TäMe Oaha TrlbSne .1 In Warschau. Mit dem Enientezng. Tie großen Wandlungen der, neuen Zeit. Tie Front im Osten. Tchicber. Tie deutschen Hcl dengraber. -- Warschau. 24. Jan. Mit der Pünktlichkeit eint gewissknhaftkn Orient Expreß rollt der Paris.Wien.Warschauer Ententezug in die weite Bahnhofshalle. I einer Nacht und einem halben Tag haben wir die fünffache Grenzkontrolle TeutfchOestcrreichs, der Tschechoflowa lei und Polens passiert, die Strecke Wien Warschau zurückgelegt. Keine auf regende, aber für die Kohlennot dieser Kricgszeit immerhin befriedigende Lei, fiung. Englische Offizier, italienische Schieber, amerikanische Missionsmitglik der, eleqante Französinnen entsteigen den luxuriösen Wagen des EntentezugcS, während in den lichtlosen, mühsam zu sammengckltbtcn Anhängcwagen Deutsch, Oesterreichs und der Tfechoslowakei die Angehörigen der besiegten und befreiten Völker nach dem Ausgang drangen. Sie leil von ihnen verbieten schon die Valuta, unterschiede die Benutzung der eigent lichen Ententwagen, in denen ein Schlaf ' ' platz 1000, ein Mittagessen 300, eine Flasche Wein 250 Kronen kostet. Sa führten wirtschaftliche Notwendigkeiten die getrennten Böller Oesterreichs wieder zusammen. - In einer Droschke von bemerkenswer ter Schäbigkeit halte ich meinen Einzug in die Stadt. Mit ihren reichen Pala sten und ihren schönen Gärten bietet sie noch immer jenes interessante Bild, das so vielen Deutschen in den Jahren des Krieges und der Besetzung bekannt Leworven ist. Ader das Stratzenvild zeigt deutlich die großen Wandlungen der neuen Zeit. Die Equipagen des Adels und die russischen Gespanne des zarischen Nußlanös sind schon m Ab gründe des Weltkrieges verschwunden Aber auch seit dem gefahrvollen Abzug der deutschen Truppen .im November 1318 hat das Leben Warschaus tiefrei cbende Äcränderunaen erfahren. Ter Demokratisierung der obersten Gewalten ist sehr rasch die Demokratisierung der polnischen Gesellschaft gefolgt. Bewegt, in unablässigem Wechsel, fließt der Strom der Menschen durch die breiten Straßen der inneren Gewässer, das in den Zeiten des zarischen Rußlands dessen Tiefen und Abgründe vkrdeckte. In sei ner glanzlosen Flut mischen sich heute die Elemente, die das Sturmjahr 1913 vollends aus der Tiefe an die Ober, Fläche gerissen hat. Bauern und Ardei ter, Kleinbürger und Juden geben heute auch jenen Vierteln das Gepräge, von denen sie einst die Scheu bor der gie renden Klasse ' ferngehalten hat. Die braune Sukmane der Bauern, die Pelz, rocke der Bürger, die schwarzen Kaftane der Juden mischen sich zu einem einför migen Grau. Und nur die silbernen , Tressen der polnischen Offiziere, die ' weisen 'Nützen dcr Studenten, die blauen Mäntel der polnischen Frauenkompagnien werfen helle Lichter über die dunkle Masse. Dabei leidet Warschau unter einer Menscheujülle, wie sie kaum eine zweite Stadt Europas kennt. Die Zahl .seiner Bewokner ist, von kaum einer Million zur Zeit ihrer deutschen Besetzung auf 1,3000,000 gestiegen. Alles, was der Vormarsch der Roten Armeen aus Sow jetrußlcmd und der Ukraine vertrieben hat, ist in der Hauptstadt Polens zux sammengeströmt. Die Bemühungen der polnischen Begierung und der War, schauer Wunizipalverwaltung, an deren Spitze noch immer der Stadtpräsident Drzewiei steht, diesen Zustrom wieder nach dem Osten zurückzulenhen, sind ohne -größeren Erfolg geblieben. Und wie überall so haben auch hier die Generale und Zivilmissionen der Alliierten die vornehmsten Hotels, die schönsten Zim, rner mit Beschlag belegt. Schon an diesem Ueberfluß amerika nischer Generale und französischer Stabsoffiziere kann man erkennen, daß man sich der Front im Osten nähert, daß man sich in einem noch immer Krieg sühnenden Land befindet. Im Schloß am Sachsenplatz, wo früher der General, stab des deutschen Generalgouvernements Warschau sein Lager aufgeschlagen, sitzt jetzt oer Generalftab der polnischen Ar mee. Und von dort laufen die Drähte hinaus zur weißrussisch-litauischen und z,ir wolbynischen Front Petljuras. Let, Un und Litauer sitzen hier und verhan del über ein Bündnis. Die ganze ttandstaatenpolitik, die einst der deutsche Generalstab erfunden hat, befindet sich in neuem Fluß. Und jeden Abend der, öffentlichen die Blätter das Commun q',iidcs stellvertretenden Generalstabs' Klainski über die Kämpfe des Tages, ohne daß im übrigen diese Mitteilungen ein lebhafteres Interesse bei den Lesern erregen, obwohl einem hier sofort neben der sozialen Betrachtung des bolschewi, frischen Problems das nationale entge, gentritt. Weit größere Aufmerksamkeit finden die Nachrichten aus dem Westen, tvo General Haller eben die