ertragen konnte. Seine Be
kannten wunderten sich über diese Bcr
audcruug dcs ftottcn Offiziers, führten
sie auf seine Berwundtiug im Feldznge
170-71 zurück und bedauerten ihn
herzlich. Welch' geheimer Wurm au
dem Lcbcnsmark dcö einst so starken,
lebensfrohen Mannes nagte Nie
utattd wußte es.
Baivu Willy hatte seinen Abschied
genommen, erhielt den Rang eines
Obersten nebst cincm hohcn Ordcn und
zog fid, uad, Altcubrak zurück. Die
Ausgaben verringerten fid) aber nur tun
Weniges hierdurch, denn nm diese Zeit
trat Willi)? Sohn Harrt; als Offizier
in das Gardchnfarciircgimcnt ein, und
Harri) v. Allenbrak dachte wirklich nidst
daran, fid, einzuschränken. Er hatte
den leichten inn leines Bakers, aber
and) die strenge Getcchtigkcitslicbc und
Ehrenhaftigkcit seines Großvaters ge
erbt, welche Eigenschaften von jeher die
Zierden dcs allen Gcsd)lcd)teS gewesen
waren,
Harri) war stolz ans seine Familie,
auf die nnbeflccktc Ehre feines Ge
fdstedsts, und er würde jedes Opfer ge
bradst haben, um diese Ehre rein und
unbefleckt zu erhalten. Im Taumel
des großstädtischen Lebens vergaß er
llerdiugs oftmals, daß eS nidst genügt,
die äußerliche Ehre dcö StandcS auf
redst zn erhalten ; er genoß das- Leben
in vollen Zuge und dadste dabei eben
so wenig daran, sich Einschränkungen in
seinen Ausgaben aufzulegen, wie feine
Mutter, die sid) hauptfädilid) deshalb
aufs Land zurückgezogen hatte, weil
ihre Tod)ter Gerda heranwuchs, und sie
sid) von der jngendsrifdicn Schönheit
ihrer Todstcr nicht in den schatten stel
len lassen wollte.
u grvj,a tigen Beihältntsscn floß
da Leben auch anf Allenbrak dahin,
ein prächtiger Man'lall wurde ciugr
richtet. Jagden, Gesellschaften, Bälle
nud kostspielige Reife wechselten in
unterbrochener Folge ab ; die ruhelose
Bergnügnngssud't cvgallas verschlang
.Hnndcrttanseude, nd schon halle sich
'Willy genothiat gesehen, ein größeres
Mapital aiiszunehmeit.
Die Baronin war indessen klug ge
ling, um kiiiziijehen, daß neue Hilfs
quelle eivffiic-t werden müßten, sollten
I die Güter nicht fchiießlirti so hoch be
! lastet werden, daß von ihre Erträgnis
fen idilS übrig blieb,
j So sprach sie denn eines TageS zu
, ihrem Gatte : vieber Willi), D hilft
j mich öfter beschuldigt, daß id, zu viel
' verbrauche. Ich sehe ein, daß unser
i Leben ein kostspieliges ist, aber wir witr
j dc uns iu einem anderen Leben nicht
wohl fühle. Es handelt fid, also
darum, neue Einnahmequellen zu eröff
i neu, und ich glaube, ich habe solche ge
j funden,"
I Ueberrascht blickte er seine Gattin an,
' Die Industrie," fuhr Rogalla fort,
! beherrscht die heutige Zeit, And) wir
müssen unS mehr der Industrie zuwen
den. Ich sehe zum Beispiel, welchen
enormen tcwiiiii die Üliibcuzuckcrfa
brisen abmessen ; weshalb legst Du nicht
auch eine solche an, wie so viele andere
Grundbesitzer ?"
Der Gedanke gefiel Willi). Er wollte
mit Feldncr Rückfpradie nehmen. Der
alte Inspektor erklärte indessen briini
tuend, daß er von der Zuckerindnftric
niditS verstünde, wenn man eine Fabrik
crriditcn wolle, möge mau einen geeig
neten 'Mann suchen.
lind so geschah eS. ilcogalla ließ
nidit nach, bis sich ans dem Borwerk
'.tceuenbrak eine großartige, mit allen
Erfindungen der Ren zeit ausgestattete
Rübenznckerfabrik erhob. Ein Direktor
ward eugaglrt, der auch in der ersten
Zeit die günstigsten Einnahmen erzielte.
