Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 12, 1891, Image 4

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Tort sollt Ihr iini Frucht
und Getreide einkaufen;
Toch was Ihr auch bringt.
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b Beute, welch Häuser zu Uvitn gedenken.
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Feine Cigarren und Tadak stets vorräthig.
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feite Goverument Square,
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E. R. GUTHRIE, 1540 0 ST.,
Händler in
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Neit- und Pftrdegcschirrctt.
R. Guilirie versilgt über die prächtigste und reichste Auswahl van Waaen
In. aus nicht, bi ihr ifiu W igenlnger in Augeus l ein ge,io,n,nen habt,
rdet eine günstige OJelegenlieit ub,yt vviübeig, chen laffen, wenn ihr nicht
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enüber der Post-Office s li-.-'bUI.i, HCU.
ftet Vtiiidvtrtt Vtt Morgen H 10 Uhr Ab,.
er Besiber diese prächliarn Lokale? rr'rd nur Maare der feinsten Ciialttr
in und seinen ui den in cci zuvorkommendste Weise das weltberühmte T'ck
f. iiageroier erevenzen.
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Ebenfalls die bcstcn Wcinc u. Cigarren.
I. B. Trickcy Co.
(flirrnachei: Tl. Iu,vel. nlicindler
1035 StraKe, Lincoln, Nebr.
r. e all renommirte Jwelen.Handlng können wir dem Publikum wegen de
itit und Slkgan, der Waaren, tiiü't der näs,iqe Preiie besten emvehler
i Hermann BrothDrs.
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VlllUCi lUW tViiits
Garderobc-Artikcl.
17 & 1019 0 Strasse. Lincoln. Kebr.
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Ebbe und Null).
Nun anl dem Hamburger Lei.
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i 3ca.
(Zartsevuiia.)
er emeitte tt wohl und hegte dar
iibcr scine beiondcrcit (cdaukc ; er
ivutt, wie uekl,ch racu ein wciua
sich Bahn bucht in einem große l.e
niciiiiucic, iiiio er war mir im Hweiscl
darüber, welches vo beide tu j, und
ob die Veme aui Mitleid oder Abscheu
ihm auswiche.
Dann blickte er plötzlich dicdt ncde
seinem Hauie aus; ei junge iU!ad
chen baue iciiie t6eg gckreuil und blieb
vor i,, iicljcu ; c war Käthe Ärink
inaii. -
Tie Auae btt Zlaufma irrten
einen Mvuicnt ugcwik iibcr die schlanke
iciiatt ui das dunlie leid : es war
last, ai cl)( er sei eigene Lind,
wie e ihn am gcsii,ic Taqe verlassen
haue, ii in cnixiii Unwürdigen in die
ivieinde ii lolaen : aber dann nmgen
ihm die SÄgrie dc alten Schisser durch
den iiin. von einem jortgcjagien !viad
chen, welche sich da l'cbc haue neh
uuii wollen.
sollen Sie etwa von mir. Kind?'
sagte er, und seine limine klang wei
cher, al sie e,al zu äthe geipiochen
hatte. ,ch habe ie vielleicht etw
schloss bchandett. und wenn e. möglich
wäre, die Sache beizulegen srcilich,
meine Tochter wird Ihrer Dienste
nicht mehr bedürfen."
.So ist fit wirklich fort?" rief Käthe
othciiilo und ohne Besinne, zu wem
,ie ipmch.
Wissen Sie e auch schon?' eiitgeg.
nete Liccnhiise bitter. wöre ihm
zu cr anocren Zeit gerade; unge
hcueilich erjchicncn, mit einer Fremden,
noch dazu einer entlassenen Dienerin,
iibcr seine vertrautesten gamiliciiaiige
tcgcnheitcn zu rede, aber in diesem
.'lugenblick war ihm Alle einerlei, e
konnte für ihn nicht Wunderbare u,cl.
geschehen.
Ich habe e früher gewiibt. al
Sie. Herr Scuator," erwiderte da
Uleadchcu leise. Jene Blelt. d
mir zusällig in die Hände fiel, al ich
da iilcid dc gnädigen Fräulein mi
besserte, enthielt Alle. Ich wollte e
Ihnen a auch mittheilen. Herr Scna
tor. aber Sie ließen mich nicht ju Worte
kommen. Ich hatte e doch sagen sollen,
trotz aUedcm, und e will mir fast da
Hei z abdiiieken. daß ich c nicht that,
jeneihen Sie nur !"
Stille,' sagte teenhnsen und hob
die Hand. Auch diee Mittheilung ver
mochte keinen Eindruck mehr ans ihn zu
machen ; die Erkenntnis;, daß leine
Saker's Kleider - Laden !
1125 0 STRASSE.
Anzögen für Männer, Knaben und
. . V .
.UUllHT
tu nicdriieren Preisen oer'.inft, al in irqend einem anderen Kkschäste der
adt. Wie bksidcn da größte Lager i Garrerobeartikcln für Zlibciter.
Kauftcdingnngcn: Baar.
den
Sondern dol zVit, ich will na
tiirlich nicht tu Deine Geheimnisse ein
drinnen "
Miete wandte sich plötzlich um und
legte ihre Hand aus Kaihcu Arm.
Ach, weißt Du, ich bin vielleicht ein
recht dumme Ding, aber seitdem da
Alle ander geworden ist ich meine
mit ihm. Du verstehst mich schon
seitdem war mir die Sache überdrüssig
geworden. Man hat doch nach dem
Schluß der Fabrik de ganzen Abend
für sich, und den anderen !viadcken geht
e ebenso, und die lassen Einem keine
iKühe. Da hieß e denn, ich hatte mein
Verhältniß ja aufgegeben und nun müßte
ich mir ein neue suchen, wenn e auch
nicht so sein wäre. Und da winde ich
denn mitgenommen zum Tanz auf den
Hamburger Berg," wo die Matrosen
fiiid. und lÄoll weiß, wohin sonst noch.
Ich konnte mich gar nicht josmacken,
denn dann hatte ich den ganzen Tag
in der Fabrik keine 'Jiiihe vor 'Meckereien
und dnmincn Redensarten ; Dn glaubst
gar nicht, wie da hergeht unter einer
Schsar von Mädchen, von denen jede
womöglich alle Wochen einen andere
Schatz hat."
Und nun hast Du auch einen an
deren '('
Miete zog langsam ihre Hand zurück
und nahm die Arbeit wieder auf. Nein.
Käthe, da darfst Du nicht von mir
denken," entgcgnete sie leise. Wir
armen Mädchen haben doch auch ein
Herz und ein Gedächtniß. Oi'n, kurz
und gut, ich sagte meine Arbeit in der
Fabrik ans, tun allein Rnnnncl an dein
Wege z gehen, und mm ist schon da
für gesorgt, daß ich die Abende zu
Hanse bleibe, um mein Brod zu verdie
neu. Da Ocl, da ich mehr brauche,
bringt e ja schon ein, und allmälig
muß e ja auch besser gehen, wenn ich
nur erst feinere Kundschast habe und
vor allen Dingen da Zuschneiden
lerne ; denn darauf kommt Alle an
und da fliegt man in der Fabrik na
türlich nicht lo."
Käthe Biinkuiann bog sich nieder und
hob einen Lappen auf ; sie wollte nicht
verrathen, daß ihr da Wasser in die
Auge getreten war ; aber dann legte
sie vlötzlich die Arme u;n de Nackcn
der Freundin und küßte sie. Du bist
gut, Miete," sagte sie herzlich, Du
verdienst e, einen braven Mann zu be
komme, nnd der wird sich auch sicher
lich finden." ,
Micte lachte, und e klang der alte
fröhliche Ton durch. Na, hoffen wir
e, ich halte ja schon still I Und nun,
tfäthe, wa hast Du zn berichten?"