Besetzung der abgetretenen Gebiete durchzuführen hat. Aber auch dieses Ereignis ist. wenn man von der Proklamation des Stabs chcfs PilsudsZi und den Spezialberichten der Blätter absteht, in den Sorgen des täglichen Lebens ohne größere öffentliche Kundgebungen vorübergegangen. . Denn auch Warschau und der pol, nifche Staat leiden sichtlich unter jenen Uebeln,' die sonst die Welt bedrücken. Der Änblick von Butter, Fleisch und Brot in offene Geschäften ist geeignet, den dt.rk'end? Mitteleuropäer vorübergehend zu verblüffen. Aber mag merkt sehr rasch, daß das alles nicht in größen Wen, en vorhanden und für bie Masse der Bevölkerung jedenfales ' unerschwinglich " ist. Brot. Mehl, Zucker. Fleisch und Kohle werden auch hier auf Karten otw g'Fcben, um jedem wenigstens ein Min, deslmaß zu sichern. Darüber hinaus muß man in den Läden Warschaus beinahe die Schlcichhandelspreise des Teutschen Reiche zahlen. Dabei war Polen ur sprünglich für das ganze Jahr versorgt. Nach der Dertnibung der Bolschewik! im Osten mußte S aber grcße Mengen von , Lcb?nkmi'.tcln in die hungernden Gebiete senden, so daß Polen heute Fett und 'lli'M zum teil selbst aus Amerika be zieht. Tie ärgste Krise scheint übrigens gegenwärtig überwunden zu sein. Da gegen macht sich dcr Kohlenmangel trotz dcr gesteigerten Forderung im Tobro waer Gebiet auf das empfindlichste be merkbar. Augenblicklich ist die GaSbe leuchtung eingestellt, alle Casös, Ncstau rants und Bergnllgungslokole werden um 0 lllrc abends geschlossen. Bon 12 Uhr nachts bis 3 Uhr morgmS darf memand ohne besondere Erlaubnis die Straße betreten. Sonderbarerweise werden alle diese Verordnungen gerade hier im Osten sogar eingehalten. Die 7!ot der Massen hindert freilich auch in Warschau das Geschlecht der Schieber nicht, das Leben zu genießen. Dcr polnische Paz Karze ist der würdige Genosse seiner westlichen Brüder. Aber die Regierung ist wenigstens nicht ganz cyne erfolg bemuht, ihm die Schauste!, lung seines Reichtums ein wenig zu er, schweren. Sie hat allerlei drakonische Äcaßregeln gegen den Luxus der neuen Reichen ersonnen, und zur Bekämpfung ter großen Korruption hat jetzt der Ju siizausschuß des Sejm der Nationaloer, sammlung sogar die Verhängung der Todesstrafe gegen bestechliche Beamte be, schlössen. ' Das alles hat allerdings die Wirt schaftliche Not der großen Messe nicht wesentlich gemildert. Die Kaufkraft deS Geldes ist auch in Polen Zürchterlich ge funken. Die Löhne, die sich heute für den gelernten Arbeiter auf 1300 bis 2000 polnische Mark monatlich belaufen, halten trotz aller Steigerungen mit der Teuerung nicht Schritt, und draußen in den äußeren Bezirken, in den Judenvier tcln der Gcsia und Dziclna herrscht uebe fchrciblilhcs Elend. Gestalten, die aus den iqcunerviertcln Stambuls oder Sa lonikis zu stammen scheinen, kommen auö den schmutzstarrenden Häusern, phanta stifche Lumpenbündel waten durch den tiefen Kot der Strtßen, unsagbar der wahrlostcn Kinder umdrängen mit rast losem Geschrei die Milchstationen der jüdisch-amerikanischcn Mission, die in ganz Polen ihr segensreiches Werk voll, bringt. Gleichwol)! scheint man den Um fang des sozialen Elends im polnischen Staat vielfach zu überschätzen. Nach der Statistik vom 27. Dezember 1919 betrug die Zahl der Arbeitslosen in Warschau 58,000, im ganzen unter polnischer Vcr waltung siehenden Gebiet an 300,000. DaS ist für 18 bis 20 Millionen Men-. schen nicht übermäßig viel, und man kann jedenfalls überall 'dem festen Glau. den begegnen, daß Polen, gestützt auf feine reichen Hilfsmittel, in der Lage ist, auch die wirtschaftlichen Schwierig keilen der Gegenwart t zu überwinden, wenn es ihm gelingt, die Probleme sein äußeren und seiner inneren Politik zu entwirren. Alle diese Probkme greifen allerdings vorläufig chaotisch-ineinander, und erst hier, näher dem Osten, erkennt man, welch? ungeheure Bedeutung viele Fragen der4olnischen Politik, vor allem die Fra. gen der Einstellung Polens zu Rußland und zum Bolschewismus für Europa, ja für die ganze Welt besitzen. Es ist unmöglich, diese Fragen so rasch zu über sehen, und ebenso unmöglich ist es. nach dem ersten Eindruck, etwas über die Stimmungen zu sagen, die dieses weite, auS jo verschiedenen Teilen und Gesell schaftsklassen zusammen gefügte Reich bewegen. Man kann höchstens fesistellen. daß die Polen sehr eifrig auf ihre Un abhängigkeit nach allen Seiten bedacht sind, und man kann vielleicht auö den ersten persönlichen Erfahrungen einige Schlüsse auf die Stimmring gegenüber Deutschland ziehen. Zumindest in War, schau ist von jenem Haß, der dem Deut, schen heute noch aus Frankreich und Eng, land