Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, March 12, 1920, Image 7

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fcnl (mlle). Leipzi. . K. ftoffilor,
Verlag. Pre ebnnken 85 Slinit.
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le wr Iigen.
Noch am vormittag gab Ich an
Hauptmann v. Prina persönNch den
Besebl. mit seinen zwri Europäerkom
, pagnlr nach Zarinn hineinzurücken, um
bei einem Angriff gegen die am Ost
rande bet Orte liegende Askarikompag
nie schnell und ohne Befehl kingreifen zu
. k'öimen. Schon fing ich an zu zweifeln,
ob der yeind am 4. November überhaupt
noch angreifen wllrde, all um, 3 Uhr
nachmittagl-ein Aökarl in sein ein
fachen und strammen Art die Meldung
machte: Adui tajari." (Der Feind
ist bereit.) Dal kurze Wort werde Ich
niemals vergessen. '3m nächsten Moment
ging gleichzeitig das Gcwehrfeuer auf
der ganzen Front los, und man konnte
auf den raschen Verlauf deS Gefecht?
mit seinem Hin und Herwagen nur
au der Richtung des KnalleS der Schüsse
Schlüsse ziehen. Man hörte, iß do8
Feuer sich vom Ostrande Tonga her
In die Stadt hineinzog: hie5 war also
o 6. Kompagnie zurückgeworfen wor
den. Bil dicht an den Bahnhof und
in die Stadt hinein tvar der Feind mit
zwanzigfachtr Ijebermacht vorgedrungen.
Hauptmann v. Prince war mit seinen
bei'. , , Europäerkompagnien sofort vor
gestürmt und hatte die zurückgehenden
braven Askari augenblicklich zum Stehen
und Wiedervorgehen gebracht. TaS
britische, nur auö Europäern, langn
dienten Mannschaften, bestehende North'
Lancashire-Regiment, 800 Mann stark,
wurde mit schweren Verlusten zuruckge
worfen, und auch der zwischen diesem
Regiment und dem Strande vorgehenden
indischen Brigade (Kaschmir -Schützen)
wurden die von ihr genommenen Häuser
in hartnäckigem Straßenkampf entrissen.
Aber auch südlich von Tonga hatte
Häuptmana Baumstark seine Kompag
nien an der Front eingesetzt, und nach
etwa einstündigem Gefecht beobachtete ich,
wie hier dk Alkari izurch die Palmen bis
an die Straße Tonga Pangani 'zu
rlickgingen. Die Europäer deS Korn
mandoS liefen fofort hin und brachten
die Leute zum Stehen. Ich sehe noch
heute den temperamentvollen und zähen
Hauptmann v. Hannmrstein vor mir,
wie er voller Empörung einem zurück
gehenden Asiat! in leere Flasche an
den Kopf warf. ES waren, ja schließ
lich zum großen Teil junge, gerade erst
aufgestellte Kompagnien, die hier föchte
und durch daS starke, feindliche Feuer
verblüfft waren.' Aber als wir Euro,
päer un? vor sie hinstellten und sie auS
lachten, käme sie schnell wieder zu sich
und sahen, dah eben nicht jede Kugel
traf. Aber im Ganzen war der Druck,
der gegen unsere Front ausgeübt wurde,
doch so stark daß ich glaubte, mit dem
Herbeiführen der Entscheidung nicht sän
ger wartn und zum Gegenstoß ansetzen
zu müssen. Hierzu stand allerdings
nur eine einzige Kompagnie zur Bei
fügung, aber es war die gute 13. Feld
kompagnie. Die 4. Kompagnie, deren
Ankunft ich von Minute zu Minute sehn
süchtigst erwartete, war noch nicht ein
getroffen.
TaS bisherige Gefecht hatte gezeigt,
daß der Feind sich mit seiner in der
Flank ungesicherten Front nicht weiter
nach Süden ausdehnte, alö tji, rechte
Flügel unserer Front reichte. ' Hier also
mußte ihn der Gegenstoß vernichtend
treffen, uttd jedem Teilnehmer wird der
Moment unvergeßlich sein, als hier die
Maschinengewehre der 13. Kompagnie
mit Ihrem Dauerfeuer einsehen und den
sofortigen Umschwung bei (kfechtS her
beiführten. Die ganze Front raffte sich
aus und stürzte sich mit jubelndem Hur
ra vorwärts. Inzwischen war auch die
4. Kompagnie eingetroffen; wen sie in,
folge eine! Mißverständnisses auch nicht
och veiter über die 13. ausholend ein
setzt wurde, sondern sich zwischen dieser
Minter im Mocbgebirge.
Was weiß den der Großstadtbewoh
er vom Winter! Er kennt ihn ja mei
sieni nur ia seiner erquicklichen Gestalt,
alt einen verdrießNchen Hypochonder mit
Gummischuhen und ewigem Hüsteln.
Vier bit fünf Monat nasser Jammer,
Nebel, Regen, Schnee und wiederum Re
ftta, auf den Straße in zäher
Schlamm, für dessen Kennzeichnung et
kaum inen parlamentarisch zulässtgen
Ausdruck gibt, und im menschlichen Kör
per alle Unhold de bösen Grippo'
rnihfifU hi ist vnUr klicke?
Großfladtminter. Rafft r sich, so um
Mitte , Januar.' ndlich Inmal zu Iner
Periode festen, klaren FrostmetterS auf.
damit die SltbahnpSchter und die schütt
tchuhlaufende Jugend doch nicht ganz
eer ausgehen, fg hält bat Vergnügen
gewöhnlich nicht lange an. und di
weißes glitzernd Pracht verwandelt sich
, tald wieder in den sattsam bekannte
braunen Matsch. Aber wat hat nt dat
i der schöne Zeit bor dem Kriege ge
kümmert! Da hatte wir so viele Mit
icl zur Hand, dem griesgrämige, alte
Burschen Trotz zu bieten.. Wir faßen,
ohne ängstlich auf den Kohlenverbrauch
zu achte, im mollig erwärmte Zim
mer. wi, hüllte vnt In Wolle und Pelz.