Gute und Böse." sagte Käthe
nachdenklich, und dann begann sie Alle
zu erzählen ihre Entfernung an
dem Hause de Senator, Annie
Flucht und ihre eigene Berlobung mit
Wilhelm Sturm.
Miete kalke am Neainn der I?riäk,
eigene ' larlihrit ei Unheil hfranihr
schworen habe, dessen Abwendung da ' lung noch fleißig genaht ; allmälig hörte
chtl,al ihm nahe gelegt, elb d,e,e ie an,. ,egie van o,c iirni vci nie
Erkenntniß ging spuilo an ihm vor
iibcr. wie eine neue Last, ans die er
drückende gehaust, nicht mehr zu drücken
im Staude ist.
Stille, kein Wort weiter! Wollen
Sie nur einen Gcsallcn thun. Käthe?
Da drüben am Drvschkenstand Sie
haben jüngere Füße al ich ich möchte
auf mein Eonivtoir fahren."
Siattie erfüllte sofort die Bitte. Der
Senator flieg, kaum noch fähig, sich auf
den Füßen z erhalten, in da Gcsährk,
und Käthe iah dem sortrollenden Wa
gen traurig nach. Dann fetzte sie lang
am ihren Weg fort.
Sie hatte sich gleich nach der Rückkehr
Ihre henii ans den Weg geinacht.
und stützte den Kopf in die Hand,
Al Käthe geendet hatte, entstand eine
lange schwüle Pause.
Der Senator ist ein Ekcl l' sagte
Miete endlich entschieden.
Ach nein, Miete, er ist ein nglück
licher Mann."
0ia ja. nimm Du Ihn auch noch in
Schutz ! Erst jagt er Dich weg und
dann rührt er keinen Finger, mit seine
Tochter wieder zn bekommen. Er ist
ein Ekel, sage ich nochmals, und e ge
schielst ihm ganz Recht."
Aber Miete I Und zu meiner Ver
lobung sagst Du gar nichts ?"
Miete rüger trocknete sich schnell die
Augen und fiel ihrer Freundin tun den
und war mit der Perbtndnngbahn ach ! Hal. Ach. Käthe, was find wir doch
Hamburg gcsalircii. Zunächst wollte sie
sich nach dem Hanse de Äeuator bcge
beu, in dort vo der Dienerschaft zu
ersahre. ob Anuie wirklich abgereist
sei ; wenn auch die eigentliche Sachlage
den Leuten bis jetzt vielleicht verborgen
geblieben war, sür sie war eine Anden
tung hinreichend.
Sie hatte bei ihrer Begegnung mit
Sleeiihnsen ansang nicht die Absicht
gehabt, den enator anzureden : ihr
Stehenbleiben war vielmehr die Folge
eine augenblickliche Gedränge geive
fcu, und baun hatte sich Alles von selbst
gemacht,.
Und nun ?
Käthe hatte ihr Herz nm ein Geringe
entlastet, aber sie fühlte sich dennoch
keineowcgS frei. Ihr Gewissen erhob
nnaushöilich gegen sie den Borwurf, daß
e in ihrer Hand gelegen habe, die Flucht
AiinieS zn veihindern. fe sagte sich,
daß ihr Schweige nicht ganz frei gcwe
fcu sei von Rachsucht für diese zugefügte
chmach. Da llngluck hatte sie bitter
gemacht, da eneiblühte Glück machte
sie jetzt weich.
Aber wa konnte sie noch thun? Der
Wunsch, die Tochter dein Vater wieder
znzusiihren, stand wohl deutlich in ihrer
Seele, aber die Aussührung erschien ihr
schwieriger als je.
Ihr nächster Gedanke war, sich an
Sturm zu wenden ; der blieb ja doch
ihr nächster nnd natürlichster Berather,
und seine Wohnung war ihr bekannt.
Aber dann überkam sie eine Mädchen
haste chcu ; um die Leute kümmerte
sie sich wcnig. aber wa sollte er selbst
von ihr beuten, wenn sie ihn allein auf
suchte I
Ja, wenn sie noch irgend Jemand
mitucliincn könnte !
Käthe dachte eine Augenblick nach,
und dann ging ein leichte Lächeln Über
ihr Gesicht. Wie Halle sie nur Miete
vergessen können, da gute treue Ding,
die würde Allc thun, wa in ihre
Kreisten stand, warum nicht auch auf
einige Stunde die Ehrendaine sviclc?
E war nicht weit bi zum Herren
graben, nnd die Fabrik, wo Miete ar
beitete, bciand sich in der Rahe ; enl
weder dort oder in der Wohnung mußte
sie anzutreffen sein.
Käthe machte sich sofort auf den Weg ;
sie hatte seit fiiih nicht gegessen und
fühlle einige Abspannung, aber sie
gönnte sich leine Rast. In der Man
telfabrik ward ihr der Beseheid. daß
Fräulein Krüger seid nnzcsähr einer
Woche die Arbeit gclündigt habe.
weit schwerern Herzen begab sich
Käthe in die Wohnung ihrer einstige
Freundin : sie fürchtete, dtcielbe ici
krank geworden. Zu ihrer llederia Jede Spur von Ausregung
,a,ug ,auo ,,e luiiei in iiiitin nie , ,yren .Mimen gewichen itn1
chen bei einer Rcihaibeit ; ,ie war ein
wenig blasser und schmaler geworden,
aber die Freude, mit welcher sie Käthe
begrüßte, war ebenso herzlich und aus
richtig wie früher.
.Da ist schön von Dir, daß Du
Dich auch 'mal nach einem verlassene
Wurm umsiehst," sagte sie nnd räumte
die Kleiderstolle vorn Sopha. ich dachte
schon. Dn wärest bei Senator zu stolz
geworden, uiti Dich noch Deiner alten
Freundin z erinnern. Ra, sei man
still, Kälhe. ich weiß ja, wie wir mit
einander stehen."
Käthe Briiikinann vermochte nicht so
gleich izon bei zu beginnen, wa ihr
die Sccie belastete; sie fetzte sich,
ahm ihre Hnt ab und strich sich
verlegen die Haare au der heißen
Stiin.
Ich suchte Dich in der Fabrik." sagte
sie nach einer Pause. Du bist nicht
mehr von ?
Miete blickte zum Fenster hinan.
Rein. Kätlie, ich habe gestreikt ; da
ist ja nun Mode geworden."
So? Hast Tu denn jetzt besseren
Verdienst?"
Da will ich just nicht behaupten.
Die HauSnäherci bringt auch nicht viel
ei, vielleicht noch weniger. Da muß
sich Alle so mit der Zeit machen. Der
Gctövuukt ar auch eigeaUich nicht
für wunderliche Menschen I Ich dachte
,a eigentlich immer nur an da junge
Paar in London und habe Dich darüber
ganz vergessen. Herzlichen Glückwunsch,
meine liebe gute Käthe ; aber daß e so
komme würde, das habe ich schon ge
wußt seit jenem Rachniittage im Zoolo
gischcn Garten. Dein Wilhelm ließ
Dich ja nicht an den Augen, und Du
dachtest nicht an Essen und Trinken, ich
habe die beiden Beefsteaks ganz allein
gegessen."
Dann sprang sie aus und lies durch
da Zimmer.
Und die beiden Anderen habe ich da
nialS auch beisammen gesehen, und wenn
er mir auch gesagt hatte, daß er sich ver.
loben wolle, so ging e mir doch durch'
Herz. Aber daß e so enden wurde,
das habe ich mir nicht gedacht, und e
soll auch nicht so enden, er darf da
arme Mädchen nicht unglücklich machen,
und er darf diese Schlechtigkeit nicht an
sich selbst begehen."
Du denkst noch immer an ihn?"
sagte Käthe vonvnrkSooll.