entgegenweht, nichts zu merken. Man kann überall die deutsche Sprache sprechen. mm erhält auf deutsche Fra, gen vielfach deutsche Antwort, und die Geschäftsleute machen aus dem Ankauf nnes deutsche,' Bleistiftes durch den deut schen Kunden kein Politikum. Die Ueber, zeugung, daß Polen in ein erträgliches Verhältnis zu Deutschland kommen muß, ist ziemlich allgemein, und man kann selbst einigem Verständnis für die Auf sassung begegnen, daß es für die Deut schen erheblich schwieriger ist. zu den Ergebnissen oes Frieoens von Versailles ein freundliches Gesicht zu machen, als für die Polen. Damit soll nicht gesagt werden, daß man in Polen irgendwie besonders liebenswürdige Geiüble für die Deutschen hegt. Das Swbenmädsten in. meinkm Hotel hat mich erst heute mor gen persönlich sur die fehlende Ofentür, die seinerzeit von der deutschen Obersten Heeresleitung, zur Herstellung irgend, eines Li,riegögerätes verwendet worden ist. verantwortlich gemacht. Und auch sonst fällt der Erinnerung an die Okkupation ein betrüblicher Einfluß auf das politi Msuyiöieoen oer Polen zu. Jcom falls spielen Teutschland und Oester reich-Ungarn in der Befreiungsgeschichte Polens nicht jene Rolle, von der Wil heim II. und Franz Joseph l. in ihrem berühmten Manifest vom 5. November 1U16 schwärmten. Aber das gleiche Schicksal widerfährt heute schließlich auch den Alliierten der polnischen Republik Denn die Polen fühlen sich überhaupt nicht befreit. Für sie ist die Entstehung des freien polnischen Staates einfach eine Silbstverständlichkeit der geschichtlichen Entwickluna, die der Weltkrieg eingeleitet hat; ' Selbst die Tatsache, daß diese Ent Wicklung nur als Folge der Niederwer sungRtißlandZ durch die deutschen Heere möglich geworden ist, scheint ihrer Er innerurg entschwunden. T:e Opfer dieser Kampfe aber ruhen jetzt überall in polnischer Erde. Ueberall in der . Umgebung Warschaus liege Deutschlands gefallene Söhne. Weite Gräberfelder ziehen sich um Grodisk, Modlin, Sochaczew und Piaseczno. Man , Hin Arics des Kai jers an den Jursten von Kurstenberg. Berlin. 24. Januar. Tie Neue Berliner .Zeitung' der öffentlich! (in Handschreiben deS Kaisers an den Fürsten von Fiirstenberg vom 2. Januar dieses Jahres, daS angeblich in dem Stockhol wer Blatt .Aftontidningen" erschienen sein soll. Indem wir der .Neuen Ber liner Zeitung" die Verantwortung i V lassen, geben wir den Brief so wieder, wie er in dem Blatt steht: Amcrongen, den 2. Januar 1920. Lieber Freund! Wie haben Sie Fest und Jahres Wechsel verlebt? Ich freute mich, als Möller, dcr mitWilhelm kam, mir sagte, in dem Herzen meines Volkes brenne mir mancher Weihnachtsbaum, aber ich bin ohne Hoffnung für m i ch und f a ft o h n e W u n s ch. Die Zukunft ist dunkel und wenn ich daran denke, habe ich traurige Stunden. W i l Helm klagt oft brieflich und mündlich über Restriktionen, weil alles so teuer ist und er etwas beschränkt ist durch C ä e i l i e n s Verluste in russischen Papieren. Ich bin dafür, daß er sobald als möglich mit den Seinen nach Oels geht, wo r billiger lebt. 'Von allen Kindern hatten Viktoria und ich Weihnachtsgrüße, außer Eitel, der selbst hier war. freilich nicht ohne die bekann ten Freifsemcnts. ' Was sagen Sie zu der gewaltsamen, widerrechtli chen Veröffentlichung inei nerBriefe an Nikolaus? Diese Leute haben keinen Funken von Anstand im Leibe und ich muß froh fein, wenn es ohne Entstellungen abgeht. Ich habe übrigens L L w e f e l d (gemeint ist hier offenbar der General. D. Red.) ge schrieben, daß er gegen die BeröfsLNtli chung der Privatbriefe p rotestieren soll, aber da die Veröffentlichung in den feindlichen Ländern er folgt, wird er weniger ausrichten kön nen als im Falle Bismarck. Daß auch ein deutsches B l a t t an diesen Schmutzereien teilnimmt, wundert mich nicht nach der Behandlung, die ich von diesem Volke erfahren habe und noch, täglich. erfahre. Jchhegenichtden Wunsch, je nach Deutschland zurückzukehren. Dcr Anblick des Zusammenbruchs durch seine eigene Schuld wäre mir ' zu schmerzlich: dazu daS Gefühl, daß alle mich betrogen und dann verlassen haben! Ich werde eS nicht los, nach allem, was ich von dem Untersuchungsausschuh las, das Gefühl. hinter'S Licht geführt zu sein, selbst von Männern wie Beth mann, Ludendorsf, von Tirpitz ganz zu schweigen! Vielleicht kommt mein Mißtrauen aus dcr Ein famkeit, in der ich lebe, und die nur zu weilen durch Besuche unterbrochen wird. Ich freue mich auf D o o r n. . Vorhin las Jlsemann aus dem ,Eou rant" (Nieuwe Rotterdamsche Cou rant") vor, daß Sir Frank Lascellcs gestorben ist, der auch ein Getreuer war. Wieder einer von der alten