. brauten au Rotwein, Arrak und Rum
einen herrliche Punsch, der wie slüssi
get Feuer die Ader durchrann, delek
Lchkacht bei Tang 4. 5. Novemie,
von General v. Leiiow-Vsrbeck.
und unserer Front Inschob, s, kam sie
doch noch vor Dunkelheit zum wirksamen
Eingreifen. Zn.wilder Flucht floh der
Feind in dicken Klumpen davon, und
unsere Maschinengewehre, aut Front und
Flanke, konzentrisch auf Ihn wirkend,
mähten gar.ze Kompagnie Mann für
Mann nieder. .Mehre ASkart kamen
freudestrahlend heran, über dem Rücken
mehrere erbeutete englisch Gewehre und
an jeder Faust inen gefangenen Inder.
Die Handfesseln aber, die wir bei diesen
vorfanden, zum Gebrauch an deutschen
Gesangenen, 'wandte niemand von unl
ihnen gegenüber an.
Man pelle sich diesen Augenblick röt:
Im dichten Walde, alle Truppenteile, diel,
fach sogar Freund und Feind durchei,
ander gemischt, die verschiedensten Spra
chen ' durcheinander geschrien, und dazu
die rasch hereinbrechend tropische Dun
kelheit und man wird verstehen, daß
die von mir angesetzte Verfolgung gänz
lich mißglückte. Ich hatte mich auf dem
rechten Flügel befunden und schnell die
zunächst erreichbaren Teil in der; Rich
tun auf Rai. Kasone, zu energischem
Nachdrängen angesetzt. Darm hatte .ich
mich auf den linken Flügel begeben.
Dort fand ich von unsere Leuten -fast
nichts vor; erst nach längerer, Zeit horte
ich In der Nacht Schritte von den Nagel
stiefeln einer Askariabteilung. Ich war
froh, endlich eine Truppe zu haben.
wurde aber etwas enttäuscht, als eS eine
Abteilung bei rechten Flugeli unter Leut
vant Langen war, die die Richtung auf
RaS Kasone verfehlt hatte und so auf
unsere linsen Flügel geriet. Aber nicht
genug mit diesen Reibungen." Auf un
erklärliche Weise glaubte die Truppe auf
einen Kommandobefehk wieder in da!
alteLager westlich von Tanga abrücken zu
sollen. Erst im Laufe der Nacht ge
wann ich am Bahnhof in Tawga Klar
heit darüber, daß fast alle Kompagnien
dahin abmarschiert waren. Sie erhiel
ten selbstverpäMich Befchl zu sofort!
ger Rückkehr. Leider war hierdurch aber
doch eine solche Verzögerung eingetreten,
daß eZ nicht möglich war, die Geschütze
der nachträglich eingetroffenen Batterie
Hering noch in der Nacht bei Mondschein
gegen die Schiffe in Wirkung ZU bringen.
Erst am Morgen j deS 5. November
trafen die Truppen, deren starke Er
schspsung ja begreiflich war, wieder -in
Tanga ein und besetzten im wesentlichen
wieder die Stellung deS vorigen TageS.
Jetzt mit allen Kräfte gegen die feind
licht Einschiffung bei RaS Kasone vor
zurücke, war nicht angebracht, da die
dortige Gegend ganz übersichtlich war und
von den. beiden, i . unmittelbarer Nähe
liegenden Kreuzern beherrscht wurde
Aber den starken Patrouillen und einze!
nen Kompagnien, welche zur Störung des
Feindes auf RaS Kalone vorgingen, ge
lang eZ doch, einzeln Abteilungen de!
Feindes, einige seiner Boote und auch
daS Deck deS, am Hospital liegenden
Kreuzers überraschend unter Maschinen
gewehrseuer zu nehmen. Im Laufe deS
Tage? verstärkt sich der Eindruck immer
mehr, daß die Niederlage deS FeindeS
gewaltig gewesen joax. Zwar wurden
die Verluste In ihrem vollen Umfange zu
nächst nicht bekannt, aber die vielen Stel
len. wo Hunderte und wieder Hunderte
von gefallenen Feinden sich häuften, so
wie der Verwesungsgeruch, der unter
der Einwirkung der tropischen Sonne auf
der ganzen Gegend lag. gaben uns einen
Anhalt. Wir schätzten den Verlust sehr
vorsichtig auf etwa 800 Tote, ich glaub
aber, daß diese Zahl viel zu niedrig ist
Ein höherer englischer Offizier, der ge
nau über die Einzelheiten unterrichtet
war. hat mir später gelegentlich eines Ge
fechtS, dessen englische Verlust er aus
1500 Mann angab, gesagt, daß die Der
lust bei Tanga ganz erheblich- großer
gewesen seien. Ich halte sie jetzt mit
2000 Mann noch für zu niedrig ge
schätzt. Größer noch war die moralische
Einbuße deS FeindeS. Er fing beinahe
an, an Geister und Spuk zu glauben;
noch nach Jahren wurde ich von engli
fchen Offizieren danach gefragt, ob teil
bei Tanga dressierte Bienen verwandt
hätten, aber ich kann jetzt wohl verraten,
daß bei unS, bei einer Kompagnie, im
entscheidende Moment alle! Maschinen
von Vlkisv Giimann.
tierten t an WkihnschiSgänsen, Sil
vefterkarpfen, an Pfefferkuchen und
Marzipan, und hundert anderen , guten
Dinge, wir hatte geistig und gesellig
Freude und Lustbarkeiten oller Art,
de Tanz und den heiteren Mummen
schanz det Karnevals - ach. wie ickj
unser Winter damals war. das kommt
uns ja heute rst so recht zum Bewußt
sei! , Da fiel I nicht schwer, sich übet
die unwirschen Launen deS Alten hin,
wegzusetzen.
f Noch etwaS anderes hatte uns Groß
adtern vor dem Kriege den Winter
sympathisch gemacht, un sein SchmZ
chen leichte, ertragen,lassen: die Möglich
reit, ihn für kurze ode, längere Zeit dort
aussuche zu können, wo er wirklich als
echte, Wint, häuft, im hochgelegenen
Gebirgkrevier. Di, neu aufgekommene
Mode de, .Winterfrische' konnte man
sich gefallen lassen, auch wenn man sonst
nicht viel von modischen Dingen hielt.'
