Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 27, 1920, Image 7

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    Der Kinderlob
I im ruhelcse Jagen nach bet für
da bat Weiterlebe neltrendigen Min
desljahl don Kalorien, welche! bat Da
sei d! größte Teil! der europäischen
Menschhkit heule auSsilllt ist da, Kind
am Übelsten daran. . Denn da Kind,
und der nicht voll wachsen Mensch
muffen ihrem Körper nicht bloß di
Stosse täglich zufllhren, die k zur Sk
hauptung Zcimß Daseink gerade
braucht, sondern müsse ihn auch noch
ausbaue und länger machen in
für unzählige unerfüllbare Zumutung,
der sie sich massenweise durch Einver
leibung von Zuberkelbazillen und hier
auf folgende! Gierde entziehen. Da
Kinde rproblem wirb nun von denen, die
sich hingebungsvoll der Ltnderu.vg der
ttirvderleide widmen, in einer ganz na
tiirlichen und edelmütigen Einseitigkeit
oft als Ine Sache für sich, all in au
ße-.halb der allgemeinen Misör stehen
der Komplex von Erscheinungen be
trachtet. In Wirllichkelt ist el ja nicht!
alk ein besonder! sichtbar Spike in
dem Gebirge de! Elend!, da! der Krieg
liber die Welt bracht hat. Und die.
sei Problem ist heute, wo Millionen
Kinder in Europa sterben, vielleicht noch
Nicht so schlimm, wie e! in zehn oder
ZNanzig Jahren geworden sein wird.
Dann' kann e! nämlich in großen Kul
turländern eil früher unbekannte Rasse
von Schwächlingen und Minderwerti
gen geben, die da! Wale Leben we
sentlich mitbestimmen wird. E! klingt
entsedlich, ober der Gedanke wird von
ernsthafte Menschenfreunden gclegent
lich doch erwogen, ob e!, alle! genom
wen, anstatt einen ungeheuren Teil der
vorhandenen durchau! unzureichenden
Mittel zur Weitersrisiung unheilbar
verkiimmerter Eziflenzen zu verwenden,
nicht besser wäre, hingehen zu lassen,
wa! schon lebensschwach ist. und alle
Kraft an die Rettung der wirklich le
bensfähigen zu setzen, damit wenigsten!
nicht künftige Geschlechte! al! Krüppel
und Kretin! zur Welt kommen. Eine
solche Idee könnte aber, selbst wenn sie
die G.stalt ine! Plan:! annahm, gar
nicht abgeführt werden, weil die Mut
ter der zum Unt.rgehen durch Nichtun
terstlldung bestimmten Kinder verzwei
seit unt da! Leben ihnr Nachkommen
schaft kämpfen würden, und da! Mit
leid derer,, die etwa! zu geben haben,
gerade durch den Anblick der hinsterben,
den jungen Menschheit auf! mächtigste
wachgerufen wird. Da! verhungernde
Kind scheucht die Satten au! ihrer
Ruhe auf. ES ist der größte Agitator
für den gemeinsamen Wiederaufbau
Luropa! und einen wirklichen Frieden.
' Um in die dielfachen und schon sehr
Umfangreichen Kindcrhilftwerke eine ge
tvisse Uebereinstimmung zu bringen, ist
in Genf, der alten Hauptstadt philan
thropisch Bestrebungen, km Januar
1920 unter dem Patronat de! .Jnter
nationalen Komitee! de! Roten Krcu
e8" ein Zentralverband für Kinder
jilfe gegründet worden. Der Gedanke
azu entstand gleichzeitig M3m Ber
ker, Komitee fiu Kinderhilfe und beim
k-ade the Children Fond in London; an
er Organisation der Gesellschaft nahm
tJUsj Eglantine Jebb, eine Schwester
kt durch ihr wohltätige! Wirken so be
tonnten ffrau C. R. Burton, hervorra
lenden Anteil. Auf die letzten Fcbru
iriage hatte die neue Union Internet
iillNÄle de Secvur! aux Enfants" eine
iionserenz nach Ger.f einberufen, um die
krfahrungen zu vergleichen. und zu ei
lem gnne!samen Programm zu gelan
en. . Nutzer den schweizerischen Ver
trete? . de! Kinderhilfswerke! kamen
freunde in stattlicher Zahl. Franireich,
gttlien,.Hollarch, Skandinavien und
ie anderen europäischen Länder waren
iertreten, aber der Charakter der Ta
ung wurde durch die große Anzahl
mglischer und amerikanischer Delegier
ier bestimmt. ; Viel: Besucher waren
Geistliche. Die Gaben für die notlei
senden Gebiete werden zum großen Teil
ton den religiösen Gruppen gesammelt
knd die Verteilung liegt vielfach in der
Hand der von ihnen entsandten Missio
len, weswegen die Vertreter der Kirche
Sei der allgemeinen Organisation der
Einderhilfe mit in erst Reihe zu be
agen sind., Den Papst vertrat der opo
tolische Delegierte in Bern, Monsignor
Naglione. Die englischen und ameri
dnischen Kirchen entsandten hervorra
dnde Mitglieder; so karren zwei Bi
chöfe der anglikanischen Kirche, darun
kr Lord William Cecil. Bischof don
kzeter, der einen Brief seine! Bruder!,
H bekannten Politiker! Lord Robert
steil an den Kongreß überbrachte. 'Un
rr den Deutsche war Prälat Dr.