Räch nd nach ward indessen die Mon
kurrcuz zu groß, und die Rencubraker
Zuckcrsabrik vermochte sich kaum noch
Über Wasier z halte, da idit genü
gend Mapitalieii zur Hand waren, um
mit den andere Fabriken in der An
schassnng neuer Masdstueu gleichen
chrilt zu hallen.
ES sollte ttiiti auf andere Weise in
dem Betriebe gespart werden ; die Lohne
der Arbeiter nnd Arbeiterinnen wurden
erheblid) herabgesetzt, nnd da die Arbei
ter zumeist in den Dörfern und auf den
Gütern des Altenbraker Bezirks wohn
ten, fügten sie sich dieser Maßregel,
dcrcii Ungerechtigkeit sie aber jjittcr
empfanden, dion öfters waren Strei
tigkeiten und kleinere Ausstände anf der
Fabrik auSgebrodieu. und ieuenbrak
mit feiner Fabrik war schließlich die
größte Sorge des Herrn v. Allenbrak
geworden, Rogalla erhoffte indessen
noch immer reiche Erltcige von der
Fabrik, die sie unter ihren besonderen
Schutz genommen hatte.
So lagen die Berhältitiffe, als die be
nadcharte Fabrik Reurode abermals ver
besserte Masckiinen ciiisiibrtc und da
durch die Existenz ')cecnb,ats anf das
Ernftlidifi bedrohte. Wollte man fer
ner nod) koiikiirrireii, mußte man sid,
and) iu Rciicnbrak zur Anschaffung dcr
vcrbcssertcn Eiuriditnngen entschließen,
die wiederum die Ausnahme cincs gie
ßen MapitiilS nöthig machten.
Während deö Mahles an dem hen
tigen Tage berrfrfue ei mürrisches
Schweigen. Da kein Bcfnch anwesend
war, bestand die Tifchgcfcllfchaft nur
aus dem Baron, der Baronin, Barv
liesse Gerda, die Gesellsd),istsdame
Fräulein Harter und dcm alten In
fpektor. Der Direktor der Reiteiibntker
vabrif, ein Hcrr Gtittiiiattn, tvar aller
dings Morgens zur Beriditerflattnng
dagewesen, hatte aber zum Esse nicht
bleiben körnten, da ihn dringeude Ge
fdiöfte nach Reuettbrak zurückriefen,
Sctite Beridite mußten indessen nicht
sehr günstig ausgefallen fein, dein for
geiischwercu Gesichte des BarouS sah
mau cs au. daß er keine guten Rad
richten cmpsnugcn hatte.
?as d)weigc lastete gleichsam als
etws körperlich Drückendes ans alle
Anwesenden, selbst die frohe Laune dcr
Barottesfe Gerda vermochte diesen Druck
nicht abzuschütteln. Endlich konnte die
junge Dame aher dieses Schweige
nicht mehr ertragen,
Weißt Du Bater," fprad, sie, indem
ein freundliches Lächeln ihr 'Antlitz über
strahlte, daßch heute Morgen schon
ciue Bekanntschaft gemackit habe, die
mich um Deinetwillen sehr inicressirle?"
Wie sollte id) das wissen, Mit,d,"
eutgegnete ausathmeiid Baron Willi,,
dem cs angenehm war, mit seiner
Tochter ein harmloses Gespräch führen
zu körnten. War eö ein Herr oder
eine Dame ?"
Ein Herr, und noch dazu ein junger,
hübscher Mattn."
Aber Gerda !" warf mit mahnender
timine ihre 'Mutter ein.
Run, seid nur nidst böse. eS ist voll
ständig ungefährlich," lackstc das junge
Mädchen, Id, traf den Herrn auf
meinem Morgenrittc am Saum dcs
Rcurvdcr 'Waldes ruhend. Er wollte
nach 'ikttrode. ES war der itencnga
flirte Ingenieur der dortigen Fabrik."
Ah. also geht man dort mit der
Ausstellung der neuen Maschinen schon
jetzt vor!" enlgegnete seufzend der Ba
ron. Ja. lieber Feldner, da wird nnS
lud) nidits Anderes übrig bleiben, als
die mafd)inellcn Einridstungcn möglichst
rasch zu treffen."