Welcher Dastwirt hat wohl als erster
den glückliche Einfall gehabt, fein Ge
birgshotcl auch im Winter offe zu hal
len? Ich weiß et nicht, aber jedenfalls
war e nicht nur ei tüchtiger Geschäfts
mann, sonder auch ein Menschenfreund,
der sich um die Gesundheit und da
Wohlergehen zahllose, Etädte, große
Verdienste erworben hat. Wr nur
tu einzige Mal am igenen Leid er
HjZasrilia.
1314.
kwehtt durch diese .dressierien Bienen
außer Gefecht gesetzt wurde, wir also
unter dieser Art der Dressur genau, so
gelitte haben wi die Englander.
Der Feind fühlte sich vollständig ge
schlagen und war ti auch talsächlich. I
wilder Auflösung wann seine Truppen
geflohen, Halt über Kopf in die Leichter
gestürzt. Die Möglichkeit eine erneuten
Kampfe wurde überhaupt nicht erwo
gen. Aul GkfangenenauSsagen und
aufgefundenen offiziellen englischen
Schriftstücke ging hervor, daß da! ge
sen-te englisch'indische Expeditionskorps,
8000 Mann stark, von unserer ' wenig
übe, 1000 Mann starke Trupp so ver
nichtend geschlagen worden war. Erst
am , Abend - wurde uns die Größe
dieses Sieges dollständig klar, als in
englischer Parlamentäroffizier, Haupt
mann MelnertZbagen. erschien und mit
dem von mir entsandten Hauptmann v.
Hammerstein, über Auslieferung von
Verwundeten verhandelte. Hauptmann
v. Hammerftein begab sich in das Hofpi
tal, da! mit fchmerverwundetcn engli
fchen Offizieren angefüllt war, und ge
nehmigte in meinem Namen, daß diese
auf ihr Ehrenwort, In diesem Kriege
nicht mehr gegen unS kämpfen zu wolkrn,
von den .' Engländern abgeholt werden
durften. ,
Die Beute an Waffen gestattete, mehr
als drei Kompagi.ken modern zu bewaff
nen; die sechzehn erbeuteten Maschinen
gewehre waren unS hierbei besonder!
willkommen. Der Geist der Trupp
und daS Vertrauen in die Führer hatte
sich mächtig gehoben, und mit einem
Schlage war auch ich von einem großen
Teil der Schwierigkeiten befrei), die sich
als hemmende Gewichte an die Führung
hingen. DaS dauernde Feuer der
Schiffsgeschütze, daS in' dem ganz un
übersichtlichen Gelände wirkungslos ge
Wesen war, hatte in den Augen unserer
braven Schwarzen seine Furchtbarkeit
verloren. Die Materialbeute war er
heblich; außer den 600.000 Patronen
alte der Feind fein gesamte? Telephon
gerät und so viele Bekleidung und Aus
rllstung liegen lassen, daß wir auf min
bestens ein Jahr unseren eigenen An
sprllchen, besonders an warmen Mänteln
und wollenen Decken, genügen konnten.
Die eigenen Verluste, so schmerzlich auch
an sich, waren an Zahl doch gering. Et
wa 16 Europäer, unter ihnen auch der
trefflich Hauptmänn v. Prince, und 48
Askari und Maschinengewehrträger wa
ren gefallen.,, D.e Europäer wurden in
einem würdigen Kriegergrab unter dem
Schatten eines prachtvollen LusubaumeS
bcstaliet, wo ine einfache Gedenktafel
Ihre Namen verzeichnet. Die Aufräum
ung btl GefechtSfeldeS und, die Bestatt
ung der Toten erforderte mehrere Ta
angestrengtester Arbeit für die ganze
Truppe; die Stroße Ware . buchstäblich
besät mit Gefallenen und Schwerver
rundeten. In unbekannter Sprache
flehten sie um Hilf, die ihn:, trotz besten
Willens nicht immer gleich gewahrt wir
den konnie. .-
Auf unserem Innerhalb von Tanga ge
legenen Hauptverbandplätze hatte unser
männliches und weibliches Pflegeperfo
nal im Feuer auch der fchweren Schiffs
gcfchütze -reund und Feind gewissenhast
versorgt. Noch äm Abend des 4. No
vember hatte ich die Verwundeten auf
gesucht. Ich ahnte nicht, daß der Leut
nant'Schottstaedt, der hier mit schwerem
Brustschuß auf einm Stuhle saß, nur
noch wenige Minuten zu leben hatte.
Der englisch Leutnant Cook. vom 101.
indischen GrenadierRegimeirt, lag mit
schwerem Beinschuß da. Die Verwun
dung diese? frischt junge Offiziers, der
im Brennpunkt S Gefechts auf dem in
difchen linken Flügel in unsere Hände
gefalle' war, vermochte seine heitere
Stimmung nicht zu beeinträchtigen. Mit
dem Hauptteil der anderen Verwundeten
wurde er im Feldlazarett Korogwe von
unserem beste Chirurgen, dem Stab!