kkerthmann au! Freiburg, der Vor
jtzende de! katho.ischen Carita!'Ver
iande!, Frau Adele Schreier und an
lere in der hunanitären Bewegung be
dnnle Männer und Frauen. Die not
eidenden Länder legten Berichte liber
ta! Kinderelend bei ihnen vor. Wenn
Ke Rettung der Kinder al! Weltange
kgenheit nach umfassendem Plan in
ße Hand genommen werden soll, so sind
krgleichende Prüfungen notwendig, um
h Mittel in der richtigsten- Weise zu
endenden. Man gründet jetzt in
lenk ein Office Central d'nforma
on, da! mit in den einzelnen Ländern
u enichtenden zentralen Auskunftkstellen
lllsammenarbeiten soll. Uedrigen! ist
pc!, wa! auf diese W'ise erreicht wer
len kann, ein Tropfe in einem Meere.
')t auf der Konferenz auch wiederholt
fast wurde. Heilbar ist da! Welt
M, wenn iibe:haupt nur vurch eine
knste WillenZa.istrengung der alliierten
tegieiungen. In letzter Linie ist die
hau pvlitisch.
In Deutschland haben wir heute
wcieinhalb Mill'onen Kinder, die un
tittelbar in ihrem Leben bedroht
hid. In den Großstädten allem ,ft
U Zahl nach der übeninstimmenden
Schätzung der fachmännischen Unter
tichungen, etwa! über ein Million,
!e unterernährt: in mehr der weniger
werer Gefahr sn.d in ganz Deutsch
'.d nach der A.,gaoe don Frau Schrei
: sechs Millionen Kinder. Es 'gibt
t in Verlin allein 30,000 tuberku
r ftinder Ltatistilen über da!
in Europa.
Zuwenig an Glicht und Körpergröße
bet den verschied, Altettflufen sind
leicht ,l,gä..glich; sie red, ein schau
lich Spracht. - Bikher wie! Wien un
ter allen große Städten de! deutschen
Sprachgebiet! da! meiste Elend auf.
Die Verhältnisse find jetzt dort, dank der
vukländlschen Hilfe, unter der die ame
rikanische die größte Zahlen erfaßt, et
wa! besser geworden, wah.end sich die
relchideutschen Städte den Wiener Zu
ständen zusehend! nähern. Leipzig, wo
die ruhmvoll bekannte englische Philan
thropin Emily Hobhouse die Kinder
frag eingehend geprüft hat, macht auf
die ausländischer. Besucher eine furcht,
baren Eindruck. . , . Der fette Bier
trinker ist nicht mehr zu erblicken. In
Leipzig sehen die Pferd schlechter ans
al! in Wien, manche gehen wie Skelette
. . . Nirgend! fah ich eine so zufriedene
Kindergrupp wie die au! den amerika.
Nischen Küchen in Wien kommenden. In
den Armenquartieren sieht man diese!
den mitleiderregenden Bilder wie tn
Wien. Di Leipziger Kinder scheinen
jetzt auf ihrer niedrigsten Stufe zu sein,
die Wiener sind vielleicht ein wen'g
besser daran al! vo sech! Monaten, vor
der amerikanischen Hilfe . D Wie
ner Hospitäler erhielten größtentcil! ,
Sendungen, au! verschiedenen Ländern
Besonder! hat, Amerika edelmütige Hilfe
gesandt und , mancher Zug schweizer!,
scher Liebesgaben kam. ; Diese Linde,
rungen mangeln in Leipzig fast ganz.
Da! Leinen ist in den deutschen Kran.
kenhäusern so schlecht und dürftig wie
in Wien. In dieser Klasse war ein
Knabe von sieben Jahren, der 123 Zen.
timeter maß (da! Normale ist 110). Er '
ragte über die anderen wie ein Tukm '
hinan!. Hier wurde erzähl er habe
mit seiner Mutter, einer Engländerin,
in London gelebt und P vor einem
Jahre , sei er nach Leipzig gekommen.
Sein Vater, ein dentscher Kellner, war
in Knockaloe interniert gewesen. Der
Knabe war gewiß nicht in Füllt aufge
wachsen; dennoch war er ein Gigant un,
ter seinen Kameraden . . Nach Miß.
Hobhouse standen in einem Leipziger
Krankenhause für 95 Kinder eir und
einviertel Liter Milch zur Verfügung.