Garde da hin, dazu einer, der sich vorteilhaft von denen unterschied, die jetzt feit einem Jahrzehnt die englische Politik besorgen. Ich schätzte ihn sehr, ja ich hatte fast Freundschaft für ihn in den Tagen, wo er Wellet ablöste und hab ihn oft bei mir gesehen. Seine Tochter, die ich der heiraten half, war ein liebenswürdiges Kind. Er hatte VerftänniS für Deutschlands Lebensrechte. aber in London wollten sie keins haben und sandten Goschen. Ich glaube, es hat in London sehr verstimmt, daß ich ihm bei seinem Abschied den Schwarzen Adler gab, aber es war mir ein Bedürs nis. Ich habe jetzt gesudheitich viel zu leiden, die alten Schmer zen in Arm und Bein, aber mehr s e e lisch, angesichts der ungewissen Zukunft. Was wird werden? Ich erhoffe nichts Gunstiges, da feit Niko laus' tragischem Ende unter den Kugeln der Kaisermörder das monarchische Solida ritätsgefühl aus der Welt g e g a n g en ist und die anderen vielleicht glauben, ihren Thron zu sichern, indem sie mich preisgeben. Hein richs und Viktorias Appell sind ergan gen, ohne ein Echo Zu finden. Leben Sie wohl, mein Freund, und seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem wohlgesinnten Wiiyeim I. K. TaS Deutschtum' der T'tadt Tilsit. Der Magistrat und die Stadtverord- neten von Tilsit veröffentlichen in der Loslösungsfrage folgende feierliche Er klärung: Fortgesetzt ausgestreuten Ge rüchten gegenüber, daß, die Tilsiter Be völkerung eine Vereinigung mit Litauen wünsche, erklären wir als berufene Stadtvertreter einstimmige daß wir den Gedanken einer Lostrennung von Ost Preußen und dem Deutschen Reiche zu, rückweisen. Die Stadt Tilsit ist deutsch und soll es bleiben muß anerkennen, daß die Polen mit Sorgfalt und Ehrfurcht für diese Gräber sorgen. In er Ulica Krolewska LZ ha ben sie eine eigene Abteilung dcs Kriegs Ministeriums für die Gräberfürforge ge schaffen, die unter der der Leitung deS HauptmannS Raczienski steht, ihre Ler tretung bei allen Generalkommandos be sitzt, und alle Gräber in gleich forgfäf tiger Weife pflegt. Und im Anblick die ser Gräber fragt man wohl, wann sich die Menschen einen Teil jener Hocbach tung, die sie den Toten erweisen, endlich, bei Lebzeiten entgegebrinaen werde. rna!fdje SsD. 2er aMsmitMe KricgsbciDchteiibuil!! (Jliil dem l'frtin lagedlall.) Wie weit die antisemitische Propa ganda geht, haben in der letzten Zeit eine Reihe von Fällen gezeigt, die sich abseits vom öffentlichen Ütbtn, in pri vaten Zirkeln oder in Vereinen, abspiel, ten. Nicht in allen Fällen scheint man so rücksichtslos vorzugchen, wie im De zcmbcr v. I.. in Ätunchen, wo daS ein zige jüdische Mitglied eines gcscllschsft lichen Bcreins, das zugleich Ehrenvor sitzender war, durch einen Beschluß der Versammlung seiner Ehren entkleidet wurde. Nach der Abstimmung entfernte sich das Mitglied und erschoß sich. Aus einem Briefe des Kölner Kriegsbeschä digtenbundcs (Ortsgruppe Sülz-Kletten derg) entnehmen wir, daß Kameraden dieses Bundes Anstoß an der Zugehörig kcit eines jüdischen Mitgliedes zum Vor staiive nahmen. Der Vorsitzende, Ober leutnant a. D. Lützcler, richtete darauf an den Herrn ein Schreiben, in dem es u. a. heißt: .Wir könnrn uns und dieser AZ schauung muß ich mich auch persönlich anschlicjjkn , nicht der gebieterischen Notwendigkeit der Stunde - entziehen. r jedem weiteren Eindringen einer unserem Volksleben fremden, a feindlichen rafsi gen Minderheit und das ist in unse ren Augen die jüdische Rasse auch im Kleinsten und Keinen Einhalt zu tun. Und wie wir in allen Berufen. Or ganisationen usw. bis in unsere heutigen obersten Regiernngsstellen hinein eine völlig ungerechtfertigte und bedrohlich erscheinende Vorherrschaft der jüdischen Rasse feststellen und abwehren müssen, so wollen wir auch in unseren Vereinen, Gesellschaften usw. einer leicht in glei chem Sinne Gefahr drohenden Ver jiidung begegnen und wenigstens unse ren leitenden Stellen Fremdrassige, und wenn sie sonst noch so liebe und nette Menschen waren, fernhalten. Darum bitte ich Sie heute sireng ver traulich und persönlich, unter irgend einem Vorwande Ihr Amt als stedvcr tretender Vorsitzender unserer Orts gruppe niederlegen und aus dem Vor stände ausscheiden zu wollen. Ich darf Sie wiederholt versichern, daß Sie uns nach wie vor als Mitglied lieb und wert sein und vor jeder weiteren Kränkung um Ihrer Rassenangehörigkeit willen be wahrt bleiben werden." W't eine unheimlich schleichende Epi demie frißt der Antisemitismus, dieser .Sozialiemus der Dummen", am deut schen Volkskörper. 