arzt Dr. Müller. DreiviertelZahr lang be
handelt. Er ging bereits wieder um
her. als ein, unglücklicher Fall auf der
Treppe - leider zu tödlichem AuZgange
führt. ' '
probte, wie gut ein paar Tage zwischen
tief verschneiten Bergen tun, wie die
reine Echneelust dat trage schleichende
Blut in schnelleren Kreislauf versetzt und
auf fahle Wangen d! Farbe der Ge
iundqeit zaubert, der ward zum begci
lerten Anhänger der neuen HeiMhre
und zog eine weiße Woche Im winter
liche Hochland dem zweifelhaften St
nuß einer verregneten Sommerferien
Woche entschieden vor. Es brauchte ja
nicht gleich Tirol ode, die Schweiz zu
sein. Auch der Harz, der Taunus,
Spessart,-da Riesengebirge, de, Thü
ringer Wald, der Schwarzmald usw..
bargen ein Füll deS WintrlichSchö
en lind boten von Neujahr ad fast re
gelmäßig eine genügend hohe Schnee
decke zur Betätigung von Wintersport
aller Art. Auch diesem Born der Kräs
tigung und de Wohlbefinden ist un
sere unsrohe Gegenwart nicht hold, g?
nau so. wie sie von Feuerzangenbowlen,
duftenden Festtraten, Pfannkuchen und
Faschingsfreuden nicht wissen will. Sie
legt dem Besuch oa Winterfrischen
und der Ausübung von Wintersport im
Gebirge so diele Hindernisse in Gestalt
von VerkchrZelend und Teuerung in den
Weg. daß Gebirgsgasthös zu, Zeit der
geblich auf ihre, früheren Stammgäste
warten. Da bleibt also dem schwergc
prüfte gute Deutsche nicht weiter
übrig, al sich mit der ganzen Philoso
phie.seinet Vaterlandes ,u umgürten.
Aut einem Paradiese kann man un
bei aller Misere doch nicht vertreiben:
aut dem der Erinnerung an gewesene
Glück, und einen geistigen Genuß kann
man unt doch nicht trllben: dat Spiel
der Einbildungskraft, die übe, Raum
nd Zeit hinweg sich ihr eigene innere
Welt erschafft. Erinnerung und Phan
taste, sie sind e, di unl in die wun
dervoll blendende, funkelnde Winterwelt
det Hochgebirget versetzen, t eine Ruhe
und Reinheit, der, kein Mißton der auf
geregten Zeit etwat anzuhaben vermag.
Ja, die Ruh ist zunächst, die an
windstillen Wintertagen im Hochgebirge
de stärksten Eindruck auf unt macht.
Sie kommt freilich nur dem abgestumpf
tcn Grobstädterohr wie völlig Stillt
vor. Bei längerem Aufenthalt zwischen
den Bergen wird et für die leisen, zar
ten Töne det großen Schweigen? all
mählich empfänglich, vernimmt dat
Murmel der von Ei überwölbten Ge
Wässer, da Nieseln de von den Bäu
men fallenden SchneeS, daS Knistern und
Knacken abbrtchender Zweige und jene
geheimnisvoll klagenden Laute, die de,
Jäger den .Schneeruf' nennt, und de
ren Ursache nicht genau festgestellt wer
den kann. Und dann die wundervoll
reine, bakteriensreie Schnee und Höhen
luft! Ihr woyltätiger Einfluß auf de
menschlichen Organismus macht sich
schon nach kurzem Aufenthalt in den
Bergen bemerkbar. Auf dieser Ersah
rung beruhte ja auch der Gedanke, ge
wisse Leidende nicht mur im Sommer,
sondern ganz besonders auch Im Winter
in hochgelegenen Sanatorien unterzu
bringen.. Der Plan fand anfangs hef
tigen Widerspruch. Lungenleidende, die
man ach alter Gewohnheit bis dahin
ängstlich vor jeder Berührung mit rauher
Luft geschützt hatte und die nur an den
schönsten Tagen ihre Stube verlassen
durften, sollten auf einmal In die
Schnee- und Eisregionen versetzt 'wer
den? , Das schien widersinnig zu sein,
und dennoch geben die guten Heilerfolge
den kühnen Neuerern recht. -
Es gibt in den Alpen freilich auch
trübe,' melancholische Tage, wenn der
Südwind über die Berge bläst, weißlich
wallende Nebelschwaden, von winzigen
Schneekristalle durchsetzt, vor sich her
wälzt und keinen Sonnenschein-aufkom
men läßt. Im allgemeinen aber über,
wiegen im Hochgebirge die klaren, son
nenhelle Tage mit ihrer unendlichen
Farbensymphoni von Weiß in Weiß.
Eine ewige Melodie, und doch mit einer
Fülle von Variationen. Was für ein
Künstler ist der SchneeHand in Hand
mit feinem Genossen, dem Rauhreif!
Wie in toller Karnevalslaune setzen die
beiden den Dachfirsten, Pfeilern und
Zäunen grötesk Zipfelmützen auf, ma
chen auö ehrbaren TelegraphenstaMgen
fürchterliche Gespenster und au Nadel
holzbäumen phantastische weiße Riese.
Das im Sommer so üppige Unterholz
des Waldes verschwindet jetzt gänzlich
unter der weißen Last, und nur hier
und dort bahnt sich ein Wässerchen, des
fen hurtiger Lauf einstweilen noch dem
Frost widersteht, plätschernd und gur
gelnd seinen Weg durch den Schnee.
Es ist ein ästhetischer Genuß, sich in de
Mikrokosmos der Schneegebilde zu ver
tiefen, die zahllosen Spielarten ihrer
Forme zu verfolgen. Von Eintönig
seit kann da für ein liebevoll nachspll
rendeS Auge nicht die Rede sein, nicht
, einmal von Eintönigkeit der Farbe. Als
? k . r . n . ' iytti r i
in uiijcrcr unji vor einem sucnajcn
alter der Impressionismus , aufkam und
inige Maler den Schnee gelb, violett
und blau malten, wurden sie ausgelacht,
sehr zu Unrecht, und auch nur von
denen, die keine richtigen Gebrauch von
ihren Augen zu machen verstehen. Denn
bei bestimmten Lichtverhältnissen nimmt
de, Schnee in de, Tat scheinbar alle
möglichen Farbentöne an, vom stumpfen
Grau bis zum flammenden Gelb oder
Rot, genau so, wie auch das Meer oder
der Wüstensand ia seiner Farbe von der
Beleuchtung abhängig ist.