Da man di Verhältnisse in Wien mit
denen in deutschen Städten vergleicht,
so muß erwähnt werden, daß tf der
Konferenz eine ungünstige Wirkung der
von Deutschland an Oesterreicki gewähr
ten Hilfe zur Sprach kam. Bei den
ausländischen Tcbern sagt man sich,
daß, wenn die Deutschet, noch anderen
spenden können, ihre Not nicht so groß
sein köne. Ein Vertretet de! Schwei
zer Hilfswerke! konstatierte in der
Kommission sür die deutschen Verhält
Nisse, daß nach Bekanntwerden der 'lb,
endung deutscher Hilfszügt nach Wien
ofort ein Nachlassen r Gebelust für
leutsche Kinder zu bemerle gewesen
ei . . . E! ist hart, seine edelsten In
iinkk durch Erwägungen de! Eigen
nutze! hemmen zu müssen. Dg abe,
Deutschland, dahin gelangt ist, bei Frem.,
den zu betteln, so müssen wir wie anden
Bettler die Psychologie , der Mildtätig,
seit in Betracht ziehen. In Amerika
und England, die allein unter de gro
ßen Völkern etwa! zu geben haben, ist
e! viel leichter für .Austria' zu
sammeln al! nnt dem Namen Ger
many'. Wien ist in England jetzt schon
fast populär. Die britisch. Regierung
gibt für jede! von Privaten für Oesier
reich gespendet Pfund ebensoviel au!
Staatsmitteln. Ein im Anschluß an
die Londoner Hungersnotkonferenz im
November 1919 eingeleitete Sammlung
für Wien ergab etwa 120,000 Pfund,
und da der englisch Staat da! gleicht
beisteuert, so ist dadurch ungefähr ein
Viertelmillion Pfund verfügbar. I
de Bereinigten Staaten ist, wie ein
Bischof der mit großer Energie in Eu
ropa helfenden amerikanischen Methodi
fienkirche. mitteilte, für d-e einzelnen
Länder schwer etwa! zu erhalten. Der
Amerikaner spendet dagegen gern für
Europe' al! ganze!. Schon diese
Denkweise de! größten Geber! legt e!
nahe, da! Hilssiverk al! Weltangelegen
heit zu ganisteren.
Wenn da! Kinderelend in Deutsch
land zum Himmel schreit, wenn .in die
len ärmere Landbezirken die Zu
stände denen der Großstadt gleichen
in erzgebirgische Dörfer sind Kinder
von zwei Jahre wie Neugeborene, er
wachsen Frauen wiegen vierzig Kilo
, wen im Mittelstand die Verhält
isse eher noch schlimmer sind al! bei
de Arbeitern eingehend Untersu
chungen der letzten Ant t KL
nig!berg haben in Lehrer, Professo
ren, P farrerkreisen ers chreckende . B ilder
enthüllt , so dürfen wir doch keine!
weg! verkennen, daß ei t de meisten
Gebieten östlich Deutschland! noch schlech
ter bestellt ist. E! ist peinvoll, Zeuge zu
sein, wie die Delegierten mehrerer Hilfe
brauchender Länder vor de westliche
Gebern ihre eigen Not al! die größte
schildern, wie i der Elevdttonkurrenz
da! über 'all dem Schauderhaften all
mählich stumpf werdendt Interesse
durch besonder! rgreifende Tatsachen
geschärft werden muß. so wie die Krüp
pel an den Türen der Kirche Rom!
ihre Gebrechen wirkungsvoll zu ntfal
ten gelernt haben.
' Wir können nicht entscheiden, wo e!
am schlimmste hergeht; aber nach den
Eindrücken der Berichte muß die
Ukraine jetzt da! Im tiefsten Elend s!ek
kend Land sein. Ein amerikanischer
Offizier, der in d! Stadt Schmerinka
kam. brach in Träne au!, nicht au!
Rührung. sonder in dem Gefühl der
Verzweiflung nd Ohnmacht geaenüber
diese: hoffnungslosen Misö. In den
meisten anderen Ländern ist der Arieg
zu Ende, in der Ukraine geht er immer
weiter, und zwar ist e! der Bürgerkrieg
der scheußlichste Form, v Ei Dele
gierter de! Genfer Komitee! de! Rote
Kreuze!. Major Löderreh. hat zu Ende
de! vorige Jahre! eine Sanitäüzug
unter große Schwierigkeit: dorthin
geführt und einen erschütternden Be
richt erstattet. Ein Regierung gibt e!
in diesem Lande nur dem Namen nach;
die txiha&tjn bst tsiä uksiifiL $k
Kcgenwart und ZuKunst von Areslau.
Vreßla. tm März.
E! geht ein alte! humoristische! Wort,
da! da lautet: Wer in richtiger Berli
ner sei. der stammt au! BreSlau. ' Und
! hat seine gewisse Nichtigkeit mit die
sem olkjwitz. Besitzt doch di Reich!
Hauptstadt eint große Anzahl Bürger,
deren Wiege in der Oderstadt oder de
ren schlestschem Hinlerland stand. Schon
immer sind die Beziehungen zwischen
diesen beiden größten Städten Preu
ßen! die denkbar freundlichsten gewesen.
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und" der Austausch zwischen Personen
und geistige Werten hat seit langem
ohne Unterbrechung gedauert Durch die
Verstümmelung Deutschlands aber be
ginnt Bressau immer mehr äu! einem
Vorort Beilin! zu einem Vorort de!
Reiches gen Osten zu werden. Als ein
ziger großer Verkehrsmittelpunkt und
Handelsplatz, der Deutschland auf seiner
Front gegen die slawische Welt übrig
blieb, hat es in jeder Hinsicht eine über
ragende Bedeutung gewonnen.