'Die laute antisemi tische Hetze ist im Augenblick von der Straße, verschwunden. Dafür scheint man nun die antisemitische Propaganda in die Vereine aller Art verlegt .zu haben, um in unauffälliger Minierarbeit zum Ziele zu kommen. Französischem (Juartkeransprüche. B i n r t n, 2L Januar. Die Bela stung des besetzten rheinischen Gebietes durch französische Quartieransprüche scheint feit der Ratifikation des Frie dens nicht geringer, sondern siärZer zu werden. Man beansprucht jetzt für den persönlichen Gebrauch eines verheirateten ' Leutnants oder Oberleutnants zwei Zimmer, Hauptmanns drei Zimmer, Majors vier Zimmer, Oberstleutnants fünf Zimmer, Oberst oder Brigadegenerali sechs Zimmer. Dazu jeweils eine Küche oder Mitbe Nutzung der Küche, ferner für Dienst boten mindestens ein Zimmer, bei Ober sten und Brigadegenealcn zwei. Für ein oder zwei Kinder ein besonderes Schlaf zimmer, für drei und vier Kinder zwei besondere Schlafzimmer, für jedes wei tcre 'ständige Familienmitglied je ein be sonderes Schlafzimmer. Die Räume müssen möbliert, geheizt und mit Licht versehen sein. Weiter muß Badbenützunz mit kaltem und warmem Wasser unent zeitlich gewährt werden. Für höhere Grade als Brigadegenerale entscheidet der Höchstkommandicrende von Fall zu Fall. 1 Derart weitgehende Ansprüche sind von den in Frage kommenden Städten, vor allem im französisch besetzten Gebiet, garnicht zu erfüllen, zumal keine Nei gung zu einer ins Gewicht fallenden Verringerung der Besatzungstruppen be steht. Dazu kommt, daß französischer seits eine offenkundige Ueberflutung des deutschen Landes mit französischen Ele menten herbeigeführt wird. in. denen man kulturelle und wirtschaftliche Fak toren mehr als militärische sieht, zum Zwecke der .Durchdringung" der Rhein lande zugunsten Frankreichs. Tie Quar tierbeschaffung ist gar nicht mehr anders möglich, als daß deutsche Familien aus ihren Wohnungen zwangsweise entfernt werden. Religionsunterricht in Sachsen. Dresden. 19. Juni. Die sächsische Volkskammer fetzte sich in ihrer letzti;. Sitzung über die Frage des Reliqions Unterrichts auseinander, die in Sachse!-, bekanntlich besonders geartet ist, a. las Uebergangsschulgesetz im Wide.'sprcch mit der Reichsoerfassung den Religions unterricht aus der Schule entfernt. D,r deutsch-demokratische Kultusminister Dr. Seysert, ein bekannter Schulsachmann, betonte, daß die sächsische Regierung da für eintrete, was das Reichszesetz t'.ot ausspreche: Die Normalform der Schule ist die Gemeinschaftsschule. Bis Ostern dieses Jahrci werde das Reichsschulz'jez nicht fertig werden. ' Mag müsse daha mit der Reichsregierung und National Versammlung in Verbindung treren. um ine Lösung der sächsischen Schulfr-.ge zu finden, d auA vom lfali arurkinnt werd. tzrzbergerüöer die in iernaiionake Falula Konferenz. B e r l i n , 26. Januar. Das Wolfs sche Telegraphenbureau verbreitet den Inhalt einer Unterredung eineS ihrer Vertreter mit dem Rcichsfinanzminister Erzberger über das jetzt hcraukgekom mene Memorandum, daS auf einer jüngst im Haag abgehaltenen Konferenz von Finanzvertretern verfaßt wurde. Wir geben diese Unterredung nachstehend wieder. ' ' Sie fragen mich nach meiner Ansicht bezüglich deS Memorandums, daS von angesehenen Finanzleuten und National Lkonomen verschiedener Länder den Re gicrungen Großbritanniens, der Ver einigten Staaten von Amerika, Frank, reichs, , Dänemarks, der Niederlande, Norwegens, Schwedens und der Schweiz übergeben worden ist und in dem mit näherer Begründung die Einberufung einer Konferenz von Finanzvertretern. an der auch Deutschland und Deutsch Oesterreich teilzunehmen hätten, empfoh len wird. Ich teile die Auffassung, daß nur eine gemeinsame Beratung der am Kriege beteiligt gewesenen und der neu traten Länder zu positiven Vorschlägen darüber kommen kann, wie den Schwie rigkeiten der durch den Krieg geschaffe nen Finanzlage und der auf alle Länder nachteilig einwirkenden Valutaentmer tung der meisten europäischen Großstaa ten begegnet werden kann. Die Unter. Zeichner des Memorandums glauben, daß kein Land auf eine sozial und Wirt schaftlich geordnete Zukunft rechnen könne, das sei laufegden Ausgaben Nicht in Uebereinstimmung mit den Ein nahmen bringen kann oder durch fortge setzte Steigerung der Schulden und In flation des Geldumlaufs seine laufenden Bedürfnisse befriedigen will. Dieser Auffassung stimme ich durchaus zu, und ich habe es während meiner bisherigen Amtstätigkeit immcr als meine wich tigste Aufgabt betrachtet, in absehbarer Zeit das Gleichgewicht zwischen den or dentlichen Staatsausgaben und Staats einnahmen herzustellen. Wer die in mei ner Amtszeit bisher entstandenen Stcuergesetze studiert, wird nicht darüber im Zweifel fcin, daß sie gerade