Am packendsten kommen die Kontrast
erscheinungen des Zusammenspiels von
Schnee und Sonnenlicht in den hochge
legenen Winterkutorten der südlichen
Alpen, etwa im' Engadln und in den
Dolomiten, zum Ausdruck. Ueber die
von Schnee und Eis starrende Gebirgs
welt spannt sich da ein bereits ganz
italienisch anmutender blauer Himmel,
Die Nächte sind bitter kalt, die Sterne
funkeln in wundervoller Pracht, knir
schend und schreiend klingt der Schnee
unter den Tritten. Nocb am Morgen
wagt man sich nur ia dichtester Ver
mummung hinaus. Aber hat erst, so um
die zehnte Stunde, der Sonnenball sein
tägliches Scharmützel mit den wogenden
Nebelschwaden siegreich bestanden, so
tritt, wie mit einem Schlag, eine Ver
änderung ein. Eine Flut öon goldigem,
warmem Licht ergießt sich über die eben
noch so grauen Schneeflächen, die Queck
silbersäule deS Thermometer klettert
zusehends hoch, Ueberzieher und Schal
werden bald als überflüssta empfunden..
I Die mächtigen Eiszapfen an den Dä
zern, ,n intet majienyasten Gruppte
rung oft erstarrten Wasserflächen gleich,
beginnen zu tröpfeln, um sich nachmit
tagS, wenn die Sonne hinter den Bei
gen verschwindet und kalte Schauer die
Rückkehr der Winternacht verkünden,
auf neue zu bilden. Diese wenigen,
aber von fast frühlingsmäßiger Son
nenIiärme. von überströmendem blen
dendem Licht ' erfüllten Stunden mit
ihrer köstlich reinen Luft, ihrem keuch
tendea Himmelsblau haben etwat Wun
derbarÄelebendeZ, daß S wie starker
Wein durch die Adern rinnt. Sie.bräu'
vea das Antlitz wie im Sommer, spen
den dem Leidenden neu Zuversicht, dem
Gesunden neuen Ansporn zur Tat.
Wenn sich die Sonne dann wieder zum
Scheiden rüstet, beginnt ein hinreißen
bei Farbenspiel. Intensiv gelbe, rote,
violette, blaue Lichter huschen über den
Schnee. Die Bergfirne leuchte noch
lange nach dem Verschwinden de Son
nenballs in satter Glut, und wenn auch
diese endlich erlischt, dann breitet sich
wieder die lange, eisige Winternacht mit
ihrem funkelnden Sternenzelt über da!
Tal.
Neigt sich der Winter dem Ende zu.
im Hochgebirge etwa um Mitte des
März, so beginnt sich da Bild der al
pine Winterlandschaft iemlich' rasch
Die
ZKnlsa Bim ) -Die
bisher veröffentlichtett Briefe det
früheren deutschen Kaiser an den Za
im Nikolaus sind keine Privatbriefe.
Sie handeln nicht nur von Politik, sie
haben auf die internationale Politik der
letzten Jahrzehnte auch zweifellos erheb
lichen Einfluß geübt. Man wird ver
suchen, diese Briefe ebenso wie t mit
einigen Randglossen des Kaiser zu
diplomatischen Altenstücken geschehen ist,
gegen die Monarchie alt solch auszu
beuten. Aber nichts märe oberflächlicher.
Daß in persönlichen Handschreiben, die
zwischen Monarchen gewechselt werden,
Politik gemacht wird, beweist noch Nicht,
daß diese Politik schlecht sein muß, und
daß nicht auch auf diese Weise ein durch
Erbfolge an die Spitze ine StaatSme
sens berufener Mann zum Wohle diese
Ctaatsmesens arbeiten lann. Man denke
nu, an den rege Briefwechsel und per
sönlichen Reiseverkehr, den Eduard Vll.
von England unterhielt. Ueber seine
'Erfolge hat stcki die englisch Nation nicht
zu beklagen gehabt. Die Briefe des deut
fchen Kaisers brauchen an und sü, sich
auch noch nicht einmal Zeugnis dafür
abzulegen, daß' hinter der Kulisse einer
scheinbar konstitutionellen Verfassung
ein persönliches Regiment aufgerichtet
war. Denn es wäre an sich durchaus
denkbar, daß der Privatbrief nur eben
eine Form für besonders wichtige po
litische Handlungen ist, auf di nicht nur
in der Gedankcngebung, sondern unter
Umständen auch in der Formulierung
besonders, heiller Stellen der derant
wortliche Minister des Reiches seine
Einfluß geübt hat. AuS einer ganze
Reihe von Veröffentlichungen, denen
mündliche Zeugnisse ehemaliger Staats
männer hinzugesügt werden könnten,
geht sicher hervor, daß ein erheblicher
Teil auch der politischen Privatkor,
sponden, Wilhelms IT. unter de Auge
und mit Hilfe der Kanzler gefertigt
worden ist. Andererseits ist es ebenso
sicher, daß die ganze Gesinnungsart
ung daS ungezügelte Temperament deS
Kaisers ihn öfter als andere Monar
cbe veranlaßt haben dürften, die
Schranken der verfassungsmäßigen Zu
lässtgkeit zu sprengen. Und wenn sich
tatsächlich schon auS den bisher veröf
fentlichten Briefstellen stark und pla
siisch. ein charakteristisches Bild jener
lgcnartigen Regierungsverhältnisse er
gibt, die ma stets alS ein Hauptkenn
zeichen der .wilhelminischen" Epoche an
sah, so ist daS nicht in erster Linie aus
vem Umstand zu erklären, daß der Kai
ser selbst zur Feder greift, und daß er
über politische Gegenstände schreibt. Der
Ton ist es, der hier die persönliche Re
glmentsmusik macht. . Gerade einzelne
gelegentliche Aeußerungen wiegen hier
besonders schwer, die ohne jede Absicht
und ohne jede Pose hingeschrieben, blitz
artig die Auffassung beleuchten, die der
deutsche Kaiser von seiner Allmachtstek
lung im Staat gehabt hat. E, beruft
sich nie auf den Ratschlag seiner verant
wortlichen Staatsmänner, die für ihn
nur ausführende Organe sinv. Er ord
net an, was .mein Onkel der Kanzler',
im Reichstag zu sagen hat. E, setzt die
Richtlinien jede, Politik selbstherrlich
fest.. Man könnte annehmen, daß es sich
hier nur vm ei beabsichtigtes Aufrecke
seiner Gestalt nach außen hin handeln
sollte, wenn er mit dem Zaren kor
spondierte, dem, Selbstherrscher aller
Reußen, von dem er wie ein Gleicher ge
achtet werden wollte.. Aber es ist ja
leider aus Tausenden von Einzelbeispie
len bekannt, die die Regierungszeit Wil
hclmS II. geliefert hat, daß solche Brief
stellen am echtesten seine wirkliche Auf
fassung wiedergeben. Bei der Lektüre
dieser Briefe findet man hie und da ein
gewisses Gefühl de Bedauerns, daß'
nicht auch jedesmal die Antworten des
Zare mitveröffentlicht werden können.