Es ist ein Glück zu nennen, daß die
ser Vorwachtposien einer Stadt zufällt,
deren wichtigstes Merkmal das der So
lidität ist. Breslau gehört zu jenen Or
teN, die trotz ihres raschen Wachstums
und der sast explosiven Sprengung ihres
alten Weichbildes und somit der Ge
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Bd.,
Die Universität
schlossenheit ihrer architektonischen Form
nicht das Gesich verloren haben Und
!arvenumäßigem Ungcschmack berfalken
ind. Wer die schönen, hellen 'Straße
und Villenalleen Kleinburgs, de! sogt
nannten BnSlau WW. durchwandert,
kann mit Genugtuung feststellen, daß
hier die Peinlichkeit überladener Bau
füjzrung und dekorativen Prytzentum!
vermiede worden sind. Und gar die
Altstadt mit ihrer spukhaft verträumten
Dominsel hat ganz ihr alte! Gesicht ge
wahrt. Bewahrung, da! ist e! Haupt
sächlich, was die Odermetropole au!
zeichnet und wa! zugleich auch in man
chen Fällen eine Erklärung sür gewisse
negative Vorzeichen ist. Der Breslauer,
der sehr sachlich veranlagt ist, und in
seinen führenden Kreisen alteingesessenes
Junkertum und kaufmännische Regsam
seit vereinigt, hat der Revolution ziem
lich .sine ira et studio" gegenüber gestan
den. Bi! auf zwei Fälle leichteren Kra
wall! haben hier die Straßen während
der ganzen Sturmzeit ihr Aussehen tot
mg verändert. Die MchrheitZsozialisten,
die etwa 50 Prozent der Stadwerord
neten stellen (die Unabhängigen haben
Bauern kummern sich nicht m sie. Da
ie vor den Requisitionen Angst haben,
0 bestellen sie bloß so diel Land, als für
it selber nötig ist. .Der obere Bür
gerstand, existiert nicht, Kapitalisten
vder hohe Beamte sind in der Ukraine
nicht vorhanden. Der Mittelstand,
der fast nur Handel treibt, besteht au!
Juden. Ebenso ist da! Proleta
riat in der großen Mehrheit jüdisch In
ProSkurow wird die in Hälft der
jüdischen Bevölkerung von der anderen
rhalten. Während sich Typhus und
sonstige Epidemien in bisher unbekann
te Maßen entwickeln, verminderte sich
die Mittel zur Bekämpfung. Vorige!
Jahr gab - e! noch einig Medikamente,
jetzt sozusagen keine mehr. , Zwanzig
Pazevt de! Sanitätspersonal! sind
vehrlo! vom Thphu! hingerafft wor
de. der Rest wurde roch und nach mo
bilisieit. so daß die Zivilbevölkerung,
die schon keim Hospitäler mehr hat,
ohn Hilse ist. Eine! Tage! kam zu
mir ein Arzt und erzählte verzweifelt,
e! sei ein Zug mit 250 Typhuskranken
von der Front angelangt, mit dem Be
fehl, sie in Mohilek in! Hospital zu
nehmen. ,Wa! machen?' fragt r
angstvoll. .E! ist nicht ein Platz frei
und ich ruiß s schnell al! möglich den
leeren Zug zurückschicken.' Ich ging
zum Bahnhof und sah die unglücklichen
Menschen, darunter einen on dreizehn
Jahren, ohne Pflege und hinreichend
Nahrung in MKcheizk, WaM! da
bi! jetzt nur inen vertrete, und auch
nicht allzuviel u!sichte auf mehr),
Übernahme ziemlich geriiuschlo! di
Verwaltung, und die bürgerlichen Par
leiert arbeiten verhiiltnümichig nibung!
lo! mit ifrnen- zusammen. Lediglich
ton deutsanattonaler Seite, die hier
zum ganz Extremen neigt, wird ine
haßvolle Tonart in da! Getriebe de!
Tage! getragen. Die Arbeiterschaft ist
fast durchweg gewerkschastlich di!zipli
niert und hat da! Vertrauen zu ihren
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Da? Nathau! in BreSla.
Führer nicht verloren.
So kommt es, daß Breslau trotz der
äußerst schwierigen finanziellen Lage
und einer sast ins Groteske gesteigerten
Wohnungsnot produktiv arbeitet. In
allen Zweigen des Wirtschaftsleben!
werden ziemlichr Höchstleistungen erzielt,
und eö ist nur zu begrüßen, daß die
Messe, deren nächste Ende April statt
indet, die Stadt auch nach außen weit
ichtbar'iN den Brennpunkt des Wirt
chaftlichen Interesse! gerückt hqt. Be!
der mächttg anwachsenden Industrie der
Umgegend und den engen Beziehungen
zwischen Breslau und der eminente
Waren und Rohsioffprodinz Ober
schlesie ist die Messe schon in der Frist
ihres kurzen Bestehen! zum notwendigen
Bestandteil des östlichen Wirtschaft!
(,
"jt.