Der Herr Baron kennen meine An
sicht von der Fabrik," antwortete in
ziemlich mürrischem Tone der Infpek
tor. Wir hätten uns gar nidst darauf
einlassen sollen. Es wäre auch so ge
gangen." Wohl tvahr, lieber Fcldner, aber da
wir einmal die Fabrik errichtet haben,
so bleibt uns keine Wahl mehr."
lind denke Dir, Balcr," fuhr nack)
einer klcinc Pause Gerda fort, der
junge Ingenieur ist ein 'Ausländer,
wenigstens tragt er einen ausländischen
Rainen,"
Soweit ist Eure Bekanntschaft fd)on
gediehen, daß er Dir seinen Rainen ge
nannt hat ?"
'Run ja, ich sagte ihm im Laufe des
Lefpräd)S, daß ich Deine Tochter fei,
und es war merkwürdig zu beobachten,
welchen Eindruck diese Mittheilung auf
ihn machte. Er ward förmlich niihöf.
lich ist das nicht sehr lomifch?"
Der Baron zuckte die Achseln. Wie
hieß denn der junge Manu ?"
Eduard 'Moutelli nannte er sich."
Dcr Baron ward blaß. Manfah
rs ihm an, cr rang vcrgrblid) nach Fas
sung. Er warf einen scheuen Blick aus
seine Gattin, die stolz und regungslos
dasaß, und sagte mühsam: Du ent
schuldigst ivohl,' Rogalla, wenn id) mich
zurückziehe. Ich fühle mid) etwa im
wohl. In meinem Zimmer ist es sich
ler, als hier, bort werde id) mid) rasch
erholen,"
Soll id, Did, begleite. Bater?"
fragte Gerda besorgt.
Rein, mein Miud, bleib nur bei Dei
ncr Mutter. Id) werde schon allein
fertig."
Er strich mit der Hand sanft über den
braunen Scheitel seiner Tochter und
entfernte sich.
Mit mitleidigem Blick sah ih Gerda
nach. Was hatte nur der Bater? So
hinfällig, so gebrechlich wie heute war er
ihr nod) niemals erschienen.
Rogalla hob die Tafel auf. Komm
i den Garten, Gerda." sagte sie. Ick)
habe später mit Dir zu' spreche.
Fräulein Harter, wollen Sie den Mafsce
aus die Berauda bringen lassen."
ehr wohl, gnädige Frau." j
In feinem Zimmer angekommen, sank
Willi) v, Altcubrak in den Sessel vor
dein Schreibtisch nnd verbarg leise floh
nend sein Antlitz in den mageren Hätt
den, 'Regungslos faß er lange Zeit in
dieser Stellung da, Rnr zuweilen durch
lief ein leichtes Zittern den Mörper, uud
eii, ächzender Laut, als quäle ihn ein
tiefer, innerlicher Schmerz, entrang fid,
seinen Lippen,
In dieser gebrochenen, hinfälligen
! Gestalt hätte sicherlich keiner seiner
liniieren ivremide und Zi'eiannten den
flotten, glänzenden Gardekiiraffierosti
zier wiedererkannt, der noch vor zehn
Jahren der Stolz des 'Regiments ge
wesen war. Mit fünfzig Jahren, der
kräftigsten Reifezeit anderer Männer,
war Willi) v, Allenbrak ein Greis mit
zerrüttetem Mörper uud angsterfüllter,
unzufriedener, reuevoller Seele.
Jetzt erhob er fid, tiihsani von dem
Sessel, nud mit ,,roßen, fast angstvolle
Auge zu dcm Bildc seiner Mutter auf.
blickend, das och immer den Platz iiber
dem Schreibtisch einnahm, flüsterte er
mit scheuer Stimme ! Die Schatten
der Bergagelcit erhalten Fleisch und
Blut. - - Zu fp it zu spät es
taun nicht wieder gut gemacht werden,
was ich verbrach zu spät - zu spät !"
Er sank in feinen Sessel zurück nud
fdilug die Hände vor das Antlitz. Plvtz
lid, fuhr cr empor. Eine feste Hand
legte fid, anf seine Schulter, eine
(Anttu stand vor ihm, Sdicu, fast
furchtsam blickte er iu ihre großen,
finster auf thu nicderfchanende Augen,
Was willst Dn, Rogalla ?"