in Ver folg dieses ersten Zieles der laufenden Rcichsfinanzreform eine außerordentlich große Belastung der Steuerträger be deuten. Deutschland wird aufs ernstlichste be müht sein, die Verpflichtungen, die es aus Grund des Friedensvertrages über nommen hat, zu erfüllen, Deutschland kann, soviel läßt sich schon heute mit, oller Bestimmtheit sagen, solche Sum men, wie sie die Entente uns teilweise schon auferlegt hat, teilweise noch aufer legen will, nur aufbringen, ' wenn Deutschlands frühere Feinde'sich zu dem Grundsatz bekennen.. daß ein Schuldner, der zahlungsfähig syn soll, vor allem erst lebensfähig sein muß. Mit Recht heißt ks in dim erwähnten Wemoran dilm, daß die Wiedergutmachungskom Mission, falls sie auch bei der höchstmög lichen Besteuerung der deutschen Bevölke rung die Unmöglichkeit der Erfüllung der bisher festgesetzten Verpflichtung er kennt, den Umfang auf das Maß der Zahlungsfähigkeit beschränken müsse. Ich enenne in ucoereiniummung mir oen Verfassern des Memorandums an, daß sich auch unter den siegnichen Staaten solche befinden, deren wirtschaftlich Lage äußerst schwierig ist. Aber und das dürfte die Meinung derer gewesen sein, die das Memorandum verfaßt ha ben die Lage der durch den Krieg schwer geschädigten siegreichen Staaten kann nicht durch eine Vernichtung Deutschlands gebessert werden. Den Vorschlägen, die in dem Mcmo randum als Richtlinien für die Tätig kcit der internationalen Konferenz ge macht werden, kann ich im allgemeinen zustimmen. Die Hilfe muh notwendiger wcife von den Ländern kommen, deren Verhältnisse durch einen günstigen Stand der Handels bzw. Zahlungsbilanz und des Wechselkurses gekennzeichnet werden. Freilich muffen die durch den Krieg hart betroffenen Länder, vor allem das Deut sche Reich, auch von jeder Möglichkeit der Selbsthilfe Gebrauch machen, und diese Möglichkeit der Selbsthilfe ist in einer Steigerung der produktiven Arbeit zu erblicken. Aber jene so dringende Stei gerung der Produktion ist in Deutsch land abhängig von der wichtigen Vorbe dingung einer ausreichenden Ernährung der Bevölkerung und Belieferung von Rohstoffen. Hier kann Deutschland und Deutsch-Ocsterrcich nur die Gewährung langfristiger Auslandskredite helfen, die es ermöglichen. Lebensmittel und Roh ftosfe vom kapitalkräftigen Auslande zu beziehen, und die es damit gleichzeitig gestatten, der Papiergeldoermehrung. der Steigerung der schwebenden Schulden und den damit in Verbindung stehenden Folgen entgegenzuwirken. In dem Memorandum wird weiterhin mit Recht betont, daß die Hilfe in einer Form gewährt werden müsse, .die den nationalen und internationalen Verkehr nicht mit einschränkenden Kontrollen der Regierung belastet". Und ich kann auch weiter dem zustimmen, daß die Anleihen, die gegebenenfalls öffentlich in den kre ditgcbenden Ländern aufgelegt werden, einen Anreiz zur Anlage der Ersparnisse bieten müssen. Freilich darf das Deut sche Reich auch in dieser Hinsicht nur Verpflichtungen übernehme, denen el gkrecht werdcn kann. Ueber die zu fiel lenden Sicherheiten wird am besten auf der Konferenz selbst . zu sprechen sein, ebenso darüber, welchen Rang derartige Ausländsanleihen deS Reiches gegenüber den Inlandsanleihen im Punkte der Er füllung der' Verpflichtungen einmhme toll. Deutschland Von Tri5 Wittner . (ut im vttlli ttittUtt.) Fünf Jahre lang waren wir in Deutschland eingekerkert. Jetzt dürfen wir wieder auf Entdeckungsreisen gehen nach kuropa Europa sängt an auf dem schweizer! schen Bundesbahnhof zu Basel, wo man zum erstenmal wieder da! Wunder leerer Bahnsteige, sauber gehaltener, komfor tabler. gut geheizter und nicht llberfüll. ter Züge erlebt, daS Wunder sogar von Zügen, die fahrplanmäßig abfahren und ankommen. Wirklich ein Wunder, un saßbar schier, wenn man eben noch mit bresthasten, aus schwindsüchtigen Lun gen keuchenden Lokomotiven brüchige deutsche Eisenbahnstrange entlanggekro chen ist und die abenteuerliche Verwahr losung und Zuchtlosigkeit deS Frankfur ter Hauptbahnhofk wahrgenommen hat. Deutsches Eisenbahnwesen ehedem vorbildlich in der Welt: I war ein mal! , Dann führt der Gotthardzug tief und tiefer hinein in da europäische Herz,, dorthin, wo diese Herzens Schläge in starkem Gleichmaß pulsieren. Man erschrickt beinah' vor so unbeirrba rem Rhythmus des Leben!. Lugano! Vormals eine schmucke, aber nicht unbescheidene Siedlung für son nenhungrige Frühlingssucher, für Müde und Genesende oder auch für Liebhaber eines zärtlich gegliederten Landschafts bilde!. Heute, dank Krieg nnd Revolu tion. ein weltlich-allzuwellsicher Mittel Punkt der europäischen Emigration. Die blauende Bucht, die mit