' .
y. .i-i
i:rr-r-j
.7.. i..--
V,i-..?i2j
Cil'
von Breslau.
leben! geworden. ,
Die Geselligkeit ber, Stadt zeigt einen
intimeren, Charakter als die anderer
Städte. Die Pflege der Familie tritt
stark hervor und da! Restaurant und
Kaffeehausleben kommt für. den Durch
schnitt der Bürger nicht allzusehr in Be
tracht. Trotzdem sieht dieses ebenso wie
das der Singspielhallen, BarißtSs und
Kino! in hoher Blüte," va der Fremden
zustrom in di Provinzhauptstadt ein
ziemlich gewaltiger ist. Sämtliche Ler
gnllgungsstätien sind in der Regel über
füllt. Da! künstlerische Moment hat in
den letzten Jahrzehnten an Intensität ge
wonnen. E! wird diel und gute Musik
gemacht. Im Stadttheater hat die Ge
meinde unter ' der Leitung Woldemar
Runge! in allen modernen Erforder
nissen nisprechende Oper und ,im
Schauspielhaus pflegt Theodor Loewe,
einer der populärsten und wissendsten
Theaterdirektoren Deutschland!, mit fri
schnm Schmiß die Operette. Auch die
zahlreichen Konzerte finden, wie überall
im Osten, ein verständige! und auch dem
Neuen bereitwillig gegenüber stehende!
Publikum. Wa! da! Schauspiel und da!
auf dünnen Ctrobschichten verkommen
Sie bliebe, da da! Sanitätspersonal
sich nicht zu zeigen wagte, mehren 2a
ge da und starbe überall herum.' . Di
Ukraine ist in Land, in dem da! Kind
ausstirbt. Major LSderrey berichtet:
.Während de! günzen in der Ukraine
zugebrachten Monat! fah ich kein inzi
ge! kleine! Kind. Da! jüngste Kind,
dessen ich mich innere, war sieben
Iah alt.'
Für die große Mchrzsbl der Men
schen ist ! wichtiger, sich solche Schil
derungea einzuprägen al! über die
Technik der Wohltätigkeit mitzureden,
etwa ob e! sich mehr empfiehlt, kmnk
Kinder tn! Ausland zu senden, oder in
der Heimat unter günstige Beding
?fn zu heilen. Fragen dieser Art be
chäftigea die i Gens versammelten
Fachleute vielfach, aber wir tun besser,
mi mit dem Gefühl der ganzen Un
meßlichkeU de! europäischen Unglück! zu
erfüllen und die nationalcn Zänkereien
oer den Parteihnder darüber in den
Hintergrund treten zu lassen. Mit sei
m gemeinschaftlichen Bankerott und
gemeinsamen Massensterben ist Europa
noch immer so organisiert, daß der eine
Staat die für den anderen be
stimmte Hilf wegnimmt. Die Rumä
nen beschlagnahmen die Samtätkzüg
für die Ukrain, die Polen die für ihre
Nachbaren, die Sowjet! die für Deni
kin. Aber der Typhu! und di ande
n Couch tondea Ich picht cm Ui
kein liierarische Lebe anlangt, so kann
don ihnen nicht gut gesprochen werden,
da beide! so gut wie nicht existiert. Auch
die Universität weist in der Mehrzahl
ihrer Professoren und in ihr stark
ausgesprochenen Neigung zur Reaktion,
die hier di Brücke zu dem festen Zusam
menhang zwischen Professcen und et
nem alttraditionelle Soldatentum bil
det, nur wenige Namen von Weltruf
auf. Lummer, Lands berg, Kühnemann,
Leonhardt, Erich, Königswald, Pinder,
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Mann und Geotz Obst sei, genännt.
Wa! die bildenden Künste betrifft, so ist
durch die Besetzung de! Direktorpostens
im Museum mit dem Professor Braune
ein frischer Wind in die staubigen Säle
am Miiseumsplatz gekommen. Und daß
jetzt an der Kunstakademie Männer wie
Endell unh Moll lehren, läßt eine Neu
blüt, de! berühmten Instituts erhoffen.
Wenn Breslau nun bisher . zu den
Städten gehört hat, deren eigentümliches
Schicksal es war. daß ihnen die eigene
Lebensform mit Unfehlbarkeit gerade
die leistungsfähigsten seiner Kinder
nahm, so dürfte das in Zukunft anders
werden. Denu Mhr als je werden jetzt
hier Menschen von Leistungsfähigkeit
und voll prödukt'M Ideen gebraucht
werden. 'Steht doch der neuen Grenz
stadt die ungeheure Aufgab Vermitte,
lungSstation zwischen Deutschland, Po
len, den Donaustaaten und der Tschecho
Slowakei zu sein, .unmittelbar bevor.
Dies wird zugleich mit dem Zustrom an
Einwohnern, die sich nicht bloß aus den,
Vertrbenen der besetzte . Ostgebiete,
sondern auch vom Reich her rekrutieren
'werden, eine bedeutende Erweiterung der
,Siedelung, eine Erhöhun? der Verkehrs
Centralisation, - verbunden damit ein
Verbesserung des jetzt recht unebenen Ei
senbahnverkehrö und eint Beschleunigung'
des LebenstempoS bedingen. Dazu aber
braucht eine solche Kommune, wenn sie
nicht finanzieller Schludrigkeit verfalle
will, erhebliche Mittel, di sich laum vu!
den GemeindeEinnahmen allein n
schwingen lassen dürften. Aber da!