Ja. ich denke noch an ihn. ich muß
an ihn denken. O Käthe, Du kennst
ihn nicht, wie ich ihn kenne. Er ist ge
miß nicht so schlecht, aber snrchlbar
leichtsinnig, nnd er kann Einem das
Herz im Leibe umwenden. Er hak ja
vielleicht den guten Willen, sie zu hcira
then, aber wen e nicht gleich geht
Käthe, Käthe, da wird an dem Leicht
sinn eine Schlechtigkeit, und da müsse
wir verhüten !"
Käthe Brinkmann faltete i hilfloser
Angst die Hrinde, sie war nahe daran,
ihre Fassung zu verliere.
Und ich hätte e verhüten können !"
klagte sie. Da drückt mir fast mein
Herz ab!"
Urr soll aber die Schlechtigkeit nicht
begehen!" widerholte Miete.
Er. er! Immer er! Ist er nicht
auch schlecht gegen Dich gewesen ?"
Ueber da Antlitz der jungen Raherin
flog ein eigenthümlicher, fast demüthiger
Zug. Und wen auch, Käthe," sagte
sie leise, muß e darum zweimal sein?
Aber da ist ja auch eine ganz andere
Sache ; ich darf mich nicht auf eine
Stufe mit der Tochter de Senator
Steenhiisen stellen "
Es trat wiederum eine Pause ein ;
die Maisvune flimmerte in das kleine
Gemach und über die Dächer der Häuser
flogen zwitschernd die Sperlinge.
Wenn man Flügel hätte, wie die !"
seufzte Käthe.
Da stand Miete aus nnd ging an
ihre Kommode. Sie kramte eine Weile
in den Schubfächern, zahlte an den Fin
gern nno orkl,te sich jchlieLItcy um.
war an
au den
braunen Augen leuchtete ein fester Ent
fchlitf?.
Man braucht keine Flügel zn haben,
Käthe." sagte sie, sondern nur Geld.
Und ich habe mir d!k Sache iiberschla
gen, e könnie zur Roth langen."
Wa? Woz. Miete?"
Run. da Reisegeld nach London.
Ich fahre hinüber und bitte Fräulein
teenhusen, daß sie mit mir zurück,
kehrt."
Käthe blickte Ihrer Freundin, die da
so ruhig hinsagte, einen Augenblick starr
in da Gesicht. Dann schüttelte sie
traurig den Kopf.
Ach. Miete, ich habe selbst 'mal so
'wa Aehnliche gedacht, aber da hilst
ja nicht."
.Es hilft, Kälbe laß mich nur
machen."
Und wenn e wirklich Erfolg hätte,
so wäre ich doch Diejenige, die hinüber
müßte, denn meine chuld ist ed. daß
die ache so weit gedieh."
Rein nein. Käthe," entgegnete
Miete Ärllger hastig, da kannst Dn
nicht. Wa ich Fräulein Steenhusen
zu sagen habe, da kann ihr kein ande
rcr Mensch sagen, verlaß Dich darauf.
D. Räthe. Dn hast zu ihr in einem
abhängigen Verhältniß gestanden, Dn
würdest e gar nicht so heran, bringen
wie ick."
Aber da Geld," warf Käthe ein.
woher willst Dn arme Kirchenmaus
das Geld nehmen? Ich selbst kau
Dir nichts dazu geben, so gern ich e
thäte, ich habe selbst nicht.
Miete Krüger lächelte und es lag ein
Gemisch von Wehmull, und Zuversicht
in die, cm Lächeln. O, so arm bin ich
doch nicht. Ich sagte Dir schon, daß
Alfred mir im Laufe der Zeit allerlei ge
schenkt hat ; eine Uhr nebst Kette, ein
Armband, eine Brodle und mehrere
Ringe. E ist Alles von gutem Gvld.
Ich sollte doch meinen, daß ich sür Alle
zujammcn so viel bekäme, in ein Zwi
fchendecksbillct nach London zu kaufcn ;
in London selbst gibt e ja Logirhänser.
wo alleinstehende Teutsche ans einige
Tage fast umsonst Unterkunft finden
und länger habe ich nicht nöthig zu
bleiben. Doch da fällt mir ein : wie
werde ich Fraiilcin Steenhusen denn
auffinden? London soll ja noch größer
fein wie Hamburg und bei der Polizei
werden sie sich schwerlich angemeldet
haben, wenigstens nicht unter ihrem
Rainen."
Da wäre da Wenigste." meinte
Käthe eifrig. In dcm Briefe, von
welchem ich Dir erzählte, stand e. wo
Fräulein Stecnhiifcii untergebracht wer
den sollte. Ich habe ihn zwar tu'
Fcner geworfen, aber der Inhalt steht
in inciiicni Gedächtniß Wort sür vort :
Hotcl Gertnanu, Wallstreet Avenue
24."
.chrcib' mir' ans einen Zettel ; ich
kaun natürlich kein Englisch."
Käthe erfüllte dcu Wunsch und sagte:
Anne Kind, wie wird es Dir er
gehen I In der fremden großen Stadt,
ohne ei Wort von der Sprache zu ken
nc I"
Ack. Papperlapapp ! Ich bin doch
nicht ans Oc Kopf gefalle, und c wird
ja wohl drüben Leute geben, die gut
Hambnrgijch verstehen. Und mit Frau
lein Steenhusen brauche ich mir deutsch
zu sprechen, weißt Tu, wa man so
darunter versteht."
Sollen wir nicht doch lieber erst mit
Wilhelm iibcr die Sache reden, Miete?"
meinte Käthe zaghast.
Unsinn, das ist unsere Sache. Da
würde ja sehen, als ob er auch bei
steuern müßte, und. der arme Junge
wird feine paar Mark selber nöthig ha
den ; so 'n Examen soll ja heidenmäßig
viel Geld kosten."
Käthe stand auf und küßte da MSd
chen. Run denn, so geh'. Miete, ich
wünsche vo Herze, daß Dein Borha
den gelinge. Wann willst Du abrei
sen?"
.Natürlich so bald al möglich ; wenn
ich den Mammon noch heute verkloppen
kann, schon morgen. Eigentlich freue
ich mich auf die Reise. Du, sag' 'mal.
ist London wirklich so groß?"
Hamburg geht ungefähr sieben bi
achtmal hinein."
Ra, da ist ja recht nett! Dann
muß ich mau meine neuen tiefet an
ziehen, ein Paar Sohlen werden wohl
daraus gehen."
12. Kapitel.
Jim hatte in seinem bewegten Leben
schon manchen heißen Boden unter den
nackten Sohlen gespürt, aber trotzdem
er jetzt wie andere civilisirte Menschen
in festen Sticscln einhcrschritt. dünkte
ihn das Hamburger Pflaster noch erheb
lich heißer. Schon am I. Mai. also
unmittelbar nach dcm Einbruch, hatte
in den Zeitungen eine polizeiliche Be
kaiintiiiachnng gestanden, und e de
rührte ihn keineswegs angenehm, daß
in dieser Bekanntmachung auch von
einem Reger die Rede war, welcher der
Theilnahme an dem Verbrechen drin,
gend verdächtig sei.
Es waren just keine erfreulichen Ge
danken, die sich in dein Wollhaupt de
Schwarzen bewegten. Sein Zweck war
durch die llcbersenduug de entwandten
Schriftstücke au tecnqiisen mir zur
Hülste erfüllt ; sein Haß galt ebenso
sehr dem Saline wie dein Vater. Erste
rein sogar wehr, denn bei feuchtem Wct
tcr schmerzten ilrn die Raibc der von
Alfred erhaltenen Peitschenhiebe noch
immer und verschärfte die Erinnerung.