edler BereHti gung die Bezeichnung .Paradiso" tragt, ist heute dicht bevölkert von unfreiwillig oder freiwillig Exilierten au! allen Win keln de! allen, morschgewordenen, Konti nents. Throne stürzten. Besitz barst, des Volke! Majestät stand hier und da auf und sagte den gottgewollten Obrig. leiten rücksichtslose Fehde an . . . Da stürzten die Legitimen, die sich um Kro nen odcr um das golden Kalb scharen; da flohen die Privilegierten erlauchter, nicht immer erleuchteter Kasten; und sie alle nahmen die Gastlichkeit deS freien Bergvolkes in Anspruch, da! so leiden schaftlich in der Heimatsliebe ist. viel leicht, weil eS -hauptsächlich von der Fremde und den Fremden lebt. In den großen Hotels am Kai zu Lu gano. in den stattlichen Palästen und Villen, die die Ufergeländk Hügelauf zie ren, haust eine vielsprachige Menschheit, die kaum etwaS anderes gemeinsam hat als das Schicksal, gegenwärtig herdloS ZU sein. Großwürdentrager depoffedierter Kö nige moskowitische (tatarische und barbarische) Millionäre, denen eS gelang, den bolschewistischen Heilswächtern Ha bebald. Haltefest und Eiledcute zu , ent schlüpfen , HohenzollernprpinZen. uk der nächsten Lerwandtschast deS Herrn auf Amcrongen ehemalige Gesandte der kaiserlichen Regierung an fremden Höfen , baltische Barone und.elsässi sche Vertriebene. Vertreter de deutsche Schollen und Schwertadels von hochtS enden Namen, exotische Fürstlichkeiten lS allen Märchenprovinzen näheren oder fernerm Orient. Wojwoden, Bo jaren. Pascha! und Khan. Bürger der ehemaligen kaiserlich und königlichen DonauMonarchie. 1ie nicht genau wis sen. weh Nam' und Art ihre augenblick liche Staatszugehörigkeit ist. Kleriker von hohem und höchstem Rang in der Hierarchie dcr streitbaren Kirche, und Politiker (aller Lander, aller Parteien, aller Partciungen!) und Publizisten und Pazifisten und Künstler von Weltruf und Hochstaple? und Kriegs gewinnlcr (Leit und LeidMotiv Neu tralien: Schieber aller Länder, vereinigt Euch!") und Frauen. Frauen, Frauen . . k . in Gewirr von Gesichtern, Eindrucken. Visionen, da einen neuen Höllenbreughel locken könnte! Frauen , . .! Französinnen, echte und solch, die dafür gehalten werden wol len, Belgierinnen, Rumäninnen, Grie chinnen trippeln aus steilen Stöckeln einher: gefärbt, gemalt, emailliert, junge und alte Lippen brandrot wie ein klaf sende Wundmal, die grazilen Gestalten bekleidet mit schwimmgürtelartigen Gebilden au! Tüll. Spitzen. Samt oder Seide. Gebilden, die unter der Büste be ginne, mit dem Knie abschließen, die Arme niblößen, die Beine mit Flor um spinnen. Diese Frauen besonders, wenn noch der Foxtrott sie über spie gelndeS Parkett flattern heißt ' sind wie Kolibri: bunt, benxgsich. hirnlos, zwitschernd, entzückend und kostbare Unnützlichkeiten im Haukhalt der Natur. Daneben englische Ladie, - blonde Schneeköniginnen mit blauen Porzellan äugen, weißen, gesunden Raubtingebis sen und der Gravität wandelnder EiS. berge. Frauen ohne Musik deS Gange! . '. . Dann wieder Orientalinnen: träge, schwül, lässig und doch manchmal zwi schen zwei ÄugewAusfchlägen geheim nisvoll auffunkelnd. Man denkt an schon und böse Prinzessinnen del Ostens, deren Buhlen die seidene Schnur erwartet. Auch Mongolenblnt, und hals ut" hocken in den Halle der .erstklassigen' Fremdenhöfe herum. Schläfrig, lauernd, bisweilen überleg lächelnd. Europa stirbt; ihnen aber, den farbigen Rassen, gebührt nnd ge hört, so meinen sie, die Zukunft, Polin nen und samtäugige Jüdinnen falle im Taumel der Weiblichkeiten durch me lancholische Anmut auf. In ihre Ge berden singen Leid und Stolz nd heiße, wilde Blut. In dem Lugano von 1913 herrscht daS Europa von 1914 (v o r dem 1. Au gust), da heißt. Weltbürgertum, da heißt, die Internationale der Gesell schaft, die ebenfalls etwa Gleichmache rifche hat. Der Frack ist mit Recht ein demokratische Prinzip genannt worden. Die" Kavaliere dieser ellschaft. seien sie britische Lordsöhne, entrechtete deut sche Fürsten, amerikanisch Schweine fleisch-Magnaten, ungarische Hochtnie, italienische DSeadentl, skandinavisch Gulaschdauphin, lallanische Ritter ffortumn der fldarnerikanisch Rasta- und Europa. (z. Zt. Lugano)'. qukre; olle derfügm sie über den glei. chen Rockschnilt, die gleiche Haartracht, (straff nach hinten gezerrt h l'm?ri cain), die gleiche blasierte Allüre. Man brauche nicht notwendig ein Ventleman zu sein; aber man Ist In jedem Falle ein .Gent". Kultur del Gemisst, Ueberzüchlung der Lebenkkunst: ein unzeitgemäß ge tvordene WeltweiSheit. Man grüßt sie al eine todgeweihte Erscheinung. Mitten in die gebrochenen Töne und ge brochenen Farben einci zwecklosen, nur