Aber auch ohne diese Antworten zu ken
nen, gewinnt man nicht selten den Ein
druck, daß de, Zar. der nach der Theorie
von der höchsten Gewalt des Herrscher
umkleidet war, sich viel weniger unab
hängig von seinen Ministern und von
den politischen Strömungen seines Lan
de fühlt als sein Vetter i Deutsch
land, der durch in Konstitution und
außerdem doch noch durch seine Eigen
fchaft als erster unter an sich .gleichge
stellten deutschen Fürsten gebunden war.
Diese Grundauffafsung deS Kaiser
ist auch verhängnisvoll fü, seine Politik
und fü, Deutschland geworden. Bei
dem hohe Verantwortungsgefühl, dat
ihn beseelt und da auS vielen feiner
Briefe immer wieder hervorklingt. ist
ihm gewiß nie die Vorstellung gckom
men, daß di Wölker der Monarchen
wegen da feien. ; Im Gegenteil: der
Monarch ist. wie tt S auffaßt, von Gott
zu verändern. EtwaS Seltsam-Weiche
liegt in der Last, die gewaltigen Schnee
Massen kommen allmählich in Schwel
zen, die Wasserläuf breche sich Bahn
und bringen mit ihrem Krefcendo wieder
ine kräftig dominierenden Ton in dat
schweigende Weiß. Und andere wilde
Naturlaute weiden wach, den eS sind
die Tage der Wetterwende, det Früh
lingssturm. Der aut Welschland kom
wende .Schneesresser'. der Föhn, durch
rast heulend und pfeifend den Forst und
schüttelt die Bäume, daß ihre weiße Last
zerstiebt und dat morsche Geäst krachend
zu Boden stürzt, et zermürbt mit sei
nem warmen AtemdeZ SlloenS den
Schnee und lockert ihn an den steilen
Hängen bisweilen so, dzß e, felderweise
int Gleiten kommt. Wird die Bnve
gung nicht schon im Anfang gehemmt,
so nimmt si mit rasender Schnelligkeit
ihren Lckuf: donnernd und dröhnend,
alle Hindernisse, wie Bäume und Fels
blöcke, mit sich reißend, stürzt die La
wine unaufhaltsam zu Tal. Weh dem
AlpenhauZ, das einer Grund oder
Schlaglawin im Wege steht! EZ wird
gewöhnlich schon durch den Ihr voran
stürmenden Luftdruck zerstört, und die
kolossal Schneemassen rollen dann mit
unheheurer zermalmender Kraft wie
xin, Walzt über di Trümmer hinweg.
Aniserbneke.
von Georg Vernhard.
berufe, der Führer feinet Volk ,n sei,
und ihm bit zur Selbstaufopferung zu
dienen. Aber der von der Vorsehung
Mit solcher Pflicht Belehnte vereinigt in
sich alle Gefühle, Empfindungen und
Vorstellungen des Volkes in höchster
Vollendung und Weisheit. Und deS
halb kann da Schicksal deS Volke nur
nach den Zielen, di dem Herrscher vor
weben, gelenkt und ganz felbstver
'ländlich nur unter dem Gestchtswinkel
ener Interessen beurteilt werden, die den
Monarchen beherrschen.
Wilhelm II. war von nichts so durch
drunge als davon, daß legitimistischet
Gottesgnadentum und d! Religion
daS heißt, sein eigener christlicher
Glaube die Angelpunkte jeder Ord
nung und Gesittung seien.' Diese Ueber
zeugung ist gewiß wie jede ehrlich Ge
sinnung im höchsten Maße achtenswert.
Dem deutschen Kaiser aber würd sie zur
Grundlage der Politik. Die Abneigung,
und die Sympathie, die daraus nt
sprangen, , färbten ihm daS Weltbild fo
sehr, daß er die realen Faktoren, di in
den wirtschaftlichen Interessen und
Machtverhältnissen lagen, 'überhaupt
nicht wahrnehmen oder doch nicht gebllh
nnd einschätzen konnte. Die in ihren
Folgen überaus verhängnisvolle ostasia
tische Politik des Kaiser? erklärt sich'
vor allem dadurch, daß er gelbe und
weiße Rasse, Christentum und BuddhiZ
muö. ehrlich als unüberbrückbare' Gegen
stitzi empfand. Es kam ihm niemals
bei, daß andere Monarchen und insbe
sondere ihre Staatsmänner jemals an
der; empfinden konnten, und er hat
wohl niemals geahnt, daß die Zeichnung,
die Knackfuß signiert und di die Völ
ker Europas zur Wahrung ihrer heilig
sien Güter aufrief, von ebenfalls christ
kicken Monarchen und gleichfalls christ.
lickcn Staatsmännern als willkommenes
Mittel benutzt weiden konnte, gegen
Deutschland bei Japan zu Bündniszwe
cken ausgespielt zu werden. Solche
Ahnung beschlich ihn selbst dann nicht.
swenn er demselben Zaren, dem er soeben
erst Beifall für die Bekämpfung der Ja
paner gezollt hatte, in einem anduen
Briefe seine Bewunderung übe? diplo
malisches Entgegenkommen gegenüber
denselben Japanern aussprach.