E hatte daher keineswegs in Jini's
Absicht gelegen, Hamburg so bald zu
verlassen, aber die Bekanntmachung
brachte ihn aus andere Gedanken.
Da kam es ihm denn, als er am
Hasen entlang schleuderte, ganz gelegen,
daß ein nach vondon fahrender Damp
fer einen Heizer suchte. Da Schiff
ging freilich erst in einigen Tagen, well
an der Maschine eine Reparatur nöthig
war, aber einmal an Bord und nute
tnt FenernngSranm dc i)ainp,er.
konnte er unier den mßgeschwörzten
Kameraden sich leicht vor den scharfen
Augen der Hafenpolizei verbergen.
Er theilte dem Kapitän im Vertrauen
mit, daß er von einem ankeren Schiff
entlaufen sei, und erzielte dadurch, daß
mau ihn, nm nicht Verlegenheiten ans
gefetzt zu werde, sorgfältig versteckt
hielt.
Die .Elisabeth" war dasselbe Schiff,
welche Miete sich zur Ueberfahr! ans
gesucht. Der Verkauf ihrer Schmuck
fachen war doch nicht so schnell gegan
aen. al sie ansang gehofft hatte, nnd
,o war eine nothgedrungene Verzöge,
rung ihrer Abreise eingetreten. Sie
land dalier auch .Kett, nochmal mit
Käthe zusammenzukommen nud sich von
beneiden an c d bringen zu lauen,
Während die letzten Vorbereitungen
,nr Absolut aelrofien wurden, standen
die beiden Mädchen aus dem Verdeck
neben dem Maichinenraum ; sie hatten
sich noch so Viele mitzutheilen und
drängten unwillkürlich die Ereignisse
der letzten Tage in die wenigen Miuu
ten iliie Beisammensein zusammen
Wäre es Dir lieb, Miete, wenn Du
mit Alfred Sangncssa in London zu
samnieiitraieit f " ,rg Kenne.
Die Gesraate nickte mit den Achseln
.Es wird sich wohl schwerlich vermeiden
lassen. Käthe. Wenn er auch nicht
selbst im Hotel Germany logirt das
ist ja wohl nur sür Damen so hält
er sich jedenfalls in der Rähe auf. Wo
Annie tccnhnfe ist, da ist auch Alfred
Sangueffa. Mein Gott, wer war
denn das f
Dicht neben ihr tauchte au der In
den Keiiclranin tuhrenden Luke ein voll,
ständig schwarze Gesicht aus, nm dann
torort wieder zu verichmindeu.
.Ein Reger." entgegnete Käthe ruhig ;
.hast Dn denn noch niemals einen
Schwarzen gesehen ? Er wird jurH
zeiuiannschast gehöre. Aber wa ist
jijtr ceitn nur, UNiete f "
Da junge Mädchen drängte sich an
die Freundin nno vlicltc scheu zur
eite.
,E ist dumm von mir, Käthe, aber
da Gesicht wird mich och im chlafe
ersolgcn. E lag etwas Entsetzliche
in den wilden, grausamen Zügen
just al wen der leibhastige Satan auf
tauchte, nm sich eine arme Seele zu
holen."
Gch'. Miete. Dn bist aufgeregt.
Horch, die Schisfsglockel Leb' wohl,
Du Gute!" -
Käthe Brinkmann hatte kaum ihren
Fuß au' Land gesetzt, als die Brücke
eingezogen wurde nud da Schiff sich
langsam drehte.
Miete Krüger stand an die Regeliug
gelehnt und wmlle mit dem laichen
tiich ; dann verschwommen allmälig die
Zuge der am ll,er stehenden lUianchen,
und da junge Mädchen ging langsaut
mit gelerntem Kops unter -Cta.
Jn einem vornehm eingerichteten
Zimmer des Hotel Germaui) ,au An
nie teeuhiiscn am Ramm nnd starrte
tu da glimmende Feuer, welche de
ebklkallen Taue weae auf Uirto
Wunsch angezündet worden war. Air.
entgegengesetzten Ende dc Zimmer"
stand Alfred Sangnesfa und blickte
durch 'd angelaufene Fenster ans die
Straße.
E war ungefähr zwölf Ubr Mit
tag.
Die jungen Leute mußten eine kekr
ernste Erörterung miteinander gepflogen
!avcu, ceiiu iiine war furchtbar blan
nnd ihre großen dunklen Auaen braun
ten wie i,u Fieber.
l ist nicht moalick. AI, red." laate
sie nach einer Pause, ich kann e nicht
fassen. D wirst mich natürlich nicht
belügen, aber ist denn nicht ein Irrthum
in der Person denkbar?"
Ich wollte, e wäre so " enlaeanete
Alfred finster. Aber ich habe e heute
im FiühstnckSzimnier meine Hotel
selbst gelesen. Die Zeitung wurde gleich
daran, von einem anderen Galt erbeten,
sonst Käue ich sie mitgebracht."
Also in den .Hamburger Rachrich.
ten" stand e? Wie war der Wort
laut. Alsred?"
.Kurz, aber uiiiweideutia : e liick:
Wie wir an vollkvinmen zuverlässiger
Quelle erfahre, hat die StaatSanwall'
schaft gegen den Senator Ewald Stccu
linse von hier Anklage weze Meineid
erhoben. Der Fall oll so einfach lie
gen, daß er bereit vor den Afsiicit dcS
nach, teil Schwurgericht zur Aburthei
lg gelange dürfte."
Annie Steenhusen krampfte die Hände
ineinander und schüttelte den Kopf. .ES
muß dennoch ein Irrthum fein, Fred,
oder eine Böswilligkeit. Mein Vater
nud ein Meineid! Es klingt eigentlich
lächerlich I"
Der junge Manu zuckte die Achsel
und griss dann langsam in die Tasche.
ES thut mir leid. Aimie. daß ich in der
peinlichen Lage bin. Dich zu widerlegen.
Ich niollte e natürlich auch nicht glau.
bcn. und habe deshalb sofort an einen
mir befreundeten jungen Rcchtöanwalt
in Hamburg telegraphiit. Hier ist die
Antwort !"
Er reichte Annie da Telegramm.
Sie trat an' Fenster nnd las : Die
Anklage ist erhoben."
Das Papier glitt ans den Hände
de jungen Mädchens und flatterte auf
die Erde.
Alsied hub e auf und faltete e zu
fainmen.
Es entstand eine schwüle Pause, End
lich sagte Annie ziemlich ruhig : ES
pibt Dinge, die unser Verstand nicht
Tassen kann. Rati'ulich wird die Ge
richtSverhandluug die vollkommene Un
schuld meines Vater glänzend bemci
fen."
Natürlich, " entgegnete er zerstreut,
selbstverständlich. ES ist eben in Uu
glück, welches Jeden betreffen kann.
Aber unangenehm bleibt es immer."
Antue war neben den inngen 'jjfann
getreten und hatte ihre Arm ans feine
Schulter gelegt, feo blickten sie zu
sammen auf die nebclschwcre Straße,
Und wie steht c mit unserer 'Auge,
legeiiheit, Fred?" frug sie endlich leise.
,er Geniliche macht chwierigke,,
tcu. Dieselbe sind leicht z bcsciti
en, aber immerhin wird och einige
Zeit hingehen, bi wir "
Er brach ab und trat wie nnabsich.
lich einen Schritt vor, so daß ihre Hand
von seiner Schulter glitt.
Schwierigkeiten, Alsred? Du sag
lest mir doch gestern, daß Alles in Ord
nitng ,ei !"
Gewiß, Schatz, da glaube ich auch
selbst. Aber es ist ein alter, waiikclinü'
thiger Herr "
,o wende Dich an einen Anderen !"
Da geht nicht gut, Anuie. E
würde Verdacht erregen."
Verdacht !" entgegnete sie bitter.