Florieren BreslauS ist heute ja kaum
mehr Lokalinteresse, sondern au! den
oben erwähnten Grunde fast Reichs
interesse. -
Seine Wichtigkeit wird sich schon in
der nächsten Zeit bei einem ganz aktuel
len Anlaß zeigen. Nämlich bei seiner
Stellung, die e al! Umschlagsstation
bei der kommenden großen Abstim
mungskompagn in Oberschlesten einneh
men wird. Von hier aus wird die Leitung
der Propaganda wie der Zuführung der
'dstimmungSberechtigten. die die damit
Beauftragten vor die schwierigsten Pro
bleme stellt, zu erfolgen haben, denn
Berlin liegt geographisch viel zu un
günstig. Die! und dit vielen, Jnter
ssen, die sich mit der Erhaltung der
neuen Vormachtsstellung BreslauS im
Osten verknüpfen, sicher ihm auf lange
Zeit hinaus Aufstieg und Blüte. Und
wenn da! neue Breslau auch im rasche
ren Getümmel der Großstadt, wie S
die! bisher getan hat, sein alte! Gesicht
bewahrt, dann kann da! alte neue BnS
lau ein gar gefährliche Konkurrentin
der alten Frekndesstadt an der Spree
werden. . - , -
Grenze von den Paßbehörde' zurück
halten lassen, sondern ach Westen vor
breche fall! nicht alle Kraft der Zivi
lisation zur Rettung de! Erdteil! inge
setzt wird. Mit dem Untergänge vor
Augen, prügeln, sich ruinirte Völker um
Dörfer, und der Oberste Rat der All!
ierten verwendet diel Mnaie und den
Rest seiner Emrgie auf die Zugehörig
keit don Fium ud die weiter de! dor
tigen Vororte! Suschak.
WKttBttlim.
KaiifiiililllisAst.
Am 2. Mör 1820 gab der Konig
von Preußen der Korporation der
Kaufmannschaft don Berlin ihre
Verfassung. D Korporation wurde
ckbildtt auZ den bisherigen beiden
Kaufmannsgilden der Tuch, und
Scidenhandlung und der Materia
lienhandlung, sowie der vereinigten
Börsenkorporakon. Diese Art der
Entstehung der Korporation, "die
demnach kurzlich ihr hundertjähriges
Bestehen feierte, ist mehr als eine ge
fchichtliche Tatsache. Sie ist daS
Zeichen dafür, daß sich der Berliner
Handelsstand au! der bedruckenden
Snge der Zunftverfassung, auS der
gegenseitiLen ZÄschränlung und Lld
ßn hell er Fleck in Arilannien
' von Reverend Aicharö Lee (Dunöee).
Ta folatnH Schreiie au t
ttebet bet St,, Mchard Lee. sine
bekannten Vaisisten nd Leiler ter
rl religiösen eguna tn Dun,
iet Schottland), tvurd dem ametW
knnisiVen SchristsleU Hnman
Viteiat kchellau zur ervltent
lichun In Deutschland vom BersaNer
' gelandt. Herr Echeslauer bat den
Artikel dem Berit, Tagcblall'
iu ersUgun gestellt.
(2! ist mir unbekannt, vb Deutsche in
kommenden Tagen wieder England wer
de besuchen wollen, auch weiß ich nicht,
ob e! ihnen erlaubt sein wird. Aber
sollte da! der Fall sein, so gibt t! einen '
Fleck, den sie unbedingt aufsuche soll i
ten und wo sie immer sicher sein dllr
fen. ein herzliche! Willkommen zu fin
den. Dieser Fleck heißt Albert Square
in Dundee in Schottland. E! ist ein
Ort, der für immer der Sache deS Ftie
den! geweiht ist.
Ich will den Versuch machen., tliche
Vorgänge, die während der grausigen
Jahre de! Kriege! sich dort ereigneten,
zu beschreiben, Albert Square ist ein
offener Platz, wo öffentliche Versamm
lungen abgehalten werden Hauptfach
lich durch Sozialisten und Mitglieder
der Arbeiterpartei. Auf der inen Seite
steht die Börse, ein Hort der Patriot!
schen und jingoistischen Geschäftsleute
von Dundee. Auf einer anderen Seite
steht da! mächtige Gebäude der lokalen
Presse eine Firma, die für Schottland
dasselbe leistet, wie Northcliffe für Eng,
land. Unsere' Versammlungen wurden
im Schatten dieser Giftfabrik abgehal
ten. Nicht weit entfernt, als eine A,rt
von Gegengift, steht ein edles Stand
bild von Robert BurnS, dem schottischen,
Republikaner und Dichter. , , ,,v .