Id) will Dich warnen," entgcgnctc
scharfen Tones Frau v. Allenbrak,
Du gibst Dich den Eindrücken des
Aiigenblicks zn sehr bin ; Du kannst
Dich nicht mehr beherrschen. Was
erschreckte Dick, dcr Rciinc jenes MamteS
jo ? Was können Dir die Schalten
der Bcrgattgeuhcil fein ? Sagtest Du
mir nicht, daß jene Papiere, tveldie D
einst von Deinem Bruder empfingest,
veruiduct seien ? Oder ist es nicht
so. , . exiftiren sie nod, ?"
Will v, 'Allenbrak erschauerte unter
dem finster drohenden Blick feiner Gat
tiu, Er machn- eine abwehrende Hand
bcivcguug. Rein, ein. sie sind längst
verbrannt,"
,,o fei kein Feigling und beherrsche
Dich !"
Stolz aufgerichtet raufchlefie zuttiZitu
liier hinaus, während Willy ächzend zn
fantinenbrad). Er halle die Unwahrheit
gesagt. Jene Papiere, die ihm fein
Bruder übergeben, und jenes Buch,
welches Tirfchner dem gewissenlosen Be
anneii abgetanst halte, waren uid,t ver
uiduct. Er hatte um den Besitz dersel
den feine Ehre verloren und seine Ge
wissrusruhc dahingegeben, und doch fand
cr nicht die Mraft. den letzten Sdiritt zu
thun und die Papiere zn vermdsten.
Das Berbrechett ließ sich dod) vielleickt
noch gut machen, so dachte er, in jener
nicht mehr sei neu Zeit, wenn cr nicht
mehr unter den Lebenden weilte ! DaS
war der Gedanke, an den er sich anklam
merte in feiner GelviffciiSangft, nnd dei
chn aufrecht erhielt in dem Mampfe
gegen die Dämonen der Berzwc-islnng.
Er war schwach, er war feige cr wußte
es, aber er war kein kaltherziger
Schurke, er konnte nicht den letzten
d,ritt thun, cr hoffte stets, daß dcr
Zusatt ihm zu Hilfe komme nd das
Unrecht sühnen werde.
M. jcapitcl.
Eduard Moutclli hatte sich rasch in
seiner neue Stellung zurechtgefunden.
Der Leiter der Fabrik war mit den Lei
stungen des junge Mannes durchaus
zufrieden nd hatte deshalb ei,- län
geren Monlrakt mit Eduard abgefdilos
i'en. Dieser hatte ein kleines Landhaus
mit schattigem Garten in der Rähe der
Fabrik gemiethet und erwartete in
itcid)fter $eit feine Mittler nnd Schtve
ster.
Das Hans, tveldies ich gemiethet,"
schrieb cr ihucit, wird Dich, theure
Mutter, au das klcinc Heini in Fried
richShagcii erinnern, in dein ich meine
Jugend neokebt, und da Dir stets so
lieb und werth war. Du erinnertest
wenigstens oft daran, and) iu der spä
teren Zeit, da wir in dem Hanfe Onkel
Tiedeu,au'S in Berlin wohnten, drei
Treppen hoch, eingepfercht zwischen den
thiirniahnliä)en Rtichhanjehrindeit, nichts
als die grauen, gegenüberliegenden
Mauern erblickend, Onkel Tiedernaim
Halle es allerdings nod) schlechter in fei
nem Fleischerladen, aber er ist ja gebo
rener Berliner nd fühlt sid) wohl iu
dein Staub und dcr Hitze dcr Gassen.