,O ja, man hegt schon Verdacht. Du
hast mich hier als Deine Schwester ein.
geführt, aber e glaubt schon kein
Mensch mehr daran. Das Zimmer
mädchcn, die Kellner, sie betrachten mich
Alle mit so sonderbaren Angeu. sie la
cheln und tuscheln miteinander. O
Alsred, uns nun kommt auch das noch
hinzu I Wenn dieser Zustand kein
Eu&e nimmt, dann werde ich wahnsin
nig!"
Alfred Sangiiessa lächelte etwa spöt
tisch. Wahnsinnig, Ännie? Vergib
mir, das sind Thoi heilen. Wer A ge
sagt hat. der muß auch B sagen. E
muß sich ja Alle klären, mein Lieb, nur
Geduld!"
Welcher Art find die Schwicrigkei
ten. welche der Geistliche macht?" frug
sie dringend. 1 er seinen Hut nahm
und ihr die Hand reichte, nud er ent
gegnete mit gereizter Stimme :
Aber Kind. Du machst mich ncrvö
mit Deinen Frage I Ich kann Dir
doch keine Vorlesung über da englische
Recht halte! Sei zufrieden mit der
Anskunst, daß sie sich lösen lassen und
lösen werden. Ich will jetzt zn einem
Advokaten der die Sache beschleunigen
soll ; nm fünf Uhr hole ich Dich ab zu
einer Ausfahrt in den Hi,de Park. Ans
Wiederfehen, Annie!"
Die Thür war hinter ihm in' Schloß
gefallen nnd Annie Steenhusen stand
allein und verlassen mitten in dcm gro
tzen Zimmer.
Sie hörte, wie seine Schritte sich
hastig über die Treppe entfernten, und
diese Hast verursachte ihr säst einen kör
perlichen Schmerz.
Auf Wiedersehen!" sagte sie leise.
,O, mein, Gott, e ist mir, als vb die
se Wiedersehen niemals stattfinden
sollte! Bin ich denn blind. Alfred?
Du glaubst an die Schuld meines Va
tcr und willst unsere Verbindung ver
zögern bis ja bis "
Annie Steenhusen griff sich plötzlich
mit beiden Händen in die wirren Haare
und brach in Schluchzen au.
Mein Vater I Mein armer Vater I
Und ich habe ihn verlassen!" -
E wurde an die Thür geklopft ; er '
leise, dann stärker. Annie erhob sich
langsam und öffnete ; der Kellner tio
ein.
E ist Jemand draußen, der Sie zu
sprechen wünscht. Madame, ein junge
Mädchen, wie e scheint, eine Deut
fche. Die Damen werden hier oft von
Deutsche angebettelt, soll ich sie ab
weisen ?"
Rein, lassen Sie da Mädchen ein
treten."
Der Kellner verschwand und Annie
trat vor den Kamin.
E ist gewiß eine Unglückliche,"
sagte sie leise. Ich möchte gerne ir
gciid Jemand an der Roth helfen, viel
leicht wird e dann nm mich selbst
freundlicher und heller. Ah, da ist sie
ja!"
Ueber die Schwelle trat mit langsa
mc. kurzen Schritte Miete Krüger.
Sie sah etwa angegriffen von der Reise
an, aber die Blässe machte ihr Geficht
feiner, nnd auch der Umstand, daß sie
ihre schweren Zöpse zu einer schlichten
Frisur aufgesteckt hatte, verlieh ihrer
Erscheinung etwa Gesetztes.
Sie blieb einige Schritte vor Annie
stehen, athmete tief auf und sagte ruhig :
Ich werde Ihnen nicht mehr in der
Erinnerung sein, gnädige Fräulein ;
mein Rame ist Marie Krüger, aber für
gewöhnlich nennen mich die Leute
Miete."
Annie strich sich mit der Hand über
die Siirn. Marie Krüger? Rein.
In der That, ich entsinne mich nicht "
,E wäre auch zu viel verlangt, gnä
dige Fräulein. Ich habe zuweilen
e sind schon mehrere Jahre her in
dem Hanfe de Herrn Senators al
Räherin gearbeitet, nnd Sie waren im
nier gütig gegen mich."
Annie streckte unwillkürlich die Hand
an. E war eine Hamburgern,, ein
Kind ihrer Heiinath, die setzt wahrschein
lich in London lebte nud sie zufällig ans
der Straße aesehen hatte.
XT
yen erinnere mich jetzt," sagte sie
freundlich, und beiße Sie willkom
men. Womit kann ich Ihnen die
nen ?
Ja, gnädige Frttulci, da läßlsich
nicht so mit einem Worte sagen. Und
e wird wvhi auch besser sein, wenn Sie
sich dabei hiuseei, und mir ebenfalls er '
iaubcii, einen Lnilil zu nehmen, den
ich bi vvu dem Oanipfichifs bis hicrlier
den ganzen Weg z Fuß gelaufen und
ein bischen müde."
Eilinie trtinli iM-iti MMütistii-it '
Sessel hin uns nahm ans dem Svph
Plan.
Von dem Dampfschiff?" sagte sie
beklommen. .Sie kommen doch ttiiln
geradeweg au Hamburg ?"
Doch, gnädiges Fräulein."
Aber, wie komme Sie "
Miete Klüger machte mit der Hand
eine abwehrende Bewegung. Dann
,'genm sie leise: Sie dürfen nicht
erschrecken, wenn ch Ihnen sage, daß
ich weiß, weshalb ic hier find und mit
wem. Ich habe es von meiner Freun
di Käthe Brinkmann. Ihrer früheren
Kauimcrzosc, und die hat es wieder,
eigentlich gegen ihren Wille, an einem
Briefe erfahren, den wr Sangncssa
an Sie geschrieben hatte, und den sie
zufällig gesunde nnd gelesen. Das
ar vielleicht nicht ganz recht. Fräulein
Steenhusen, aber es ist nun 'mal c nnd
es kann vicllcicht noch 'was Gut?
daraus werde. Ich kenne Herrn
Alfred Sangueffa, gnädige Fräulcii!,
er hat ein Verbültiiiß mit mir gehabt
bis kurz vor Ihrer Abreife mit ihm.
Ich würde Ihnen von der ganzen Ge
schichte nichts gesagt haben, wenn ich c
nicht müßte, um alles llcbiige zu eiklä
ren. Ich habe den Herrn Sangueffa
gern gehabt, Fräulein Stccnhufcu, und
wenn auch jctzt zwischen ihm und mir
von Liebe nicht mehr die Rede fein darf,
so betrachte ich eö doch heute noch IS
mein gutes Recht, ihn vor einer chlech
tigkeit zu beivalireu, so weit meine
fehivacheii Kräfte dazu reichen,"
Sie hielt eine Augenblick iuue. Vor
einer kann ich ihn nicht mehr behüten,"
iuhr sie daiiu lebhafter fort, die hat er
choit begangen, indem er Ihre Uner
ahrenheit und Ihre Liebe benützte, um
Sie heimlich ans Ihrem elterlichen
Hause i die Fremde zu locken, aber ich
fürchte, daß es dabei nicht fein Beweu
den behält. Wir wissen ja Alle, wie e
kommen kann, wenn zwei junge Leute
zusammen in die weite Welt hinaus
gehen, ohne daß die Eltern ihren Segen
dazu gegeben haben ; e ist möglich,
daß sie sich heirathen nnd Alles uoeh
gut wird, aber e ist ebenso gut mög
lich. daß sich zwischen die Hciralh ein
Hinderniß schiebt, und daß sie sich mit
der Liebe allein bchclscn miisjcu. Und
dann ist das Unglück fertig. Ich will
nicht behaupten, daß Herr Sangiiessa
eS unehrlich mit Ihnen uicint, gnädiges
Fräulein, obwohl ich nicht ciujche,
warum er alsdann mit Ihnen davon
laufen mußte, aber er ist ein Icichtsin
nigcr ültaim und ein schöner Mann,
und ein Mann mit heißem, stürmischem
Blute, lind wenn das Alles zusaui
mcn kommt, dann ist das Unglück schon
halbfertig. Sie dürfen mir nicht böse
sein, Fräulein teeuhusen. daß ich so
zu Ihnen redt, aber ich kenne Heun
Sanguesja genau, und wir sind ja zwei
Mädchen unter uns, nud es geschieht
wirklich nicht an 'iicid oder Rachsucht,
weil er mich Ihretwegen im Stich ge
lassen hat. sondern nur, in ie vor
einem große Unglück nnd ihn vor einer
Schlechtigkeit zu bewahren."