Für seine Auffassung über die Legiik
mität ist aber besonders charakteristisch
sein Verhältnis zu den Franzofen. Der
Hinweis auf Faua und Loubet, diz auf
dem Thron sitzen,, der eigentlich den
Bourbonen gebührt, ist nicht bloß von
dem Wunsche diktiert, den Zann einzu
fangen. Er entspringt jener Nichtach
tung, die der Kaiser allen jenen entge
geabringt, die, wie -er an einer späteren
Briesstelle sagt, nicht Fürsten oder Kai
ser sind". Das religiöse Empfinden des
Kaisers hätte es sicherlich nicht zugelas
seit, auch den niedersten Menschen an
sich anders zu werten, als einen Priil
zen. ' Aber di Gabe des höchste In
tellekts und der höchsten Vertrauenswür
digleit, die konnte nur durch die Vor
sehung, nur durch das äußerlich sicht
bare Zeichen des Vorranges der Geburt
verliehen werden. . Die französische Po
litik des Kaisers zeigt besonders deutlich
jenen eigenartigen Widerspruch, der Wil
Helm II. alS Politiker zerklüftete und
hemmte: Er sah viel Notwendigkeiten
durchaus richtig. E, wanderte mit sei
nen Absichten vielfach auf dem völlig
richtigen Weg. Aber r vergriff sickz fast
immer auS Mangel an ftaatsmänmfcher
Einsicht in den Mitteln und wurde an
der Anwendung der richtigen Mittel zu
dem noch durch seine Vorurteile gehin
dert. AuS den Briefen deS Kaisers
leuchtet überall der heiße Wunsch hervor,
feinem Lande und Europa den Frieden
zu erhalten. ' Mit sehr sicherem Instinkt
erkannte er, daß der Weg zn einer ge
wissen Scheinmacht für Deutschland auch
in der Weife zu beschreiten war, dafj
Deutschland sich als Degen Englands in
Europa vermietete, daß aber deutscher
und europäischer Friede nur durch euro
pciischen Zusammenschluß gewonnen
werden konnte. ' In den verschiedenen
Phasen seine, Regierung ahnte er auch
stets, daß dazu eins Verständigung zwi
fchen Deutschland und Frankreich not
wendig war. Und in Teil seine, wü
tenden Ausfälle gegen die Franzosen ist
doch abgesehen von seinem Abscheu
gegen Republik und Revolution letz
ten Endes nicht anders zu erkläre, als
durch die seelische Unmöglichkeit, dieser
wichtigen Nation näher kommen zu kön
nen, weil sie ' keinen ebenbürtige Re
präftntanten für Verhandlungen zn stel
len hatte. Als er die Verbindung nach
Paris durch die Vermittlung des Za
nn anknüpfen kann, scheitert sie schließ
lich daran, daß der Kaiser es ablehnt,
den Zaren Loubet und Dclcassö inS Ver
trauen ziehen zu lassen. Gerade dieser
Brief, der demnächst veröffentlicht wer
den wird, spricht Bände. Er führt eine
um so beredtere Sprache, als die deutsch
französische Annäherung in jener Zeit
keine Chimäre, sondern von Delcassö
lebhaft gesucht und durch den Zaren zu
erlangen war. ,
Die eigentlichen Bemühungen Del
cassöZ fallen in die Jahre um die Jahr
bundertwende, wo vor und nach de,
Schmach von Faschoda Frankreich An
fchluß suchte. Die Faschoda-Affan er
ignete sich im Jahr 1893, und s ist
kein Zufall, daß kurz vor Faschova unv
vor dem Ausdruch des BurenkriegeS di
englischen Bündnisangebote an Deutsch
land gemacht werden, von denen , der
Kaiser an den Zareik berichtet. ES mär
ganz falsch, die Echtheit der englische
Absichten zu bezweifeln. Aber gerade
aus der Situation, in der die Bündnisse
angetragen wurden, ergibt sich auch ge
nau, welchen Zweck sie hatten: Deutsch
land sollte England als Rückendeckung
gegen Rußland dienen. Für inen ziel
klaren Politiker gab es. wenn er, wie et
bei dem Kaiser der Fall war, sowieso
sich von der Notwendigkeit der Freund
schaft zu Rußland durchdrungen fühlte,
nur den eine Weg: mit aller Macht
die kontinentale TripleAllianz herzu
Pellen, die gemeinsam mit dem alten
Dreibund den Frieden und bl Einheit
Europa hätte sichern können. Vielleicht
war zu jener Zeit die einzige Gelegen
heit, die Torheit, der Kündigung de
deutsch'russtschen Rllckversich:rungsver
traget wieder auszugleichen. Aut vem
Briefe de Kaiser vom 80. Mal 1838
und auch auS spätere Bliesen noch geht
hervor, daß er die nationale Lebenöwich
tigkeit jene Moments mindesten ahnte.