Mein größter Wnufch war eS, Dir und
Gre'e wiederum ein frcundlid)cS Heil
uns dem Lande zu bieten, wo mau sich
an der freien Rasur erfreuen uud er
quicken kann. Jetzt endlich habe ich cs
gesunde. Zwar keine zehn Minuten
entfernt liegt die Fabrik, ihr Getöse
dringt oftmals in die idyllische Ein
famkeit des Gartens, aber ys welchem
Ort der Erde vernähme man heule nicht
das Sd,affc und Wirken der Indu
strie ? Mir sind diese .tone nicht un
angenehm. Sie mahnen mich, nidst
nachziilassciiim Arbeiten und Borwärt s.
streben ! ck mahnen mid) ferner,
daß id, nodi meine Sd)uld Dir gegen
über abzutragen habe, die Dn mich in
liebevoller Sorgfalt erzogen und mid)
zn einem tüchtigen Mamte herangebildet
hast. Jetzt kam, id, Dir in etwas Deine
Sorge, Deine 'Mühe vergelten ! Id)
kann Dir ein friedlid,es Heim bieten,
cin sorgenfreies Dasein. Deshalb packe
nur Dcitie Moffcr. licbsteS Mütterchen,
und komme zn Deinem Sohne! Daß
in der Eutsernnug von einer Stunde
das Sdstoß Allenbrak liegt, wird Dich
wohl nicht mehr abhalten, hierherzu
kommen. Du hast mir ja häufig genug
versid)ert, daß Du jenen Leuten verzie
hen, daßDtt vergessen hast, was Du einst
erhofftest. Mir aber.thcnre 'Mutter,
ist die Rähe jenes idstost'eS gerade
sehr lieb, denn id, will es nur gestehen,
daß id) die Hoffnung auf die Enthüllung
der Wal,rleit nod, uid,t aufgegeben habe.
In Palermo und Frati habe id, einige
Spuren gefunden, die dod) id) will
Dir das Herz nicht wieder sdiwer machen.
Glaube mir nur, theure 'Mutter, daß
id nidst auö Habsucht, nicht ans Gier
uad) Geld und Ehre das teheitiiniß jtt
enthüllen strebe, sondern allein um das
Äitdcufcn meines Baters von einem
haßlichen Bertachte zn reinigen, Und
min nichts mehr von der alten, halbver
gessene Angelegenheit, von der ja nur
Du, Ou ket iicdemauii mid ich wissen.
Grüße mir den Onkel nud Grete herz-
neu uns tomniet vaio.
Als Frau Margherita, oder Maraa-
rethe, wie sie siel) jetzt nannte, diesen
Brief ihres ohnes gelesen, blieb kie
eine Zeitlang in tiefes Rachdenkctt ver-
funken sitzen. Der letzte Schein deö
TageS stahl sich über die hohen Dächer
in da Gentach der einsamen Fran und
vergoldete mit lichtem Schein das sanft
geneigte Haupt, dessen schwarzes, schlicht
gefdicitelles Haar bereits einzelne Sil
Dcrrnoen durchzogen.
Das Antlitz Margaret!? hatte
jenen sanften, stillen, freundlichen Aus
druck angenommen, den die Resignation
den menfchlidien Zügen verleiht. Die
Wangen waren bleid) und eingcfnttkcit.
die Lippen vermodNen aber wieder zu
lädielu, und die großen, dunklen Auge
strahlten ein milde, srenttdlid,es Feuer
aus. da Jedem wohlthat, der einmal
in diese Angcn gcfd,ant. Die sdstvarze
Wittwentracht, welche Margarethe seit
dem Tage, da sie den Tod ihres Gatten
erfahren, nid,t wieder abgelegt, ließ ihre
Gestalt sthlanker und höher erscheinen,
als sie in Wirn, clsteit war ; abcr nm
dicfe zarte, biegsame Gestalt hätte
manch' junges Mädd)en die alternde
Frau beneiden können.
V.
Jetzt liep ticu drangen im Morridvr
eine irische, jugendliche N!ädd,ei,sti,te
vernehinen, Ich baute Ihnen. August,
und sagen Sie Ottlel Heinrich, da,; et
bald Ziitn Abendessen lienniflömmt, id,
hätte ihm au,h etwas Schaues tiiit.
gebracht,"
Werd'S bestellen, Fräulein," er
widerte die Stimme eines jungen Bur
sehen. Dann ward die Mviridöiilinie
gksdilvfseu, und leichte Schritte näher
ten sich de Thür des Zimmers, ,u dein
Frau Margarethe sag, Sie verbarg
den Bnef ihres SölmeS in der Tasche
dcS Mlcidcs, uud als das lungc Mad
dien das Zimmer betrat, lächelte sie ihm
freundlich entgegen.