Miete Krüger hatte wohl niemals i
ihrem Leben so lange nud so znsainmen
hängend gesprochen, aber dennoeh
schwieg sie jetzt nur deshalb, weil ihr
der Athem ausgegangen war. oder weil
etwas in ihrem Halse aiisquolt, was sie
am Weiterjprechen hinderte.
Und auch Annie tcenhusen schwieg.
Sie hatte da dunkle Gefühl, als ob
dieses einfache Mädchen ihr einen gro
ßen, unschätzbaren Dienst Geleistet habe.
Und doch sie konnte da Alle noch
nicht recht bcgrciscn. ES geschah da
etwas vor ihrcn Augcu, wofür die Welt
einfach teilt Verständniß besitzt eine
selbstlose Handlung.
Warum sind Sie zn mir gefönt
mcn ?" fing sie unsicher und wand
ihr Taschentuch durch die schlanken Fin
ger.
Um Sie zu bitten, mit mir nadi
Hamburg zurückzukehren." entgegnete
Miete mit ihrer unwiderstehlichen kind
lichen Offenheit. ÄCijcit Sie. Frau
lein Steenhusen, so kann das ja gar
nicht bleiben. Schon als ieh unten im
Hotel nach Ihnen frug, machtc die
Leute so sonderbare Gesichter, daß ich
ant liebsten ein Wort gut Hamburgisch
mit ihnen gesprochen hätte, o'it
hochnäsiger Beugel von Kellner grinste
sogar nud machte seinem Genossen eine
Grimasse.
Je eher Sie von hier wegkommen,
Fräulein Steenhusen," fuhr Micte
fort, dcsto besser. Und der Herr San
guessa braucht gar nichts davon z wis
,cn. dem schreiben wir'eiucu Brief und
sagen ihm. daß man in Hamburg auch
getraut wcrocu kann. . Wenn er Sie
wirklich lieb hat, dann wird rr schon
hintcrdicin kouintcn, darauf könne
ie sich sicher verlassen und wenn er
das nicht thut, dann ist auch nichts wei
ter daran verloren, dann hat er'S
schlecht mit Ihnen im innc gclmbt.
Und der Herr Senator wird so froh
fein, wenn er feine Tochter heil zurück
hat, und unter d,e Leute ist och nichiS
von der Geschichte gekommen, sonst
hätte ich schon 'was davon gehört. Die
Käthe und ich daß mir den Mund
halten, davon dürfen Sie überzeugt
sein und weiter weiß eZ noch kein
Mensch."
E lag doch eine kleine Hinterlist in
Mieten braunen Augen, als sie diese
Worte so zuversichtlich sprach ; mit Be
zug ans den Senator war sie ihrer
Sache nicht ganz sicher, aber da würde
sich nach ihrer Meinung schon finden,
wenn mir Annie erst wieder daheim
war.
Annie war aufgestanden und ging
langsam durch da Zimmer. Sie war
äußnlul, vollkommen ruhig, aber sie
fühlte selbst, daß diese Ruhe mehr einer
geistigen vähmnug gleiche ; nur der eine
Gedanke war ihr klar : so konnte und
durste es nicht bleiben !
lind dann dachte sie an Alfred'S küh
le Wesen ; es geschah ihm vielleicht
ein Gefallen damit, wcnn auf dieie
Weise die Lösung herbeigeführt oder
wenigstens in seine eigene Hand gelegt
würde, es mochte auch ein Prüsftcin sei
ntr i'icuf werden.
Freilich zurück in da väterliche
Hau ?
Anuie kannte den starren Ehrbegriff
ibre Vater, sie fürchtete, da er icin
eigene Kind demselben zum Opjer
fingen werde. An die über seinem
Haupte schwebende Untersuchung dachte
,ie weniger. Diese Angelegenheit war
ihr so ollständig unfaßbar und über
die waren ihte Begiisfe von einem
strafrechtlichen Verfahren so unklgrec
Ratur. daß sie weniger eine wirkliche
Gesahr, als vielmehr einen pciulichcn
össcnilichen Skandal darin zu erblicken
vermochte.
Wenn sie gewußt hätte, daß man
Leute, ans denen der Verdacht eine sol
chen Verbrechen ruht, gesanglich einzn.
ziehen pflegt, dann würde wohl keine
Macht der Erde sie von einer svsortigen
Rückkehr abgehalten habe, aber dieser
Gedanke lag ihr vollständig sei , und sie
erwog nur ihre eigenen Angelegenheit
ten.
Dann aber wich plötzlich die kiiust
liche Ruhe von ihr, nud als Micte nun
ebenfall ausstand und mit einem fra
genden intet neuen ,ie trat, da legte sie
plötzlich ihren Kops an die Schulter de
Mädchen und brach in Tqräncii an. ,
Da ist recht," sagte Miete leise,
.cnn man wcincn kaun, wird e schon
bester. Also wir gehen zusammen, lie
fet Fräulein, nicht wahr?"
Anuie richtete sich ans. Du bist
cin gutes Kind. Miete." jagte sie. und
das .Du" kam ganz von selbst auf ihre
Lippe,,, ich will Deinem Rathe folgen.
Ca lieijjt. sofort zu meinem Vater
lau i, ich nicht zuiiicklchicn. da darf
nicht so plötzlich kominc. Wir reisen
zusammen nach Bremen, ich habe dort
eine iaut nud bei der will ich vorläufig
b'eibeu. Sie muß freilich die ganze
Sache erfahren, aber das läßt sich nicht
ändern und es ist meine gn echte Straje.
Ici, schreibe von dort nS a meine
Vaici. und wenn er mir verzeiht, dann
diirs ich auch znriickkchicn. Ist c so
recht. Miete ?"
Jene Hielte blos und frug dann leise:
Und wie wnd'S mit ilim 'f1"
Du sollst in Allem Rcclit haben ; ich
weide einen Brief jui iliu l,ite lassen."
Vlmtic Steenhuseu setzte sich au den
?chrcibiisch nnd nahm einen Briefbo
gen ! bald flog die Fetter in unsicheren
Zirieu über das Papier, e lag in den
Bewegungen de Mädchen eine Hast,
als furchte sie. daß tv ihr leid werden
möge.
Miete hatte sich inzwischen daran ge
macht, die wenigen Sachen Annie z
saiumeu zupacke ; sie war gerade damit
fertig geworden, alS Jene den Brief
schloß.
Dann warf sie einen flüchtigen Blick
auf die Adresse nnd hob in stummer
Frage den Kopf; die Thränen fuinden
ihr dabei in dc Augen,
Was hast Du. Kind?" frug Annie
gütig.
Ach, gnädiges Fräulein, Sie habe
ihm doch nicht hart geschrieben?"
Rein, T wuudcrlichcs Mädchen,"
entgegnete Annie, halb wider Willen
lächelnd, und dann siigle sie hinzu :
Du sagst, daß Du ihn nicht mehr lieb
haben darfst, und dennoch licbsl Du ihn
noch immer; hat er denn das um Dich
verdient ?"