um ihrer selbst willen existierenden Schönheit schrillt ine neue Atenschheit mit ihren Forderungen und Anmahnn gen hinein. Auf dem Kai, die Hotel ramperi hinan, sausen die grell lackierten Kraftwagen ' erfolgreicher Valutaschieder und anderer Nutznießer vor Konjunktur und Korruption. Man weiß es auch, daß In den weißesten, lieblichen Land Häusern dieser blauen Gestade die intn nationalen Manager der Kapitalflucht über immer neuen, immer erfinderischen Jntrigen sinnen. Und während die letz ten Stämmlinge feudaler Geschlechter ihre letzten Arbe!tslosen"Einkünfte in Schönheit verzehren, rüstet , robuster, hemmungsloser Daseinswille zum Ent schkidungskampf. ' EuropenS von un! Deutschen fast vergessene Kultur gibt sich in lichten Hotelpalästen an azurnen Küsten die lctz ten Feste, Symposien ihres eigenen Un tergangs. Von den großen Städten, aus den steinernen Wüsten, aber dröhnt dräuend der marschbereite und sieghof sende Tritt der Arbeiterbataillone her über. In der Halle einer riesenhaften Frein denherberge unterhalten sich allabendlich sehr alte, sehr vornehme Leute .über die Eiszeilen und Steinzeiten, die die Erde schon kommen und gehen sah. Mit den inkommensurablen Wundern der (eolo gie und Biologie wollen die Vornehmen sich hinwegtrösten über die verächtlichen Widerwärtigkeiten einer zu großen",, oder zu kleinen Zeitgeschichte. Und viel leicht haben sie sogar recht. Man neigt wenigstens dazu, ihnen recht zu geben, wenn man die grandiose 'Gleichgültigkeit sieht, womit die Sonne jeden Morgen emporsteigt hinter dem Monte Generoso und jeden Abend hinabsinkt hinter dem Monte Salvator. nicktachtend des Welt krikgks und der Wkltrcoolution. nicht achtend entstehender oder vergehender Menschengeschlechter, sterbender odcr er blühender Kulturen Vor dicser erh, venen Gleiclwültig'eit dn. Natur fühlt der Mensch sich klein, unsäglich klein, nichtig bis zum Trikb der Selbstvci nichtung ... lieber dc MI. Wag ein deutscher Gelehrter darübn dachte. Ueber den Adel sagte Jakob Grimm am 1. August 1843 (nach dem stenogra phischen Bericht) folgendes: Auch mir leuchtet ein, daß der Adel als bevorrechteter Stand aufhören müsse; denn so hat schon der Zeitgeist seit ein paar Generationen geurtcilt, jetzt darf er ein lautes Zeugnis dafür abgeben. Der Adel ist eine Blume, die ihren Ge ruch verloren hat, vielleicht auch ihre Farbe. Wir wollen die Freiheit als das Höchste aufstellen wie ist es dann möglich, daß wir ihr noch etwas Höheres hinzugeben? Also schon ans diesem Grunde, weil die Freiheit unser Mittel Punkt ist. dars nicht neben ihr noch et wa! Höheres bestehcn . . . Der größte deutsche Mann . . . Luthcr, war auö ge ringem Stande, und so ist es von nun an in allen folgenden Jahrhunderten. Sie werdcn immer schen, daß die Mehr zahl, der, erweckten großen Geister dem Bllrgerstande angehörte, obgleich auch noch treffliche Männer unter dem Adel auftraten . . . Aus den neueren Zeiten erinnere ich an Lcssing, Winckelmann, Goethe, Schiller, lauter Unadelige und es war ein Raub am Bürgertum, daß man den beiden letzten ein .von" an ihren Namen klebte. Dadurch hat man sie um kein Haar größer gemacht. . . Nach allem . . . kann es mir nur schei nen. daß der Adel aussterben müsse; aber ich glaube nicht, daß er mit seinen Titeln und seinen Erinnerungen getilgt werden darf; diese mögen unS bleiben so gut wie unS Bürgerlichen, die wir ebenso lebhaft an unseren Voreltern hängen . . . Aber etwas ganz andere ist, daß er (der Adel) Einstig j auS Borrechten heraus treten n:d in allen Ctandckbcziehungcn jedem anderen gleich sein wird. Daß aber jene Vorrechte bestanden, haben wir bik auf die letzt Zeit ost mit Schmerzen erlebt. ES war nicht nur daS Recht, goldene Sporen zu tragen oder die Nägel n den Fingern länger wachsen zu lassen, was auch die Mandarine dürfen. ', Muck Pläne. Generalmusikdirektor Dr. Muck weil, gegenwärtig in Graz, wo er Wagner's .Triftan und Isolde" glanzvoll leitete. Dr. Muck gedenkt bi zum beginnende Frühjahr in Gra, zu bleiben, dann in Wien einen WagnerZyklu zu dirigie ren und hierauf in Deutschland einig, Konzerte ,u geben. Wie er in einem Gespräche mit einem Grazer Musikdirek tor erwähnte, werde er sich lo lanoe nicht entschließen können, feste Verpflichtun gen einzugehen, bi nicht völlig geklärt, Verhältnisse eingetreten c'nd. Zur Frag, der Wiedereröffnung de, Festspielhaus , in Bayreutch hat Dr. Muck kürzlich i, Schreib Siegfried Wagner erhalten Die Nachricht ist nicht tröstlich, denn un. ter den gegenwärtigen Verhältnisse, kann leider nicht daran gedacht werden diese Hochburg deutscher Kultur det Oeffentlichkeit bald vied lurmnali i