Bet zeihe mir, liebste Minier, daß ich
etivaS später tnmme," rief tötete M
teilt, setzte einen Mcnb, de sie am Artn
getragen, nieder und slvg an) ihre
Mutter zn, sie zärtlich umarmeud nnd
küfseud.
Alles, was D mir aufgetragen, ist
besorgt," fuhr Grete dann fort, Drr
Morb war f fdaver geworden, daß ich
ihn fast nidU die Treppen heraustragen
konnte. Da hat denn Anglist, der
Bursche Onkel Heinrichs, mir geholseu."
Ich tonnte tS mir wohl denke,,,"
entgegnen- GretenS Mutter, als id,
End, vorhin au der Morridorthiite spre
chen hotte. Aber Du bist heiß gewor
den, Mind, Setze Deine Hut oh und
ziehe die Ictcke aus ich habe ?ir ciue
Reuigkeit mit jiuiieilen
Rasch legte Grete Hnt und Jacke ab
und schmiegte sid, anf ein Fnßbonldieu
an die Mnic-f dcr Mutter, mit große,
neugierige Augen zu ihr ausschauend,
.Run. 'Mutter?"
Eduard hat geschrieben."
Eduard? Und gefällt es ihm in
seiner Stellung ?"
Ja, eS gefällt ihm sehr, und er for
dert uns auf, zu ihm z ziehe. Er
hat eiii kleines Landhaus gemiethet,
nahe am Ufr der Elbe, inmitten eines
schattigen Gartens ; er malt sei Häus
chen so idyllisch ans. daß man ailct diugs
Sehnsucht betonn! ad, der Ru be und
dem Friede da draußen."
Grete senkte das braune Lockcnköpf
che. Eine rosige Glntl, huschte rasch
über ilre Wangen, unter den krause
Löckchcu verschwindend, welche die zarte
Sttni umsäumten. Ja, auch sie dachte
eck siel) herrlich, da draußen iu einem klei
nen Häuschen, in einem hübschen Gar
ten schasse mid walten zu lötnicii, aber
sie hing doch auch nt Berlin, das sie seit
ihrer sriihesien Miudheit lainiie. dessen
lange, icisdcngcsülltc, laute Straße
und Plätzc ihr heimisch und lieb gewor
den waren. Wie schön war es, durch
die belebten traße zu wandern, unbe
obachtet l,ier vor einem I,nwclic laden
stehen zu bleiben und die Diainaute
nud prädstig funkelnden Geschmeide zu
bewundern, dort iwr einem großen,
blendend cilenchlelen Moiiscilioiis- und
Ptttzgeschäft, um sich an den nettesten
Erzeugnissen der 'Mode und des Ge
schmacks zn erfreuen, lind dann die
Spaziergänge draußen in, fdiattigen
Thiergarten! Und wie herrlich war es.
wenn Oiilel Heinrid,, dc. als alter Gar
dcdragoncr den Sport über Altes liebte,
sie liiit uad dem Hvppegcn le zn den
großen Pferderennen nahm ad,, erst
vor ad,l Tagen waren sie dort gewesen,
tiiid noch immer mußte sie au das kleine
Abenteuer denken, welches sie au jenem
Tage erlebt,
Onkel Heinrid) tvar mit feinem Ge
fährt hinansgescihrcn, nud in dcm of
fenen Wagcn stehend, hatte sie aufmerk
sam dem Rennen zugeschaut, Bvrznglid,
das Armccjagdrcuuei, hatte sie ineref
sin. Fast alle Uniformen der Armee
waren vertreten gewesen, and) die rothe
Gardehufcn'ennniform, die dem jungen,
schmucken Offizier so prächtig stand.
Gerade vor ihrem Waget, halte der
junge (Airdehufar den erste Berstuhs
galopp feines fchlauken'Rennc-rs gczügclt.
Hock, empor hatte sich das Roß gebäumt,
aber wie mit dem Pferde znsainmeugc
wachsen hatte dcr Rcitcr in, Sattel ge
scsjc. Und als er das Pferd wicder
zur Erde niedergezwungen, da war das
Publikum iu ein lautes Bravo ansge
brodien ; der junge Gardehusar hatte
einen stolzen, lädteluden Blick auf das
Publikum geworfen, nd feine Blicke
begegneten gerade den angstvollen Au
ge GreleS, die mit alheuilofcui In
lereffe den Mampf des Reiters mit fei
nem unbändige Pferde beobachtet hatte.