Hier also versammelte sich während
de! Krieges dit ,NoConscription Fel
lowship' (Keine WehrpflickGenossen
fchaft) an jedem Sonntag nachmittags
Diese Genossenschaft wurde gegründet.
m Leute auö allen Volksschichten zu
vereinigen, die sich geweigert hatten, am
großen Kriege teilzunehmen. In unseren
Reihen befanden sich Quäker und Frei
denket, Methodisten und Anarchisten,
Mitglieder . der Jndependent Labour
Party nd marxistische Extremisten.
geschkssenheit. freigemacht und den
Blick nach außen, auf die große Zu
kunft, gerichtet hat, der der Berliner
Handel und das deutsche Wrt
saftsleben in der Folgezeit entge
gcngingen. Von dem Weg, der da
mit der Korporation vorgezeichnet
war, ist sie, unbeirrt durch alle die
wechselnden -, Strömungen eines
Jahrhunderts, von denen s?e manch
mal getragen wurde, gegen die sie
aber auch oft und schwer zu kämpfen
hatte,' nicht abgegangen. Wohl be
hielt sie zunächst nocheine Aeußer
lichkeit deö Zünftigen bei: nur wer
der Korporation angehörte, galt als
Bollkanftnann. nur der Korporierte
hotte alle Rechte und Pflichten eines
solchen; der Nichtkorporierte war der
Kleinhändler, der Krämer. Auf
diese Zeit ist eS zurückzuführen,
wenn auch heute noch ein gewisser
äußerliche? Wert auf die Zugehörig
keit der Korporation gelegt wird.
Wer die Vorrechte vertrugen sich
Nicht recht mit dem freiheitlichen
Geist, dem die Korporation ihre
Entstehung verdankte. Mit der Ein
führung des Handelsgesetzbuchs im
Jahre 1861 fiel dieser Vorzug. Aber
euch hier erwies sich die völlige Be
freiuna vom Zunftmäßigen als ein
Fortschritt für die Entwicklung.
Seitdem ' blühte die Korporation
mächtig auf; sie gewann an Zahl
ihrer Mitglieder wie fti innerer
Energie. ES folgten die Jahre deS
außerordentlichen Aufschwungs des
deutschen Wirtschaftslebens, in de
nen die Stimme der Vertretung der
Korporation, der Aeltesten der
Kaufmannschaft von Berlin, viel ge
hört und beachtet wurde, wo der
Name der Aeltesten weit über Ber
lin, ja auch weit über die Grenzen
deS Deutschen Reiches hinaus Klang
hatte, wo sie. eine Körperschaft von
anerkanntem, internationalen Anse
hen geworden war.
Bei ihrer Geburt war die Korpo
rotion bereits mit der Börse ausge
stattet. Die Geschichte der Berliner
Börse, die bis in die achtziger Jahre
sowohl für Waren wie für Wertpa
Piere sich zur Weltbörse entwickelt
hatte, ist zugleich ein wesentliches
Stück der Geschichte der Korpora
tion. Im Jahre 1902 wurde der
Korporation die bevorzugte Stel
lung als einzige Berliner amtliche
Wirtschaftsvertrewng ,. genommen
und die Berliner Handelskammer
teilweise an ihn Stelle, teilweise ne
den sie gesetzt. Aber die Aeltesten
der Kaufmannschaft unter Leitung
ihres vor wenigen Jahren verstorbe
nen Präsidenten Kaempf wurden
führend in wirtschaftlichen und
' rechtlichen Fragen, die das kaufmän
nische Leben berührten. , Aus dieser
Zeit stammte das .Jahrbuch für
Handel und Industrie", eine der be
ften Leistungen auf dem Gebiete der
WirtschaftSberichte; aus diesen Iah
ren stammte die bedeutungsvolle
Mitarbeit an der Schaffung der
Metallbörse in Berlin, an der Ein
führung eines Weltwechsel und
emeS WeltschksrechtS. Im Jahre
1906 wurde die Berliner Handels
Hochschule errichtet, die einzige deut
sche Hochschule, die von einer Selbst
rcrwaltungSkörperschaft erbali
und geleitet vic
jrni frtnS tiUr nUt !nkn Verbi n
Imnasfaktor in unserem Haß gegen die
fett Krieg um vit greiyeil. er nano'
Punkt, der von den meisten unserer Red
ner vertreten wurde, war der von Man
nern wie N. L. OrchelleJohn Hayne!
flnimea. CAtata Brandes und andere
unerschrockenen Internationalisten, die
.! tV- l . .. ttn t.-tii 4ÄAttfc
oie vayilr vrr tvaijiijci wuywi Vlb
Jahre der Lüge aufrecht hielten. Wieder
,,n immer wird, einelten wir den
britischen Abscheu vor deutschen Greuel t
taten, wahrend doch wir Ctikn un
selbst der gröWN Greuenar von auen
schuldig ,machten, der Hungerblockade,
und un! weigerten, irgendeinen Vor
frtlnri h! aewattia Greueltat de! Krie
" r u- - - .
es zu beendigen, in Betracht zu ziehen.
Wir setzten uns, im Widetipruc zu ven
leitenden Staatsmänner, immer für
einen Frieden durch Verständigung ein.
In Aloen csquare ipracyen wir, wie
auch da! Parlamentsmitglied Ramsa
Macdnnald. von .unseren deutschen
Freunden", und wir hielten fest an dem
Glauben, daß alle Volker die uprcr ver
?krr!IIme und der Kniffe der Staats
männer und der Diplomaten geworden
waren. v ;
' Vielleicht fragt iemand. warum wir
gerade in Dundee die Freiheit hatten,
solche Ketzereien zu veriunvigenk Ja,,
antworte darauf, daß ich keinen anderen
Ort kenne, der die gleiche Freiheit ge
währte wie Dundee. t gab Versamm
lungen der .Union of Demoera Con
trol", und der .Jndependent Labour
Party" in anderen Teilen des Landes.