Ncicic Krüger bog sich nieder und
nahm das Kosscrchcu in die Hand.
Mit der Liebe rcriinct man nicht, gnä
digcS Fräulein, ' cntgcgiicte sie sasi nu
hörbar ; wen Sie scrtig sind, dann
wollen wir gchcn,"
Kapitel.
ES war in der That kein bloße Ge
nicht gewesen, wenn die Zeitungen
schrieben, daß der StaatSauwalt gegen
den Senator Ewald Steenhusen eine
Anklage wegen Meineid erhoben habe.'
Räch einer gerichtlichen Vernehmung
der Zeugen Sperber, Sturm und an
guessa sonnte, die Wahrheit ihrer vor
läufig, nucidlichc Aiwsage voraiiSge
setzt, kaum cm Zwciscl an der Schuld
dcS Kaufmann bestehen, zumal da
Motiv, ei Gewinn von einhundert
füufzigtaufeiid Mark, mit uabweiS
lieher Klarheit in den Vordergrund trat.
' leenhnse selbst erllärtc zwar mit
voller Bestimmtheit, daß er am 30.
September 1K82 keine Kenntniß von den
Untergang der Helene" erhalten, und
somit den im Eivilprozeß ihm auferleg
ten Eid mit gutem Gewissen abgeleistet
habe, aber ach Vorlegung des von
Jakob Briukiiiaun an ihn gerichteten
Briefes mnßie er einräume, daß die
ihm wohlbekannte Handschrift jeden
Zweifel au eine Fälschung aussehließr ;
und als ihm vorgehalten wurde, daß
Wilhelm türm einen solchen Brief im
Auftrage Brinkiiiann'S in den Vormit
tagsstunden de 30. September au ihn
nberbracht habe, und daß auguefja de
Empsangiiahme des Schreibens bekund.',
da vermochte er diese Widersprüche mit
seiner eigenen Behauptung nicht zu lösen,
sondern konnte nur wiederholen, daß Ut
ganze Angelegenheit seinem Ged'V,,tuiß
vollständig entschwunden wäre.
Er erkannte an. daß eine Aullage ge
gen ihn unter den obwaltenden Umftäii
den nicht vermiede werden könne, und
bat nur in möglichste Beschleunigung
der cnclic, indem tr von vorne herein
ans olle ihm gesetzlich zusichernden Fristen
Verzicht leistete.
So wurde die Anklageschrift sofort
entivorscn und bei Gericht eingereicht,
und bereits zwei Tage später ciöffnctc
die Bcjchlußkanimcr dc Landgericht?
das Haupive-ifahrcu ccgcu dc Kauf
mann Ewal" Slceuhnscu wegen Äicin
eidS vor daiMu nächster Zeit znsam
nientrcteiiden ehwuigciicht der freien
nnd Hansestadt Hamburg.
Die Staatsanwaltschaft hatte nicht
umhin können, zugleich dcu Antrag auf
Vcrhciftiiug des Augcllagien zu stellen,
allem da (L sticht lehnte diesen Antrag
ab. Man war der Ansicht, daß de
Hast, mit welcher Stecnhuscu selbst aus
die Eilschei',,ir, tr. Su';t tring, dc
Vei dacht cmcr bcabsichtigtcn Flucht hin
reichen!) ausschließe, und überdies
herrschte m dciu Richtcrlollcginm die
stille Hoffnung, daß die , der Haupt
Verhandlung unter dem Zeugeneidc zu
erstattenden Aussige,, ein wesentlich an
dercs Bild ergeben winden, äls die Aus
lafsiiiigcn der Voruntersuchung. Man
vermochte eben nicht im Hinblick auf die
gcachtcte Stellung des Angeklagten nd
feinen makellosen Ruf das Ungeheuer
liehe zu glauben, nud war lebhast ge
neigt, anstatt eines Vcrsehuldens ciuk
Fahrlässigkeit odcr cinc Intrigue auzu
nehmen.
Auch die dem Gericht hinreichend be
kannte Persönlichkeit perber'S. sowie
das ebenfalls stadtkundige feindselige
Verhältniß zwischen Stecnhuscu und
Sangncssa trug ;n dieser Meinung bci,
nud es gab in den besten Kreisen Ham
burg'S nicht Wenige, die unverhohlen:
ihre Ansicht dahin auSsprachcu, daß an
statt gegen dcn Angcklagtc wohl eher
gegen die Ankläger eine Uiitersuchnuz
hätte anhängig gemacht werden müssen.
Andere sprachen natürlich anders, un
besonder die nuteten Klassen der B
olkeiuug ; e stellte sich bei dieser Gc
legeiiheit heran, daß tcenhujcii trotz
seiner anet kauiitcu Wohlthätigkeit in dcn
breite Schichten Hamburg'S wenig
Stimpathieen besaß, man nannte ihn
stolz, kalt, verschlossen, rechthaberisch,
nid gönnte ihm sein Schicksal.
Der Mann, um dessen Person sich
Dieser Meinungsstreit drehte, vernahm
.volil gleichsam durch die Ritzen seine
Hauses da Stimmengeschwiir. aber e
schien ihn nicht sonderlich zu berühren.
Er war sofort nach feiner ersten Vct
tichmnng vor dein Untersiichungsrichtcr
zum Oberbürgermeister gefahren nnd
hatte sein Ansjchcidcu an dem Senat
angezeigt. Die Form war ungewöhn
lich, den der Austritt lag ach der
Verfassung nicht i seinem Belieben,
aber die Enthebung vom Amte hätte
doch erfolgen müssen, nnd man ging
stillschweigend über die Rechtsjorm hin
weg. -
Tann übertrug er die Leitung de
Geschäft seinem ersten Prokuristen und
begab sich nach fcincitt Hansc. um das.
selbe nicht 'mehr zu verlassen. Selb.i
die Bcrschoniing mit dcr Untersiichnnge,
hast schien ihn wenig zu berühren, er
wußte, daß mau ihn dennoch uuauSgt
fcit beobachte, denn wenn er von dem
Fenster seine Arbeitszimmer auf den
Alsicrdamin blickte, sah er dort bei Taz
nud Rächt die Gestalt ciucS Konsiab
Icr auf und ab schreite, nud walir
fihciulich hatte die Bahnhofs- und Ha
fcupvlizei Aiiwcifuugcn erhalten, feine
etwaige Abreise zu verhindern.
-Die Sorge um feine eigene Zukunft
trat vor einer anderen in den Hinter
gründ, oder vielleicht war es wütiger
eine Sorge, ris ein Kamps seiner Seele
Annie hatte ihm von Bremen, au
dem Hanse stirer Tante schrieben. i
tueitte thut mit, daß sie, von klene ge.
triebcü. sich in London üeiiuüch uu Al
fred getrennt und nnicr den Scliiitz dcr
Schwester dc Vcucrs begeben habe,
dort gedenke sie da Wettere ab;
warten.
Der Brief enthielt ni I't gcrazu die
Bitte, in da v.iterlicbe Hau tiuiie!
lehren zu duifen ; dasjcibc war i.ir U
gar nicht verbitten worden, oiitiu o;c
ii dem strengen Ehaiaüer ;i uvul,i"
fen'S Hergeleitete Voraussetzung eine'
,olchei, Verbote flau zwischen ke,t
Zeile zu lesen, und Eiual mußte sich
selbst sagen, daß seine Tochter ihn lich
lig beurtheile.
Aber da war noch etwa audcrkd,
Annie sprach wohl von ihrer Rene. .
aber sie erbat von dem ttcsgrkianlteti
Vater keine Verzeihung, nd c mußte
unentschieden bleiben, ob ! diese
Unterlassen ans der Annahme beruhe,
daß die Verzeihung doch nicht gemahlt
weide, oder ob dcr stolte Sinn de Vo.