Ader wit schließlich jahrelang Be
mühunge durch Ebenbürtlgkeitsbeden
ken (als et ch dem Vertrag zwischen
England, und Frankreich über Aegypten
und Marokko sowieso vielleicht zu spät
war), scheiterten, so war die Methode,
die der Kaiser zur Erreichung feinet
Ziele einschlug, höchst bedenklich. Die
Mitteilung eines Bündnisangebote an
eine andere Macht , ist stets gefährlich,
wenn sie nicht schnell die andere Macht
zum Verbündeten gewinnt. Jndislre
tione rächen sich immer. Und s un
terliegt wohl keinem Zweifel, daß die
Mitteilung det deutschen Kaisers über
Petersburg recht bald nach England zu
rllckgelangte, ebenso "toie leibe ia Ruß
land auch dielfach mit Aeußerungen
operiert werden konnte, die der Kaiser
gegen Rußland in London getan hatte.
Der Kaiser glaubte, Privatbriefe zu
schreiben. Wer selbst wenn der allmSch
tige Zar von de;eN Inhalt keinem sei
er Minister amtlich etwa mitgeteilt
bätte, S muß ganz ausgeschlossen ,
scheinen, daß bei den verschiedenen Par
tciungen m russischen Hofe- und i der,
Zarenfamilie all das, waS d Kaiser
in seinen Briefen äußerte, nicht g
möglich sogar entstellt weitergetragen
wurde. Und darin liegt für Deutschland
die verhängnisvolle Wirkung der Kai
ferbriefe in allererster Linie: Der Glaube
an die Indiskretion und Unzuverlässig,
keit der deutsche Politik hat wahrschein
lich von ihnen ihren Anfang genommen,
um so mehr, alS gerade der Glaube spä
ter unterstützt werden mußte, alt
Deutschland daS Detcassösche Bündni
angebot in der gleichen Weise nach Lon
don berichtete. , ,
Schon in diesen Briefe macht sich
das merkwürdige Streben kenntlich, da
auch noch für die deutsche Kriegspokitik
so beztichnend gewesen ist: Lundesge
nossen gegeneinander, auszuspielen. Der
Kaiser, der noch gegenüber dem Zann'
den entlassenen Bismarck wegen je
Rückversicherungsvertraget beschimpft,
der Kaiser, der selbst diesen Vertrag ge
kündigt hat. de, jeden russischen Herr
scher von Ehre verhindern mußt, inen
formellen Pakt mit Frankreich zu schlie
ßen,'versucht nun, den Zaren gegen seine
Verbündeten einzunehmen. Derselbe
Kaiser macht harin den Zaren gegen
Frankreich mißtrauisch, weil S nach
der Abweisung durch Deutschland mit '
Endland Fühlung sucht. ; Er sieht nicht,
daß er durch sein eigene Schaukelpolitik
die sämtlichen europäischen Staaten ge
gen sich vereinigt und gleichzeitig Japan .
diesem Staatenbund hinzuzwingt.
Diese, Kaiser, der 'den' Friede mit
ganze, Seele will und doch die Kriegs
konstellation de, Gegner vorbereitet, der
bald hierhin, bald dorthin große Worte
macht, , der sich als treues Glied seiner
weitverzweigten Familie fühlt, und doch
von allen Familienmitglieder alö Un
ruhestifter empfunden wird, ist gewiß
ein schwere Belastung der deutschen Po
litik gewesen. Aber trotzdem wäre et
falsch, ihn nunmehr alS Sündenbock für
all das. waS geschehen ist, zu betrachten.
Man hat mit Recht schon darauf hinge
wiesen, daß daS deutsche Volk, das ihn
gewahren ließ, ein viel größeres Maß
von Schuld trifft. Aber damit ist "dat
Problem nicht erschöpft. Denn Wil
Helm II. alS Politiker ist in seiner gan
zen Sinnesart ein Exponent der deut
fchen unpolitischen Gesinnung. Und bat
beutsche Volk ließ ihn eben deshalb ge
wähnn und bewunderte ihn sogar in
den weitesten Kreisen, weil es ia seiner
Ahnungslosigkeit das. wag er trieb, fü,
Politik, sür die Politik schlechthin, hielt.
Wie der deutsche Kaiser deS festen Glau
benS lebte, nur der von der Vorsehung
durch Geburt Berufene sei befähigt, di
Fäden der Politik zu spinnen, so hielt
s in großer Teil deS deutschen Volles
füt selbstverständlich, daß Politik alt
Ausfluß höherer Weisheit nur durch
seinen Vormund ausgeübt werden könne,
dem Amt. Räng und. Würde de Ver
ftani verleihen, den er nach Entziehung
deS Amtes durch Dearadierun zum
einaajn Vmaisourge ruiomairicn i
e. js. ...
er veriien.
Offenbach als CyndikaNft.
Die französischen Zeitungen bemühe
sich. Anekdoten von Offenbach wachzu
rufen. Während die Pariser Schauspi
ler sich geräuschvoll dem Syndikalismus
ergeben, ist e interessant wie bet
'Figaro eS tut die Offenbach-Biogra
phie durchzublättern, um zu entdecken,
daß der Verfasser der .Schönen Helena
vor langen Jahren auch schon auf Syn
dilaliflen stieß. Im Jahre 1878 gab
er sein erste Konzert in New Fork.
Ueber die Auseinandersetzung, die r
dort mit seinem Orchester hatte, berichtet
er in feinen Reiseerinnerungea: ,Dit
Musiker haben hier eine große und mäch
tige Organisation. Sie sind in eln.
Verband vereinet, außerhalb dessen et
keine Rettung gibt. Jeder Angehörige
ineS Orchesters mun eingeschriebene,
Genoss bicser Gesellschaft fein. AuS
nahmen werden nicht gestattet. Alle, vom
Musikleiter bis zum Paukenschläger
müssen ihr beitreten.' Nachdem man
Ofenbach die Lage der Dinge erklärt
hatte, verlangte man nach der" erste
Probe, er solle Mitglied deS Verbandet
werden. .Ich protestierte nicht.' fährt
n, fort, .fondern beeilt mich, ,u sagen,
daß ich ihre Einrichtung durchaut bil
ligt und e mir zur Ehr anrechnet,
ihn anzugehören. Donnernde, Applaut
erhob sich. Ich hatt mir meia OrM
erobert, ,M
r
h