Grete bemerkte es wolst, wie es anfleud,
tctc iu den, blauen Augen dc-S jungen
Offizier, wie er sich höher emporhob i
nein isaitci, oie rcajtc vano au sc
Mütze legte und sid, siolz'lädicluir'vcr
beugte. Dann gab cr fciutRvfse die
Sd,enkcl und sprengte zum AblanfsvN
zurück, och einmal mit den Augen zu
ritckgriißcud nach Grete, die mit hoch
klopfendem Herze dastand. Mit theil,,
loser Spaitiiuug war sie dem Laus de
'Remters esolgt. Der rothe Attilo des
jungen Gatdehufarei, leuchtete hell her
vor aus dem Getümmel der Reiter, mit
angstvollen Blicken hing ihr Auge an
dem Reiter, bei jedem Sprung über eine
Hürde oder einen 'Wassergraben erbebte
ihr Her; und jubelte auf, wenn der
primg gelang, lind als mm gar dcr
junge Gardehusar als Erstcr aus
sthaiimbcdcckiem Pferde dnrch das Ziel
slog, da vcnod)te sie fid) nicht zurück
zuhalten, sie stimmte jubelnd mit ein
tu den branjendeti Beifall dcr Mcngc.
Mcckwürdig still war Onkel Hein
rid) bei diesem Rennen gewesen. 'Als
Grete ihn fragte, ob er fid, nicht über
den Sieg dcs rothen Husaren freue,
hatte cr nur brummend geantwortet :
Ja, ja, ich konnt's mir schon denken,
die AltcttbrakS find alle vorzüglid)e Rei
ter,"
Die Erinnerung an diesen Pvrsalk
schoß Grete jetzt wicdcr Icbhaflcr denn
je drd) die Seele, denn, wie es der Zu
fall so oft and, in der Millionensiadt
fügt, schon zweimal hatte sie den jungen
Offizier auf dcr Straße wicdcr gcschen.
und au dcm cniflcuchteuden Blick semcr
Aiigcn, an seinem freundlichen Gruße
hatte and, sie gemerkt, daß and, er sie
wieder erkannt. Ja, heute war der
junge Offizier ihr sogar gefolgt, mehrere
Straßen lang, und sie war ihm nur
entgangen, indem sie sich in einen Orn
"ibus gesetzt haue und rasd, davon
gefahren war. Die glühenden Wangen.
weld)e ihre Mutter bemerkte, waren
nicht allein die Folgen des weiten We
ges. Run. mein Mind," hub Fran Mar
garcthc wieder au, Dn läß' ja den Mops
hangen ? Würdest Du lieber hier in
Berlin bleiben ?"
O nein gewiß nicht, Mutter, "
eiitgkgnctc verwirrt Grete, die sehr
wohl wußte, Wie sich ihre Mutter dar
uad) sehnte, dem steinernen Gefängniß.
Wie sie die Stadt nannte, entfliehen zu
können. Abcr cS kam Alles so Über
raschend weiß Onkel schon davon ?"
Rein, er weiß nod, nidstS. Wir
wollen eö heute Abend mit ihm be
sprechen. Da höre ich ihn die Treppe
herauskommen ! Gelj, öffne ihm die
Thür."
Grete eilte hinaus. Draußen ertönte
die tiefe Stimme und der schwere, stamp
fende Tritt emes Mannes.
Onkel Heinrich, Onkel Heinrich,"
rief ihm Grelc entgegen, wir ziehe
Iv.t von Berlin !"
Ra n, was ist denn los ?" fragte
Heinrid) Tiedentaitti und stampfte in
das Zimmer. Guten SIbend, Frau
Montelli, da bin ich. wie ie wünsch
ten, zum Abendessen. WaS ist'S mit
dem Fortziehen ? Ich denke, doch nid)ls
al Unsinn !"
Rehnnn Sie Platz, Heinrich." sprach
lächelnd Fran Margarethe, und Du,
Grete, geh' in die Üd)e und bereite das
Abendetfen. Ziaroline allein möchte ich
es doch nicht auvcrtraucn."
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