Ics in der ,celc der Tochter einen frei
lich mißiöucndcii Widerklang gesunde!,
habe.
Von dein über Steetthiiseii'S Hnnpie
schwcbeudcu Verhängnis fand sich Icin
Wort in dciu Biicic.
ES war kann, möglich, daß Annie
nichts von dem erfahren haben follie,
was alle Welt durch den Mund dcr
Zeitungen wußte ; schon die Mißgunst
ud die Schadens! ende mußten es ihr
zugetragen haben.
.Sie ist herzlos, sie hat keine Liebe zu
mir." jagte Steenhusen fintier, als er
den Blies gelesen halte, und dann ging
er zn feiner Schwester nud theilte ihr
den Inhalt mit.
Taute Matchen war In den letzten
Tagen noch fchcncr geworden als frü
her ; sie wagte kantn noch mit ihrem
Bruder zu icdcn, gcschwcige ccun einen
Einfluß aus thu auszuüben.
Was willst Du thu?" frug sie.
.Richts," eutgcgucic er hart. Wa
soll Annie auch mit der Vcrzcihr ,:g
cincs ManncS. dcn mau wcgcn Mein
eidS vor die Schrantcu dcS Gctich!
stellt?"
Er wußte vielleicht selbst nicht oder er
sprach es ivcnigslcns nicht ans. daß in
der Ticse seiner Seele, unter dem ver
letzten Stoiz ei anderes menschlich
schöneres Gefühl ruht : eine Sorge um
fein Kind.
Vicllcicht wußte Annie doch nichts
von dcr gegen ihn schwebenden .'iiillagt ;
wenn sie jctzt zurückkehrte, dann fiel d-r
Schatten des Hanfe auch auf ihr lich
tcs Haupt, cS war besser, daß er bis
zur Enijchciduug dcn Kampf allein
ausstritt.
Unter dcm Einfluß dieser widerspre
chenden Empfinsnni'en beantwoitete
Streulinsen nicht ten Brief feiner Toch
ter, wohl ober iimchic cr seinem Gegner
Ferdinand Sangncssa die Inrze, gc
schäjiiiche Mittheilung, daß das Ver
hciltniß zwischen dcn bcidcu jungen
l'cutcu vo Annita Seite gelöst vor
bei! sei.
Diese Nachricht versetzte sangiiessa
!n nicht g f. ;.;, t'cfu-r:!!. Tie
Thatsache selbst ließ ihn ziemlich gleich
giltig, ja. er empsaud eine geivine Be
sncdigung über den nüchternen Ans
gang ciiicr Angelegenheit, deren ro
inauhajtc Gepräge seiner Anssassuug
widerstrebte ; dagegen hegte er hinsicht
lich der Folgen erhebliche Beiuich
tungen. Steenhusen hatte jetzt durchaus tcr;
Veranlassung mehr, iibcr i inge, die
mit Bezug ans Sauguessa's Vergott
geuheit zu seiner Kenntniß gelangt na
rcn, Schwcigen zn beobachten, jn iS
lag in seinem eigenen Iiueicsic, t-ic
Glaubivüidigkeit dcS Belastnii,t?;en
gcu durch jene Enthüllungen auzu
tasten, mindestens aber erschien dcr
Wunsch nach Vergeltung menschlich ge
rechfertigt.
Der Brasilianer hatte jctzt viel da
rnni gcgebru, nicht als Zeuge aufgcrnfen
zu fein, aber daran lies; sich ttichis mehr
ändern, nud sein einziger Trost bestand
daher in dein Bewußtsein, daß jeues
vcrhängnißvolle Papier nicht mehr ru
ft,, te. Denn Sangnesfa haue alle vet
ätherischen Zeugen (einer öiiiillcu Ver
gangenheit vernichtet ; er wollte sb
nicht der Gefahr einer nochmaligen Ent
wendung ausfctcu.
Allein dicS beruhigte, ihn nicht völlig.
Trotz feiner grenzenlosen Selbstsucht
liebte Sangncssa seinen Sohn. niO
vielleicht um so mehr, als dieser dcr cin
zigc Gcgcusiand feiner Re,g,ing wen .
Und jetzt folterte ihn eine miticftimmtr.
aber deno quälendere orge.
iage gingen hin, ohne daß AlsieNach
richt vo sich gab. vbivohlr Grnn
des schweigen in SMt gekommen
war.
früher hallet sich cit wochenlai, z
auf Reise-., begeben, ohne eine einzige
Zeile zu schreiben, aber das ivarcu
andere Verhältnisse gewesen, es hai'e
kein chaitc zwischen ihm nud ocn
Vater gestanden, es war fei ii c Hai b
sichtbar geworben, die zum tvdll'i-i,,
Stoße auf das Herz dcs juiigci, Mannr
ausholte.
Jctzt aber hatte Fcrdinand Sangucfci
da Wirken dieser Hand gcjpüit, uua
jeden Abend, wen er vor dem S!,la
leugehe das leere Zimmer jcnics Soli
n cs betrat, ruhten feine Singen mit
wachsendem Entsetzen ans dcm Bette,
dessen Kissen in jener vcihängnivolicn
Rocht durchwühlt worden waren.
sangncssa lernte in tiefen Tagen
qualvolle Herzensangst unl bange Fnrcl,
kennen, und er wandte hausig den ii c v f
um, als schliche dcr MorKr hinter ihm.
So kam der Vorabend dcr chivitr
gerichtsiitzung heran, auf deren Belauf
ganz Hamburg mit athcrnlofcr Sxan
nuiig harrte.
Ueber Ioscph Spet bcr war an dicscnt
Tage eine eigenthümliche Ruhelosigkeit
gekommen, die in dcn Vormittagsstnu
dc mit dem Empfang feiner Zeugen
vorladung beginnend, mit dcr wachsen
dcn .agcSzeit zunahm. 'Während er
sonst stundenlang arbeitend vdci wie die
Spinne im Rctz bcutclancrnd ans sei
nem Drehstuhl sitzen konnte, litt es ihn
kaum eine Viertelstunde auf demiclbcn
Platze ; ja, dicsc körperliche Zerfahren
heit theilte sich schließlich seinem Geis.c
in dein Maße mit. daß er sich ein paar
mal über gewissen Paragraphen dc
Strafgesetzbuches ertappte, wahrend er
eine Eivilllagc auszusetzen hatte.
Am Rachmittage schloß er sei Bureau
veit früher als gewohnlich. . Marthi
Brtnkinanti hörte im anstoßenden Ztitt
mcr das wohlbekannte Zuklappe de
Pultes und steckte den Kopf durch die
Thür.
.Du villst schon Schicht machen,
Joseph?"
.Wie Dn siehst."
Ra, da muß ich sagen, so kann ich
e mir nicht leisten ; aber freilich, t
geht dcnn auch darnach. Die Leute
bleiben natürlich weg. wenn sie Nach,
mittags tun vier Uhr die Bnde ge
schlossen finden. " Und tun die Zcil
kommet, sie doch gerade ,U ihren Sa
chen, weil die Getichtösitznngcn dann
au sind."
Er drehte fleh nm und sah ihr jpol
tisch in da Gesicht.
Was Dn mit einem Ma'e für 'u
Interesse hast an meinen Sache. Mar
tlia! AI ob wir Mann nd Fra
wären."
Wenn auch da nicht just, so gehl
e doch in einen Topf."
Ja. bis ans die Gardinenpredigten.
Ra. Martha. ich wi.t auch 'mal
lustig '.eben, meinst Dn denn, daß ich
nichts von der grünen Buddel in Dei
nem chrc.-ke wüßte? Trink man
Mattlm. tnnf zn. wir können Beide
eine Herzensftarknug für morgen ge.
brauchen."
(-,öj dunijj,iL)
J
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