Aber viele davon waren geschlossene Ver
sammlungen. Unsere Versammlungen
aber waren öffentliche In Manchester,
wo ich während der ersten Kriegsjahre
wohnte, gab es ein Zeit, in der keine
öffentliche Versammlung sicher war.
Die Stadtverwaltung verbot das Ver
mieten vo allen Sälen. , Oeffenilichs
Versammlungen wurden durch Hooli
gans auSeinandergetrieben, und diese
Hooligans gingen mit Genehmigung der
Behörden vor Unsere Erfahrungen in
Dund über waren wesentlich anders,
und es ist nicht schwer, eine Erklärung
dafür zu finden. Manchester besaß dm,
Vorzug einer Presse, die die anständige
und gerechteste im ganzen Lande war.
Obgleich der .Manchesttr Guardian"
den Krieg unterstützte, war dieses Blatt
doch ganz anders geleitet als irgendeine,
ändere, englische Zeitung. StetS war es
bestrebt, Nachrichten von beiden Seite
in unpartüischer Weise wiederzugeben -
es würde mich freuen, wenn ich imstande
wäre, daS gleiche von Arbeiterorgane
in Britannien zu behaupten! Und den
Noch wak'dort die Jingöstimmung so ge
waltsam, daß der aktibe Pazifismus und
der Internationalismus in Manchester
einfach über den Haufe gekannt wur
den. In Dundee aber haben die Jnter
Nationalisten , die Köpfe während des
ganzen Krieges , hochgehalten, obgleich
mit dort eine Presse hatten, die feindse
liger war wie irgendeine im ganzen Kö
nigreich. Das mutz noch mehr Uber
raschen, wenn wir eine andere Tatsache
in Betracht ziehen. Dundee war die Gar
nisonstavt des berühmten Black-Watch
Regiment! und stellte dem Heer verhält .
nismäßig mehr Leute als irgendein an
de Stadt. Nichtsdestoweniger hatten
wir einen größere Prozentsatz on
Conscieniious Objeciors" (Verweige
rern der Wehrpflicht aus Gewissensgrün,
den als irgendeine andere Stadt.
Ohne Zweifel: hätte man das'.De
fence of the Realm Act' (Reichsverteidi
gungsgesch) ausgeführt, wären wir alle
inö Gefängnis gekommen, und unfer
Versammlungen waren aufgehauen
worden. Ich glaube aber, daß man un!
in Dundee au! taktischen Gründen un
ren. Dann war S auch nicht mehr
Versammlungen verboten haben, so wäre
eS nötig gewesen, eine Anzahl von Man
nern einzukerkern, deren hoher Ernst und
Aufrichtigkeit von allen anerkannt wa
ren. Dann war es auch nicht mehr
zu leugnen, daß die Anzahl unserer An
Hänger unter dem Volke durchaus nicht
gering war; oft fanden sich mehr al!
4000 Menschen in unsere Pazifisten
Versammlungen in Albert Square ein!
Eine' öffentliche Verfolgung hätte also
dem englischen Volke das Bestehe einer
starken kriegsgegnerische Minderheit of
fenbart. Daß wir unsere Freiheit dehiel
ten, hing im Übrigen auch mit dem per
sönlichen , Charakter Konskriptions
gegner zusammen. Mr. I. F. Croal, ein
sehr bekannter Kaufmann, fehlte bei kei
ner' unserer Zusammenkünfte während
dieser Jahre. Seine ärgsten politische
Gegner waren gezwungen, die Tiefe sei
ner Ueberzeugungen zuzugcheheir.
StMrat Edwin- Scrymgeour ei
Man von ' tief religiösem Ge
sühl, der Führer der hiesi
gen Prohibitiomsten, daS radikalste
Glied der Temperenzpartei, war gleich,
falls ein starkes Bollwerk unserer
Friedenssache. Sein unerschütterliche!
Mut jagte den Jingoes Schrecken ein.
Sie haben sich gehütet, ihn einzusperren.
Ein anderer furchtloser Führer, Mr.
Robert Stewart, schmachtete zwei Iah
lang im Gefängnis. Aber das hatte er
selbst auf sich genommen. Ma
versuchte, ihn mit allerlei Köder
zu gewinnen. Hätte er nur
einen Finger zugunsten der Re
gierung gerührt, so wäre eS ihm mög
lich gewesen, dem Gefängnis zu ent
gehen. Aber er rührte den Finger nicht
und ging lieber ins Gefängnis.
Welches aber auch die Gründe sein
mögen; hier war ein Fleck Erde, über den
Lloyd George nicht herrschte, und daraus
durften wir stolz sein. Ueber die'em
Winkel in , Britannien herrscht der
Geist, der alle Menschen zu Brüder?
vereinigt, und unsere Fahne war di
weiße Fahne der Humanität.
" Und deshalb sage ich: sollte Zemal!
Deutsche oder Friedensfreunde nach
Dundee kommen, so mögen sie irgend
inen von den vorher genannten Herren
aufsuchen, oder auch den Verfasser dieser
Zeilen: Reverend Richard Lee'M. A.
, Lianj,,.. A ttium &ttt DUJtöH..